U-Haft II: Länge der U-Haft, oder: Auslieferungshaft und/oder Warten auf den Neubeginn der HV

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Das zweite Posting zu Haftfragen ist dann auch der Länger der U-Haft gewidmet, und zwar im Zusammenhang mit der Fortdauer der U-Haft und der sich stellenden Frage der Verhältnismäßigkeit (§ 112 Abs. 1 Satz 2 StPO). Dazu stelle ich zwei Entscheidungen vor:

Zunächst kommt hier der OLG Hamm, Beschl. v. 08.06.2021 – 3 Ws 169/21. Der Angeklagte war ins Ausland geflohen und hatte sich für einige Zeit in Senegal in Auslieferungshaft befunden. Dazu meint das OLG in seinen Leitsätzen:

1. Eine lange im Ausland erlittene Auslieferungshaft auf Grund eines Europäischen Haftbefehls aus Deutschland begründet alleine noch keine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 StPO.

2. Etwaige Erschwerungen durch die Haftbedingungen im Senegal führen nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 StPO, wenn der Angeklagte solche Erschwerungen erst durch seine vorausgegangene Flucht nach Afrika schuldhaft verursacht hat.

Als zweite Entscheidung stelle ich dann den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 7.4.2021 – 3 Ws 129/21 – vor. Da lagen zwischen einer ein erstinstanzliches landgerichtlichess Urteil e aufhebenden Entscheidung des BGH im Revisionsverfahren und der geplanten neuen Hauptverhandlung nahezu 18 Monate. Das war dem OLG Karlsruhe selbst unter Berücksichtigung von Verstößen gegen Auflagen nach § 116 Abs. 4 StPO zu viel. Es hat daher den Haftbefehl aufgehoben:

„Die zulässige Beschwerde des Angeklagten ist begründet.

Zwar sind in dem Verhalten des Angeklagten durchaus beharrliche und gröbliche Zuwiderhandlungen gegen die erteilten Anweisungen im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 1 StPO zu sehen, aber der Haftbefehl ist gemäß § 120 Abs. 1 StPO aufzuheben, da der Beschleunigungsgrundsatz verletzt ist.

Untersuchungshaftsachen sind von Beginn an und während der gesamten Dauer des Strafverfahrens mit der größtmöglichen Beschleunigung zu betreiben (BVerfG, StV 2009, 479 — juris). Die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Beschleunigungsgebot gelten nicht nur für den vollstreckten Haftbefehl, sondern sind auch für einen gemäß § 116 StPO außer Vollzug gesetzten Haftbefehl von Bedeutung (BVerfG, NJW 2006, 668 — juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30.12.2014, 1 Ws 293/14 — juris). Denn auch die Beschränkungen, denen der Beschuldigte bzw. Angeklagte durch Auflagen und Weisungen ausgesetzt ist, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen des Falles erforderlich ist (hierzu insgesamt: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63.Aufl., Rdn. 3 und 5 zu § 120 m. w. N.)

Zwischen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.11.2019 und der geplanten Hauptverhandlung am 18.5.2021 liegen nahezu 18 Monate. Hinreichende Gründe, die diese Verzögerung in einer Haftsache rechtfertigen würden, sind aus dem oben dargestellten Ablauf nichtersichtlich. Der Haftbefehl ist daher wegen Verstoßes gegen das in Haftsachen stets zu beachtende Beschleunigungsverbot aufzuheben.“

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