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Pflichti I: Zeitpunkt der Bestellung des Verteidigers, oder: Absehen von und/oder rückwirkende Bestellung

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Und vor dem morgigen „Vatertag“ heute hier dann noch ein paar Entscheidungen zu Pflichtverteidigunsgfragen (§§ 140 ff. StPO).

Zunächst stelle ich zwei LG-Beschlüsse zum Zeitpunkt der Bestellung vor, also u.a. zur Rückwirkunsgproblematik.

Da ist dann hier der LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.05.2022 – 4 Qs 15/22. Das AG hat den wahl, der seine Bestellung beantragt hatte, nicht beigeordnet. Die StA hat dann nach § 154 Abs. 2 StPo das Verfahren eingestellt. Das AG verweist wegen der Bestellung auf § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO. Das sieht das LG anders und bestellt (rückwirkend). Hier der Leitsatz der Entscheidung:

    1. Die Einschränkungen des 141 Abs. 2 Satz 3 StPO 2 betreffen die Bestellung eines Pflichtverteidigers von Amts wegen und gelten bei Vorliegen eines Antrages gem. § 141 Abs. 1 StPO gerade nicht.
    2. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist zulässig.

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den LG Leipzig, Beschl. v. 04.05.2022 – 8 Qs 18/22. Er beinhaltet eine „klassische Rückwirkungsproblematik“. Dazu hier nur der Leitsatz.

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist im Einzelfall ausnahmsweise zulässig, wenn die für die ordnungsgemäße Rechtspflege erforderliche effektive Gewährleistung des Rechts auf notwendige Verteidigung nicht erfüllt wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung über die beantragte Pflichtverteidigung nicht in angemessener Zeit nach Antragsstellung ergeht und es dadurch zu einer wesentlichen Verzögerung des – vom Gesetzgeber vorgesehenen – Entscheidungsablaufs kommt.

 

 

Was der Verteidiger einmal verdient hat, ist verdient, oder: Verbindung geht vor Differenztheorie

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Am RVG-Tag dann zunächst mal wieder etwas zur Verbindung von Verfahren, und zwar der LG Leipzig, Beschl. v. 15.02.2022 – 17 Qs 2/22 -, den mir der Kollege Michl aus Oschatz geschickt hat. Die Gebührenberechnung im Fall der Verbindung von Verfahren gestaltet sich in der Praxis ja häufig als schwierig. Das LG Leipzig hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, in dem zusätzlich noch die Anwendung der Differenztheorie in Betracht kam.

Hier der Sachverhalt, der in diesen Verbindungssachen ja immer etwas umfangreicher ist- Die Staatsanwaltschaft führte unter den Aktenzeichen Az. 1 und Az. 2 zwei Ermittlungsverfahren gegen den Mandanten des Kollegen. Im Ermittlungsverfahren Az. 1 hatte sich der Kollege  bereits mit Schriftsatz vom 25.11.2019 bei der Polizei als Verteidiger angezeigt. Die Staatsanwaltschaft beantragte in diesem Verfahren einen Strafbefehl, den das Amtsgericht am 23.03.2020 erließ. Hiergegen legte der Kollege mit Schriftsatz vom 16.04.2020 Einspruch ein.

Im Ermittlungsverfahren Az. 2 hatte sich der Kollege mit Schriftsatz vom 20.10.2020 bei der Polizei angezeigt und die Staatsanwaltschaft erhob mit Anklageschrift vom 22.02.2021 Anklage. Mit Beschluss vom 21.04.2020 verband das AG die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, wobei das Verfahren Az. 1 das führende war. In der Hauptverhandlung vom 01.07.2021 stellte das AG das Verfahren, soweit es den Tatvorwurf aus dem Verfahren Az. 2 betraf auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 2 StPO ein und erlegte der Staatskasse insoweit die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen auf. Im Übrigen verurteilte es den Mandanten hinsichtlich des verbleibenden Tatvorwurfs aus dem Strafbefehl.

Am 22.07.2021 hat der ehemalige Mandant dem Kollegen den Anspruch auf Erstattung von notwendigen Auslagen abgetreten. Der Kollege hat beantragt, die notwendigen Auslagen festzusetzen. Dabei setzte er im Hinblick auf das Verfahren Az. 2 bei den Anwaltsgebühren unter anderem auch eine Verfahrensgebühr (Nr. 4106 VV RVG) und eine Terminsgebühr (Nr. 4108 VV RVG) sowie zwei Pauschalen für Post und Telekommunikation in Höhe von jeweils 20 EUR an. Demgegenüber vertrat die Vertreterin der Landeskasse die Auffassung, dass ab der Verbindung und für den Hauptverhandlungstermin die ausscheidbaren Auslagen für die Teileinstellung nach der Differenztheorie zu ermitteln seien, und sie berechnete daher die Verfahrensgebühr (Nr. 4106 VV RVG) und die Terminsgebühr (Nr. 4108 VV RVG) nach der Differenztheorie. Eine zweite Pauschale für Post und Telekommunikation erkannte sie nicht an. Die geltend gemachten Reisekosten und Abwesenheitsgelder seien schließlich keine ausscheidbaren Auslagen, da sie auch für das zur Verurteilung führende Verfahren entstanden seien. So hat die Rechtspflegerin die zu erstattenden Kosten festgesetzt. Hiergegen hat der Kollege sofortige Beschwerde eingelegt, die beim LG Erfolg hatte:

„b) Grundsätzlich gilt, dass, wenn zwei Verfahren, die zunächst selbständig waren, zu einem verbunden werden, einmal entstandene Gebühren aus den getrennten Verfahren bestehen bleiben (§ 15 Abs. 4 RVG).

Demnach entsteht in dem verbundenen Verfahren eine bereits entstandene Verfahrensgebühr nicht noch einmal (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4106, Rn. 11). Vorliegend hat der Beschwerdeführer nach Erhalt der Anklageschrift Akteneinsicht genommen und somit das Geschäft betrieben, weswegen die Verfahrensgebühr bereits vor der Verbindung entstanden ist. Sie war daher nicht einer Berechnung nach der Differenzmethode zugänglich. Die Verbindung der Verfahren führt demnach nicht dazu, dass der Verteidiger einzelne Gebühren nur einmal verlangen kann. Die bereits vor der Verbindung entstandenen Gebühren bleiben ihm erhalten (u.a. KG, Beschluss vom 24.11.201, Az: 1 Ws 113-114/10, JurBüro 2012, 482-484).

c) Weiterhin gilt grundsätzlich, dass die Pauschale für Post und Telekommunikation bei mehreren Angelegenheiten auch mehrfach berechnet werden kann. Ob das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das sich daran anschließende Strafverfahren erster Instanz dieselbe Angelegenheit betreffen, war lange Zeit umstritten, ist jedoch seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG vom 23.07.2013 (BGBI 2013, 2586) und die damit verbundene Klarstellung in § 17 Nr. 10 a RVG geklärt. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das gerichtliche Verfahren sind verschiedene Angelegenheiten, für die jeweils eine eigene Pauschale angesetzt werden kann. Werden — wie hier — mehrere Verfahren verbunden, so handelt es sich zudem bis zur Verbindung um mehrere Angelegenheiten. Bereits entstandene Kosten — hier in Gestalt der Pauschale – bleiben nach der Verbindung bestehen (vgl. Schmidt, in: Burhoff, RVG, 4. Aufl. 2014, Nr. 7002 VV Rn. 35 f.).

d) Soweit der Beschwerdeführer nunmehr eine Wertgebühr nach Nr. 4106 VV RVG geltend macht, ist die Kammer diesbezüglich nicht zuständig. Mit der sofortigen Beschwerde kann nur eine Nachprüfung verlangt werden. Eine Erstattungsforderung, über die eine anfechtbare Entscheidung des Rechtspflegers noch nicht vorliegt, kann nicht gestellt werden (vgl. Schmitt, Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 464 b, Rn. 9).

….“

Pflichti I: Dauerbrenner rückwirkende/nachträgliche Bestellung, oder: Siebenmal: „Yes we do.“

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Am Mittwoch heute mal wieder einiges zum Pflichtverteidiger. Hrezlichen Dank vorab allen Kollegen, die mir zu dem Bereich Entscheidungen geschickt haben.

Und ich beginne die Berichterstattung mit Entscheidungen zur rückwirkenden/nachträglichen Bestellung – meist in den Fällen, in denen das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und man den Beiordnungantrag „übersehen“ hat. Da zeichnet sich – wie schon nach altem Recht – das Bild ab, dass die LG und AG wohl weitgehend der Auffassung sind, dass die Beiordnung noch möglich – ja geboten ist. Die OLG lehnen das ab.

Hier dann folgende neuere Entscheidungen

Für die nachträgliche Bestellung:

Ein besonderer Hinweis auf die Entscheidung des LG Hamburg, die von der Rechtsprechung des „übergeordneten“ OLG abweicht, und auf LG Leipzig, das sehr schön auch zu den Voraussetzungen der Bestellung Stellung nimmt.

Nachträgliche Erstreckung nur in Ausnahmefällen, oder: Wo steht das denn?

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Auch mit der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, dem LG Leipzig, Beschl. v. 19.01.2021 – 13 Qs 8/21 – habe ich Probleme. Das Ergebnis ist zwar richtig, ich verstehe allerdings nicht, warum das LG um die nachträögliche Erstreckung so ein Geeiere macht.

„Das als Beschwerde zulässige Rechtsmittel hat auch Erfolg und führt zur Feststellung, dass sich die Beiordnung als Pflichtverteidiger auch auf das Verfahren 4 Ls 108 Js 36754/19 erstreckt.

Zwar ist dem Amtsgericht durchaus recht zu geben, dass die Erstreckung nach Abschluss des Verfahrens nicht nahe liegt, da es sowohl dem Wunsch eines Angeschuldigten als auch des Verteidigers entsprechen kann, dass die Verteidigung im Rahmen eines Wahlmandats ausgeübt wird. Insoweit wird es regelmäßig einen Verteidiger obliegen müssen, einen entsprechenden Beiordnungsantrag zu stellen, da eine nachträgliche Erstreckung jedenfalls kein Regelfall darstellen kann (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 48 RVG, Rdnr. 207).

Dabei wäre grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erstreckung auszusprechen ist, wenn eine Beiordnung oder Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte, falls die Verbindung unter-blieben wäre (vgl. u.a. LG Düsseldorf StraFo 2012, 117 m.w.N.). In dem vorliegenden Fall hat der Verteidiger gerade in dem Verfahren unter dem staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen 108 Js 36754/19 trotz nochmaliger Verteidigungsanzeige an das Gericht bzw. gestelltem Antrag auf Akteneinsicht keinen Beiordnungsantrag gestellt.

Insoweit wäre die Beiordnung eines Pflichtverteidigers weiterhin nicht nahe liegend, da – wie bereits ausgeführt – die Vertretung eines Angeklagten auch im Rahmen der Ausübung eines Wahlmandates erfolgen könnte.

Insoweit wäre eine Erstreckung wohl nicht nahe liegend.

c) Allerdings vermag die Kammer in der vorliegenden Konstellation dem Beschwerdeführer die Erstreckung nicht zu versagen, da die amtsgerichtliche Vorgehensweise widersprüchlich ist.

Dem Gericht hat im Rahmen der Verfügung vom 06.11.2019 in dem Verfahren 950 Js 55313/19 den Beschwerdeführer dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet, wobei dem Gericht schon nach der Anklageschrift bewusst gewesen sein muss, dass dieser den Angeklagten auch in diesem Verfahren als (Wahl-)Verteidiger vertritt. Eine Notwendigkeit, den Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger für dieses Verfahren beizuordnen, bestand aus der Argumentation des Amtsgerichts heraus nicht. Insbesondere wäre in dem Verfahren 950 Js 55313/19 in weitaus geringerem Umfang als in dem Verfahren 108 Js 36754/19 die Beiordnung eines Pflichtverteidigers geboten, was sich insbesondere auch in den unterschiedlichen Einzelstrafen hinsichtlich der jeweiligen Anklagevorwürfe zeigt.

Aufgrund dieser aus Sicht der Kammer widersprüchlichen Herangehensweise bzw. Sachbehandlung vermag die Kammer kein solches Eigenverschulden des Beschwerdeführers, dass er nicht auch in dem Verfahren 108 Js 36754/19 frühzeitig einen Erstreckungs- und/oder Beiordnungsantrag gestellt hat, zu erkennen, dass einer nachträglichen Erstreckung entgegen-stehen könnte. Eine solche Erstreckung kann auch noch nachträglich beantragt und ausgesprochen werden (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O., § 48 RVG, Rdnr. 209 m.w.N.).

Zumindest im Rahmen dieser Konstellation vermag die Kammer auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass Erstreckungen nur in Ausnahmefällen möglich sein sollen, den Antrag des Beschwerdeführers noch als zulässig und begründet erachten.

Nach alledem war das Rechtsmittel des Beschwerdeführers der Beschluss des Amtsgerichts Torgau aufzuheben, die Erstreckung i.S. des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG auszusprechen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse aufzuerlegen.2

Vor allem finde ich es immer ganz „reizend“, wenn ich zitiert werde – hier mit dem Gerold/Schmidt – aber dort nicht das steht, was belegt werden soll. So auch hier.

Hinweis auf Tod des Mandanten, oder: Entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr?

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Die zweite Entscheidung zur Nr. 4141 VV RVG hat mir der Kollege Funck aus Braunschweig geschickt. Der LG Leipzig, Beschl. v. 19.06.2020 – 2 Qs 8/20 jug – behandelt eine Problematik, die von der Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Nr. 4141 VV RVG schon ein paar Mal entschieden ist, und zwar:

Das AG verurteilt den Angeklagten. Der Kollege, der Pflichtverteidiger war, legt „unbestimmtes Rechtsmittel“ ein. Das wird, da es  nicht weiter konkretisiert und auch nicht als Revision begründet wird, als Berufung behandelt.

Die Akten gehen am 13.12.2012 beim zuständigen LG als Berufungsgericht ein. In Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat der Vorsitzende der Berufungskammer am 18.12.2017 verfügt, die bereits beim AG gehörten Zeugen in ForumStar aufzunehmen.

Am 16.02.2018 verstirbt der Angeklagte. Der Kollege teilte dies dem LG unter Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde mit Schreiben vom 16.02.2018 mit und beantragte zugleich die Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a Abs. 1 StPO.

Er beantragt dann später im Rahmen der Vergütungsfestsetzung auch die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die wird vom AG nicht festgesetzt, beim LG hat der Kollege dann aber Erfolg:

„Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, sie ist begründet.

Rechtsanwalt pp. hat vorliegend auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG verdient, indem er das Gericht unverzüglich vom Tod seines Mandanten in Kenntnis gesetzt hat.

Für die Beurteilung, inwieweit eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu erstatten ist, kommt es allein darauf an, ob ein Beitrag eines Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VV RVG entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich sein muss. An das Maß der Mitwirkung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (BGH Urteil vom 18.09.2008, Az. IX ZR 174/07). Weitergehende Anforderungen an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2010 – 2 Ws 29/10). Aus dem Normzweck folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Hauptverhandlung generell vermieden wird, sondern dass ohne das verfahrensbeendende Ereignis eine Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen (Beck OK RVG/Knaudt, 47.Ed 01.03.2020, RVG VV4141 Rn. 9).

Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundenen Verfahrenshindernis ist durchaus eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu verdienen. Verstirbt der Angeklagte und teilt der Verteidiger dies dem Gericht mit und wird das Verfahren nach § 206a StPO endgültig eingestellt, so ist diese Handlung ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird, soweit das Gericht nicht anderweitig von dem Tod des Angeklagten bereits erfahren hat (AG Magdeburg, Beschluss vom 03.07.2000 – Az. 2 Ls 257 Js 38867/98; juris Literaturnachweis z.B. Burhoff, RVG Report 2014, 71 – 12.

Vorliegend hat Rechtsanwalt pp. die Anforderungen an die Mitwirkungshandlung erfüllt, indem er dem Gericht mitgeteilt hat, dass der Angeklagte am 16.02.2018 verstorben sei und beantragt, das Verfahren nach S 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Im Gegensatz zu den durch das Amtsgericht Leipzig zitierten Entscheidung handelt es sich vorliegend nicht um ein Revisionsverfahren sondern um ein Berufungsverfahren, bei welchem regelmäßig eine Hauptverhandlung durchzuführen ist. Des weiteren lagen im vorliegenden Fall die Akten bereits dem Berufungsgericht seit 13.12.2017 vor. Der Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer hatte in Vorbereitung der Berufungsverhandlung mit Verfügung vom 18.12.2017 die Erfassung der notwendigen Zeugen in ForumStar verfügt. Infolge der Mitteilung des Rechtsanwaltes pp. vom 16.022018 entfielen für das Berufungsgericht die weitere Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Hauptverhandlung. Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht von Amts wegen oder anderweitig in Kürze vom Ableben des Angeklagten erfahren hätte.

In seiner Entscheidung verkennt das Amtsgericht, dass es nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur gerade nicht darauf ankommt, dass die Mitwirkung des Verteidigers zeitintensiv und aufwendig war. Durch die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG soll vielmehr honoriert werden, dass das Gericht durch die Mitwirkungshandlung des Verteidigers, durch die dieser die zusätzliche Terminsgebühr verliert, hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Berufungshauptverhandlung entlastet wird. Die zusätzliche Gebühr des Nr. 4141 VV RVG soll dies ausgleichen und einen Anreiz schaffen, sich trotz der Gebühreneinbuße um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Der Tod des Angeklagten führt zwar früher oder später automatisch zur Einstellung des Verfahrens, ohne eine frühzeitige Mitteilung des Todes des Angeklagten hätte das Gericht weitere vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung vorgenommen.

Für die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist es nicht erforderlich, dass bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war (LG Potsdam, Beschluss vom 13.062013 – 24 Qs 43/13 -juris). Diese Voraussetzung trifft nur auf Verfahren zu, bei denen eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, weil sie im Revisionsverfahren regelmäßig eine Entscheidung allein durch Beschluss ergehen kann. Demgegenüber ist im Berufungsverfahren zwingend die Durchführung einer Hauptverhandlung erforderlich.

Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Bezirksrevisorin vom 29.05.2018 und 27.06.2018 und die Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13.06.2013, Az. 24 Qs 43/13, lassen sich auf das vorliegende Berufungsverfahren nicht übertragen. Im Beschluss des Landgerichts Potsdam ging es um die Entstehung einer Hauptverhandlungsgebühr in einem Revisionsverfahren. Bei einem Revisionsverfahren ist die Durchführung einer Hauptverhandlung eher die Ausnahme, vorwiegend werden Revisionsverfahren durch Beschluss entschieden., mit der Folge dass eine Hauptverhandlung regelmäßig gar nicht erst entfallen kann.“

So steht es übrigens auch in <<Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,, den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.