Schlagwort-Archive: LG Heilbronn

StPO III: Angeklagter hat Wohnsitz im EU-Ausland, oder: Zustellung an Zustellungsbevollmächtigten unwirksam

entnommen wikimedia.org

Und im dritten Posting des Tages dann noch etwas vom LG Heilbronn. Es geht um die Wirksamkeit der Zustellung eines Strafbefehls.

Die Staatsanwaltschaft führt seit Januar 2021 ein Strafverfahren gegen den Angeklagten wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen den Angeklagten. Im Zuge dessen benannte der Angeklagte am 24.01.2021 im Rahmen einer „Niederschrift über eine Sicherheitsleistung“ eine „Frau T., U-Str., AG S.“ als Zustellungsbevollmächtigte für den Gerichtsbezirk S. Wegen der Einzelheiten der „Benennung“ verweise ich auf den verlinkten Volltext.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erläßt das AG dann am 17.04. 2021 einen Strafbefehl über ein am 24. 01.2021 vom Angeklagten begangenes unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Am selben Tag verfügte der zuständige Richter die Zustellung des Strafbefehls in russischer und lettischer Sprache an die Zustellungsbevollmächtigte, die den Empfang der übersetzten Strafbefehle am 04.06.2021 für beide Sprachen bestätigte.

Am 24.06.2021 legitimierte sich die Verteidigerin und erhob zugleich Einspruch gegen den Strafbefehl. Nach erhaltener Akteneinsicht beantragte die Verteidigerin durch Schreiben vom 02.07.2021 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zugleich erhob sie nochmals Einspruch gegen den Strafbefehl. Die Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin am 02.09.2021, dem Angeklagten unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 14.05.2020 (Aktenzeichen C-615/18) Wiedereinsetzung zu gewähren. Mehrere daraufhin verfasste Sachstandsanfragen von Staatsanwaltschaft „(vom 13. Oktober 2021, 11. November 2021, 13. Januar 2022, 10. Februar 2022 und 09. März 2022) und der Verteidigerin (vom 24. September 2021) blieben vom Gericht ohne nennenswerte Reaktion. Erst am 2. März 2022 wurde die „Akte im Schrank beim Richter lose aufgefunden“. Auf weitere Anfragen der Staatsanwaltschaft vom 13. April 2022 und 20. April 2022 per Email erging letztlich am 23. Mai 2022 die angefochtene Entscheidung, mit der der Einspruch des Angeklagten als auch dessen Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig verworfen wurden. Dieser Beschluss wurde der Zustellungsbevollmächtigten am 24. Mai 2022 und der Verteidigerin am 15. Juni 2022 zugestellt.

Mit Schreiben hat die Verteidigerin sofortige Beschwerde eingelegt und hatte damit beim LG mit dem LG Heilbronn, Beschl. v. 14.11.2022 – 2 Qs 91/22 – Erfolg

„Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 411 Abs. 1, 46 Abs. 3, 311 Abs. 2 StPO zulässig und in der Sache erfolgreich. Der Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts S. vom 17. April 2021 ist mangels wirksamer Zustellung desselben nicht verfristet, sodass es auf eine Wiedereinsetzung vorliegend nicht ankommt.

1. Eine wirksame Zustellung des Strafbefehls an einen Zustellungsbevollmächtigten wäre nach § 132 StPO zur Sicherung der Durchführung des Strafverfahrens dann möglich, wenn der Beschuldigte, der einer Straftat dringend verdächtig ist, im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, aber die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vorliegen. Zuständig für diese Anordnung, die ausweislich der Niederschrift von Amtsanwältin H. angeordnet wurde, ist nach § 132 Abs. 2 StPO indes der Ermittlungsrichter, nur bei Gefahr im Verzuge sind auch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) hierfür zuständig. Der Akte lässt sich nicht ansatzweise entnehmen, aus welchem Grund eine Eilzuständigkeit vorgelegen haben soll. Überdies ist weder ersichtlich, ob der gemäß § 162 Abs. 1 StPO zuständige Richter kontaktiert wurde bzw. aus welchem Grund dies unterlassen wurde. In Betracht käme hierbei beispielsweise, dass der Beschuldigte nicht gegen seinen Willen festgehalten werden kann und daher die mit Verzögerungen verbundene richterliche Anordnung meist zu spät käme (KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl. 2019, StPO § 132 Rn. 7). Die Anordnung der Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten durch die Staatsanwaltschaft ist daher rechtswidrig und hat die Unwirksamkeit einer späteren Zustellung an den Bevollmächtigten zur Folge (LG Dresden NStZ-RR 2013, 286), weil sie auf einer groben Verkennung der Voraussetzungen des Richtervorbehalts beruht (KK-StPO/Schultheis, 8. Aufl. 2019, StPO § 132 Rn. 7).

2. Der Einspruch des Angeklagten wäre darüber hinaus aufgrund der Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch nicht verfristet.

Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-615/18 (UY) ergibt sich, dass die im Recht der Mitgliedstaaten festgelegten Modalitäten der Unterrichtung über den Tatvorwurf nicht das unter anderem mit Art. 6 der RL 2012/13 verfolgte Ziel beeinträchtigen dürfen, das, wie sich auch aus dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, darin besteht, Personen, die der Begehung einer Straftat verdächtigt oder beschuldigt werden, die Vorbereitung ihrer Verteidigung zu ermöglichen und ein faires Verfahren zu gewährleisten (EuGH, Urteil vom 14.05.2020 – C-615/18 (UY) Rn. 49 m.w.N.). Dieses Ziel verlangt jedoch ebenso wie die Notwendigkeit der Vermeidung jeder Diskriminierung zwischen den im Anwendungsbereich des betreffenden nationalen Gesetzes wohnhaften Beschuldigten und den nicht dort wohnhaften Beschuldigten, die allein verpflichtet sind, für die Zustellung gerichtlicher Entscheidungen einen Bevollmächtigten zu benennen, dass der Beschuldigte über die volle Frist von zwei Wochen verfügt, um gegen einen Strafbefehl wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Einspruch einzulegen (EuGH a.a.O., Rn. 50, m.w.N.). Daher muss der Beschuldigte ab dem Zeitpunkt, zu dem er von einem solchen Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt hat, so weit wie möglich in die gleiche Lage versetzt werden, als sei ihm der Strafbefehl persönlich zugestellt worden, und er muss insbesondere über die volle Einspruchsfrist verfügen (EuGH a.a.O., Rn. 51). Mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens ist es nicht zu vereinbaren, den Angeklagten auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verweisen, da in diesem Fall die zweiwöchige Einspruchsfrist in eine einwöchige Frist zur Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrags halbiert würde. Die mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen Nachweispflichten sind ebensowenig mit den Anforderungen vereinbar, die sich aus Art. 6 der RL 2012/13 ergeben (EuGH a.a.O., Rn. 55 und 57).

Soll die unmittelbare Richtlinienwirkung bei fehlender oder – wie vorliegend gegeben – mangelhafter Umsetzung tatsächlich zum Zuge kommen, muss ein umfassender Anwendungsvorrang des Unionsrechts bestehen (Frenz, Handbuch Europarecht Band V, § 4 Rn. 1131, 1133 m.w.N.). Die Pflicht, entgegenstehende nationale Vorschriften unangewendet zu lassen, besteht zudem unabhängig von der Evidenz des Verstoßes gegen das Europarecht (Burger DVBl. 2011, 985 (988)). Da dem Angeklagten nach deutschem Recht (§ 410 Abs. 1 StPO) eine Frist von zwei Wochen zugebilligt wird, binnen derer er schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle Einspruch einlegen kann, muss aufgrund des Vorrangs des Europarechts eben diese – im Gegensatz zum Wiedereinsetzungsverfahren – an keinerlei besondere Nachweispflichten gekoppelte Einspruchseinlegung auch für den Beschuldigten bis zu zwei Wochen nach seiner Kenntnisnahme von dem Strafbefehl möglich sein. Er darf aufgrund der Darlegungs- und Nachweiserfordernisse sowie der kürzeren Frist nicht auf die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags verwiesen werden.

Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist von einer fristgerechten Einspruchseinlegung auszugehen. Da ein konkreter Zugangsnachweis an den Beschuldigten nicht vorhanden ist und dieser (deshalb unwiderlegbar) vorgetragen hat, erst am 22. Juni 2021 Kenntnis von dem Strafbefehl erhalten zu haben, erfolgte die bereits 2 Tage später am 24. Juni 2021 erfolgte Einspruchseinlegung innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 410 Abs. 1 StPO.

3. Die Kammer regt aufgrund der erheblich verzögerten Bearbeitung des Verfahrens durch das Amtsgericht S. an, eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO in Erwägung zu ziehen.“

Pflichti I. Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Nochmals Dauerbrenner

In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zur Pflichtverteidigung angesammelt. Daher mache ich heute dann mal wieder einen „Pflichti-Tag“,

© fotomek – Fotolia.com

Ich beginne mit den Entscheidungen zu einem der Dauerbrennerthemen in diesem Bereich, nämlich die Frage der Zulässigkeit einer rückwirkenden Bestellung. Da gibt es zwei Lager, die sich recht unversöhnlich gegenüberstehen. Und ich habe dann auch hier Entscheidungen sowohl für als auch gegen die rückwirkendene Bestellung, und zwar:

Die rückwirkende Bestellung wird bejaht/haben bejaht:

Abgelehnt hat die rückwirkende Bestellung:

 

Corona I: Durchsuchung wegen Impfausweisfälschung?, oder: „Anfangsverdacht“ auch nach altem Recht bejaht

Bild von Alexandra_Koch auf Pixabay

Den Start in die 5. KW mache ich heute mal wieder mit zwei Entscheidungen zu Corona. Sie haben einen verfahrensrechtlichen Aspekt.

Zumindest der LG Heilbronn, Beschl. v. 11.01.2022 – 1 Qs 95/21 -, der mich eine wenig ratlos zurück lässt.

Ergangen ist der Beschluss in einem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte aufgrund des Verdachts der Urkundenfälschung. Dem lag zugrunde, dass die Beschuldigte am 16.11.2021  einen gefälschten Impfausweis hinsichtlich zwei tatsächlich nicht erfolgter Covid-19-Impfungen vorgezeigt haben soll, um hierdurch die Mitarbeiterin der Apotheke zur Ausstellung eines digitalisierten Impfzertifikats zu bewegen. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens beantragte die Staatsanwaltschaft beim AG den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, um den gefälschten Impfausweis, den Stempel des Klinikums und „COMIRNATY“-Chargenaufkleber, schriftliche Unterlagen zum Erwerb und zur Verwendung eines gefälschten Impfausweises, Mobiltelefone, Computer und sonstige Datenträger, auf denen entsprechende Unterlagen gespeichert sind, beschlagnahmen zu können.

Das AG lehnt den Antrag der Staatsanwaltschaft ab, da das in Rede stehende Verhalten der Beschuldigten nach der bis 23.11.2021 geltenden Rechtslage aufgrund einer Strafbarkeitslücke kein strafbares Verhalten dargestellt hätte. Dabei verwies das AG auf die Rechtsprechung des LG Osnabrück und die „überwiegende“ Auffassung in der Literatur. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der vorliegenden Beschwerde. Und die ist nach Auffassung des LG begündet:

„Zwar ist die Rechtsauffassung des Amtsgerichts nachvollziehbar und angesichts der verschiedenen Meinungen in Literatur und Rechtsprechung durchaus gut vertretbar. Gleichwohl teilt die Kammer diese nicht. Insbesondere vermag sie nicht zur Ablehnung des beantragten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses führen.

Im Einzelnen ist zur Rechtslage bis zum 23. November 2021 Folgendes auszuführen:

Die §§ 277, 279 StGB sind, wie die Urkundenfälschung nach § 267 StGB, im 23. Abschnitt des StGB verortet und stellen damit eine speziellere Regelung im Vergleich zum allgemeinen § 267 StGB dar. In ihrer bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung enthielten sie eine Privilegierung für Gesundheitszeugnisse – darunter fallen nach einhelliger Meinung auch Impfbescheinigungen – dergestalt, dass in diesen Vorschriften nur die Vorlage gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften strafbar war und dies dann auch mit einem insgesamt geringeren Strafrahmen als dem in § 267 StGB vorgesehenen. Hieraus folgte jedenfalls, dass die §§ 277 ff. StGB § 267 StGB als lex specialis verdrängten, sobald die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB vorlagen.

Teilweise, und das durch durchaus gewichtige Stimmen in der Literatur (Erb in Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 277 Rn. 11, § 279 Rn. 5; Zieschang in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 277 Rn. 16 und Hoyer in SK-StGB – Systematischer Kommentar, § 277 Rn. 5), wurde für die alte Rechtslage vertreten, dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB darüber hinausgehend auch dann eingetreten sei, wenn es um Gesundheitszeugnisse ging, aber die übrigen Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB, also die Vorlage gegenüber einer Behörde oder Versicherung, nicht gegeben waren. Dies wurde im Wesentlichen mit einem „Wertungswiderspruch“ begründet, der sich gegenüber der Privilegierung ergebe, wenn die Fälle, die dann unter die allgemeine Regelung fallen würden, geringere Voraussetzungen, aber einen weiteren Strafrahmen hätten. Dieser Argumentation sind zuletzt auch einige Landgerichte (LG Osnabrück am 26. Oktober 2021 – 3 Qs 38/21; LG Karlsruhe am 26. November 2021 hinsichtlich Corona-Tests – 19 Qs 90/21; LG Paderborn am 1. Dezember 2021 – 5 Qs 33/21 und LG Landau/Pfalz am 13. Dezember 2021 – 5 Qs 93/21) gefolgt und haben folgerichtig daraus eine Strafbarkeit der Vorlage gefälschter Impfausweise (und im Fall des LG Karlsruhe gefälschter Testbescheinigungen) vor anderen als den in §§ 277, 279 StGB a.F. bezeichneten Adressaten verneint. Die durch die Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnene Fallgestaltung in Verbindung mit der ersten gerichtlichen Entscheidung, die hier eine Strafbarkeit verneinte, bewegte den Gesetzgeber dazu, die Gesetzeslage für künftige Fälle zu ändern und nunmehr die §§ 277, 279 StGB neu zu fassen. Dabei ist den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 20/15, Seite 2) hiesiger Auffassung nach zu entnehmen, dass der Gesetzgeber keineswegs selbst vom Bestehen von Strafbarkeitslücken ausging, sondern im Hinblick auf die in der Literatur vertretene Meinung ein Bedürfnis sah, zur Klarstellung tätig zu werden.

Soweit das Amtsgericht Heilbronn in dem angefochtenen Beschluss weiteren Vertretern der Literatur die oben dargelegte Meinung zuschreibt, kann das nicht uneingeschränkt nachvollzogen werden. Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2017 setzen sich mit dieser Problematik zwar auseinander und versuchen, die Auffassung des Münchner Kommentars zu erklären, lassen aber letztlich die Lösung offen und zeigen auf, dass auch die Auffassung des Münchner Kommentars zu Wertungswidersprüchen führt (§ 277 Rn 13):

„Daraus wird die Konsequenz gezogen, dass die Herstellung eines unechten Attests zur Vorlage bei einer Privatperson auch nicht nach §?267 strafbar ist, weil es absurd wäre, die Herstellung solcher Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen nach §?267 schärfer zu bestrafen als die zur Täuschung v. Behörden und Versicherungsgesellschaften mit unechten Attesten. Aber die Straflosigkeit der Herstellung unechter Atteste zur Täuschung v. Privatpersonen im Rechtsverkehr im Gegensatz zu der Herstellung beliebiger anderer Urkunden ist nicht weniger absurd. Das Ergebnis folgt auch nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des §?277, sondern aus einem argumentum e contrario aus dieser Vorschrift. Ein argumentum e contrario ist logisch nicht zwingend, sondern erweitert die Bedeutung der Vorschrift über deren Wortlaut hinaus. Es sollte also auf eine Vorschrift nicht angewandt werden, die wie §?277 nicht bzw nicht mehr in das Gesamtgefüge des Urkundenstrafrechts passt.“

Die Kommentare BeckOK StGB, 51. Edition, Stand 01.11.2021, § 277 Rn. 13; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, Rn. 12 und Lackner/Kühl, StGB, 29. Auflage 2018, § 277 Rn. 5 enthalten zur Reichweite der Sperrwirkung keine Ausführungen, sondern legen sich nur dahingehend fest, dass die §§ 277 ff. StGB dem § 267 StGB als lex specialis vorgehen. Damit ist aber gerade nicht geklärt, ob das nur der Fall ist, wenn die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB auch tatsächlich vorliegen oder ob die Sperrwirkung genauso weitreichend angenommen werden soll wie im Münchner Kommentar.

Dass die Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. so weitreichend anzunehmen ist, dass selbst die Fälle nicht mehr unter § 267 StGB fallen, für die der Anwendungsbereich der §§ 277 ff. StGB a.F. nicht eröffnet ist, ist allerdings keineswegs zwingend. Aus dem Gesetzeswortlaut der alten Fassungen der §§ 277 ff. StGB ergibt sich das nicht. Auch systematisch wird ist es im deutschen Strafrecht nur in ganz wenigen Ausnahmefällen und dann nicht von der herrschenden Meinung und ständigen Rechtsprechung vertreten, dass eine Vorschrift noch über ihren eigenen Anwendungsbereich hinaus eine Sperrwirkung gegenüber einer anderen Vorschrift entfaltet. Zudem vertrat ein anderer, durchaus gewichtiger Vertreter der Literatur (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 277 Rn. 11) zur alten Rechtslage die Auffassung, dass in diesen Fällen eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vorlag, es aber im Hinblick auf den „offenen Wertungswiderspruch“ unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten erschien, die Strafandrohung gemäß der der §§ 277 ff. StGB a.F. zu limitieren. Auch die oben dargestellte Argumentation von Puppe/Schumann in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen ist nicht von der Hand zu weisen.

Schließlich wäre zur Interpretation der Rechtslage vor dem 24. November 2021 der gesetzgeberische Wille des Gesetzgebers von 1871 heranzuziehen, der aber nach nunmehr 150 Jahren nicht mehr im Einzelnen eruierbar ist. Allerdings ist aus hiesiger Sicht durchaus vorstellbar, dass der damalige Gesetzgeber die Privilegierung der Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber Versicherungen und Behörden im Gegensatz zur Vorlage gegenüber Privaten deshalb eingeführt hat, weil er davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen leichter zu erkennen vermögen als Privatpersonen. Würde man den gesetzgeberischen Willen von damals in diesem Sinn interpretieren, gäbe es noch nicht einmal einen „Wertungswiderspruch“ und die Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber anderen als den in §§ 277 ff. StGB a.F. bezeichneten Adressaten wäre ganz selbstverständlich nach § 267 StGB und mit dem dortigen Strafrahmen strafbar.

Insgesamt ist die Problematik nach alledem umstritten. Es gibt nachvollziehbare Argumente für beide Meinungen und es werden in der Literatur auch beide Meinungen vertreten. Die Rechtsprechung hat sich, soweit ersichtlich, erst seit kurzer Zeit mit der Thematik näher befasst. Eine obergerichtliche Entscheidung ist dazu bislang noch nicht ergangen, weder durch ein Oberlandesgericht noch durch den Bundesgerichtshof.

Für die Frage der Anordnung oder Nicht-Anordnung einer Durchsuchung und Beschlagnahme, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, hat das folgende Konsequenz:

Für den Erlass eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses ist in prozessualer Hinsicht das Vorliegen eines Anfangsverdachts im Hinblick auf eine strafbare Handlung erforderlich. Vorliegend bestehen im Tatsächlichen keine Zweifel daran, dass ein Anfangsverdacht für die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke gegeben ist. Hinsichtlich der Frage, ob deshalb aufgrund einer unklaren Rechtsauslegung, die letztlich nach obergerichtlicher Klärung dazu führen kann, dass das Verhalten als strafbar angesehen wird oder auch nicht, eine Ermittlungsmaßnahme, wie die vorliegend beantragte Durchsuchung und Beschlagnahme, zulässig oder gar geboten ist, sind die Grundsätze zur Anklageerhebung heranzuziehen. Dieser ist die Ermittlungsmaßnahme schließlich vorgelagert. § 152 StPO bestimmt, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Hierfür muss sich die Staatsanwaltschaft an der obergerichtlichen Rechtsprechung, nämlich an gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beziehungsweise, soweit letztinstanzlich vorliegend, des für sie zuständigen Oberlandesgerichts, orientieren. Daraus wiederum folgt, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in dem es mehrere gangbare Wege, aber gerade noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, erst recht keine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung gibt, eine Anklageerhebung im Interesse einer effektiven und einheitlichen Strafverfolgungspraxis sogar verpflichtend sein kann (so auch Diemer in Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, Rn. 13; Peters in Münchner Kommentar zur StPO, 1. Auflage 2016, § 152 Rn. 69).

So liegt der Fall hier. Gerade weil die Fälschung von Impfpässen und deren Vorlage in Apotheken zur Erlangung digitaler Impfzertifikate im Hinblick auf die Covid-19-Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen ungeimpfter Personen in jüngster Vergangenheit und gerade auch vor der Änderung des Gesetzes stark an Bedeutung gewonnen haben und hierzu verschiedene Rechtsmeinungen vertreten werden, ist nach hiesiger Sichtweise eine obergerichtliche Klärung dieser Fälle anzustreben. Dies kann indes nicht gelingen, wenn bereits im Rahmen der Prüfung des Anfangsverdachts zu hohe Anforderungen gestellt werden. Wenn bereits in einem frühen Stadium der Ermittlungen, die notwendigerweise einer Anklageerhebung vorausgehen müssen, die Ermittlungshandlungen der Staatsanwaltschaft beschnitten werden, kann es denklogisch nicht zu einer obergerichtlichen Klärung kommen. Der Kammer ist bei dieser Sichtweise bewusst, dass mit einer Durchsuchung und Beschlagnahme gewichtige Grundrechtseingriffe zulasten der Beschuldigten einhergehen, die, sollte sich durch die weitere Entwicklung ergeben, dass das Verhalten der Beschuldigten nicht strafbar war, auch zu Schadensersatzansprüchen führen können. Aus Sicht der Kammer sind diese Umstände in der Abwägung aber nicht so gewichtig wie eine effektive und insbesondere einheitliche Strafverfolgungspraxis, sodass diese in Kauf zu nehmen sind. Der Umstand, dass die Frage nach der Strafbarkeit des von der Beschuldigten gezeigten Verhaltens noch nicht obergerichtlich geklärt ist, steht demnach der Bejahung des für die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung notwendigen Anfangsverdachts nicht entgegen.

Bezogen auf den konkreten Fall war zudem zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht auch hinsichtlich eines schuldhaften Handelns vorliegt, insbesondere, ob der Beschuldigten die Strafbarkeit ihres Verhaltens bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. Hierzu ist im konkreten Fall nichts bekannt. Die Beschuldigte selbst kann dazu im Hinblick auf § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO vorab nicht befragt werden, da dies den Untersuchungszweck gefährden würde. Allerdings ist grundsätzlich zu sehen, dass zwar gerade im November 2021 bis zur Gesetzesänderung die Frage, ob die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken strafbar ist, in den Medien diskutiert wurde. Dabei sind allerdings nicht nur das Landgericht Osnabrück als damals erstes und einzig bekanntes Landgericht, das eine Strafbarkeit verneint hatte, sondern auch zahlreiche weitere Juristen in der öffentlichen Diskussion zu Wort gekommen, die die gegenteilige Meinung vertreten haben. Insgesamt war deshalb auch für juristische Laien zu erkennen, dass dieses Thema nicht abschließend geklärt ist, sodass man sich diesbezüglich nicht guten Gewissens auf die eine oder andere Rechtsmeinung verlassen konnte, zumal es sich beim Landgericht Osnabrück nicht um ein Obergericht handelt. Sollte sich letztlich herausstellen, dass dieses Verhalten als grundsätzlich strafbar anzusehen ist, so wäre hier allenfalls ein vermeidbarer Verbotsirrtum gegeben, der eine Strafbarkeit im Hinblick auf die Schuld nicht beseitigt.

Insgesamt bejaht die Kammer vor diesem Hintergrund auch in rechtlicher Hinsicht derzeit das Vorliegen eines Anfangsverdachts einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB, weshalb entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss zu erlassen war.

Sollte bis zur Vollstreckung des Beschlusses obergerichtlich eine Entscheidung dahingehend getroffen worden sein, dass die Vorlage gefälschter Impfzertifikate in Apotheken nach der bis 23. November 2021 geltenden Rechtslage kein strafbares Verhalten darstellt, darf dieser Beschluss nicht mehr vollzogen werden.“

Ja was denn nun: Ist es nun strafbar – die h.M. in der Rechstprechung sagt nein. Insoweit ist das LG am 11.01.2022 nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Und die Durchsuchung ist erlaubt/zulässig, damit man die Frage einer „obergerichtlichen Klärung“ zuführen kann. Und dann stellt man die Vollstreckung der Durchsuchungsanordnung uner den Vorbehalt einer ggf. ergangenen abweichenden obergerichtlichen Entscheidung. In meinen Augen nicht zulässig. Die „eigenverantwortliche Prüfung“ lässt grüßen. Im Übrigen: Die obergerichtliche Entscheidung liegt mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 17.01.2022 – 1 Ws 732-733/21 vor (dazu StGB I: Strafbarer Verkauf gefälschter Impfausweise?, oder: Auch beim OLG Bamberg nach altem Recht nicht ).

Pflichti I: Der sprachunkundige Syrer, oder: Dolmetscher als Allheilmittel

© pedrolieb -Fotolia.com

So, heute dann „Pflichtverteidigungsentscheidungenabarbeitungstag“. Und den beginne ich mit dem LG Heilbronn, Beschl. v. 21.01.2019 – 8 Qs 2/19. Er behandelt die Frage der „Unfähigkeit zur Selbstverteidigung“ bei einem Syrer, dem ein Verstoß gegen BtMG vorgeworfen wird. Das LG sagt: Pflichtverteidiger bekommst du nicht:

„Die für eine Bestellung erforderlichen Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung liegen nicht vor. Weder ist ein Katalogtatbestand nach § 140 Abs. 1 StPO gegeben, noch erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers nach der Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO geboten.

Die Sach- und Rechtslage stellt sich nicht als schwierig dar. Hieran vermag vorliegend auch die Zahl der Aktenseiten nichts zu ändern.

Ferner sind auch die voraussichtlichen Rechtsfolgen nicht als schwerwiegend einzustufen. Die hierzu ergangene, mittlerweile als verfestigt anzusehende höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt dies regelmäßig ab einer Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe an, die vorliegend nicht in Rede steht (statt vieler OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. August 2018 – 1 Ws 179/18 -, juris).

Zuletzt ist auch kein Umstand ersichtlich, aufgrund dessen der Angeschuldigte unfähig wäre sich selbst zu verteidigen.

Aus mangelnden Kenntnissen der deutschen Sprache kann die Notwendigkeit der Verteidigung regelmäßig nicht hergeleitet werden. Diese sind vielmehr durch die Hinzuziehung eines geeigneten Dolmetschers zu überwinden.

Auch das zusätzliche Entstammen aus einem anderen Kulturkreis und die fehlende Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem vermögen eine Unfähigkeit zur Selbstverteidigung nur dann zu begründen, wenn weitere Umstände, wie beispielhaft der erhöhte Schwierigkeitsgrad der Sach- und Rechtslage, dies gebieten, welche durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht angemessen ausgeglichen werden können (OLG Karlsruhe StraFo 2005, 370; LG Mainz, Beschluss vom 29. Dezember 2017 – 3 Qs 43/17 -, juris). Derartige Umstände sind jedoch in dem vorliegend einfach gelagerten Fall nicht gegeben.

Soweit der Angeklagte vorträgt, er benötige einen Dolmetscher für die syrische Sprache und der seitens des Gerichtes bislang geladene Dolmetscher für arabisch sei unzureichend, wird dem ggfs. durch die Heranziehung eines anderen Dolmetschers zu begegnen sein.“

Na, ob das so richtig ist, wage ich dann doch zu bezweifeln. Der Dolmetscher als Allheilmittel.

Sperrfristabkürzung nein, Aufhebung ja, aber nur im konkreten Einzelfall

Führerschein und Nachschulung

Und als „Nachmittagsposting“ dann zwei Entscheidungen zur vorzeitigen Aufhebung einer nach § 69a StGB festgesetzten Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Festgesetzt war nach einer Trunkenheitsfahrt eine Sperrfrist von zehn Monaten. Der ehemalige Angeklagte beantragt dann nach Teilnahme an einer Nachschulungsmaßnahme die „schnellmögliche Verkürzung“. Zugleich legte er ein Teilnahme-Zertifikat des TÜV-Süd vor, das seine erfolgreiche Teilnahme an einem Kurs „Mainz 77“ (Modell zur Sperrfristverkürzung) bescheinigt. Das AG „kürzt“ die Sperrfrist und hebt sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf. Dagegen die Beschwerde:

Zunächst zur Frage: Kann eine Sperrfrist nach § 69a StGB abgekürzt werden. Dazu sagt das LG Heilbronn im LG Heilbronn, Beschl. v. 27.04.2018 – 3 Qs 17/18: Nein:

Gemäß § 69a Abs. 7 StGB kann das Gericht nach dem Ablauf der Mindestsperrfrist von drei Monaten die Sperre vorzeitig aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht länger ungeeignet ist.

Bereits dem Wortlaut nach, ist eine Aufhebung zeitlich also erst dann möglich, wenn die Voraussetzungen der Norm, namentlich die mutmaßliche Beseitigung der bisherigen Ungeeignetheit nach der Überzeugung des Gerichts bereits eingetreten sind. Eine derartige Prognoseentscheidung kann schon begrifflich nicht auf einen in der Zukunft liegenden Termin projiziert werden.

Die Schwäche der Gegenansicht zeigt sich schon daran, dass auch der Beschluss des Gerichts nach § 69a Abs. 7 StGB der Rechtskraft zugänglich ist und mithin bei einem in der Zukunft liegenden Aufhebungszeitpunkt die Sperre selbst dann in Wegfall geriete, wenn zwischen der Entscheidung und dem Erreichen dieses Zeitpunkts nachteilige Umstände, im schlimmsten Fall weitere relevante Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder ein Rückfall in eine beseitigte Alkoholabhängigkeit bekannt würden.

Auch der Regelungszweck steht einem solchen Verständnis der Norm entgegen. Als eng auszulegende Ausnahmevorschrift gestattet § 69a Abs. 7 StGB aus Rücksicht auf das Übermaßverbot eine einzelfallbezogene Durchbrechung der Rechtskraft einer vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung. Wo nämlich der Zweck einer Maßregel erreicht ist, wäre ihr weiterer Vollzug unverhältnismäßig. Dies aber bedeutet, dass die Maßregel im Falle der Zweckerreichung auch unmittelbar aufzuheben ist.

Eine bloße Verkürzung der Sperrfrist mir der Folge eines in der Zukunft liegenden Endzeitpunkts der Fahrerlaubnissperre lässt § 69a Abs. 7 StGB hingegen gerade nicht zu. Die diesbezügliche Antragspraxis der Vollstreckungsbehörden ist ersichtlich der Handhabung aus Zeiten geschuldet, in denen die Teilnahme an einschlägigen Nachschulungskursen, regelmäßig im Gnadenverfahren mit einer in der Regel dreimonatigen Verkürzung der Sperrfrist honoriert wurde (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Nr. 8 GnO BW; allg. zu den Möglichkeiten des Gnadenverfahrens Fromm, NZV 2011, 329).

Zur Erreichung einer derartig schematischen Verkürzung ist § 69a Abs. 7 StGB aber auch deshalb nicht nutzbar zu machen, weil die Norm nicht das Ziel hat, einen wie auch immer gearteten Einsatz des Verurteilten auf dem Weg zur möglichen Beseitigung der Ungeeignetheit ungeachtet des Erfolgs der Bemühungen zu honorieren. Anders als etwa § 36 Abs. 1 BtMG, bei dem im Zurückstellungsverfahren nach § 35 BtMG eine Anrechnung der in anerkannten Einrichtungen absolvierten Therapie unabhängig von deren nachhaltigem Erfolg stattfindet, führt § 69a Abs. 7 StGB zu einer Begünstigung des Verurteilten nur dann, wenn, freilich auch unter Berücksichtigung der Bemühungen des Verurteilten, durch die Entwicklungen seit der Verurteilung der Grund für die Anordnung der Maßregel, sprich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen tatsächlich entfallen ist.

Eine auf einen in die Zukunft gelegenen Zeitpunkt terminierte Aufhebung ist mithin unzulässig. Diese Auffassung entspricht zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur (vgl. etwa LG Fulda, Beschluss vom 8. November 2017, – 2 Qs 125/17 -, Blutalkohol 2018, 162; OLG Celle, Beschluss vom 27. November 2008 – 2 Ws 362/08 –, juris; LG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 502 Qs 13/08 –, juris, jeweils mwN.; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, 29. Aufl. 2014, StGB § 69a Rn. 29; Fischer, StGB, 64. Auflage, § 69a Rn.41).

Der Antrag auf Aufhebung einer Sperre kann daher nur in Form der sofortigen Aufhebung der Sperre oder durch Ablehnung des Antrags, der dann ggf. zu späterer Zeit mit neuer Begründung erneut gestellt werden kann, beschieden werden.“

In der Sache kommt es dann aber zur Aufhebung der Sperre, u.a. weil der ehemalige Angeklagte an dem Kurs „Mainz 77“ teilgenommen hat und aufgrund „einer konkreten Einzelfallprüfung“ „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden [konnte], dass der Verurteilte nicht länger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.“

Auf der Linie liegt dann auch der LG Görlitz, Beschl. v. 06.06.2018 – 13 Qs 48/18.