Und dann gibt es heute natürlich Gebühren- oder Kostenentscheidungen. Es ist ja schließlich Freitag 🙂 .
Ich beginne mit dem
Es geht in dem Beschluss um die Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens wegen Todes des Angeklagten im laufenden Berufunsgverfahren. Dazu führt das LG im LG Bremen, Beschl. v. 15.09.2025 – 63 NBs 220 Js 62977/23 (16/25) – aus:
„Die Kostenentscheidung richtet sich im Fall des Todes des Angeklagten entsprechend § 467 Abs. 1 StPO nach den Grundsätzen, die bei einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses allgemein anzuwenden sind (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 3).
Die Kammer macht keinen Gebrauch von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wonach davon abgesehen werden kann, die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn der Angeklagte nur deshalb nicht rechtskräftig verurteilt wird, weil mit seinem Tod ein Verfahrenshindernis eingetreten ist. Denn der Angeklagte wäre bei Fortführung des Berufungsverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht (erneut) verurteilt, sondern freigesprochen worden.
1. Die Vorschrift des § 188 StGB ist – auch unter Berücksichtigung ihrer Erweiterung in Absatz 1 Satz 2 durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität v. 30.03.2021 (BGBl. 2021 I 441) – nicht auf (leitende) Mitarbeiter eines Jugendamtes zugeschnitten. Denn den besonderen Schutz des § 188 StGB genießen nur Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen und die deshalb, weil sie besonders exponiert sind, in erhöhtem Maß auch das Ziel von Ehrverletzungen sind. Schon wegen des relativ hohen Maßes an Unbestimmtheit des damit umschriebenen Personenkreises und der damit bestehenden Gefahr einer Ausuferung sind die Grenzen jedoch eng zu ziehen. Für den Sonderschutz des § 188 StGB genügt insbesondere nicht schon die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, auch wenn dies in einer herausragenden Stellung geschieht (vgl. Eisele/Schittenhelm, in: Tübinger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 31. Auflage 2025, § 188 Rdnr. 2 m.w.N.). Dass der Geschädigte B.L. über seine berufliche Funktion hinausgehend bzw. unabhängig von ihr (kommunal-) politisches Engagement entfaltet hätte und in dieser Funktion zur Zielscheibe der unzulässigen Äußerungen geworden wäre, ist hingegen nicht ersichtlich.
Der vorstehenden Rechtsauffassung der Kammer ist die vor Erlass des hiesigen Einstellungsbeschlusses angehörte Staatsanwaltschaft Bremen nicht entgegengetreten.
2. Darüber hinausgehend bestehen auch auf tatsächlicher Ebene durchgreifende, einem hinreichenden Tatverdacht entgegenstehende Zweifel daran, dass der Angeklagte nach Durchführung des Berufungsverfahrens – auch wegen anderer in Betracht kommender Straftatbestände nach den §§ 185 ff. StGB – (erneut) verurteilt worden wäre.
Die Person, die am 11.08.2023 auf dem Parkplatz des … in der C-Straße in [Ort 1] mindestens 14 Notizzettel mit den maschinell-schriftlichen Aufdrucken „B.L. fickt Kinder“ und „B.L. vergewaltigt Kinder“ hinter die Scheibenwischerblätter dort geparkter Fahrzeuge geklemmt hatte, ist polizeilich nicht festgestellt worden. Die Person flüchtete vielmehr, bevor ihre Identität durch die eingesetzten Polizeibeamten aufgeklärt werden konnte.
Das Amtsgericht stützte seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten insbesondere auf die Aussage des vernommenen Zeugen W und in noch größerem Maß auf die Angaben des Zeugen E. Hierzu merkt die Kammer an, dass diese beiden Zeugen zwar am Tattag vor Ort mit dem Täter in Kontakt standen und sich mit ihm unterhielten. Gleichwohl haben beide im Laufe des Ermittlungsverfahrens erklärt, von dem Gesicht der betreffenden Person wenig gesehen zu haben, da diese an dem regnerischen Tattag eine Kapuze bis tief in die Stirn getragen habe. Zu etwaigen Details wie Brille oder Bart konnte der Zeuge W gar nichts sagen; der Zeuge E seinerseits konnte ebenfalls nicht viele Einzelheiten benennen und schätzte den Täter auf ca. 40 Jahre und damit rund 10 Jahre jünger als den Angeklagten.
Bei einer polizeilichen Wahllichtbildvorlage haben die Zeugen den Angeklagten nicht sicher identifiziert; vielmehr ging der Zeuge W von einer Wiedererkennungswahrscheinlichkeit von 85% aus, der Zeuge E (der nach Aktenlage und insbesondere nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil in wesentlich intensiverem Kontakt zu dem Täter gestanden hatte) sogar nur von einer solchen von 70% bzw. 75%. Hierbei bezog sich der höhere Prozentwert auf das Lichtbild einer Person, die nicht der Angeklagte gewesen ist.
Dass der Angeklagte Konflikte mit dem Jugendamt hatte, könnte zwar ein mögliches Motiv für die ihm vorgeworfene Tat darstellen; gleichwohl ist u.a. aus dem Verfahren 63 NBs … Js … (…/…)) gerichtsbekannt – und liegt im Übrigen auch auf der Hand –, dass das Jugendamt [Ort 1] vor dem Hintergrund seiner im Einzelfall besonders eingriffsintensiven Maßnahmen und einer damit verbundenen Machtfülle oftmals Adressat besonders starker Kritik ist.
Der frühere Angeklagte selbst hat den Tatvorwurf über eine Verteidigererklärung abgestritten und war in der ersten Hauptverhandlung auch nicht anwesend. Bei der am 22.12.2023 erfolgten Wohnungsdurchsuchung sind keine Beweismittel gefunden worden, die den früheren Angeklagten belastet hätten, wobei die eingesetzten Beamten u.a. seine elektronischen Medien eingesehen hatten. Dass der Täter am Tattag gegenüber dem Zeugen E erklärt hatte, er käme aus [Ort 2] – was auf den Angeklagten zutrifft – fällt auch in einer Gesamtschau der Indizien nicht entscheidend ins Gewicht, zumal es für den wahren Täter nahegelegen hätte, unzutreffende Angaben zu seiner Herkunft zu machen, um seine Identifikation zu erschweren.
Nach alledem wäre der Angeklagte bei Fortführung des Berufungsverfahrens mit überwiegender Wahrscheinlichkeit freigesprochen worden, sodass die Kammer von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht hat. Vielmehr hat sie neben den Kosten des Verfahrens auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
III.
Die Entscheidung über die Entschädigung des früheren Angeklagten für die am 22.12.2023 erfolgte Durchsuchung seiner Wohnung in der A-Straße … in [Ort 1] dem Grunde nach folgt aus § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StrEG.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG kann die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Beschuldigte wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis bestand. Für die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG bestehen hierbei die gleichen Voraussetzungen wie für § 467 Abs. 3 Nr. 2 StPO (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010 – 1 Ws 218/10, NStZ 2011, 176 (Ls.)). Auf die Ausführungen unter Ziffer II. des vorstehenden Beschlusses wird daher Bezug genommen. Die Kammer hat auch von der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG keinen Gebrauch gemacht.“




