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Rechtsmittel II: Einspruch gegen den Strafbefehl, oder: Das geht nicht durch einfache Email

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Die zweite Entscheidung hat einen Einspruch gegen einen Strafbefehl zum Gegenstand. Der ist dem Angeklagten am 20.08.2022 persönlich übergeben worden. Gegen den Strafbefehl wandte er sich dann mit E-Mail vom 08.09.2022 und begründete die Versäumung der Einspruchsfrist. Zugleich kündigte er an, den Einspruch am nächsten Tag zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Amtsgericht Fürth nachzuholen. Das tat er dann nicht. Die Staatsanwaltschaft hat beantragt, das Schreiben vom 08.09.2022 als Einspruch zu behandeln und diesen wegen Verfristung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Das AG hat den Einspruch als unzulässig, weil verfristet, verworfen.

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seinem Schreiben. Er macht geltend: Er habe die Einspruchsfrist verpasst, weil er vom 19.08.2020 – 07.09.2022 in Urlaub gewesen sei; er habe erst nach seiner Rückkehr den zugestellten Strafbefehl im Briefkasten vorgefunden.

Das LG Nürnberg-Fürth hat mit LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 09.11.2022 – 12 Qs 59/22 – die sofortige Beschwerde verworfen:

2. Allerdings ist sie unbegründet. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Einspruch zu Recht verworfen. Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Verlangt wird hierfür die Schriftform (Maul in KK-StPO, 8. Aufl., § 45 Rn. 2 m.N. zur a.A.; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 45 Rn. 2); für die versäumte Prozesshandlung bedarf es der für sie vorgeschriebenen Form. Wird die versäumte Handlung nicht in der für sie vorgeschriebenen Form nachgeholt, so ist auch der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig (Maul, aaO., § 45 Rn. 9; Schmitt, aaO., § 45 Rn. 11). Beim Strafbefehl erfolgt die Einlegung des Einspruchs binnen zweier Wochen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 410 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Die Schriftform ist hier in beiden Fällen – beim Wiedereinsetzungsantrag und beim Einspruch – nicht eingehalten. Zwar kann gegenüber Gerichten die Schriftform auch durch ein elektronisches Dokument gewahrt werden (§ 32a Abs. 1, 3 StPO). Der Wortlaut dieser Norm beschränkt auch den Personenkreis möglicher Absender nicht. Dementsprechend kann auch der Angeklagte elektronische Dokumente, zu denen E-Mails gehören, bei Gericht einreichen (Valerius in BeckOK StPO, 45. Ed. 01.10.2022, § 32a Rn. 4). Für deren Wirksamkeit ist es allerdings erforderlich, dass sie qualifiziert elektronisch signiert oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Eine gewöhnliche E-Mail genügt diesen Anforderungen nicht (BSG, Beschluss vom 13.05.2020 – B 13 R 35/20 B, juris Rn. 7 zu § 65a Abs. 1 SGG; BGH, Beschluss vom 12.05.2022 – 5 StR 398/21, juris Rn. 22, mit Verweis auf BT-Drs. 19/27654, S. 56).

So liegt der Fall auch hier. Die E-Mail vom 08.09.2022, mit der Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und zugleich dessen nachträgliche Zulassung beantragt wurde, wurde von einem gewöhnlichen E-Mail-Konto versandt („…@web.de“). Abgesehen von der Namensangabe des Angeklagten in der E-Mail-Adresse und nach der Grußformel, lässt die E-Mail keine weitere Überprüfung der Urheberschaft zu. Sie trägt weder eine qualifizierte elektronische Signatur noch ist sie signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden. Wiedereinsetzungsantrag und Einspruch teilen daher das gleiche rechtliche Schicksal: Sie waren als unzulässig zu verwerfen, weshalb die Beschwerde unbegründet ist.“

Also Vorsicht an der Stelle, wobei: M.E. hätte das LG das Faß ggf. gar nicht aufmachen müssen. Denn ein Wiedereinsetzungsgrund war m.E. möglicherweise nicht gegeben, da der Angeklagte nach Zustellung des Strafbefehls offenbar erst mal in Urlaub gefahren ist. Allerdings ist eine Diskrepanz im Beschluss: Einerseits heißt es „persönlich übergeben“, andererseits „nach dem Urlaub im Briefkasten vorgefunden. Und: Der Angeklagte trägt vor, er sei ab 19.08. in Urlaub gewesen. Wie kann dann am 20.08. „persönlich übergeben werden“?

Verkehrsrecht II: Mindestdauer für Sperrfrist ist fix, oder: Weniger als drei Monate ist nicht zulässig

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In dem zweiten Entscheidung, dem KG, Urt. v. 17.08.2022 – ([3] 161 Ss 129/22 (44/22) – hat das KG u.a. zur Frage der Dauer der Sperrfrist (§ 69a StGB) Stellung genommen. Das AG hatte noch eine Sperrfrist von 2 Monaten festgesetzt. Das hat das KG auf die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft beanstandet:

„2. Die Sprungrevision der Amtsanwaltschaft ist begründet. Die angeordnete Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.

Gemäß § 69a Abs. 4 Satz 1 StGB verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO wirksam war. Satz 2 dieser Vorschrift sieht allerdings vor, dass das Mindestmaß drei Monate nicht unterschreiten darf. Letzteres ist hier geschehen: In dem angegriffenen Urteil hat das Amtsgericht Tiergarten grundsätzlich zutreffend § 69a Abs. 4 StGB angewandt, dessen Voraussetzungen aufgrund der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten mit Beschluss vom 10. September 2021 vorlagen. Jedoch hat es bei seiner Entscheidung § 69a Abs. 4 Satz 2 StGB nicht beachtet, indem es mit zwei Monaten eine Sperre unter dem gesetzlichen Mindestmaß angeordnet hat. Die Festsetzung einer kürzeren Sperrfrist als drei Monate ist unzulässig und kann – schon vor dem Hintergrund der eindeutigen, zwingenden gesetzlichen Regelung – auch nicht ausnahmsweise erfolgen (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 8. November 1985 – 1 Ss 252/85 –, juris; OLG Köln NJW 1967, 361; Fischer a.a.O., § 69a Rn. 12; v. Heintschel-Heinegg/Huber in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch 4. Aufl., § 69a Rn. 20; Kinzig in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts Band 3 1. Aufl. 2021, Rn. 209; ders. in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch 30. Aufl., § 69a Rn. 13; Kretschmer in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht 1. Aufl., § 69a Rn. 12).“

Das KG hat außerdem zu den Voraussetzungen, unter denen die Beschränkung des gegen den Strafbefehl gerichteten Einspruchs auf die Höhe des Tagessatzes und die Dauer der Sperrfrist (§ 69a StGB) wirksam ist, Stellung genommen. Insoweit verweise ich auf den verlinkten Volltext.

StPO II: Der nicht unterschriebene Strafbefehl, oder: Wesentlicher Mangel, der zur Einstellung führt

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Arnsberg, Beschl. v. 16.09.2022 – 3 Ns-110 Js 1471/21-92/22 – nimmt das LG zur Frage Stellung, welche Folgen es hat, wenn ein Strafbefehl nicht vom Richter unterschrieben ist. Folge: Das Verfahren wird (im Berufungsverfahren) eingestellt:

„Die Einstellung des Verfahrens beruht auf § 206a Abs. 1 StPO.

Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass es an der Verfahrensvoraussetzung eines Eröffnungsbeschlusses fehlt. Denn insoweit steht ein vom zuständigen Richter nicht unterzeichneter Strafbefehl einem fehlenden Eröffnungsbeschluss gleich.

Das Fehlen der Unterschrift ist ein wesentlicher Mangel, der einen Strafbefehl nicht wirksam werden lässt. Nach Auffassung der Kammer kommt es nicht darauf an, ob aus den Akten festgestellt werden kann, dass dennoch eine der Willensäußerung des Richters entsprechende Entscheidung vorliegt (zum Meinungsstand vgl. Meyer-Goßer/Schmitt, StPO, § 409, RN 13; KK-StPO, § 409 Rn. 13-15). Denn das Erfordernis der Unterzeichnung kann nicht anhand von Umständen aus der Akte, wie beispielsweise eines Namenskürzels bei der Begleitverfügung, fingiert werden. Insoweit ist anerkannt, dass die fehlende Unterzeichnung einer Urteilsurkunde (§ 275 Abs. 2 StPO) nicht durch eine von dem erkennenden Richter unterzeichnete gesonderte Verfügung (der Zustellung) ersetzt werden kann (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19. 7. 2011 – 1 RVs 166/11). Ähnlich wie bei einer Urteilsurkunde kann auch bei einem Strafbefehl nur durch die Unterzeichnung dokumentiert werden, dass der Richter die Verantwortung für den Inhalt des – gemäß § 408 Abs. 3 StPO nicht von ihm herrührenden – Schriftstücks übernehmen wollte. Die vergleichende Betrachtung wird durch § 410 Abs. 3 StPO gestützt.

Das Amtsgericht hat das Verfahrenshindernis bei Urteilserlass offenbar übersehen, so dass die Einstellung des Verfahrens durch das Berufungsgericht zugleich die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge hat (vgl. OLG Koblenz, NZV 2010, 368). Die Einstellung steht einer neuen Anklageerhebung jedoch nicht entgegen.“

Und nur, um weiteren unsinnigen Anfragen von Nichtjuristen vorzubeugen: Der hier vorgestellte Beschluss ist kein – ich wiederhole: kein – Beweis für die immer wieder aufgestellte „These“/Behauptung und sich daruf stützende Anfragen, es liege kein Urteil/Beschluss vor, weil die Unterschrift fehle. Dazu: Ja, ein Urteil/Beschluss muss unterschrieben werden. Unterschrieben wird aber (nur) das Original in der Akte, nicht die Ausfertigung, die zugestellt wird. Alles andere ist Nonsens. Also: Bitte keine Anfragen zu der Problematik, die keine ist, mehr.

StPO I: Wenn man im Strafbefehl die Strafe vergisst, oder: Neuer Strafbefehl ist unzulässig

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Heute stelle ich dann StPO-Entscheidungen vor, alle drei haben Fragen in Zusammenhang mit dem Strafbefehl zum Gegenstand.

Zum Auftakt hier zunächst der LG Karlsruhe, Beschl. v. 25.07.2022 – 16 Qs 55/22 – zu einer Frage, die in der Praxis immer wieder von Bedeutung ist. Nämlich die Frage nach der (Un)Zulässigkeit der nachträglichen Ergänzung eines Strafbefehls, durch den einen (Geld)Strafe nicht festgesetzt worden ist.

Das AG hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen einer Trunkenheitsfahrt gegen den Angeklagten am 05.04.2022 einen Strafbefehl erlassen, der am 16.04.2022 zugestellt worden ist. Der Strafbefehl enthielt in der Rechtsfolge lediglich den Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Sperrfrist. Das AG vermerkte am 03.05.2022 die Rechtskraft des ursprünglichen Strafbefehls.

Im Vollstreckungsverfahren bemerkt die Staatsanwaltschaft dann, dass die Geldstrafe fehlt und beantragt durch (deklaratorischen) Beschluss festzustellen, dass der Strafbefehl vom 05.04.2022 unwirksam ist und einenum eine Geldstrafe ergänzten Strafbefehl zu erlassen.

Das lehnt das AG ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim LG keinen Erfolg. Das führt (umfangreich) aus:

„2. Die sofortige Beschwerde ist indes unbegründet. Das Amtsgericht Pforzheim hat den Erlass des Strafbefehls nach § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO zu Recht abgelehnt.

Dem Erlass des beantragten Strafbefehls steht ein von Amts wegen zu beachtender Strafklageverbrauch im Sinne von Art. 103 Abs. 3 GG entgegen (ne bis in idem). Der ursprüngliche Strafbefehl war wirksam und ist nach Ablauf der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen.

Der Tatbestand des Art. 103 Abs. 3 GG ist hier maßgebliche Entscheidungsgrundlage des Gerichts (unter a). Der weitere beantragte Strafbefehl bezieht sich auf dieselbe Tat wie der vom Amtsgericht Pforzheim ursprünglich erlassene Strafbefehl (unter b). Der ursprüngliche Strafbefehl ist aufgrund der allgemeinen Strafgesetze ergangen (unter c). Der Angeschuldigte ist durch den ursprünglichen Strafbefehl bereits wegen derselben Tat strafrechtlich verfolgt worden (unter d).

a) Der Tatbestand des Art. 103 Abs. 3 GG ist auch für das Strafbefehlsverfahren maßgeblich, um zu bestimmen, ob ein Strafklageverbrauch anzunehmen ist.

…….

b) Der weitere beantragte Strafbefehl bezieht sich auf dieselbe Tat, auf die sich der ursprüngliche Strafbefehl bezogen hatte.

Die für die Bestimmung der Rechtskraft maßgebliche Frage, ob es sich um „dieselbe Tat“ handelt, ist entlang des strafprozessrechtlichen Tatbegriffs der §§ 155 Abs. 1, 264 StPO zu bestimmen. Im Strafbefehlsverfahren sichert § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO eine hinreichende Konkretisierung der strafprozessualen Tat ab. Von derselben Tat ist auszugehen, wenn mehrere Vorgänge derart eng miteinander verknüpft sind, dass ihre getrennte Würdigung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges erscheinen würde (BGHSt 41, 385 (388); BGHSt 43, 252 (255)). Der dem Angeschuldigten in beiden Strafbefehlen zur Last gelegte Lebensvorgang ist identisch, sodass es sich unproblematisch um dieselbe Tat handelt.

c) Es handelt sich bei dem ursprünglichen Strafbefehl um eine Sanktion aufgrund der allgemeinen Strafgesetze. Darunter fällt das gesamte Kern- und Nebenstrafrecht (BVerfGE 27, 180 (185)). Ausgeschlossen werden sollen Sanktionen des Ordnungswidrigkeitenrechts (BVerfGE 21, 391 (401)), des Berufsstrafrechts (BVerfGE 66, 337 (357)) und des Disziplinarrechts (BVerfGE 27, 180 (184 ff.)). Jedenfalls nach diesen Maßstäben ist der Strafbefehl aufgrund der allgemeinen Strafgesetze ergangen.

d) Der Angeschuldigte ist bereits wegen derselben Tat strafrechtlich verfolgt worden.

Dem steht nicht entgegen, dass das ursprüngliche Strafverfahren nur mit der gegenständlichen Maßregel der Besserung und Sicherung endete (unter aa). Eine strafrechtliche Verfolgung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG ausschließende Verfahrensfehler hafteten dem Strafbefehlsverfahren nicht an (unter bb).

aa) Der Rechtskraft steht nicht entgegen, dass die letztlich verhängte Rechtsfolge im ursprünglichen Strafbefehl keine Strafe im engeren Sinn beinhaltet:

(i) Als Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG ist jede staatliche Maßnahme anzusehen, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten darstellt (BVerfGE 128, 326 (392 f.); BVerfGE 26, 186 (204)). Dies soll aber auf Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht zutreffen, welche in erster Linie die Individualprävention durch Einwirkung auf den Täter bezwecken (BVerfGE 109, 133 (187)).

Zutreffend weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass die im ursprünglich erlassenen Strafbefehl verhängte Rechtsfolge der entzogenen Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nebst Sperre für eine erneute Erteilung nach § 69a StGB keine Strafe im Sinne einer missbilligenden hoheitlichen Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten sei. Es handelt sich um eine Maßregel der Besserung und Sicherung sowie eine Nebenmaßnahme hierzu (vgl. BGHSt 50, 93; MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber, 4. Aufl. 2020, StGB § 69a Rn. 1). Hierdurch verhängte Rechtsfolgen haben präventiven Charakter und dienen der Sicherung der Allgemeinheit vor den Gefahren, die sich aus der Teilnahme von ungeeigneten Kraftfahrern am Straßenverkehr ergeben (MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber a.a.O.). Dies unterscheidet die verhängte Rechtsfolge etwa von einem befristeten Fahrverbot nach § 44 Abs.1 StGB, das als Nebenstrafe einzuordnen ist (vgl. BT-Drs. IV/651, dort S. 13).

Art. 103 Abs. 3 GG erfasst indes nicht nur eine erneute Bestrafung im engeren Sinne wegen derselben Tat, sondern jede erneute Verfolgung derselben Tat; bereits die erneute Einleitung eines Strafverfahrens ist ausgeschlossen (BVerfGE 12, 62 (66); BGHSt 5, 323 (328 ff.)). Entscheidend ist, ob durch die Entscheidung ein Mindestmaß an sachlicher Klärung hinsichtlich des staatlichen Strafanspruchs durch das Gericht erfolgt ist (BVerfGE 65, 377 (383 f.); BVerfGE 3, 248 (253 f.)).

Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 3 GG enthält indes kein umfassendes Verbot, aus Anlass eines Sachverhalts verschiedene Sanktionen zu verhängen, sondern verbietet nur die wiederholte strafrechtliche Ahndung ein und derselben Tat. (BVerfG NStZ-RR 1996, 122 (123); BVerfGE 21, 391 (400)).

(ii) Auch wenn der ursprüngliche Strafbefehl eine Rechtsfolge ohne Strafe im engeren Sinne enthält, ist die wiederholte Verfolgung in einem Strafverfahren vom Schutzbereich des Art. 103 Abs. 3 GG erfasst. Die von der Rechtsprechung anerkannten Fälle, in denen der Anwendungsbereich von Art. 103 Abs. 3 GG als nicht eröffnet angesehen wird, betreffen Sachverhalte, in denen nach oder neben einer Strafe zusätzlich eine Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt wurde. Dies betrifft etwa den Führerscheinentzug nach einer rechtskräftigen Strafe oder die nachträgliche Sicherungsverwahrung.

Im vorliegenden Fall verhält es sich aber genau umgekehrt. Vorliegend endete das Strafverfahren durch den ursprünglichen Strafbefehl mit einer Maßregel der Besserung und Sicherung, der jetzt eine Strafe folgen soll. Die vorliegende Fallgestaltung fällt daher in den Schutzbereich von Art. 103 Abs. 3 GG.

bb) Ein die strafrechtliche Verfolgung i.S.d. Art. 103 Abs. 3 GG ausschließender Verfahrensfehler haftet dem Strafbefehlsverfahren nicht an. Im Gegenteil wäre auch eine im ursprünglichen Strafbefehl tatsächlich beabsichtige Beschränkung der Rechtsfolge auf den enthaltenen Führerscheinentzug nebst Fahrerlaubnissperre rechtmäßig gewesen:

(i) Anders als die Staatsanwaltschaft meint, handelt es sich vorliegend nicht um die Fallgruppe unwirksamer Strafbefehle wegen einer versehentlich überhaupt nicht festgesetzten Rechtsfolge (für die Unwirksamkeit in diesen Fällen OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.03.1984 – 2 Ss 109/84 – 47/84 III; KK-StPO/Maur StPO § 409 Rn. 24; HK-GS/Jan Andrejtschitsch, 5. Aufl. 2022, StPO § 409 BeckOK StPO/Temming, 43. Ed. 01.04.2022, StPO § 409 Rn. 7; dagegen auch dort mit bejahtem Strafklageverbrauch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 409 Rn. 7).

§ 407 Abs. 1 Satz 3 StPO verlangt lediglich, dass der Strafbefehl „eine bestimmte Rechtsfolge“ vorsehe. § 407 Abs. 2 StPO sieht vor, dass die zulässigen Rechtsfolgen „allein oder nebeneinander“ festzusetzen sind. Der Wortlaut zu den zulässigen Rechtsfolgen sieht somit bereits vor, dass ein Strafbefehl „allein“ eine Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperre von nicht mehr als zwei Jahren festsetzt (Nr. 2). Auch § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StPO verlangt in einem Strafbefehl nur die „Festsetzung der Rechtsfolgen“, nicht jedoch, dass die Rechtsfolgen auch Strafen im engeren Sinne sein müssen und ansonsten der Strafbefehl unwirksam wäre. Im Gegenteil bezieht sich der dritte Abschnitt des StGB bei den „Rechtsfolgen der Tat“ auf die in diesem Abschnitt in §§ 38 bis 76 a StGB (das heißt einschließlich des Führerscheinentzugs nebst Sperre) aufgeführten Rechtsfolgen.

Selbst das alleinige Absehen von Strafe in § 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ließe sich durchaus als Rechtsfolge qualifizieren. In der Folge wäre der Strafbefehl selbst ohne jede weitere Rechtsfolge wirksam (in diesem Sinne BayObLG 9.12.1965 – RReg. 4b St 79/65; MüKoStPO/Eckstein, 1. Aufl. 2019, StPO § 409 Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 409 Rn. 7).

(ii) Ebenfalls anders als die Staatsanwaltschaft meint, handelt es sich im Übrigen auch nicht um die Fallgruppe einer originär unzulässigen Rechtsfolge, bei welcher nach teilweiser Ansicht der Strafbefehl ebenfalls als unwirksam anzusehen ist (HK-GS/Jan Andrejtschitsch, 5. Aufl. 2022, StPO § 409 Rn. 9; KK-StPO/Maur StPO § 409 Rn. 25).

……“

Einziehung II: Wertersatzeinziehung im Strafbefehl, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG?

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Und als zweite Entscheidung stelle ich den LG Köln, Beschl. v. 31.08.2021 – 106 Qs 14/21 – vor. In dem Beschluss hat das LG noch einmal zum sachlichen Anwendungsbereich der Nr. 4142 VV RVG in den Fällen der Wertersatzeinziehung Stellung genommen.

Gegen den Beschuldigten war ein Strafbefehl erlassen worden, in dem eine Wertersatzeinziehung angeordnet war. Der Verteidiger des Beschuldigten hat gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt. Die Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten fand dann am 31.03.2021 statt.

Der Verteidiger hat nach Freispruch später gegenüber der Staatskasse auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG geltend gemacht. Das AG hat die nicht festgesetzt. Das Rechtsmittel des Verteidigers hatte beim LG Erfolg.

Zur Wertersatzeinziehung und der Nr. 4142 VV RVG stellt das LG fest:

Nach der am 1.7.2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB sind vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB, einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB erfasst.

Also anders als OLG Frankfurt am Main und in Übereinstimmung mit der zutreffenden h.M.

Im Übrigen führt das LG aus:

„Auch die weiteren Voraussetzungen für das Entstehen der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG sind gegeben. Insbesondere ist vorliegend der Verteidiger des Beschuldigten auch in Bezug auf die Einziehung tätig geworden; die Hauptverhandlung vom 31.03.2021 erfolgte auf den Einspruch gegen den Strafbefehl vom 06.01.2021, in welchem die Wertersatzeinziehung bereits angeordnet war. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind auch Tätigkeiten erfasst, die zumindest einen Bezug zur Einziehung haben, so dass die Gebühr bereits durch Erhebung der allgemeinen Sachrüge im Revisionsverfahren anfällt, da durch diese die Prüfung des gesamten Urteils einschließlich der Einziehungsentscheidung erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – 3 StR 625/17, Rn. 4, juris; BeckOK-RVG/Knaudt, aaO, Rn. 9.1). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall des Einspruchs gegen einen die Einziehung von Wertersatz anordnenden Strafbefehl gelten. Da es sich bei Nr. 4142 VV RVG um eine Wertgebühr handelt, ist der Umfang der vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten für das Entstehen und die Höhe der Gebühr ohne Belang (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, aaO, Rn. 11).“