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Opfer darf wählen: Zivilverfahren oder Adhäsionsverfahren? Daher gibt es PKH…

Den Gesetzgeber hätte es gefreut, wenn eine Entscheidung des LG Stralsund Bestand behalten hätte. Dieses hatte nämlich einem Antragsteller, der Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schmerzensgeld wegen versuchten Mordes beantragt hatte, die PKH verweigert. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil das Klageziel einfacher erreicht werden könne, indem der Antragsteller das begehrte Schmerzensgeld im Adhäsionsverfahren nach Maßgabe der §§ 403 ff. StPO geltend mache. Zumal wenn der Geschädigte  in dem Strafverfahren als Nebenkläger unter Beteiligung eines Rechtsanwaltes beteiligt sei, handele es sich bei dem Antrag auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Strafverfahren um das einfachere und billigere Verfahren.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers hatte Erfolg. Das OLG Rostock hat in seinem Beschl. v. 10.06.2010 5 W 35/10 den landgerichtlichen Beschluss aufgehoben und Mutwilligkeit i.S. von § 114 ZPO verneint. Die liegte vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde und stattdessen den kostengünstigeren von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen beschreitet. Diese Voraussetzungen seine nicht gegeben, wenn der Geschädigte seinen Schmerzensgeldanspruch auf dem Zivilrechtsweg geltend macht, obwohl er – anwaltlich vertreten – dieses Ziel auch im Adhäsionsverfahren hätte verfolgen können, denn es handelt sich bei den beiden Möglichkeiten nicht um gleichwertige prozessuale Möglichkeiten. Das OLG weist darauf hin, dass den Geschädigten das vom LG vorgeschlagene Verfahren sogar teuerer zu stehen kommen könne. Also: Wahlrecht bleibt beim Opfer.

Und immer wieder Messverfahren – OLG Rostock zum Anfangsverdacht bei eso ES 3.0

Ich hatte ja bereits darauf hingewiesen, dass sich die Diskussion nach der Entscheidung des BVerfG v. 05.07.2010 auf die Frage des Anfangsverdachts, dessen Vorliegen für die Anwendung des § 100h StPO erforderlich ist, verlagern wird. Deshalb sind die Entscheidungen interessant, die sich mit dieser Frage – allerdings noch ohne Kenntnis von der Entscheidung des BVerfG – beschäftigen (vgl. auch AG Prenzlau).

Dazu gehört jetzt auch ein Beschl. des OLG Rostock v. 06.07.2010 – 2 Ss (OWi) 147/10 I 119/10. Nach dem OLG Brandenburg (VRR 2010, 153 = DAR 2010, 280 (Ls.) = NJW 2010, 1471) und dem OLG Celle (StraFo 2010, 247  = NZV 2010, 363) ist dieses das dritte OLG, das die „Klippe“ des für die Anwendung des § 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage erforderlichen Anfangsverdachts“ mit dem zuvor vom Messbeamten eingestellten Grenzwert umschiffen will. M.E. gelingt das nicht. Dass es sich dabei um eine „konkret-individuellen Ermittlungsentscheidung“ handelt, ist nicht mehr als eine Behauptung. „Konkret-individuell“? Gegen wen denn? Die Einstellung des Grenzwertes ist nicht mehr als eine allgemeine Entscheidung des Messbeamten.

Allerdings: Man sollte nicht übersehen, dass das BVerfG in seinem Beschl. v 05.07.2010 die Frage auch wohl, wenn m.E. auch nur inzidenter, anders gesehen hat.

Pauschgebührantrag: Schreiben, begründen, schreiben, begründen, schreiben…

Entscheidungen zur Pauschgebühr nach § 51 RVG sind nach Inkrafttreten des RVG selten geworden, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass der Gesetzgeber gerade im Strafverfahren durch die Änderung der Gebührenstruktur zu einer Erhöhung der anwaltlichen Gebühren kommen wollte (und teilweise ja auch gekommen ist). Wenn dann mal wieder eine Entscheidung zu § 51 RVG veröffentlicht wird, ist sie doppelt interessant. So also der Beschl. des OLG Rostock v. 23.07.2010 – I Ws 384/09.  Die Leitsätze lauten:

  1. Eine Erhöhung der Vergütung des Pflichtverteidigers auf den Höchstbetrag der Wahlverteidigergebühren im Rahmen der Gewährung einer Pauschgebühr kommt nur in außergewöhnlichen Strafverfahren und eine Überschreitung der Wahlverteidiger-Höchstgebühr allenfalls in extrem umfangreichen und schwierigen Verfahren in Betracht.
  2. Die Antragsbegründung des Verteidigers stellt im Pauschgebührenverfahren zwar eine wesentliche, aber nicht die einzige Prüfungsgrundlage für die Gewährung einer Pauschgebühr dar. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, den Verteidiger in Form eines Zwischenbescheids oder sonst auf eventuelle Unzulänglichkeiten seines Vortrags hinzuweisen und ihm – ggf. sogar mehrfach – Gelegenheit zu geben, seinen Antrag sukzessiv nachzubessern, um doch noch die Zuerkennung einer Pauschvergütung in der von ihm gewünschten Höhe zu ermöglichen.

Es ist hier m.E. nicht der Raum, sich mit allen Einzelheiten der Entscheidung zu befassen, daher zu Ls. 1 nur so viel: Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. M.E. folgt schon aus § 42 RVG etwas anderes, da der die Überschreitung der Wahlanwaltsgebühr ausdrücklich vorsieht, diese dann allerdings begrenzt. Falsch ist m.E. auch der Hinweis, dass es nicht auf „Kostendeckung“ ankommt, aber die Frage ist ein gebührenrechtlicher Dauerbrenner, den die OLGs teilweise anders sehen.

Hinweisen will ich aber auf den Ls. 2: Er hat zur Folge, dass der Pflichtverteidiger alles, aber auch wirklich alles zur Antragsbegründung vortragen muss. Denn letztlich kommt es auf seinen Antrag an und die darin vom Verteidiger dargestellten Tätigkeiten für den Mandanten, von denen sich viele nicht aus der Akte ergeben werden. Also: Begründen, begründen, begründen… Das habe ich übrigens schon immer gesagt/geraten und war während meiner Tätigkeit beim OLG häufig erstaunt, wie dürftig manche Anträge begründet waren.

Der Pflichtverteidiger und die Verfassungsbeschwerde: Gibt es dafür gesetzliche Gebühren aus der Staatskasse?

Das OLG Rostock, Beschl. v. 02.06.2010 – 1 Ws 127/10 und das LG Neubrandenburg, Beschl. v. 01.02.2010 – 6 Ks 11/07 haben zum sachlichen Umfang der Bestellung des Pflichtverteidigers Stellung genommen und ausgeführt, dass die Bestellung als Pflichtverteidiger nicht auch Tätigkeiten im Rahmen der Verfassungsbeschwerde erfasst.

Trifft m.E. zu, da die Verfassungsbeschwerde ein außerhalb des Strafverfahrens stehender Rechtsbehelf ist, worauf das LG zutreffend hinweist. Folge: Gesetzliche Gebühren aus der Staatskasse gibt es nur im Fall der PKH. Und da ist das VerfG verhältnismäßig streng.

Da, wo alles seinen Anfang nahm: OLG Rostock zur Ermächtigungsgrundlage für Videomessung

Jetzt hat sich auch das OLG, dessen Entscheidung im vergangenen Jahr Grundlage für die Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/08 war, zur Frage der Ermächtigungsgrundlage Stellung genommen. In seinem Beschluss vom 24.02.2010 –  2 Ss OWi 6/10 I 19/10 hat das OLG Rostock insoweit auch auf § 100h StPO abgestellt. Die Entscheidung lässt sich etwa in folgendem Leitsatz zusammenfassen:

„In der lediglich visuellen Überwachung (hier: VKS 3.0) einer Straße ohne Bildaufzeichung liegt, auch wenn sie mittels einer Videokamera erfolgt, kein Eingriff in das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung. Soweit hingegen die Fahrer-Videokameras Lebensvorgänge beobachtet, die dann auf die Fahrer-Videobänder aufgenommen und später zu Beweiszwecken aufbereitet und ausgewertet werden, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor. Insoweit ist § 100h StPO jedoch ausreichende Ermächtigungsgrundlage.

Die Frage eines Beweisverwertungsverbotes stellt sich damit (natürlich) nicht.