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Die zweite Entscheidung, der LG Stuttgart, Beschl. v. 14.09.2021 – 20 Qs 16/21 -, kommt dann aus dem Bußgeldverfahren. Es geht um die unrichtige Sachbehandlung im Sinn von 3 21 GKG im Bußgeldverfahren in Zusammenhang mit der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nicht selten werden im Bußgeldverfahren ja vorab Sachverständigengutachten eingeholt. Mit den dadurch entstehenden Kosten wird dann im Fall der Verurteilung der Betroffene belastet; was manchmal m.E. ja auch ein Druckmittel sein soll, den Einspruch zurück zu nehmen. Aber die Belastung des Betroffenen „gelingt“ nicht immer.
Zu entscheiden hatte das LG über folgenden Sachverhalt: In dem anhängigen Bußgeldverfahren anhängig. In dem hat das AG Termin zur Hauptverhandlung auf den 26.11.2020. In der Terminsverfügung wurde die Ladung des Betroffenen und seiner Verteidigerin sowie die eines Zeuge angeordnet. Weiter wurde handschriftlich eingefügt und verfügt, dass bei der Dekra angefragt werden solle, ob ein Sachverständiger an der Hauptverhandlung teilnehmen könne und dass dieser gegebenenfalls geladen werden und Akteneinsicht erhalten solle. Weiter solle Mitteilung hiervon an die Verteidigerin erfolgen. Die Ladung des Betroffenen enthielt ebenso wie die seiner Verteidigerin keinen Hinweis auf die Ladung des Sachverständigen.
Am 18.11.2020 hinterließ die Referatsrichterin der Verteidigerin eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter mit einer Rückrufbitte bezüglich eines Akteneinsichtsgesuchs und da sie beabsichtige einen Sachverständigen zu laden. Zwei Tage nach dem Anruf ging ein Schreiben der Verteidigerin ein, in welchem diese ausführte, sie wisse nichts von einem in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachten oder einer Ladung eines Sachverständigen zum Termin, da in den jeweiligen Ladungen keine Hinweise hierauf enthalten seien. Ebenso beantragte sie dringend Akteneinsicht.
Mit Schreiben vom 23.11.2020 schrieb das Amtsgericht die Verteidigerin an und teilte mit, dass eine Übersendung der Akte per Fax fehlgeschlagen sei. Weiter wurde ausgeführt, dass bereits am 05.11.2020 verfügt worden sei, einen Sachverständigen zu laden und dies der Verteidigung mitzuteilen. Hierzu sei eine erste Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen worden. Nachdem keine Nachricht erfolgt sei, sei der Sachverständige am 12.11.2020 geladen worden. Auch bei einem weiteren Anruf habe die Verteidigerin nicht erreicht werden können.
Am 25.11.2020 wurde der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurückgenommen, woraufhin mit Verfügung vom selben Tag der Termin zur Hauptverhandlung aufgehoben wurde. Die DEKRA stellt ihre Tätigkeiten (Eingangsdurchsicht, Nachforderung fehlender Unterlagen, Vorbereitung und Recherche, Erstellen von Gutachtenanlagen und Kopien) mit insgesamt 546,94 EUR in Rechnung. U.a. diese Sachverständigenkosten wurden dem Betroffenen in Rechnung gestellt. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Erinnerung gewendet und eine unrichtige Behandlung im Sinne des § 21 GKG geltend gemacht, da ein Verfahren wegen einer Geldbuße von 90 EUR geführt worden sei und sich aus der Ladung nicht ergeben habe, dass ein Sachverständiger geladen worden sei. Erst als Akteneinsicht beantragt worden sei und daraufhin die Referatsrichterin angerufen habe, habe man Kenntnis von der Absicht einen Sachverständigen zu laden erlangt. Hierauf sei dringend nochmals Akteneinsicht beantragt und mitgeteilt worden, dass man von der Sachverständigenladung keinerlei Kenntnis gehabt habe. Bis zum 25.11.2020 habe man keinerlei Mitteilungen mehr erhalten und dann, um Weiterungen zu vermeiden, den Einspruch zurückgenommen. Die Akte sei erst nach dem geplanten Hauptverhandlungstermin am 28.11.2020 postalisch zugegangen. Die Erinnerung hatte beim LG Erfolg:
„§ 21 GKG ist vorliegend anzuwenden und die Kosten für das Sachverständigengutachten sind nicht zu erheben.
Hiernach sind Kosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, wobei ein leichter Verfahrensverstoß in der Regel hierfür nicht ausreicht
Das Gericht ist, sofern eine unrichtige Sachbehandlung festzustellen ist, in seiner Entscheidung gebunden und darf keine Kosten erheben. Etwaige Verschuldensfragen sind hierbei grundsätzlich unbeachtlich (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, GKG, § 21 Rn. 7).
Ein offensichtlicher Verfahrensverstoß ist vorliegend zu bejahen, denn in amtsgerichtlichen Verfahren ist der Betroffene zunächst anzuhören, wenn beabsichtigt wird, einen Sachverständigen zu beauftragen (Toussaint, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, GKG, § 21 Rn. 21; LG Baden-Baden, Beschl. vom 17.02.1994, 1 Qs 32/94). Dies ist vorliegend unterblieben, obwohl es lediglich um eine geringe Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit ging und die Kosten des Sachverständigengutachtens diese deutlich überstiegen. Dieses Vorgehen verstößt gegen den Rechtsgedanken des § 222 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG (LG Leipzig, Beschl. v. 04.08.2009, 5 Qs 48/09 m.w.N.)
Der Hinweis auf die Beauftragung des Sachverständigen in der Ladung unterblieb versehentlich, obwohl dies verfügt wurde und erst mit Anruf vom 18.11.2020 erhielt die Verteidigerin des Beschwerdeführers Kenntnis hiervon. Der Vortrag des Beschwerdeführers ist diesbezüglich auch glaubhaft. Zwar führt die Richterin in ihrem Schreiben vom 23.11.2020 an die Verteidigerin aus, es habe bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ladung eine hinterlassene Nachricht auf dem Anrufbeantworter gegeben, in der um kurzfristige Mitteilung gebeten worden sei, ob der Einspruch vollumfänglich aufrechterhalten bleibe. Es wurde aber gerade nicht darauf eingegangen, dass auch ausdrücklich thematisiert worden sei, dass die Ladung eines Sachverständigen erfolgen sollte. Ein Vermerk über diesen Anruf befindet sich nicht in der Akte. Das Schreiben der Verteidigerin vom 20.11.2020, in welchem diese auf die telefonische Nachricht zwei Tage zuvor Bezug nimmt — in der unstreitig ausdrücklich auf die Sachverständigenladung eingegangen wurde — bestätigt ebenso wie die zur Akte gereichte Ladung, dass erstmals mit diesem zweiten Anruf Kenntnis von der Sachverständigenladung erlangt wurde und daraufhin auch direkt reagiert wurde. Die Verteidigerin teilte ihre bisherige Unkenntnis mit und beantragte hierauf erneut und eilig Akteneinsicht, um die Abläufe aufzuklären. Als diese nicht schnell genug gewährt wurde, nahm der Beschwerdeführer den Einspruch einen Tag vor dem geplanten Hauptverhandlungstermin zurück, um Kosten zu vermeiden.
Die unterbliebene Mitteilung war als unrichtige Sachbehandlung mithin auch kausal für die Entstehung der Kosten. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Einspruch noch vor dem Termin (zur Sicherheit) zurückgenommen wurde, obwohl keine ergänzende Akteneinsicht erfolgte. Dass das Fax der Verteidigerin zeitweise nicht empfangsbereit war und daher die Gewährung der (ergänzenden) Akteneinsicht hierüber nicht möglich war, unterbricht diese Kausalität nicht, da der Sachverständige zu diesem Zeitpunkt schon beauftragt war. Aus der Kostenrechnung ergibt sich nicht, dass zu diesem Zeitpunkt noch Kosten hätten vermieden werden können. Ein sonstiges (Mit-)verschulden ist unbeachtlich.“