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StPO II: Mal wieder die richterliche Unterschrift, oder: Das „handschriftliche Gebilde“ reicht

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Als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des BayObLG. Und zwar hat sich das im BayObLG, Beschl. v. 19.11.2024 – 204 StRR 576/24 – noch einmal zu den Anforderungen an eine wirksame richterliche Unterschrift geäußert (nein, bitte keine „Urteilskommentare“ 🙂 ).

Gerügt worden war in dem Verfahren mit der Revision, dass weder der zugrunde liegende Strafbefehl, noch das Urteil und auch Verfügungen des Richters „ordnungsgemäß“ unterschrieben worden waren, dass also Prozesshindernisse bestehen. Das BayObLG hat das verneint:

„1. Prozesshindernisse liegen nicht vor.

Soweit der Angeklagte die fehlende Wirksamkeit des Strafbefehls und damit das Vorliegen eines Prozesshindernisses (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., Einleitung Rn. 145c) aufgrund einer nicht ausreichenden Unterschrift rügt, dringt er damit nicht durch.

Der Strafbefehl gemäß § 408 StPO, der die Funktion des Eröffnungsbeschlusses übernimmt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 411 Rn. 3), erfordert keine vollständige Unterschrift. Im Gegensatz zum Urteil (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist die Unterschrift nicht zwingend vorgeschrieben. Es genügt daher ein Hand- oder Faksimilezeichen, falls sich daraus die Person des Richters zweifelsfrei ergibt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 409 Rn. 13; Gaede in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 409 StPO Rn. 36; KK-StPO/Maur, 9. Aufl. 2023, StPO § 409 Rn. 13; MüKoStPO/Eckstein, 2. Aufl. 2024, StPO § 409 Rn. 34).

Diesen Anforderungen wird die Unterzeichnung auf dem Strafbefehl auf jeden Fall gerecht. Es ist eine individuelle Zeichnung vorhanden, die den Anfangsbuchstaben des Nachnamens der unterzeichnenden Richterin erkennen lässt und die zudem noch mit dem gesondert aufgebrachten Namensstempel der Richterin versehen ist. Insoweit steht die Person der den Strafbefehl erlassenden Richterin zweifelsfrei fest.

2. Die Rüge der Verletzung des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO, das Urteil sei durch den Richter nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden, bleibt erfolglos.

Entgegen der Auffassung des Angeklagten genügt der vorliegende Schriftzug den gesetzlichen und insbesondere den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die ordnungsgemäße Unterschrift eines Richters unter die Urteilsgründe.

Nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO hat der erkennende Richter das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Weitere Anforderungen an das Schriftbild der Unterschrift sieht das Gesetz nicht vor. Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich demnach aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Mit der Unterschrift beurkundet der Berufsrichter die Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Beratungsergebnis (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 275 Rn. 19). Entsprechend diesem Normzweck kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unterschrift auch die Urheberschaft zu entnehmen ist. Auch wenn die Unterschrift, die aus dem Familiennamen des Unterzeichnenden zu bestehen hat, nicht lesbar sein muss, so muss sie ihren Urheber erkennen lassen. Steht die Urheberschaft – wie hier – außer Frage, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Akzeptanz einer unleserlichen Unterschrift ein großzügiger Maßstab anzuwenden und zwar auch wegen der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2012 – VII ZB 36/10 –, juris Rn. 8 m.w.N., bezogen auf die Anforderungen an die Unterschrift eines Rechtsanwalts bei Einlegung einer Berufung). So ist es ausreichend, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt zwar voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Jedoch ist es unschädlich, wenn der Namenszug nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Die Grenze individueller Charakteristik ist demgegenüber bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien überschritten (zum Ganzen: KG Berlin, Beschluss vom 01.09.2023 – 3 ORs 52/23 –, juris Rn. 10 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2011 – III-1 RVs 166/11 –, juris Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 28.05.2003 – 1 ObOWi 177/03 -, juris Rn. 9).

Unter Zugrundelegung dieses von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes sind die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung des Berufungsurteils hier gegeben.

Das handschriftliche Gebilde, mit dem der erkennende Richter das Urteil unterschrieben hat, steht für seinen Namen. Die Unterschriftsleistung, die dem Senat auch aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist, trägt individuelle Züge und zeigt charakteristische Merkmale auf, die es jemandem, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, ermöglicht, seinen Namen aus dem Schriftbild herauszulesen. Aus dem gegen den Uhrzeigersinn ersichtlich schwungvoll ausgeführten Bogen lässt sich der Groß- und Anfangsbuchstabens seines Nachnamens „C“ herauslesen. Der sich daran nahtlos anschließende nach unten verlaufende und geschwungene Abstrich steht erkennbar für den Rest des Familiennamens, der sich infolge häufiger Verwendung des Namenszuges bereits erheblich abgeschliffen hat. Bei Betrachtung des so entstandenen Gesamtgebildes sind in Ansehung des großzügig angebrachten Bogens – in Kenntnis des Namens des Richters – zudem die weiterhin in seinem Familiennamen enthaltenen Buchstaben „i“ und „g“ herauszulesen. Damit enthält der Schriftzug mehrere – wenn auch verkümmerte bzw. erst bei Gesamtbetrachtung des Gebildes herauslesbare – Buchstaben. In Fällen der – wie vorliegend – zweifelsfreien Urheberschaft ist dies ausreichend. Eine andere Deutung lässt sich auch vor dem Hintergrund ausschließen, dass die Nachahmung dieses Gebildes aufgrund seiner individuellen Proportionen und seines charakteristischen Schwunges, der erkennbar ohne Absetzen des Stiftes aufgebracht ist, schwerfallen dürfte und sich auch in Zusammenschau der vorliegenden Umstände keine Hinweise darauf ergeben, dass der Richter die Urschrift der Urteilsgründe nur mit einem Kürzel für den inneren Betrieb unterzeichnen wollte. Dies gilt umso mehr, als auch nicht unberücksichtigt gelassen werden darf, dass unter dem handschriftlich aufgebrachten Schriftzug der Name des erkennenden Richters in Druckbuchstaben eingefügt ist.

Dies gilt in gleichem Maße im Hinblick auf die Unterschriften auf den Protokollen über die Berufungshauptverhandlung und die Verfügung zur Zustellung des landgerichtlichen Urteils.“

Strafbefehl II: Angeklagter hat keinen Pflichti, oder: Wiedereinsetzung gegen versäumte Einspruchsfrist

Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern, es handelt sich um den LG Kempten, Beschl. v. 13.06.2024 – 2 Qs 80/24. Es geht um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das AG hatte den Einspruch des Abgeklagten als unzulässig, weil verspätet angesehen. Anders das LG:

„Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 16.05.2024 ist zulässig und begründet.

Der Verteidiger hatte zwar ausweislich BI. 30 d. A. bereits am 08.05.2024 Einsicht in das Vollstreckungsheft, aus diesem ergibt sich jedoch nicht der Verstoß gegen die Pflichtverteidigerbestellung nach § 408b StPO. Somit hatte der Verteidiger erst im Rahmen der Einsicht in die Ermittlungsakte am 14.05.2024 Kenntnis von diesem Umstand, sodass die Wochenfrist des § 45 Abs. 1 S. 1 StPO am 16.05.2024 noch nicht abgelaufen war.

Der Antrag ist auch begründet. Die Begründung des Antrags erfordert zwar grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung sämtlicher Tatsachen, aus denen sich die nicht schuldhafte Fristversäumnis des Antragstellers ergibt. Es müssen deshalb alle zwischen dem Beginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände mitgeteilt werden, die für die Frage bedeutsam sind, wie und ggf. durch wessen Verschulden es zur Versäumnis gekommen ist. Zu benennen sind deshalb die Frist, der Grund der Säumnis sowie der Zeitpunkt, zu dem das Hindernis weggefallen ist. Nicht der Darlegungspflicht unterliegen jedoch Umstände, die den Akten zu entnehmen sind oder gerichtskundig sind (BVerfG NJW 1995, 2544; OLG Düsseldorf StraFo 1997, 77; Graalmann-Scheerer in Löwe/Rosenberg Rn. 14; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt Rn. 5).

Vorliegend enthält der Antrag des Verteidigers vom 16.05.2024 nicht den geforderten Sachvortrag. Jedoch ergibt sich hier der gesamte Sachverhalt aus der Akte und ist deswegen von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine andere Ansicht widerspräche dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 Abs. 3 c EMRK.

2. Der Einspruch des Verteidigers vom 16.05.2024 gegen den Strafbefehl vom 06.08.2021 ist zulässig. Der Strafbefehl wurde dem Angeklagten am 10.08.2021 zugestellt und damit war die zweiwöchige Einspruchsfrist bereits abgelaufen. Jedoch wurde es bei Erlass des Strafbefehls unterlassen, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger nach § 408b StPO zu bestellen.

Weil § 408b StPO als Gegengewicht zu rechtsstaatlichen Bedenken fungiert, die gegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe in einem summarischen Verfahren sprechen, überzeugt es, die Versäumung der Einspruchsfrist entsprechend § 44 S. 2 StPO als unverschuldet anzusehen, wenn § 408b StPO verletzt wurde. (MüKoStPO/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 408b Rn. 22).“

StPO III: StB-Tagessatz-Entscheidung durch Beschluss, oder: Der „Ankündigungsverteidiger“

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Und dann noch eine Entscheidung aus dem Strafbefehlsverfahren. Das LG Nürnberg-Fürth hat im LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 4. Juli 2024 – 12 Qs 23/24  zu den Grenzen der gerichtlichen Amtsaufklärung bei einem auf die Tagessatzhöhe beschränkten und nicht begründeten Einspruch gegen einen Strafbefehl Stellung genommen.

Das AG hatte gegen die Angeklagte einen Strafbefehl erlassen, in dem es eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 50 EUR verhängte. Die Tagessatzhöhe war geschätzt. Dagegen legte der Verteidiger fristgerecht Einspruch ein, der auf die Tagessatzhöhe beschränkt war. Zugleich schrieb er, es möge im schriftlichen Verfahren entschieden werden, Einkommensnachweise würden vorgelegt werden. Am 19.02.2024 zeigte sich ein neuer Verteidiger an und erhielt umgehend Akteneinsicht. Nachdem nichts einging, monierte das AG am 28.02.2024 die fehlenden Einkommensnachweise beim neuen Verteidiger. Der antwortete nicht.

Am 19.03.2024 übersandte das AG dann die Akte an die Staatsanwaltschaft und bat um eine Stellungnahme zur Tagessatzhöhe. Die Staatsanwältin telefonierte mit dem Verteidiger, der die Übersendung von Einkommensnachweisen avisierte, und das Gericht bat, etwas zuzuwarten. Nachweise übersandte der Verteidiger nicht. Am 11.04.2024 fragte das AG erneut bei der Staatsanwaltschaft an. Diese beantragte die Zurückweisung des Einspruchs.

Mit Beschluss vom 22.04.2024 stellte das AG schließlich fest, dass es bei der Tagessatzhöhe von 50 EUR verbleibe. Hiergegen legte der Verteidiger sofortige Beschwerde ein, deren Begründung innerhalb weiterer 14 Tage er ankündigte. Eine Begründung erfolgte jedoch nicht. Das LG hat die Beschwerde verworfen:

„Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft war die Entscheidung im Beschlusswege nicht zu beanstanden. Gemäß § 411 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 StPO kann das Amtsgericht mit Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ohne Hauptverhandlung durch Beschluss entscheiden, wenn der Einspruch auf die Höhe der Tagessätze einer festgesetzten Geldstrafe beschränkt ist. Ob das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei eine Hauptverhandlung sich jedenfalls dann als notwendig erweist, wenn die mündliche Anhörung der Angeklagten zur Aufklärung erforderlich ist.

Die Begründung für die Ausnahmeregelung der Entscheidung im Beschlusswege wird darin gesehen, dass bei Erlass des Strafbefehls die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten oftmals nicht genau bekannt sind und das Gericht, wenn keine Angaben gemacht werden, diese schätzen muss. Vorliegend war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten jedoch entbehrlich, da das Amtsgericht davon ausgehen konnte, dass diese durch die Vorlage schriftlicher Unterlagen nachgewiesen würden, wenn der ohnehin niedrig geschätzte Tagessatz von 50 € bei einer Geschäftsführerin, die wegen eines Delikts nach dem GmbHG verfolgt wird, unterschritten werden sollte. Der Verteidiger wies in seinem Einspruchsschreiben namens der Angeklagten selbst darauf hin, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden könne. Weiter kündigte die Verteidigung mehrfach an, Unterlagen zur Einkommenssituation der Angeklagten nachzureichen. Dies geschah dann aber trotz wiederholter Aufforderung nicht. Auch wurde von Seiten der Verteidigung nicht von einer Entscheidung im Beschlussverfahren Abstand genommen oder mitgeteilt, dass entgegen der vorigen Ankündigung doch keine Unterlagen vorhanden seien. Das Amtsgericht hatte mithin keinen Anlass anzunehmen, die im Strafbefehl geschätzte Tagessatzhöhe sei zu hoch gegriffen. Die Entscheidung im Beschlusswege erfolgte nach allem ermessensfehlerfrei.“

In meinen Augen hat der Verteidiger ein bisschen viel angekündigt, ohne dass dann etwas passiert ist.

StPO III: Versäumte Einspruchsfrist gegen Strafbefehl, oder: Rechtskraft bei erfolgloser Wiedereinsetzung?

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Und dann noch zum Tagesschluss ein kleiner Beschluss des AG Sigmaringen zum Eintritt der Rechtskraft bei Einspruch gegen den Strafbefehl, wenn die Einspruchsfrist versäumt wurde und der Wiedereinsetzungsantrag keinen Erfolg hatte. Dazu der AG Sigmaringen, Beschl. v. 05.03.2024 – 3 Cs 25 Js 5801/23:

„Die Rechtskraft war gem. § 458 Abs. 1 Var. 3 StPO berichtigend festzustellen.

Mit Schreiben des Verteidigers vom 28.02.2024 wurde eine entsprechende gerichtliche Entscheidung beantragt.

Der Strafbefehl des Amtsgerichts Sigmaringen vom 22.06.2023 wurde der Angeklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 27.06.2023 zugestellt. Damit begann die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 410 Abs. 1 StPO zu laufen. Der Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Sigmaringen vom 29.01.2024 als unzulässig verworfen. Im Rechtskraftvermerk auf dem Strafbefehl n Beginn der Rechtskraft der 13.02.2024 aufgeführt.

Der Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls ist maßgeblich für die Berechnung der Führerscheinsperre, § 69a Abs. 5 S. 1 StGB.

Vorliegend bestanden daher Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung dahingehend, ab welchem Zeitpunkt die Sperrfrist des § 69a Abs. 1 StGB zu laufen beginnt.

Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung lassen sich auf das Fehlen allgemeiner Vollstreckungsvoraussetzungen bzw. das Vorliegen von Vollstreckungshindernissen (Identitätsverwechslung. fehlende Rechtskraft, Verjährung, Begnadigung, Strafaussetzung zur Bewährung, bereits erfolgte Vollstreckung) stützen (vgl. Meyer Goßner/Schmitt/Schmitt Rn. 10). Nichts anderes kann gelten, wenn die Rechtskraft versehentlich falsch eingetragen wurde und demnach Unsicherheit über den Beginn der Strafvollstreckungsmaßnahmen besteht.

Nachdem die Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist als unzulässig verworfen wurde, wurde der Strafbefehl rückwirkend mit fruchtlosem Verstreichen der Einspruchsfrist gem. § 410 Abs. 3 StPO zum 12.07.2023 rechtskräftig (vgl. MüKoStP0/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 410 Rn, 34). Demnach ist der Rechtskraftvermerk entsprechend zu berichtigen.“

Die Frage hat, wie in diesem Fall, ja Auswirkungen auf den Beginn des Laufs der Sperrfrist für die Führerscheinsperre.

Pflichti III: Beschwerde gegen „Pflichti-Bestellung“?, oder: Auch der „Pflichti“ brauchte eine Vollmacht

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Und dann habe ich noch zwei Entscheidungen von der „Pflichtverteidigerresterampe“ 🙂 .

Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 15.08.2023 – StB 28/23. Der Ermittlungsrichter des BGH hat dem Beschuldigten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 144 Abs. 1 StPO Rechtsanwalt A. und einen weiteren Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Dagegen wendet sich der Beschuldigte, dessen Rechtsmittel verfristet war. Im Übrigen führt der BGH aus:

„Ungeachtet dessen ist das Rechtsmittel auch mangels Beschwer unzulässig. Denn durch die Bestellung eines Pflichtverteidigers als solche ist ein Beschuldigter im Regelfall nicht beschwert; er kann diese daher grundsätzlich nicht anfechten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 1998 – 2 BvR 291/98, NJW 1998, 2205; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2). Das in Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK gewährleistete Recht auf Selbstverteidigung wird durch eine Pflichtverteidigerbestellung in den Fällen der notwendigen Verteidigung nicht berührt (vgl. EGMR, Urteil vom 25. September 1992 – 13611/88, EuGRZ 1992, 542 Rn. 29 ff.; BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 4 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2). Eine etwaige spätere Belastung des Beschuldigten mit den Kosten des Pflichtverteidigers nach einer rechtskräftigen Verurteilung begründet im Erkenntnisverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Februar 1986 – 1 Ws 155/86, MDR 1986, 604, 605; Thüringer OLG, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 1 Ws 173/12, NStZ-RR 2012, 317).

Eine Beschwer durch eine Pflichtverteidigerbestellung kommt zwar ausnahmsweise in Betracht, wenn der bestellte Verteidiger wegen mangelnder Eignung oder Interessengegensatzes unfähig erscheint, die Verteidigung ordnungsgemäß zu führen, oder der Beschuldigte in seinem Recht auf Bezeichnung des zu bestellenden Verteidigers und dessen Beiordnung aus § 142 Abs. 5 Satz 1 und 3 StPO betroffen ist (BGH, Beschlüsse vom 15. November 2022 – StB 51/22, NStZ 2023, 115 Rn. 5 mwN; vom 3. Mai 2023 – StB 21/23, juris Rn. 3; OLG Celle, Beschluss vom 17. September 1987 – 3 Ws 239/87, NStZ 1988, 39; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2005 – 2 Ws 283/05 u.a., juris Rn. 6). Derartiges hat indes weder der Beschuldigte geltend gemacht, noch gibt es hierfür Anhaltspunkte. Der Beschuldigte hatte den bestellten Pflichtverteidiger zuvor nicht nur selbst bevollmächtigt, sondern auch seine Zustimmung zur beabsichtigten Beiordnung erteilt. Ferner hat er im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, er wünsche die weitere Verteidigung durch beide bestellten Pflichtverteidiger.“

Und dann habe ich noch den AG Regensburg, Beschl. v. 18.08.2023 – 30 Cs 126 Js 27714/19 (2). Auch nichts Neues, sondern nur ein Reminder daran, dass auch der Pflichtverteidiger ggf. eine (Vertretungs)Vollmacht braucht:

Ist der Pflichtverteidiger ohne Vollmacht nach § 411 Abs. 2 Satz 1 StPO im Hauptverhandlungstermin anwesend, ist eine von ihm dennoch erklärte Rücknahme des Einspruchs gegen einen Strafbefehl unwirksam.