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Kostenentscheidung nach Entfallen der Einziehung, oder: Auswirkungen zugunsten des Angeklagten

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Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem BGH, Beschl. v. 27.08.2024 – 5 StR 240/24 – auch vom BGH. Der hat dann auch noch einmal zur Kostenentscheidung beim Entfallen einer Einziehungsanordnung Stellung genommen.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Raub und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 10.000 EUR angeordnet, wobei er insoweit als Gesamtschuldner haften sollte. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt; mit seiner sofortigen Beschwerde hat er die Kostenentscheidung des Urteils angegriffen, soweit ihm seine notwendigen Auslagen insgesamt auferlegt worden sind.

Der BGH hat das Urteil des LG wegen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben, die weitergehende Revision hat er verworfen. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten hat er die Kostenentscheidung des LG-Urteils dahin ergänzt, dass der Angeklagte seine notwendigen Auslagen hinsichtlich der Einziehung nur insoweit trägt, als diese angeordnet worden ist; im Übrigen trägt diese Auslagen die Staatskasse. Im Umfang der Aufhebung hat der BGH dann die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und der sofortigen Beschwerde, an das LG zurückverwiesen:

„4. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg.

Für die Verteidigung gegen die Einziehung ist dem Verteidiger eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4142 der Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 zum RVG (im Folgenden VV-RVG) entstanden, die – in Abweichung vom allgemeinen strafprozessualen Vergütungssystem nach Pauschalsätzen – nach dem (Gegenstands-)Wert der Einziehung berechnet wird (§§ 13, 49 RVG). Dieser betrug entsprechend der Anklageschrift mehr als 217.000 Euro; aus diesem Wert ist die Gebühr zu berechnen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 3 Ws 66/23). Tatsächlich eingezogen wurde bei dem Angeklagten aber nur ein Betrag in Höhe von 10.000 Euro; insoweit wäre eine geringere Gebühr angefallen (vgl. Anlage 2 RVG zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG; § 49 RVG).

Das – hier weitgehende – Entfallen der von der Staatsanwaltschaft begehrten Einziehungsanordnung muss sich, wenn die Tragung der gesamten Kosten (vgl. § 465 Abs. 1 StPO) durch den Angeklagten unbillig wäre, bei der Kostenentscheidung zugunsten des Angeklagten auswirken (BayObLG, StraFo 2024, 74, 75; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 14. Oktober 2020 – 5 StR 229/19; vom 25. Februar 2021 – 1 StR 423/20, NJW 2021, 1829; vom 13. Oktober 2021 – 4 StR 270/21 Rn. 2; vom 1. Februar 2024 – 5 StR 93/23, wistra 2024, 344, 345). Dies hat der Senat nach dem Rechtsgedanken des § 465 Abs. 2 Satz 2 StPO für die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens jedenfalls dann zu beachten, wenn – wie hier – eine zulässige Kostenbeschwerde erhoben ist und die tatgerichtliche Einziehungsanordnung aus Rechtsgründen niedriger als ursprünglich beantragt ausfällt, ohne dass von der Einziehung nach § 421 StPO abgesehen wird (zur Behandlung der Kosten im Revisionsverfahren, insbesondere wenn nach § 421 StPO von der Einziehung abgesehen wird BGH, Beschlüsse vom 26. Mai 2021 – 5 StR 458/20, NStZ-RR 2021, 229, 230; vom 8. Dezember 2021 – 5 StR 296/21, NStZ-RR 2022, 160; vgl. zur Kostenentscheidung bei Absehen von der Einziehung auch KG Berlin, wistra 2024, 130, 131).

Hier wäre es unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu belasten, weil die Entscheidung über die Einziehung in erheblichem Umfang zu seinen Gunsten ausgegangen ist und durch die ursprüngliche Beantragung höhere notwendige Auslagen nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO entstanden sind. Da diese Kosten mit Blick auf ihre zusätzliche Entstehung (vgl. Nr. 4142 VV-RVG) ohne weiteres identifizier- und bezifferbar sind, hat der Senat insoweit eine Entscheidung über die Kostentragungspflicht getroffen und von einer Verteilung nach Bruchteilen (vgl. § 464d StPO) abgesehen. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung steht dem nicht entgegen, da sich für das Strafverfahren und das vermögensordnende, quasi-kondiktorische Einziehungsverfahren (vgl. Habetha, NJW 2021, 1830, 1831) mit Fest- und Wertgebühren unterschiedliche Gebühren- und Vergütungssysteme gegenüberstehen (vgl. BayObLG, StraFo 2024, 74, 79).“

Die Entscheidung liegt auf der Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung in der Frage. Diese hat für den Angeklagten und auch den Verteidiger erhebliche Bedeutung, da er, wenn der Staatskasse ein Teil der notwendigen Auslagen auferlegt wird, diese gegenüber der Staatskasse geltend machen kann, wobei er – als Pflichtverteidiger –  nicht an die Beschränkungen aus § 49 RVG gebunden ist.

Interessant ist die Entscheidung des BGH auch wegen der Ausführungen zum Gebührenanspruch des Verteidigers. Denn mit denen bestätigt der BGH – inzidenter – noch einmal die h.M. in der Rechtsprechung. wonach sich die Höhe der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nach den zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr erkennbaren Anhaltspunkten in der Verfahrensakte richtet.

Kann man übrigens alles nachlesen bei <<Werbemodus an>> Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021 <<Werbemodus aus>>.

„Richtige“ Kostenentscheidung in der Berufung?, oder: Kostenteilung nach Teilerfolg?

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BayObLG, Beschl. v. 03.07.2024 – 204 StRR 201/24 – aus Bayern. Sie befasst sich mit der Frage der „richtigen“ Kostenentscheidung im Berufungsverfahren. Die Frage, ob im strafverfahrensrechtlichen Berufungsverfahren ggf. zugunsten des Angeklagten die „richtige“ Kostenentscheidung ergangen ist, spielt ja für eine sich daran anschließende mögliche Teilerstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten aus der Staatskasse eine erhebliche Rolle.

Folgender Sachverhalt: Das AG hatte den Angeklagten mit Urteil vom 11.07.2023 wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35 EUR verurteilt. Das LG hat mit Urteil vom 11.10.2023 auf die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft hin das Urteil des AG insoweit abgeändert, als der Angeklagte wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 EUR – unter Bewilligung einer Ratenzahlung – verurteilt wurde. Die weitergehenden Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten hat es als unbegründet verworfen. In Ziffer 4 des Tenors hat das LG entschieden, dass der Angeklagte die Kosten des Berufungsverfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen habe. Die durch die Berufung der Staatsanwaltschaft entstandenen ausscheidbaren Kosten und ausscheidbaren Auslagen des Angeklagten sind der Staatskasse auferlegt worden.

Am 11.10.2023 haben der Angeklagte und sein Verteidiger gegen die Kostenentscheidung des Berufungsurteils sofortige Beschwerde und gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Der Verteidiger hat mit Schreiben vom 17.10.2023 die Revision und mit Schreiben vom 02.01.2024 die Kostenbeschwerde begründet. Mit Beschluss vom 06.05.2024 hat das BayObLG gemäß Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des LG gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit Schreiben seines Verteidigers vom 12.05.2024 rügt der Angeklagte eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs, weil sich der Senat in seinem Beschluss vom 06.05.2024 nicht mit der gegen die Kostenentscheidung des LG eingelegten sofortigen Beschwerde auseinandergesetzt habe. Die Anhörungsrüge hatte beim BayObLG Erfolg, die Kostenbeschwerde des Angeklagten war aber nur teilweise erfolgreich.

Das BayObLG hat das umfassend begründet. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Hier gibt es nur die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Der Strafsenat bleibt für die Entscheidung über die Kostenbeschwerde auch nach Abschluss des Revisionsverfahrens jedenfalls dann zuständig, wenn er die Kostenbeschwerde bei der Revisionsentscheidung übersehen hat und der Angeklagte die Anhörungsrüge gem. § 33a Satz 1 StPO innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO erhoben hat.

  2. Der Angeklagte hat nicht die vollen im Berufungsverfahren angefallenen Gerichtskosten und notwendigen Auslagen zu tragen, wenn das Berufungsgericht unter Verwerfung der weitergehenden Berufung des Angeklagten den erstinstanzlichen Schuldspruch von Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen auf fahrlässigen Vollrausch geändert und die erstinstanzlich verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 35 € auf 60 Tagessätze zu je 40 € ermäßigt sowie eine Ratenzahlung bewilligt hat.

  3. Im Rahmen des § 473 Abs. 4 StPO, einer Regelung mit Ausnahmecharakter, ist nicht allein entscheidend, ob der Angeklagte die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie entsprechend der neuen Entscheidung gelautet hätte, sondern wesentlich auch das Maß des erreichten Teilerfolges.

Beseitigung einer gesetzwidrigen Entscheidung, oder: Wer die Musik bestellt, muss sie bezahlen

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Heute in der „Gebührenecke“ zwei kostenrechtliche Entscheidungen.

Die erste kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2024 – 3 Ws 204/24 – vom OLG Hamm, das in dem Beschluss zu der Frage Stellung nimmt, wer bei Beseitigung einer gesetzwidrigen Entscheidung die Kosten und Auslagen trägt.

Das AG hatte den Verurteilten am 06.11.2013, rechtskräftig seit dem 22.12.2014, wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Nachdem aus dieser Verurteilung bereits zwei Drittel der Strafe vollstreckt wurden, hat das AG mit Beschluss vom 31.03 2022, rechtskräftig seit dem 13.04.2022, u.a. den Strafrest gemäß § 36 Abs. 1 BtMG zur Bewährung ausgesetzt, nachdem der Verurteilte eine Therapie regulär beendet hatte, und die Bewährungszeit auf 3 Jahre festgesetzt.

Mit Verfügung vom 25. 03.2024 hat die Staatsanwaltschaft beantragt, „die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit zu erlassen“. Mit Beschluss vom 12.04.2024 hat die StVG „die Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts pp. vom 06.11.2013 nach Ablauf der Bewährungszeit gemäß § 56g StGB erlassen“. Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft am 22.04.2024 „zuungunsten“ des Verurteilten sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Bewährungszeit laufe noch bis zum 12.04.2025.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Das OLG hat den Straferlassbeschluss aufgehoben, weil die Voraussetzungen des § 56g Abs. 1 StGB nicht erfüllt waren. Denn ein Straferlass kann erst nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgen. Hier lief die Bewährungszeit aber noch bis zum 12.04.2025. Allerdings sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse auferlegt worden. Zur Begründung der Kosten- und Auslagenentscheidung führt das OLG aus:

„Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V. mit § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. September 1999 – 1 Ws 701/99NStZ-RR 2000, 223 m.w.N., Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 473 Rdnr. 17 m.w.N.). Denn trotz des entgegenstehenden Wortlauts hat die Staatsanwaltschaft Essen die sofortige Beschwerde nach Auffassung des Senats im Ergebnis nicht zuungunsten des Verurteilten eingelegt, sondern in erster Linie unter Wahrnehmung ihrer Aufgabe, gerichtliche Entscheidungen mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, zumal sie für die fehlerhafte Entscheidung aufgrund ihres verfrühten Antrags vom 25. März 2024 „mitverantwortlich“ ist. Insoweit gilt, dass der Verurteilte nicht mit Kosten und Auslagen belastet werden darf, die nur dadurch entstanden sind, dass eine auf einem Irrtum des Gerichts beruhende gesetzwidrige Entscheidung beseitigt wird (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).“

M.E. zutreffend. Letztlich ist das eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Denn die Staatsanwaltschaft und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer hatten den gesetzwidrigen Zustand, der durch die Entscheidung des OLG beseitigt worden ist, verursacht.

Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren, oder: Wenn der Angeklagte seinen Einspruch zurücknimmt

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Und dann als zweite Entscheidung dann der LG München II, Beschl. v. 01.12.2023 – 6 Qs 7/23. Zwar nicht von einer Kollegin übersandt, sondern von einem Kollegen. Aber auch richtig.

Entschieden worden ist über die Kosten- und Auslagen im Adhäsionsverfahren (§ 472a StPO). Die Staatsanwaltschaft hatte am 15.02.2023 beantragt, gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung zu erlassen. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, als Fahrer eines Pkws an einem Fußgängerweg den Geschädigten verletzt zu haben, indem er das Vorderrad des vom Geschädigten geschobenen Fahrrads erfasste, wodurch der Geschädigte zu Boden fiel. Das AG hat den Strafbefehl am 01.03.2023 erlassen. Der Angeklagte legte am 07.03.2023 form- und fristgerecht Einspruch ein. Am 21.03.2023 bestimmte das AG Hauptverhandlungstermin auf den 22.06.2023, 11:00 Uhr.

Am 22.06.2023 ging um 08:26 Uhr beim AG ein Adhäsionsantrag des Geschädigten ein, mit dem dieser ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 700,00 EUR forderte. Mit einem am selben Tag um 08:46 Uhr eingegangenen Schreiben geschränkte der Angeklagte seinen Einspruch auf die Tagessatzhöhe und erklärte sein Einverständnis mit der Entscheidung im Beschlusswege. Daraufhin wurde der Termin am 22.06.2023 abgesetzt.

Der Angeklagte nahm über seinen Verteidiger zum Adhäsionsantrag Stellung und machte geltend, dieser sei bereits unzulässig. Das AG hat dann am 05.08.2023 die im Strafbefehl festgesetzte Tagessatzhöhe abgeändert. Von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag hat es abgesehen und dem Angeklagten die Kosten des Adhäsionsverfahrens und die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Adhäsionsantrag nach vorläufiger Würdigung zulässig und begründet gewesen sei, weshalb die Kosten nach pflichtgemäßem Ermessen gem. § 472a Abs. 2 StPO dem Angeklagten aufzuerlegen seien.

Dagegen die sofortige Beschwerde des Angeklagten, die beim LG Erfolg hatte, das LG hat die Kosten- und Auslagenentscheidung aufgehoben:

„2. Die statthafte Beschwerde des Angeklagten (vgl. BeckOK, 49. Ed., Stand 01.10.2023, Rz. 6 zu § 472a StPO) ist zulässig und in der Sache erfolgreich.

Eine Entscheidung über die Kosten und notwendigen Auslagen im Adhäsionsverfahren war nicht veranlasst, da aufgrund der Einspruchsbeschränkung keine Entscheidung mehr über den Adhäsionsantrag ergehen konnte.

Endet das Strafverfahren, so ist dem Adhäsionsverfahren die Grundlage entzogen, einer danach getroffene Anordnung dahingehend, dass von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen wird, kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu (OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22, Rz. 10 bei Juris). Dasselbe gilt im vorliegenden Fall für die Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe. Denn eine zusprechende Adhäsionsentscheidung kann gem. § 406 Abs. 1 StPO nur erfolgen, wenn der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen wird. Ein solcher Schuldspruch erfolgt nach Einspruchsbeschränkung nicht mehr, weshalb mit der Einspruchsbeschränkung der Adhäsionsantrag unzulässig wird (AG Kehl vom 09.10.2018, 2 Cs 503 Js 14484/17, bei Juris). Schon deshalb hatte im vorliegenden Fall eine Zustellung des Adhäsionsantrags durch das Gericht nicht mehr zu erfolgen. Aber auch auf die Zustellung des Adhäsionsantrags von Anwalt zu Anwalt kommt es daher nicht an. Zudem ist diese Zustellung – nach Angaben des Adhäsionsklägervertreters laut Empfangsbekenntnis um 08:55 Uhr – nach der Beschränkung des Einspruchs um 08:46 Uhr erfolgt.

Den Fall der späteren Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung, in dem die Adhäsions-klage ursprünglich zulässig war, nun aber unzulässig geworden ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt. Die nach § 472a StPO vorgesehene Billigkeitsentscheidung ist nicht möglich. Die dafür notwendige Bewertung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage kann das Gericht nicht mehr vornehmen: Durch die Einspruchsrücknahme bzw. -beschränkung ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und dem Gerichte eine Entscheidung darüber entzogen, so dass die Grundlage für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Adhäsionsklage entfallen ist (LG Dortmund, 16.04.2018, 32 Qs – 269 Js 1213/16 V A – 45/18, bei Juris). Zwar erscheint es unbillig, einen Adhäsionskläger mit den Kosten des Adhäsionsverfahrens zu belasten, wenn die Adhäsionsklage erst nachträglich durch die Rücknahme bzw. Beschränkung des Einspruchs unzulässig wird, zumal ein Adhäsionskläger darauf keinen Einfluss hat. § 472a Abs. 1 StPO setzt jedoch die Zuerkennung eines aus der Straftat erwachsenen Anspruchs voraus. Darüber enthält der Strafbefehl jedoch keine Entscheidung. Nach alldem bleibt dem Gericht wegen der festgestellten Regelungslücke nur, von einer Entscheidung über die Verteilung der Kosten des Adhäsionsverfahrens abzusehen. Im Ergebnis muss dies für den Adhäsionskläger nicht unbillig sein, da in Betracht kommt, seine notwendigen Auslagen für die Adhäsionsklage als Rechtsverfolgungskosten im ohnehin anzustrengenden zivilgerichtlichen Verfahren geltend zu machen. (Vgl. zu allem AG Kehl, a.a.O., OLG Stuttgart vom 30.09.2022, 1 Ws 201/22).

Dementsprechend ist vorliegend keine Entscheidung gemäß § 472a Abs. 2 StPO veranlasst.“

Die Entscheidung ist m.E. richtig; manchmal klappt es ja auch in Bayern 🙂 . Ich halte es auch nicht für „unbillig“, den Adhäsionskläger in diesen Fällen mit den Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens zu belasten. Denn er ist derjenige, der sich eines Anspruchs gegen den Angeklagten berühmt hat, wobei ihm bewusst gewesen sein muss, dass das Gericht ggf. nach § 406 Abs. 1 Satz 3 u. 4 StPO von der Entscheidung absehen kann bzw. muss, wenn die Voraussetzungen für das Adhäsionsverfahren entfallen sind.  Das ist letztlich das Prinzip: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen.

Als Rechtsanwalt muss man dieses Risiko natürlich im Auge behalten und den geschädigten Mandanten darüber belehren. Je nach der Sachlage empfiehlt es sich- zumindest in den Strafbefehlsfällen mit der dort gegebenen Möglichkeit der Verfahrensbeendigung durch Einspruchsrücknahme -, direkt das Zivilverfahren zu betreiben.

Absehen von der Kostenauferlegung im JGG-Verfahren, oder: Wirtschaftliche Gefahr versus Erziehungsgedanke

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Am „Gebührenfreitag“ heute dann mal keine gebührenrechtlichen Entscheidungen, sondern zwei kostenrechtliche Beiträge.

Ich beginne mit dem OLG Nürnberg, Beschl. v. 09.11.2023 – Ws 982/23, den mir die Kollegin Braun aus München geschickt hat. Es geht um die Kostenauferlegung im JGG-Verfahren. Dort sieht § 74 JGG vor, dass im JGG-Verfahren von der Auferlegung von Kosten und Auslagen auf den Jugendlichen abgesehen werden kann. Dazu hat das OLG Stellung genommen.

In dem Verfahren hatte die Jugendkammer beim LG die zum Tatzeitpunkt jugendliche Verurteilte mit Urteil v. 24.4.2023 unter Anwendung von Jugendstrafrecht wegen fünf Fällen der Beihilfe zum Diebstahl mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen, ihr eine Geldauflage in Höhe von 500 EUR erteilt und sie für die Dauer von einem Jahr der Aufsicht und Betreuung eines Betreuungshelfers unterstellt. Die Mitverurteilten wurden jeweils wegen fünf Fällen des schweren Bandendiebstahls mit Sachbeschädigung zu Gesamtfreiheitsstrafen oder einer Einheitsjugendstrafe mit Bewährung verurteilt. Der Verurteilung lag zu Grunde, dass die Verurteilte die Mitangeklagten bei Begehung von Diebstählen unterstützte, indem sie während der Taten im Fahrzeug wartete, um diese vor etwaiger Entdeckung zu warnen.

Nachdem die Staatsanwaltschaft beantragt hatte, bei der Verurteilten von der Auferlegung von Kosten abzusehen, hat das LG angeordnet, dass die Verurteilte und zwei Mitverurteilte die Kosten des Verfahrens zu tragen haben. Von der Möglichkeit des § 74 JGG, aus erzieherischen Gründen von der Auferlegung von Kosten abzusehen. hat das LG keinen Gebrauch gemacht.

Hiergegen wendet sich dann die Verurteilte über ihre Verteidigerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass das LG sein Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe, weil die Kostenentscheidung nicht berücksichtige, dass ein Großteil der angefallenen Kosten nicht auf den Tatbeitrag der Verurteilten zurückzuführen sei. Zudem sei es aus erzieherischen Gründen geboten, dass die Verurteilte, die derzeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis arbeite, eine Berufsausbildung beginne, was angesichts der Kostentragungslast von geschätzt 20.000 EUR erschwert werde. Hinzu komme, dass sie als jüngste der Verurteilten wegen der Inhaftierung der anderen kostentragungspflichtigen Verurteilten voraussichtlich allein die Kosten tragen müsse, was unverhältnismäßig sei. Schließlich ergebe sich aus der Urteilsbegründung des LG, dass die Auferlegung der Kosten der zusätzlichen Sanktionierung dienen solle, was mit dem Erziehungsgedanken des JGG unvereinbar sei.

Die sofortige Beschwerde der Verurteilten hatte beim OLG Erfolg:

„1. Die Entscheidung, der zur Tatzeit jugendlichen Verurteilten gemäß § 74 JGG die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, ist eine Ermessensentscheidung, die von dem Beschwerdegericht lediglich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Maßstab der Ermessensentscheidung ist es. einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung der Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihr durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass sie für die Folgen ihres Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat. Dabei ist im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessens-ausübung die Möglichkeit gemäß § 74 JGG – um Folgewirkungen im Sinne einer negativen Sanktionierung durch die Auferlegung der Kosten zu vermeiden – bei Jugendlichen tendenziell ausgedehnt zu nutzen (Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Auflage, § 74 Rn. 8c). Auch die Gesamtbelastung, die die Kostenentscheidung bewirkt, ist abwägungsrelevant (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.02 2011, III – 4 Ws 59/11, juris: OLG Hamm, Beschluss vom 28.11.2017, III- 4 Ws 213/17, juris).

2. Die vom Landgericht getroffene Entscheidung genügt diesen Anforderungen nicht.

Zum einen führt das Landgericht aus, dass die festgesetzte Geldauflage der Höhe nach nur deshalb so gering bemessen wurde, weil die Verurteilte mit der Kostentragungspflicht belastet wird. Angesichts der Höhe der Kosten des Verfahrens tritt die eigentliche Rechtsfolge in den Hintergrund, was mit dem Erziehungsgedanken nicht zu vereinbaren ist (Eisenberg/Kölbel JGG/Kölbel, 24. Aufl. 2023, JGG § 74 Rn. 8d, LG Freiburg NStZ-RR 2000, 183).

Zum anderen begründet das Landgericht seine Entscheidung damit, dass die Verurteilte bei Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage bei einem Nettoverdienst von 1.500 Euro durch ihre auf sechs Monate befristete Tätigkeit in pp. imstande ist, die Kosten des Verfahrens in Raten zu begleichen. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass zum einen das Arbeitsverhältnis befristet ist und zum anderen die Jugendliche plant, eine Ausbildung zur Verkäuferin oder im Bereich Kosmetik zu machen. Für die – unter Erziehungsaspekten wünschenswerte – Beendigung der Hilfstätigkeit in pp. und Absolvierung einer Ausbildung ist die Belastung mit den gesamten Verfahrenskosten kontraproduktiv. Der Verurteilten, die derzeit noch bei ihren Eltern wohnt, wird damit die Gründung einer tragfähigen selbständigen Existenz durch eine Berufsausbildung über einen nicht absehbaren Zeitraum massiv erschwert.

Schließlich erscheint es fraglich, ob die gesamtschuldnerische Haftung mit den beiden Mitangeklagten, gegen die mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt wurden, zu einer Entlastung der Verurteilten führt., wovon das Landgericht offenbar ausgeht.

3. Dies führt zur Aufhebung der Kostenentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung (OLG Hamm Beschluss vom 28.11.2017, 4 Ws 213/17, beck-online).

Bei der neuen Entscheidung wird zu berücksichtigen sein, dass Maßstab der Ermessensentscheidung ist, einerseits eine wirtschaftliche Gefährdung der Verurteilten zu vermeiden, andererseits, ihr durch die Auferlegung von Kosten zu zeigen, dass sie für die Folgen ihres Tuns unter Berücksichtigung des Erziehungsgedankens einzustehen hat (OLG Hamm, aaO), was auch mit einem teilweisen Absehen von der Auferlegung von Kosten möglich ist (Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Auflage, § 74 Rz. 8a).“

Das LG hat übrigens dann die – zutreffenden – Vorgaben des OLG verstanden und hat im LG Regensburg, Beschl. v. v. 22.11.2023 – KLs 403 Js 23928/22 jug von der Auferlegung der Kosten des Verfahrens und der gerichtlichen Auslagen auf die verurteilte Jugendliche abgesehen.