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Beweis I: Abgelehntes Sachverständigengutachten, oder: Wahrscheinlichkeitsaussage und Überzeugung

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So, und dann am 2. Arbeitstag des neuen Jahres geht es dann „normal“ weiter, wie ich gestern schon angekündigt hatte. Ich beginne heute mit „Beweisfragen“. Und: Ja, die Beiträge sind vorbereitet. Schließlich habe ich hier auf Borkum „Staatsbesuch“.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 07.12.2021 – 5 StR 215/21 – zur Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens wegen Ungeeignetheit. Der Angeklagte hatte die Ablehnung beim BGH gerügt, ohne Erfolg:

„2. Auch die Beanstandung der Revision, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO die beantragte Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens als völlig ungeeignetes Beweismittel abgelehnt, erweist sich als unbegründet.

Zwar ist es entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts grundsätzlich richtig, dass ein Sachverständigengutachten nicht schon dann als ungeeignetes Beweismittel anzusehen ist, wenn darin zwar keine sicheren und eindeutigen Beweisergebnisse erzielt werden, die enthaltenen Ausführungen aber gleichwohl die unter Beweis gestellte Behauptung als mehr oder weniger wahrscheinlich erscheinen lassen können (vgl. dazu in freilich anderen Konstellationen BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – 3 StR 284/11, NStZ 2012, 345; Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 516/14, NStZ 2016, 116). Bringt das Tatgericht jedoch zum Ausdruck, dass es eine allenfalls geringgradige Wahrscheinlichkeitsaussage nicht für geeignet hält, seine Überzeugung zu beeinflussen, begegnet es keinen durchgreifenden verfahrensrechtlichen Bedenken, wenn es ein beantragtes Sachverständigengutachten mangels ausreichend aussagekräftiger und nicht weiter ermittelbarer Anknüpfungstatsachen als völlig ungeeignetes Beweismittel ansieht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 1999 – 3 StR 166/99; LR/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 239).

So verhält es sich hier: Dem Landgericht lag die zu untersuchende Unterschrift lediglich in Kopie vor, die zudem mit nur einer einzigen Originalschriftprobe der mittlerweile Verstorbenen verglichen werden sollte. Wegen des Fehlens des Originals bestanden nach den von eigener, hinreichend dargelegter Sachkunde der Strafkammer getragenen Ausführungen in dem den Beweisantrag ablehnenden Beschluss wesentliche Untersuchungsdefizite, weshalb die Schriftprobe „einer Erhebungs- und Bewertungsmöglichkeit […] nur eingeschränkt oder gar nicht zugänglich“ war. Die Verstorbene konnte auch keine weiteren Schriftproben mehr anfertigen, so dass weitere Anknüpfungstatsachen durch einen Sachverständigen nicht zu ermitteln waren.

Zudem könnte der Senat das Beruhen des Urteils auf einem etwaigen Rechtsfehler ausschließen, weil die vermeintlich gefälschte Urkunde in der Beweiswürdigung des Landgerichts lediglich ein untergeordneter Aspekt für die Annahme eines auf Pflegebetrügereien ausgerichteten Verhaltensmusters der Angeklagten war.“

Unfallschaden II: Reparaturauftrag aufgrund eines SV-Gutachtens, oder: Werkstattrisiko

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Saarbrücken, Urt. v. 22.10.2021 – 13 S 69/21 – geht es um überhöhte Reparaturkosten.

Getritten wird um restliche Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet. Der Kläger holte vorgerichtlich ein Schadengutachten ein, das Reparaturkosten in Höhe von 4.163,80 EUR ausweist. Auf Grundlage des Gutachtens ließ der Kläger das Fahrzeug  reparieren, die ihm hierfür mit – bislang nicht beglichener – Rechnung einen Betrag von 4.190,86 EUR Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 3.905,50 EUR.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf restliche Reparaturkosten in Höhe von 285,36 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch. Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, die in Rechnung gestellten Reparaturkosten seien zur Schadensbehebung erforderlich. Die Beklagte treffe zudem das Werkstatt- und Prognoserisiko. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die erforderlichen Reparaturkosten beliefen sich lediglich auf 3.905,50 EUR da nicht alle von der Werkstatt vorgenommenen Reparaturmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Im Fall einer unbezahlten Rechnung der Reparaturwerkstatt könne sich der Geschädigte nicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung berufen, ferner trage der Schädiger auch nicht das Werkstattrisiko. Der Kläger könne einen Ausgleich auch nur Zug um Zug gegen Abtretung seiner etwaigen Ansprüche gegen die Reparaturwerkstatt verlangen.

Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 285,36 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Geschädigte könne im Fall einer tatsächlich durchgeführten Reparatur die Reparaturkosten stets in dem Umfang verlangen, in dem sie angefallen seien. Die durch die Rechnung ausgewiesenen Kosten indizierten deren Erforderlichkeit auch dann, wenn der Geschädigte die Rechnung noch nicht bezahlt habe. Die Indizwirkung ergebe sich bei der konkreten Schadensberechnung alleine daraus, dass die Reparaturarbeiten auf Grundlage eines zuvor erstellten Gutachtens veranlasst worden seien. Die Beklagte treffe auch im Fall einer unbeglichenen Reparaturrechnung das Werkstattrisiko.

Hiergegen richtet sich die vom AG zugelassene Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt und hilfsweise eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung der dem Kläger gegenüber der Reparaturwerkstatt zustehenden Schadensersatzansprüche begehrt. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

In der Sache hatte die Berufung beim AG teilweise Erfolg, aber u.a. nur insoweit als die Beklagte zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes nur Zug um Zug gegen Abtretung möglicher gegenüber der Reparaturwerkstatt bestehender Schadensersatzansprüche verlangen kann.

Das LG fasst seine Begründung in folgenden Leitsätzen zu der Entscheidung zusammen:

  1. Hat der Geschädigte die Reparaturkostenrechnung noch nicht bezahlt, kann der auf Grundlage eines Schadengutachtens erteilte Reparaturauftrag ein Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sein.

  2. Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger ab Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat.

Vollzug II: Gutachten zur Unterbringungsaussetzung, oder: Postlaufzeit

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Die zweite Entscheidung zum Vollzug betrifft den Maßregelvollzug, und zwar eine sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung der Unterbringung. Auch hier nur die Leitsätze. Das OLG Celle nimmt im OLG Celle, Beschl. v. 09.07.2021 – 2 Ws 194/21 – zu zwei Fragen Stellung, und zwar:

Zunächste geht es um eine Wiedereinsetzungproblematik, da die sofortige Beschwerde des Untergebrachten verspätet war. Dazu das OLG:

Ein Beschwerdeführer darf darauf vertrauen, dass sein Beschwerdeschreiben innerhalb der üblichen Postlaufzeit – das heißt am Werktag nach der rechtzeitigen Einlieferung bei der Post – beim Empfänger eingeht; die rechtzeitige Einlieferung ist nachgewiesen, wenn der Brief am Tag vor Fristablauf im Briefzentrum gestempelt wurde.

Und: Die sofortige Beschwerde hatte dann auch Erfolg, denn:

Das gemäß § 463 Abs. 4 StPO zur Prüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einzuholende Gutachten ist regelmäßig von einem Arzt für Psychiatrie zu erstellen, wenn bei dem Betroffenen eine paranoide Schizophrenie vorliegt.

Keine Anhörung vor Einholung eines SV-Gutachtens, oder: Unrichtige Sachbehandlung im Bußgeldverfahren

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Die zweite Entscheidung, der LG Stuttgart, Beschl. v. 14.09.2021 – 20 Qs 16/21 -, kommt dann aus dem Bußgeldverfahren. Es geht um die unrichtige Sachbehandlung im Sinn von 3 21 GKG im Bußgeldverfahren in Zusammenhang mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nicht selten werden im Bußgeldverfahren ja vorab Sachverständigengutachten eingeholt. Mit den dadurch entstehenden Kosten wird dann im Fall der Verurteilung der Betroffene belastet; was manchmal m.E. ja auch ein Druckmittel sein soll, den Einspruch zurück zu nehmen. Aber die Belastung des Betroffenen „gelingt“ nicht immer.

Zu entscheiden hatte das LG über folgenden Sachverhalt: In dem anhängigen Bußgeldverfahren anhängig. In dem hat das AG Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.11.2020. In der Terminsverfügung wurde die Ladung des Betroffenen und seiner Verteidigerin sowie die eines Zeuge angeordnet. Weiter wurde handschriftlich eingefügt und verfügt, dass bei der Dekra angefragt werden solle, ob ein Sachverständiger an der Hauptverhandlung teilnehmen könne und dass dieser gegebenenfalls geladen werden und Akteneinsicht erhalten solle. Weiter solle Mitteilung hiervon an die Verteidigerin erfolgen. Die Ladung des Betroffenen enthielt ebenso wie die seiner Verteidigerin keinen Hinweis auf die Ladung des Sachverständigen.

Am 18.11.2020 hinterließ die Referatsrichterin der Verteidigerin eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter mit einer Rückrufbitte bezüglich eines Akteneinsichtsgesuchs und da sie beabsichtige einen Sachverständigen zu laden. Zwei Tage nach dem Anruf ging ein Schreiben der Verteidigerin ein, in welchem diese ausführte, sie wisse nichts von einem in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten oder einer Ladung eines Sachverständigen zum Termin, da in den jeweiligen Ladungen keine Hinweise hierauf enthalten seien. Ebenso beantragte sie dringend Akteneinsicht.

Mit Schreiben vom 23.11.2020 schrieb das Amtsgericht die Verteidigerin an und teilte mit, dass eine Übersendung der Akte per Fax fehlgeschlagen sei. Weiter wurde ausgeführt, dass bereits am 05.11.2020 verfügt worden sei, einen Sachverständigen zu laden und dies der Verteidigung mitzuteilen. Hierzu sei eine erste Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen worden. Nachdem keine Nachricht erfolgt sei, sei der Sachverständige am 12.11.2020 geladen worden. Auch bei einem weiteren Anruf habe die Verteidigerin nicht erreicht werden können.

Am 25.11.2020 wurde der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen, woraufhin mit Verfügung vom selben Tag der Termin zur Hauptverhandlung aufgehoben wurde. Die DEKRA stellt ihre Tätigkeiten (Eingangsdurchsicht, Nachforderung fehlender Unterlagen, Vorbereitung und Recherche, Erstellen von Gutachtenanlagen und Kopien) mit insgesamt 546,94 EUR in Rechnung. U.a. diese Sachverständigenkosten wurden dem Betroffenen in Rechnung gestellt. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Erinnerung gewendet und eine unrichtige Behandlung im Sinne des § 21 GKG geltend gemacht, da ein Verfahren wegen einer Geldbuße von 90 EUR geführt worden sei und sich aus der Ladung nicht ergeben habe, dass ein Sachverständiger geladen worden sei. Erst als Akteneinsicht beantragt worden sei und daraufhin die Referatsrichterin angerufen habe, habe man Kenntnis von der Absicht einen Sachverständigen zu laden erlangt. Hierauf sei dringend nochmals Akteneinsicht beantragt und mitgeteilt worden, dass man von der Sachverständigenladung keinerlei Kenntnis gehabt habe. Bis zum 25.11.2020 habe man keinerlei Mitteilungen mehr erhalten und dann, um Weiterungen zu vermeiden, den Einspruch zurückgenommen. Die Akte sei erst nach dem geplanten Hauptverhandlungstermin am 28.11.2020 postalisch zugegangen. Die Erinnerung hatte beim LG Erfolg:

§ 21 GKG ist vorliegend anzuwenden und die Kosten für das Sachverständigengutachten sind nicht zu erheben.

Hiernach sind Kosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, wobei ein leichter Verfahrensverstoß in der Regel hierfür nicht ausreicht

Das Gericht ist, sofern eine unrichtige Sachbehandlung festzustellen ist, in seiner Entscheidung gebunden und darf keine Kosten erheben. Etwaige Verschuldensfragen sind hierbei grundsätzlich unbeachtlich (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, GKG, § 21 Rn. 7).

Ein offensichtlicher Verfahrensverstoß ist vorliegend zu bejahen, denn in amtsgerichtlichen Verfahren ist der Betroffene zunächst anzuhören, wenn beabsichtigt wird, einen Sachverständigen zu beauftragen (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, GKG, § 21 Rn. 21; LG Baden-Baden, Beschl. vom 17.02.1994, 1 Qs 32/94). Dies ist vorliegend unterblieben, obwohl es lediglich um eine geringe Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit ging und die Kosten des Sachverständigengutachtens diese deutlich überstiegen. Dieses Vorgehen verstößt gegen den Rechtsgedanken des § 222 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG (LG Leipzig, Beschl. v. 04.08.2009, 5 Qs 48/09 m.w.N.)

Der Hinweis auf die Beauftragung des Sachverständigen in der Ladung unterblieb versehentlich, obwohl dies verfügt wurde und erst mit Anruf vom 18.11.2020 erhielt die Verteidigerin des Beschwerdeführers Kenntnis hiervon. Der Vortrag des Beschwerdeführers ist diesbezüglich auch glaubhaft. Zwar führt die Richterin in ihrem Schreiben vom 23.11.2020 an die Verteidigerin aus, es habe bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ladung eine hinterlassene Nachricht auf dem Anrufbeantworter gegeben, in der um kurzfristige Mitteilung gebeten worden sei, ob der Einspruch vollumfänglich aufrechterhalten bleibe. Es wurde aber gerade nicht darauf eingegangen, dass auch ausdrücklich thematisiert worden sei, dass die Ladung eines Sachverständigen erfolgen sollte. Ein Vermerk über diesen Anruf befindet sich nicht in der Akte. Das Schreiben der Verteidigerin vom 20.11.2020, in welchem diese auf die telefonische Nachricht zwei Tage zuvor Bezug nimmt — in der unstreitig ausdrücklich auf die Sachverständigenladung eingegangen wurde — bestätigt ebenso wie die zur Akte gereichte Ladung, dass erstmals mit diesem zweiten Anruf Kenntnis von der Sachverständigenladung erlangt wurde und daraufhin auch direkt reagiert wurde. Die Verteidigerin teilte ihre bisherige Unkenntnis mit und beantragte hierauf erneut und eilig Akteneinsicht, um die Abläufe aufzuklären. Als diese nicht schnell genug gewährt wurde, nahm der Beschwerdeführer den Einspruch einen Tag vor dem geplanten Hauptverhandlungstermin zurück, um Kosten zu vermeiden.

Die unterbliebene Mitteilung war als unrichtige Sachbehandlung mithin auch kausal für die Entstehung der Kosten. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Einspruch noch vor dem Termin (zur Sicherheit) zurückgenommen wurde, obwohl keine ergänzende Akteneinsicht erfolgte. Dass das Fax der Verteidigerin zeitweise nicht empfangsbereit war und daher die Gewährung der (ergänzenden) Akteneinsicht hierüber nicht möglich war, unterbricht diese Kausalität nicht, da der Sachverständige zu diesem Zeitpunkt schon beauftragt war. Aus der Kostenrechnung ergibt sich nicht, dass zu diesem Zeitpunkt noch Kosten hätten vermieden werden können. Ein sonstiges (Mit-)verschulden ist unbeachtlich.“

AE II: AE im Bußgeldverfahren, oder: (Beschränkte) Akteneinsicht in SV-Gutachten eines anderen Verfahrens

entnommen wikimedia.org
Urheber Jepessen

In der zweiten Entscheidung, dem LG Chemnitz, Beschl.v. 22.07.2021 – 2 Qs 127/21, über die der Kollege Gratz schon im VerkehrsrechtsBlog berichtet hat, geht es auch um Akteneinsicht im Bußgeldverfahren, und zwar in Zusammenhang mit Leivtec XV 3.

Das AG hatte dazu in einem Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt. Es haben dann  Verteidiger von Betroffenen aus anderen Verfahren, über § 475 StPO Einsicht in das Gutachten verlangt. Das AG hat das abgelehnt, das LG Chemnitz hat Akteneinsicht gewährt:

„Die Beschwerden sind zulässig und begründet.

Da die Beschwerdeführer am hier zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht beteiligt sind, gelten für diese die Beschränkungen des § 305 S. 1 StPO nicht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 304 Rn. 7).

Die Beschwerdeführer haben gem. § 475 Abs. 1 StPO einen Anspruch auf beschränkte Akteneinsicht durch Übersendung einer anonymisierten Form des Sachverständigengutachtens ohne Falldaten; schutzwürdige Belange des Betroffenen stehen nicht entgegen.

Das berechtigte Interesse liegt in der Verteidigung von Mandanten in anderen Verfahren, bei denen ebenfalls ein Messgerät des genannten Typs zum Einsatz kam. Die hier mit dem Sachverständigengutachten gewonnenen Erkenntnisse können für die Frage der Geeignetheit des Messgerätetyps auch in anderen Ordnungswidrigkeitenverfahren bedeutsam sein. Entgegenstehende schutzwürdige Belange des hier Betroffenen sind weder dargelegt noch ersichtlich. Datenschutzbelange können gewahrt werden, indem eine anonymisierte Gutachtenfassung zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt wird.

Die begehrte Einsichtnahme war daher – beschränkt – zu gewähren. Die Kammer hat gem. § 309 Abs. 2 StPO die in der Sache erforderliche Entscheidung getroffen.“