Schlagwort-Archive: Strafzumessung

Mehr als ein Jahr für 3 gr. Marihuana sind zu viel….

© eyetronic Fotolia.com

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Ich habe länger kein Posting mehr zur Strafzumessung gemacht. Da kam mir der BGH, Beschl. v. 04.11.2014 – 2 StR 300/14 – gerade recht. Nichts Weltbewegendes, aber ein nettes, kleines Schmankerl, das mal wieder an das Doppelverwertungsverbot und daran erinnert, dass Strafe immer einer gerechter Schuldausgleich sein muss. Letzteres gibt der 2. Strafsenat dem LG mit für den 2. Durchgang:

Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Strafrahmenwahl in den 32 abgeurteilten Fällen des Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinen Betäubungsmittelgeschäften angesichts der Vielzahl von Fällen und mit Blick auf zahlreiche Abnehmer gewerbsmäßig gehandelt hat, und hat sodann geprüft, ob die danach eintretende Regelwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falles gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG entfallen kann. Dabei hat es unter anderem „strafschärfend“ berücksichtigt, dass der Angeklagte das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit erfüllt hat, und hat seiner Strafbemessung sodann den Strafrahmen des besonders schweren Falles zugrunde gelegt. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob bei Vorliegen eines Regelbeispiels die Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles entfallen kann, hat der Tatrichter zwar grundsätzlich alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen, doch kann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 46 Abs. 3 StGB die Gewerbsmäßigkeit des Handelns, die als Regelbeispiel zur Prüfung des § 29 Abs. 3 BtMG führt, nicht als Umstand herangezogen werden, um ein Ab-sehen von der durch die Gewerbsmäßigkeit begründeten Regelwirkung zu verneinen….

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die zu verhängenden Strafen einen gerechten Schuldausgleich für die begangene Tat darstellen müssen und insoweit eine Freiheitsstrafe von einem Jahr in keinem Verhältnis mehr für das durch geringe Handelsmengen (von zum Teil lediglich 3 Gramm Marihuana) bei einer Wirkstoffkonzentration von nur 2 % THC geprägte Tatunrecht steht (vgl. BGH, StV 2014, 611).“

 

Fataler Datumsirrtum – Bewährung futsch, oder: Etwas mehr Sorgfalt bitte

© Stefan Rajewski Fotolia .com

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Zu einem fatalen Datumsirrtum zu Lasten des Angeklagten ist es in einem Urteil einer kleinen Strafkammer des LG Düsseldorf gekommen.  Da war die Strafkammer in einem Verfahren wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bei den Strafzumessungserwägungen u.a. davon ausgegangen, dass der Angeklagte „die Tat während zweier laufender Bewährungen und nur neun Monate nach der Entlassung aus der Strafhaft begangen habe.“ Das hätte gestimmt, wenn die neue Tat, wovon das LG bei seinen Erwägungen ausgegangen ist, tatsächlich am 30.11.2013 begangen worden wäre, denn Haftentlassung war am 17.02.2013 erfolgt. Festgestellt hatte das LG die Tat aber am 30.12.2013, also neun Monate nach Haftentlassung. Und das führt dann im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2014 – 1 RVs 81/14 -zur Aufhebung:

„Der Rechtsfolgenausspruch begegnet dagegen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat bei den Erwägungen zur Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten unter anderem berücksichtigt, dass er die Tat während zweier laufender Bewährungen und nur neun Monate nach der Entlassung aus der Strafhaft begangen habe. Auch das Absehen von einer Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 StGB hat das Landgericht maßgeblich darauf gestützt, dass der Angeklagte die Tat trotz seiner erstmaligen Haftverbüßung vom 30. November 2012 bis zum 17. Februar 2013 begangen habe. Dabei ist das Landgericht offenbar irrtümlich von der Begehung der Tat im November 2013 ausgegangen. Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen zur Sache hat der Angeklagte die Tat tatsächlich aber am 30. November 2012 begangen, mithin unmittelbar vor der teilweisen Verbüßung der viermonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 4. November 2011. Hierauf beruht die Rechtsfolgenentscheidung. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer milderen Strafe und im Hinblick auf die Voraussetzungen der §§ 47 Abs. 1, 56 Abs. 1 StGB zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es bei der Rechtsfolgenentscheidung die Möglichkeit einer erzieherischen Wirkung der erstmaligen Verbüßung von Haft unmittelbar nach der Tat bedacht hätte.“

Interessante Frage, die sich stellt/anknüpft: Und wenn nun der „30.11.2012“ in den Feststellungen ist? Was dann? Denn die sind rechtskräftig, weil das das OLG insoweit die Revision des Angeklagten verworfen hat. Ggf. wirkt sich das jetzt im 2. Durchgang zum Vorteil aus. 🙂

Aber es passt auch im Übrigen nicht so ganz

„Nach den getroffenen Feststellungen ist ferner nicht auszuschließen, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt nur in einem Verfahren unter Bewährung stand. Die teilweise Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 4. November 2011 erfolgte ausweislich der Feststellungen nach dem Widerruf der ursprünglich bewilligten Strafaussetzung wegen Nichterfüllung einer Arbeitsauflage. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs (Inhaftierung noch am Tattag) ist davon auszugehen, dass der Bewährungswiderruf im Tatzeitpunkt bereits erfolgt war, so dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nur wegen der in dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 1. August 2012 verhängten Strafe unter Bewährung stand.“

Da kann man dann nur sagen: Etwas mehr Sorgfalt wäre nicht schlecht….

Strafzumessung: Da müsste sich an sich die Tastatur sträuben

© Dan Race Fotolia .com

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OK, Strafzumessung ist schwer – wirklich? -, jedenfalls häufig für den Bestand eines Urteils nicht „ungefährlich“. Das zeigen dann die relativ häufigen Aufhebungen von Rechtsfolgenaussprüchen durch den BGH. Allerdings ist Strafzumessung m.E. nicht so schwer, dass man als Tatgericht nicht den ein oder anderen Fallstrick kennen sollte. Und das ist leider (manchmal) nicht der Fall. Das beweist m.E. mal wieder das BGH, Urt. v. 21.08.2014 – 3 StR 203/14 –, in dem es letztlich um einen allgemeinen Grundsatz der Strafzumessung geht, den der BGH mit zwei Sätzen erledigt, nämlich:

„2. Auch die wegen Tötung durch Unterlassen verhängte (Einzel-)Freiheitsstrafe hat keinen Bestand.

Das Landgericht hat bei deren Bemessung den Strafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt und von dessen Milderung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgesehen. Dabei ließ es sich „entscheidend von der Über-legung leiten, dass die Angeklagte den schweren Taterfolg in Gestalt des Todes eines Menschen unschwer hätte verhindern können“. Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn das Landgericht hat damit das strafbegründende Unterlassen selbst zugleich als Grund für die Versagung der Strafmilderung herangezogen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 1997 – 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245).“

Sollte man wissen und vor allem beachten. Müsste sich an sich die Tastatur sträuben, so etwas zu schreiben.

Die Untreue des Rechtsanwalts – wie geht das mit der Strafzumessung?

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Der BGH, Beschl. v. 24.07.2014 – 2 StR 221/14 ist in einem Verfahren ergangen, in dem der angeklagte Rechtsanwalt u.a. wegen Untreue verurteilt worden ist, und zwar wegen „nicht ordnungsgemäßem“ Umgang mit Fremdgeldern. Einen Teil des Schuldspruchs bestätigt der BGH, beim Strafausspruch sieht es aber anders aus. Da hebt er auf:

a) Das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 10 bis 13 im Rahmen der Strafzumessung nicht erkennbar berücksichtigt, dass der Angeklagte aufgrund der verfahrensgegenständlichen Tatvorwürfe aus der Rechtsanwaltschaft aus-geschlossen worden ist. Anwaltsrechtliche Sanktionen nach § 114 Abs. 1 BRAO sind als Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB aber bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen zu berücksichtigen, wenn der Rechtsanwalt durch sie seine berufliche und wirtschaftliche Basis verliert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 1991 – 3 StR 13/91, BGHR StGB § 356 Abs. 1 Rechtssache 1; Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.). …..

4. Auch der Maßregelausspruch hat keinen Bestand. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Untreuetaten jeweils unter Missbrauch seines Berufes begangen hat (vgl. Athing/Bockemühl in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 70 Rn. 9; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 70 Rn. 10). Die Erwägungen, auf die es die Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 70 Abs. 1 StGB gestützt hat, halten jedoch revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Im Rahmen der Bewährungsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, mit „Rücksicht auf das erstmalige Erleben einer Haft als auch einer Hauptverhandlung als Angeklagter“ sei davon auszugehen, „dass der Angeklagte sich schon die Verurteilung als Warnung dienen lassen und künftig […] keine Straftaten mehr begehen“ werde. Dem widersprechend hat es zur Begründung der Anordnung des Berufsverbots darauf abgestellt, dass „in Anbetracht der Vielzahl der Fälle“ und des „plan- und regelmäßigen Vorgehens des Angeklagten in größerem Umfang“ damit zu rechnen sei, dass dieser „bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten […] begehen“ werde. Zwar kann ein Berufsverbot grundsätzlich auch neben einer Bewährungsstrafe verhängt werden, etwa dann, wenn der Gefahr weiterer Straftaten gerade durch das Berufsverbot entgegengesteuert werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; LK-Hanack, 12. Aufl., § 70 Rn. 43a); dies erfordert aber eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH, Beschluss vom 5. August 2009 – 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171), in deren Rahmen hier auch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (BGH, Beschluss vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124). An einer solchen Gesamtwürdigung fehlt es hier.“

Die schweren Folgen beim sexuellen Missbrauch; wohin damit bei der Strafzumessung

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Mal nicht einen der üblichen Strafzumessungsfehler – wie z.B. Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot oder Ähnliches – behandelt das BGH, Urt. v. 09.10.2014 – 2 StR 574/13, sondern einen – zumindest in meinen Augen – Sonderfall. Das LG verurteilt den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs in 26 Fällen.  Bei der Zumessung der 26 Einzelstrafen (Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Jahren und sechs Monaten) hat das LG jeweils zu Lasten des Angeklagten vor allem die erheblichen psychischen Tatfolgen bei allen Geschädigten – den drei Töchtern des Angeklagten – berücksichtigt. Das war nach Auffassung des BGH (vorläufig) rechtsfehlerhaft:

„Die bisherigen Feststellungen, namentlich die näheren Ausführungen zu den seelischen Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten (UA S. 17), weisen nämlich nicht aus, dass sich diese Folgen bei den Mädchen bereits nach den ersten Taten eingestellt haben. Denn sind die festgestellten psychischen Schäden Folge aller Taten, so können sie dem Angeklagten nur einmal – bei der Gesamtstrafenbildung (vgl. UA S. 42) – angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen in Ansatz gebracht werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 1997 – 4 StR 539/97, NStZ-RR 1998, 107 f. und vom 20. Juli 1993 – 4 StR 316/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatauswirkungen 7; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 46 Rdn. 151; Hörnle in Leipziger Kommentar, aaO, § 176 Rdn. 42; Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rdn. 26; Miebach in Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 46 Rdn. 96; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 46 Rdn. 34b).

Und für die Frage der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gibt der 2. Strafsenat dem LG dann gleich noch etwas mit auf den (zweiten) Weg:

„d) Die Erwägung des Landgerichts, wonach die Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Taten gemäß § 21 StGB (auch) deshalb nicht erheblich eingeschränkt gewesen sei, weil „eine erhebliche Beeinträchtigung … (der) kognitiven Fähigkeiten“ des Angeklagten nicht vorlag, da er „gezielt Situationen geschaffen (habe), in denen er mit den Kindern alleine war, um diese Situationen für die Durchführung der sexuellen Handlungen auszunutzen“ (UA S. 38), ist rechtlich bedenklich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2002 – 3 StR 335/01, NStZ 2002, 476, 477 und vom 7. Januar 1993 – 4 StR 552/92, BGHR StGB § 21, Seelische Abartigkeit 25; Fischer, aaO, § 20 Rdn. 46a mwN). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich auch deswegen erneut umfassend mit der Frage einer eingeschränkten Schuldfähigkeit und der Verhängung einer angemessenen Maßregel zu befassen haben; Schuldunfähigkeit des Angeklagten kann der Senat ausschließen.“