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Aufhebung der Sperrfrist, oder: Checkliste vom AG Rheinberg

entnommen openclipart.org

Und zum Schluss des „Verkehrsrechtstag“ dann noch der AG Rheinberg, Beschl. v. 23.08.2018 – 4 Cs 418 Js 126/18 (271/18). Er behandelt die Aufhebung der Sperffrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 7 StGB.Er fasst noch einmal sehr schön die Umstände zusammen – quasi wie eine kleine Checkliste -, auf die man als Verteidiger, wenn man einen Aufhebungsantrag gestellt hat oder stellen will, achten muss:

„Bei der Abwägung hat das Gericht vorliegend neben der nachgewiesenen Teilnahme an einem verkehrspsychologischen Kurses auch die Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt, die Dauer der bisherigen Entziehung der Fahrerlaubnis, die Begehungswese der Tat, den Grad der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und das sonstige Verhalten des Verurteilten im Straßenverkehr berücksichtigt. Die Abwägung führt hier zu einer hinreichend sicheren Tatsachengrundlage, den Verurteilten nicht mehr als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr anzusehen.

Der Angeklagte ist abgesehen von der Verurteilung durch den Strafbefehl des Gerichts zu keinem Zeitpunkt strafrechtlich oder verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Weder existieren Voreintragungen im Bundeszentralregister, noch im Fahreignungsregister noch bestehen nach aktueller Auskunft von Polizei und Staatsanwaltschaft laufende Verfahren gegen den Verurteilten.

Der Grad der Alkoholisierung lag mit 1,5 Promille zwar spürbar über der Schwelle der absoluten Fahruntüchtigkeit, jedoch gleichzeitig noch in einem Bereich, der nicht auf einen vollkommen ausartenden Umgang mit Alkohol generell schließen lässt (vgl. insoweit Richtwerte des LG Hildesheim lt. Beschluss vom 14.05.2003, NStZ-RR 2003, 312).

Aufgrund der Sicherstellung des Führerscheins zum Zeitpunkt der Tat (03.02.2018, BI. 2, 23 d.A.) entbehrt der Verurteilte zum Entscheidungszeitpunkt bereits für die Dauer von knapp sieben Monaten seine Fahrerlaubnis.

Die der Anordnung der Sperre zugrundeliegende Tat ist fahrlässig begangen worden. Eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ist in Form einer (leichten) Verletzung des Zeugen K. eingetreten, wobei jedoch nach Aktenlage ein nicht ganz unerhebliches Mitverschulden des Zeugen K. nicht ausgeschlossen werden kann.

Des Weiteren hat der Verurteilte nach Erlass des Strafbefehls und Anordnung der Sperrfrist an einem verkehrspsychologischen Kurs teilgenommen. Zwar führt die bloße Teilnahme an einem verkehrspsychologischen Kurs (hier „avanti 16″ der Nord-Kurs GmbH) nicht grundsätzlich dazu, dass der Teilnehmer als geeignet anzusehen ist (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 69a Rn. 44 m.w.N.). Indes handelt es sich dennoch um einen im Rahmen der Gesamtabwägung berücksichtigungsfähigen Umstand.

Vorliegend hält das Gericht die Ausgestaltung und Qualität des Kurses für ausreichend, um in der Abwägung Berücksichtigung zu finden. Das Gericht hält es anders als die Staatsanwaltschaft nicht für zwingend erforderlich, dass das Seminar durch einen gem. § 36 Abs. 6 FeV anerkannten Fachleiter durchgeführt wird bzw. dieser Umstand vom Verurteilten dargelegt wird (so allerdings LG Hildesheim a.a.O.). Soweit die verwaltungsrechtlichen Vorschriften der §§ 2b Abs. 2 5.2, 4 Abs. 8 S. 4 StVG für vergleichbare Aufbauseminare entsprechende Vorgaben machen, betreffen diese Vorgaben nicht zugleich die Frage der Verkürzung der strafrechtlich angeordneten Sperrfrist. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber — in Kenntnis der seit langem bekannten Problematik der Berücksichtigung von Aufbauseminaren bei der Dauer der Sperrfrist — bislang nicht dafür entschieden, vergleichbare Qualitätsanforderungen bei den entsprechenden Regelungen des StGB einzuführen. Insoweit will der Gesetzgeber offenbar die Einzelfallentscheidung durch das Gericht nicht durch formale Gesichtspunkte beschränken. Einer solchen Einzelfallprüfung hält die vom Verurteilten vorgelegte Teilnahmebescheinigung jedoch stand. Dieser ist zu entnehmen, dass das Seminar über die Dauer von 16 Einheiten durchgeführt wurde und eine hinreichend individualisierte Beratung durch geschultes Personal zum Gegenstand hatte.

Auch die Vorlage eines Gutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle hält das Gericht anders als die Staatsanwaltschaft nicht für erforderlich, um die Ungeeignetheit zu widerlegen. Ein solches Gutachten dürfte lediglich in den Fällen erforderlich sein, in denen von der Regelfallbewertung gem. § 69 StGB abgewichen werden soll und trotz Vorliegen eines Regelfalles die Fahrerlaubnis erst gar nicht entzogen werden soll (vgl. Fischer, a.a.O., § 69 Rn. 36).

Seit Ableistung des Kurses sind zum Entscheidungszeitpunkt ca. 5 Wochen vergangen. Soweit manche Stimmen eine Zeit nach Abschluss des verkehrspsychologischen Kurses zur Reflexion des Erlernten und dessen Umsetzung im Alltag verlangen (vgl. LG Heilbronn, Beschl. v. 27.04.2018, BeckRS 2018, 9533), wäre durch den zwischenzeitlichen Zeitablauf auch diese Voraussetzung hinreichend erfüllt.“

Besten Dank an den Kollegen Möckel aus Oldenburg für die Übersendung der Entscheidung.

Sperrfristabkürzung nein, Aufhebung ja, aber nur im konkreten Einzelfall

Führerschein und Nachschulung

Und als „Nachmittagsposting“ dann zwei Entscheidungen zur vorzeitigen Aufhebung einer nach § 69a StGB festgesetzten Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis. Festgesetzt war nach einer Trunkenheitsfahrt eine Sperrfrist von zehn Monaten. Der ehemalige Angeklagte beantragt dann nach Teilnahme an einer Nachschulungsmaßnahme die „schnellmögliche Verkürzung“. Zugleich legte er ein Teilnahme-Zertifikat des TÜV-Süd vor, das seine erfolgreiche Teilnahme an einem Kurs „Mainz 77“ (Modell zur Sperrfristverkürzung) bescheinigt. Das AG „kürzt“ die Sperrfrist und hebt sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf. Dagegen die Beschwerde:

Zunächst zur Frage: Kann eine Sperrfrist nach § 69a StGB abgekürzt werden. Dazu sagt das LG Heilbronn im LG Heilbronn, Beschl. v. 27.04.2018 – 3 Qs 17/18: Nein:

Gemäß § 69a Abs. 7 StGB kann das Gericht nach dem Ablauf der Mindestsperrfrist von drei Monaten die Sperre vorzeitig aufheben, wenn sich Grund zu der Annahme ergibt, dass der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht länger ungeeignet ist.

Bereits dem Wortlaut nach, ist eine Aufhebung zeitlich also erst dann möglich, wenn die Voraussetzungen der Norm, namentlich die mutmaßliche Beseitigung der bisherigen Ungeeignetheit nach der Überzeugung des Gerichts bereits eingetreten sind. Eine derartige Prognoseentscheidung kann schon begrifflich nicht auf einen in der Zukunft liegenden Termin projiziert werden.

Die Schwäche der Gegenansicht zeigt sich schon daran, dass auch der Beschluss des Gerichts nach § 69a Abs. 7 StGB der Rechtskraft zugänglich ist und mithin bei einem in der Zukunft liegenden Aufhebungszeitpunkt die Sperre selbst dann in Wegfall geriete, wenn zwischen der Entscheidung und dem Erreichen dieses Zeitpunkts nachteilige Umstände, im schlimmsten Fall weitere relevante Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder ein Rückfall in eine beseitigte Alkoholabhängigkeit bekannt würden.

Auch der Regelungszweck steht einem solchen Verständnis der Norm entgegen. Als eng auszulegende Ausnahmevorschrift gestattet § 69a Abs. 7 StGB aus Rücksicht auf das Übermaßverbot eine einzelfallbezogene Durchbrechung der Rechtskraft einer vorangegangenen gerichtlichen Entscheidung. Wo nämlich der Zweck einer Maßregel erreicht ist, wäre ihr weiterer Vollzug unverhältnismäßig. Dies aber bedeutet, dass die Maßregel im Falle der Zweckerreichung auch unmittelbar aufzuheben ist.

Eine bloße Verkürzung der Sperrfrist mir der Folge eines in der Zukunft liegenden Endzeitpunkts der Fahrerlaubnissperre lässt § 69a Abs. 7 StGB hingegen gerade nicht zu. Die diesbezügliche Antragspraxis der Vollstreckungsbehörden ist ersichtlich der Handhabung aus Zeiten geschuldet, in denen die Teilnahme an einschlägigen Nachschulungskursen, regelmäßig im Gnadenverfahren mit einer in der Regel dreimonatigen Verkürzung der Sperrfrist honoriert wurde (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Nr. 8 GnO BW; allg. zu den Möglichkeiten des Gnadenverfahrens Fromm, NZV 2011, 329).

Zur Erreichung einer derartig schematischen Verkürzung ist § 69a Abs. 7 StGB aber auch deshalb nicht nutzbar zu machen, weil die Norm nicht das Ziel hat, einen wie auch immer gearteten Einsatz des Verurteilten auf dem Weg zur möglichen Beseitigung der Ungeeignetheit ungeachtet des Erfolgs der Bemühungen zu honorieren. Anders als etwa § 36 Abs. 1 BtMG, bei dem im Zurückstellungsverfahren nach § 35 BtMG eine Anrechnung der in anerkannten Einrichtungen absolvierten Therapie unabhängig von deren nachhaltigem Erfolg stattfindet, führt § 69a Abs. 7 StGB zu einer Begünstigung des Verurteilten nur dann, wenn, freilich auch unter Berücksichtigung der Bemühungen des Verurteilten, durch die Entwicklungen seit der Verurteilung der Grund für die Anordnung der Maßregel, sprich die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen tatsächlich entfallen ist.

Eine auf einen in die Zukunft gelegenen Zeitpunkt terminierte Aufhebung ist mithin unzulässig. Diese Auffassung entspricht zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung und herrschender Ansicht in der Literatur (vgl. etwa LG Fulda, Beschluss vom 8. November 2017, – 2 Qs 125/17 -, Blutalkohol 2018, 162; OLG Celle, Beschluss vom 27. November 2008 – 2 Ws 362/08 –, juris; LG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2008 – 502 Qs 13/08 –, juris, jeweils mwN.; Schönke / Schröder / Stree / Kinzig, 29. Aufl. 2014, StGB § 69a Rn. 29; Fischer, StGB, 64. Auflage, § 69a Rn.41).

Der Antrag auf Aufhebung einer Sperre kann daher nur in Form der sofortigen Aufhebung der Sperre oder durch Ablehnung des Antrags, der dann ggf. zu späterer Zeit mit neuer Begründung erneut gestellt werden kann, beschieden werden.“

In der Sache kommt es dann aber zur Aufhebung der Sperre, u.a. weil der ehemalige Angeklagte an dem Kurs „Mainz 77“ teilgenommen hat und aufgrund „einer konkreten Einzelfallprüfung“ „mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden [konnte], dass der Verurteilte nicht länger ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist.“

Auf der Linie liegt dann auch der LG Görlitz, Beschl. v. 06.06.2018 – 13 Qs 48/18.