Im dritten Posting zur Durchsuchung stelle ich dann noch den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.09.2021 – 12 Qs 66/21. Er nimmt Stellung zu den Folgen fehlender Darlegung der maßgeblichen Verdachtsgründe in einem Durchsuchungsbeschluss wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts, und zwar wie folgt:
„b) Die angegriffenen Durchsuchungsbeschlüsse sind rechtmäßig ergangen. Ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO wegen bestimmter Straftaten liegt vor. Hierfür ist im Ergebnis unschädlich, dass die Durchsuchungsbeschlüsse selbst keine Ausführungen dazu enthalten, worauf – auf welche konkreten Verdachtsgründe – sich der Verdacht stützt.
aa) Zwingend erforderlich ist, dass in dem Durchsuchungsbeschluss die aufzuklärende Straftat tatsächlich und rechtlich so genau umschrieben wird, dass Umfang und Reichweite des dadurch legitimierten Grundrechtseingriffs deutlich werden und klar ist, worauf sich die Durchsuchung bezieht. Diese Umschreibung muss den mit der Vollziehung der Anordnung betrauten Beamten aufzeigen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, und damit den Zweck der Durchsuchungsanordnung erfüllen, den Zugriff auf Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung zu begrenzen (BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2015 – 2 BvR 1694/14, juris Rn. 25; Beschluss vom 1. August 2014 – 2 BvR 200/14, juris Rn. 14; Beschluss vom 24. März 2003 – 2 BvR 180/03, juris Rn. 2; Beschluss vom 6. März 2002 – 2 BvR 1619/00, juris Rn. 16).
Diese Begrenzungsfunktion der Durchsuchungsbeschlüsse ist gewahrt. Es geht aus ihnen hervor, welche Steuern in welchen Jahren der Beschuldigte hinterzogen haben soll. Ferner sind die Tatmodalitäten (Abgaben falscher Steuererklärungen; ihnen vorangehende Manipulationen der Buchhaltung durch Verbuchung von Scheinrechnungen) und die Begünstigten der jeweiligen Hinterziehungen bezeichnet. Weiterhin teilen die Beschlüsse mit, nach welchen Unterlagen und Belegen mit welchem thematischen Bezug gesucht werden soll. Auf dieser Grundlage kann die Zielrichtung der Durchsuchung bestimmt und können die dabei sicherzustellenden Unterlagen eingegrenzt werden.
bb) Materiell teilt die Kammer die Wertung der Ermittlungsrichterin, dass ein Anfangsverdacht hinsichtlich der vorgeworfenen Steuerhinterziehungen besteht.
(1) Die Darlegung der wesentlichen Verdachtsgründe, d.h. der Tatsachen, die den behaupteten Anfangsverdacht belegen sollen, ist in der Begründung der richterlichen Durchsuchungsanordnung nach § 34 StPO geboten. Deren Angabe darf nur dann unterbleiben, wenn die Bekanntgabe den Untersuchungszweck gefährden würde (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08, juris Rn. 7 f.; vgl. auch § 147 Abs. 5 Satz 4 StPO).
Vorliegend enthalten die Durchsuchungsbeschlüsse selbst keinen Hinweis auf ihre tatsächliche Grundlage, noch nicht einmal den – ohnehin sinnleeren, weil selbstverständlichen – Satz, dass sie sich auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse stützen, aber auch nicht den Hinweis, dass die Mitteilung der Verdachtsmomente unterblieben ist, um den Ermittlungszweck nicht zu gefährden.
(2) Die unter diesem Blickwinkel unzureichende Begründung der Durchsuchungsbeschlüsse führt nach Auffassung der Kammer allerdings nicht zu deren Rechtswidrigkeit. Die Beschlüsse lassen nämlich in ausreichendem Maße erkennen, dass die Ermittlungsrichterin die Voraussetzungen für ihren Erlass eigenständig geprüft hat. Die Beschwerdekammer kann insoweit die Begründung auf der Grundlage der bei Beschlusserlass aus der Akte ersichtlichen Umstände in seiner Beschwerdeentscheidung nachholen (BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008 – StB 26/08, juris Rn. 9; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 105 Rn. 15a).
Ein Fehlen der gebotenen Einzelfallprüfung durch die Ermittlungsrichterin folgt nicht daraus, dass sie die Durchsuchungsbeschlüsse nicht selbst ausformuliert, sondern – entsprechend der hiesigen ständigen Praxis in Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren – die ihr von der BuStra vorformuliert vorgelegten Beschlussentwürfe unterzeichnet hat. Von fehlender eigener Prüfung könnte in diesem Kontext allenfalls ausgegangen werden, wenn sich ein Beschluss in einer formelhaften Begründung ohne Einzelfallbezug erschöpfen würde (BVerfG, Beschluss vom 6. März 2002 – 2 BvR 1619/00, juris Rn. 16; Tsambikakis in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 105 Rn. 46 m.w.N.). So liegen die Dinge hier nicht. In dem mitgeteilten Sachverhalt werden hinreichend detailliert die Beschuldigten, ihre steuerlichen Verhältnisse, die Besteuerungszeiträume samt Steuerarten, die Art der vorgenommenen Manipulationen in der Buchhaltung sowie die darauf aufbauenden Steuerhinterziehungen genannt.
(3) Die in der Akte dokumentierten tatsächlichen Umstände, die schon der Ermittlungsrichterin bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben, tragen die Bejahung des Anfangsverdachts bezüglich der vorgeworfenen Straftaten. Danach hat die Gesellschaft des Beschuldigten, die pp. GbR, eine Reihe von Eingangsrechnungen der pp. UG verbucht, von denen aufgrund einer geständigen Aussage des Geschäftsführers der pp. UG anzunehmen ist, es seien Scheinrechnungen. Weiterhin hat die pp. GbR Eingangsrechnungen der pp. GmbH verbucht. Die diese Gesellschaft betreffenden Ermittlungen haben aber ergeben, dass das Unternehmen keine entsprechenden Umsätze getätigt hat. Auch bei drei weiteren Firmen, von denen die pp. GbR Lieferungen bezogen hat, liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass sie ihr Scheinrechnungen gestellt haben. Hat der Beschuldigte in den genannten Zeiträumen verbuchte Scheinrechnungen den Steuererklärungen zugrunde gelegt, wofür schon die kriminalistische Erfahrung spricht, liegen die steuerlichen Auswirkungen auf die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer, und damit die Steuerhinterziehungen, wie in den Durchsuchungsbeschlüssen näher bezeichnet, auf der Hand.
cc) Die Kammer merkt abschließend an: Die zumindest kursorische Mitteilung der tatsächlichen Verdachtsgründe im Durchsuchungsbeschluss dient einerseits dazu, dem von der Durchsuchung Betroffenen die Prüfung zu ermöglichen, ob er sich mit Aussicht auf Erfolg gegen die Maßnahme wehren kann. So können Beschwerden gegebenenfalls im Ansatz unterbunden werden. Andererseits kann die Ermittlungsbehörde in Fällen, in denen sie aus ermittlungstaktischen Gründen zunächst keine Akteneinsicht gewähren will, durch selektive Mitteilung von Verdachtsgründen im Beschlussentwurf versuchen, selbst zu steuern, was im gegebenen Verfahrensstadium nach außen dringen soll. Tut sie das nicht und vermerkt sie ebenso wenig im Beschlussentwurf, dass die Nennung der Verdachtsgründe unterbleibt, weil sonst der Ermittlungszweck gefährdet würde, hat das Beschwerdegericht regelmäßig keinen Anlass, bei der Darlegung von Tatsachen, die nach seiner Wertung die Durchsuchung rechtfertigen, Rücksichten zu nehmen.“