Hinweis auf Tod des Mandanten, oder: Entsteht die zusätzliche Verfahrensgebühr?

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Die zweite Entscheidung zur Nr. 4141 VV RVG hat mir der Kollege Funck aus Braunschweig geschickt. Der LG Leipzig, Beschl. v. 19.06.2020 – 2 Qs 8/20 jug – behandelt eine Problematik, die von der Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Nr. 4141 VV RVG schon ein paar Mal entschieden ist, und zwar:

Das AG verurteilt den Angeklagten. Der Kollege, der Pflichtverteidiger war, legt „unbestimmtes Rechtsmittel“ ein. Das wird, da es  nicht weiter konkretisiert und auch nicht als Revision begründet wird, als Berufung behandelt.

Die Akten gehen am 13.12.2012 beim zuständigen LG als Berufungsgericht ein. In Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung hat der Vorsitzende der Berufungskammer am 18.12.2017 verfügt, die bereits beim AG gehörten Zeugen in ForumStar aufzunehmen.

Am 16.02.2018 verstirbt der Angeklagte. Der Kollege teilte dies dem LG unter Übersendung der Kopie einer Sterbeurkunde mit Schreiben vom 16.02.2018 mit und beantragte zugleich die Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a Abs. 1 StPO.

Er beantragt dann später im Rahmen der Vergütungsfestsetzung auch die Festsetzung der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die wird vom AG nicht festgesetzt, beim LG hat der Kollege dann aber Erfolg:

„Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg, sie ist begründet.

Rechtsanwalt pp. hat vorliegend auch die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG verdient, indem er das Gericht unverzüglich vom Tod seines Mandanten in Kenntnis gesetzt hat.

Für die Beurteilung, inwieweit eine Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu erstatten ist, kommt es allein darauf an, ob ein Beitrag eines Verteidigers vorliegt, der objektiv geeignet ist, das Verfahren in formeller und/oder materieller Hinsicht im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Die Zusatzgebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 VV RVG entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird, wobei eine entsprechende verfahrensfördernde Tätigkeit des Verteidigers ersichtlich sein muss. An das Maß der Mitwirkung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern (BGH Urteil vom 18.09.2008, Az. IX ZR 174/07). Weitergehende Anforderungen an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung bestehen nicht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2010 – 2 Ws 29/10). Aus dem Normzweck folgt, dass es nicht darauf ankommt, ob eine Hauptverhandlung generell vermieden wird, sondern dass ohne das verfahrensbeendende Ereignis eine Hauptverhandlung hätte durchgeführt werden müssen (Beck OK RVG/Knaudt, 47.Ed 01.03.2020, RVG VV4141 Rn. 9).

Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundenen Verfahrenshindernis ist durchaus eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu verdienen. Verstirbt der Angeklagte und teilt der Verteidiger dies dem Gericht mit und wird das Verfahren nach § 206a StPO endgültig eingestellt, so ist diese Handlung ursächlich dafür, dass die Hauptverhandlung entbehrlich wird, soweit das Gericht nicht anderweitig von dem Tod des Angeklagten bereits erfahren hat (AG Magdeburg, Beschluss vom 03.07.2000 – Az. 2 Ls 257 Js 38867/98; juris Literaturnachweis z.B. Burhoff, RVG Report 2014, 71 – 12.

Vorliegend hat Rechtsanwalt pp. die Anforderungen an die Mitwirkungshandlung erfüllt, indem er dem Gericht mitgeteilt hat, dass der Angeklagte am 16.02.2018 verstorben sei und beantragt, das Verfahren nach S 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Im Gegensatz zu den durch das Amtsgericht Leipzig zitierten Entscheidung handelt es sich vorliegend nicht um ein Revisionsverfahren sondern um ein Berufungsverfahren, bei welchem regelmäßig eine Hauptverhandlung durchzuführen ist. Des weiteren lagen im vorliegenden Fall die Akten bereits dem Berufungsgericht seit 13.12.2017 vor. Der Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer hatte in Vorbereitung der Berufungsverhandlung mit Verfügung vom 18.12.2017 die Erfassung der notwendigen Zeugen in ForumStar verfügt. Infolge der Mitteilung des Rechtsanwaltes pp. vom 16.022018 entfielen für das Berufungsgericht die weitere Vorbereitungshandlungen zur Durchführung der Hauptverhandlung. Es kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht von Amts wegen oder anderweitig in Kürze vom Ableben des Angeklagten erfahren hätte.

In seiner Entscheidung verkennt das Amtsgericht, dass es nach der herrschenden Rechtsprechung und Literatur gerade nicht darauf ankommt, dass die Mitwirkung des Verteidigers zeitintensiv und aufwendig war. Durch die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG soll vielmehr honoriert werden, dass das Gericht durch die Mitwirkungshandlung des Verteidigers, durch die dieser die zusätzliche Terminsgebühr verliert, hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung der Berufungshauptverhandlung entlastet wird. Die zusätzliche Gebühr des Nr. 4141 VV RVG soll dies ausgleichen und einen Anreiz schaffen, sich trotz der Gebühreneinbuße um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Der Tod des Angeklagten führt zwar früher oder später automatisch zur Einstellung des Verfahrens, ohne eine frühzeitige Mitteilung des Todes des Angeklagten hätte das Gericht weitere vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung vorgenommen.

Für die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist es nicht erforderlich, dass bereits ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war (LG Potsdam, Beschluss vom 13.062013 – 24 Qs 43/13 -juris). Diese Voraussetzung trifft nur auf Verfahren zu, bei denen eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, weil sie im Revisionsverfahren regelmäßig eine Entscheidung allein durch Beschluss ergehen kann. Demgegenüber ist im Berufungsverfahren zwingend die Durchführung einer Hauptverhandlung erforderlich.

Die Ausführungen in den Schriftsätzen der Bezirksrevisorin vom 29.05.2018 und 27.06.2018 und die Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 13.06.2013, Az. 24 Qs 43/13, lassen sich auf das vorliegende Berufungsverfahren nicht übertragen. Im Beschluss des Landgerichts Potsdam ging es um die Entstehung einer Hauptverhandlungsgebühr in einem Revisionsverfahren. Bei einem Revisionsverfahren ist die Durchführung einer Hauptverhandlung eher die Ausnahme, vorwiegend werden Revisionsverfahren durch Beschluss entschieden., mit der Folge dass eine Hauptverhandlung regelmäßig gar nicht erst entfallen kann.“

So steht es übrigens auch in <<Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,, den man hier bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

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