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Fast 2.600 € verlangt/vereinbart – 190 € Erstberatungsgebühr bekommen

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Ich habe schon länger nicht mehr zum Gebührenrecht gepostet, was u.a. daran liegt, dass im Moment in meinen Augen eine gebührenrechtliche Flaute herrscht. Aber das LG Duisburg, Urt. v. 12.10.2012 -7 S 51/12 – ist m.E. eines Hinweises wert, auch wenn es nicht um ein Straf-/Bußgeldverfahren, sondern um Abmahnungen geht. Die Konstellation kann auch den Verteidiger, vor allem aber den Verkehrsrechtler treffen.

Der Sachverhalt ist im Grunde genommen ganz einfach: Der Anwalt berät einen abgemahnten Mandanten.  Im Verfahren ging es um die Abwehr einer Schadensersatzforderung von 750 €. Der Rechtsanwalt schließt mit dem Mandanten eine Honorarvereinbarung, nach der der Rechtsanwalt eine Vergütung von rund 2.600 € verlangen kann, obwohl der maximal “wirtschaftlich zu erreichende Vorteil” für den Mandanten, nämlich der Erlass der Schadensersatzforderung aufgrund der urheberrechtlichen Abmahnung, eben nur 750 € betrug. Das LG sagt, dass der Rechtsanwalt über dieses Missverhältnis nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) hätte aufklären müssen. Da er das nicht getan hatte, hat ihm das LG seinen Honoraranspruch auf die Erstberatungsebühr in Höhe von 190 € gekürzt.

„Die Kam­mer teilt die Auf­fas­sung des Amts­ge­richts, dass die Höhe der Ge­büh­ren, die die Be­klag­te nach der von der Ze­dentin vor­for­mu­lier­ten Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung (Bl. 30 d. A.) zu zah­len hatte, das von ihr ver­folg­te Ziel wirt­schaft­lich sinn­los mach­te – mit der Folge, dass die Ze­dentin nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) aus­nahms­wei­se ver­pflich­tet war, die Be­klag­te un­ge­fragt über die vo­raus­sicht­li­che Höhe ihrer Ver­gü­tung auf­zu­klä­ren (vgl. BGH, NJW 2007, 2332). Der Be­ru­fung ist zu­zu­ge­ste­hen, dass die recht­li­che Prü­fung des mit der Ab­mah­nung gel­tend ge­mach­ten Un­ter­las­sungs- und Scha­dens­er­satz­an­spruchs sowie der Rechts­fol­gen, die sich aus der Ab­ga­be der straf­be­wehr­ten Unter­las­sungs­er­klä­rung er­ge­ben, für die Be­klag­te von In­te­res­se und in­so­weit auch von wirt­schaft­li­chem Wert war. In­so­weit hätte es der Ze­dentin frei­ge­stan­den, mit der Be­klag­ten gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 RVG eine an­ge­mes­se­ne Ver­gü­tung zu ver­ein­ba­ren. Die in der Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung vom 14.03.2011 (Bl. 30 d. A.) ver­ein­bar­te und be­rech­ne­te Ver­gü­tung nach Maß­ga­be der §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG be­trifft je­doch nicht die recht­li­che Prü­fung, son­dern die au­ßer­ge­richt­li­che Ver­tre­tung der Be­klag­ten gegen­über dem An­spruch­stel­ler. Dass diese für die Be­klag­te auf­grund des kras­sen Miss­ver­hält­nis­ses zwi­schen dem wirt­schaft­li­chen Vor­teil (bes­ten­falls Er­lass der Scha­dens­er­satz­for­de­rung in Höhe von 750,00 €) und den hier­für auf­zu­wen­den­den Kos­ten (Ge­schäfts­ge­bühr in Höhe von 2.562,90 €) wirt­schaft­lich sinn­los war, wird selbst in der Be­ru­fungs­be­grün­dung nicht be­zwei­felt. In der von der Ze­dentin (um-) for­mu­lier­ten Unter­las­sungs­er­klä­rung (Bl. 32 d. A.) kann die Kam­mer kei­nen wirt­schaft­li­chen Vor­teil er­ken­nen, da sie – ab­ge­se­hen von der for­mu­lar­mä­ßi­gen, recht­lich aber im Er­geb­nis be­deu­tungs­lo­sen Ein­schrän­kung, dass die Ver­pflich­tung „ohne An­erken­nung einer Rechts­pflicht und ohne Prä­ju­diz für die Sach- und Rechts­la­ge und unter der auf­lö­sen­den Be­din­gung einer auf Ge­setz oder höchst­rich­ter­li­cher Recht­spre­chung be­ru­hen­den Klä­rung des zu unter­las­sen­den Ver­hal­tens als recht­mä­ßig“ er­fol­ge – dem In­halt der vom An­spruch­stel­ler vor­for­mu­lier­ten Er­klä­rung (Bl. 19 d. A.) ent­spricht.

Die Kam­mer teilt auch die Auf­fas­sung des Amts­ge­richts, dass die Ze­dentin ihrer Auf­klä­rungs­pflicht nicht nach­ge­kom­men ist. Die in dem An­schrei­ben vom 14.03.2011 (Bl. 26 f. d. A.) ent­hal­te­ne Mit­tei­lung eines Kos­ten­rah­mens von „ma­xi­mal bis ca. 2.600,00 €, mi­ni­mal ca. 226,00 € (Erst­be­ra­tung)“ hat das Amts­ge­richt zu Recht als nicht aus­rei­chend an­ge­se­hen, weil hier­durch der un­zu­tref­fen­de Ein­druck er­weckt wurde, die Kos­ten der Be­auf­tra­gung wür­den sich mög­li­cher­wei­se in einer Summe von 226,00 € er­schöp­fen, ob­wohl nach dem In­halt der Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung be­reits fest­stand, dass die Ge­schäfts­ge­bühr 2.562,90 € be­tra­gen würde. Dies gilt erst recht im Zu­sam­men­hang mit dem un­mit­tel­bar davor ste­hen­den Hin­weis, dass die Be­klag­te mit dem vor­ge­schla­ge­nen Pro­ce­de­re „wirt­schaft­lich ge­se­hen […] die ge­rings­ten Ri­si­ken“ ein­ge­he (Bl. 27 d. A.), und dem Hin­weis in den Er­läu­te­run­gen zur Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung, dass die Kos­ten immer in einem sach­ge­rech­ten Ver­hält­nis zu dem Wert, „um den es geht“, stün­den (Bl. 30 d. A.). Je­den­falls in der Ge­samt­schau stel­len die Hin­wei­se der Ze­dentin keine be­darfs­ge­rech­te Auf­klä­rung, son­dern eher eine sys­te­ma­ti­sche Ir­re­füh­rung des Man­dan­ten dar.“

„Der Vorsitzende legt die Sache der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor, ..“ – beim LG Marburg geht es zur Sache

Vor einigen Tagen hatte der Kollege Wolf in seinem Blog unter dem Titel: „LG Marburg: Honorarverlangen des Pflichtverteidigers stört Vertrauensverhältnis“ über den LG Marburg, Beschl. v. 22.05.2012 – 7 StV 442/10 – berichtet (vgl. hier den Beitrag). Der Beitrag ist – was mich ein wenig erstaunt- untergangen. Darum will das Thema hier noch einmal aufgreifen, vielleicht habe ich ja mehr Resonanz.

Worum geht es? Dem LG-Beschluss lässt sich folgender Sachverhalt entnehmen:  Der Verurteilte befindet sich zum Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB. Im Prüfungsverfahren nach §§ 67e, 67d Abs. 2 StGB wurde ihm Rechtsanwalt P. nach § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger beigeordnet. Mit Schreiben vom 29.03.2012 beschwerte sich der Verurteilte über den Pflichtverteidiger und trug u.a. vor, dieser habe ein Zusatzhonorar zu den Pflichtverteidigergebühren vereinbaren wollen. Dem habe der Verurteilte nicht zugestimmt, und er habe nun den Eindruck, dass die Verteidigung schlecht geführt werde. Der Verurteilte beantragt, den Verteidiger zu entpflichten und einen anderen Anwalt beizuordnen. Dem Antrag hat der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer entsprochen.

Zur – mehr als knappen – Begründung:

Der Antrag der Verurteilten ist begründet. Es ist allgemein anerkannt, dass die Pflichtverteidigung aufgehoben werden kann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidiger schwerwiegend gestört ist (Meyer-Goßner StPO § 143 Rdn. 3 m. zahlreichen Nachweisen). So ist es fraglos hier: Ein Verteidiger, der gegenüber dem Mandanten deutlich macht, dass ihm das Honorar eines Pflichtverteidigers nicht genügt, erweckt bei jedem vernünftig denkenden Mandanten den klaren Anschein, ohne das Zusatzhonorar werde die Verteidigung nicht ordentlich geführt. Auf dieser Grundlage sollte niemand Vertrauen in die Güte der Verteidigung entwickeln müssen.

Und was soll/muss man davon halten: Nun – m.E. ist der Beschluss falsch, und zwar aus folgenden Gründen: Es ist allgemein anerkannt, dass auch der Pflichtverteidiger mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen kann (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, Teil A: Vergütungsvereinbarung [§ 3a], Rn. 1514). Der Pflichtverteidiger darf allerdings keinen Druck auf den Mandanten im Hinblick auf den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung ausüben (vgl. dazu u.a. BGH NJW 1980, 1394; StRR 2010, 236), also ihm deren Abschluss z.B. in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einem Termin antragen (vgl. BGH, a.a.O., für Hauptverhandlung). Auch darf er den Mandanten nicht massiv bedrängen und eine „Schlecht-/Minderleistung“ in Aussicht stellen (vgl. dazu die Fallgestaltung bei KG StRR 2011, 261 m., Anm. Burhoff). Aber hat der Pflichtverteidiger das hier getan? M.E. nicht. Denn er hatte den Mandanten wie folgt angeschrieben:

Sehr geehrter Herr NN,

ich teile Ihnen gegenüber mit, dass ich nunmehr Ihrem Wunsch entsprechend zum Pflichtverteidiger im Vollstreckungsverfahren beauftragt wurde. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass wir uns bei der nächsten Besprechung ggf. über die Verabredung eines Zusatzhonorars unterhalten können, da Sie sich bestens vorstellen können, dass das Honorar eines Pflichtverteidigers — zumal im Vollstreckungsverfahren — als vollkommen unangemessen zu bewerten ist.

Sobald es meine Zeit erlaubt, werde ich Sie zu einer Besprechung in Gießen aufsuchen.
Zur Ihrer Einstellung und Vorbereitung übersende ich Ihnen in Kopie das Prognosegutachten der Klinik vorab.

Mit freundlichem Gruß“

 

In dem Schreiben kann ich ein unangemessenes Bedrängen des Mandanten, aus dem der schließen kann/muss, der – von ihm gewünschte – Rechtsanwalt werde, wenn es nicht zum Abschluss der Vergütungsvereinbarung komme, seine Verpflichtungen ihm gegenüber nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllen, nicht erkennen. Anders im Fall des KG (vgl. den Sachverhalt in StRR 2012, 261). Hier ist bislang lediglich angekündigt worden, dass man sich über die „Verabredung eines Zusatzhonorars“, also eine Vergütungsvereinbarung „unterhalten“ wolle. Nachteilige Folgen für den Fall, dass diese nicht abgeschlossen wird, werden nicht in Aussicht gestellt und kann man m:E. auch nicht in das Schreiben des Verteidigers hineinlesen. Damit stellt die Entscheidung des Vorsitzenden die Rechtsprechung des BGH, ohne das mit einem Wort zu begründen auf den Kopf: Wenn nämlich allein der Vorschlag, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, ausreicht, um eine Störung des Mandatsverhältnisses anzunehmen, dann gilt der Grundsatz, dass auch der Pflichtverteidiger eine Vergütungsvereinbarung treffen kann, nicht mehr. Die Entscheidung schießt damit weit über das Ziel hinaus.

 

2. Und Letzteres gilt erst recht für die im Beschluss enthaltene Mitteilung des Vorsitzenden, die ich wörtlich zitiere: „Der Vorsitzende legt die Sache der Staatsanwaltschaft zur Prüfung vor, denn der Pflichtverteidiger hat keinen Anspruch auf ein Zusatzhonorar und stellt dem Mandanten hinreichend deutlich vor Augen, dass er ohne das Zusatzhonorar seine gesetzlichen Pflichten als Verteidiger nicht ordentlich erfüllen wolle.“ Also: Anregung eines Ermittlungsverfahrens wegen Nötigung (§ 240 StGB). Aber: Wo bitte wird vom Pflichtverteidiger damit gedroht/in Aussicht gestellt, „dass er ohne das Zusatzhonorar seine gesetzlichen Pflichten als Verteidiger nicht ordentlich erfüllen wolle“. Es wird lediglich ein Gespräch über die Vergütungsvereinbarung angekündigt. Das ist aber noch keine Nötigung. Offenbar wird das aber beim LG Marburg anders gesehen.

 

3. Was mich zusätzlich erstaunt: Der Pflichtverteidiger hat die Entscheidung rechtkräftig werden lassen. Das verstehe ich nun gar nicht. M.E. wäre die Beschwerde angebracht und auch erfolgreich gewesen.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

„Ohne Moos, nix los“ – das Drängen des Pflichtverteidigers auf eine Vergütungsvereinbarung

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Das beigefügte Bild signalisiert, es geht um Gebühren. Aber: Diese mal nicht um eine gebührenrechtliche Entscheidung im Hinblick auf Anfall und/oder Höhe der anwaltlichen Gebühren, sondern um eine allgemeine vergütungsrechtliche Problematik in Zusammenhang mit der Pflichtverteidigung. Dass auch der Pflichtverteidiger  eine Honorafvereinbarung abschließen darf, ist unbestritten. Die Frage ist nur, wie gelangt man dort hin. Nun, jedenfalls nicht mit Druck. Das KG hat deswegen im KG, Beschl. v. 23.01.2012 – 4 Ws 3/12 – 141 AR 42/12 – einen Pflichtverteidiger nach § 143 StPO wegen Störung des Vertrauensverhältnisses entpflichtet. Begründung – so der Leitsatz der Entscheidung:

„Die Zurücknahme der Beiordnung wegen einer ernsthaften Störung des Vertrauensverhältnisses kommt in Betracht, wenn der Pflichtverteidiger den Angeklagten ungeachtet dessen erklärter Ablehnung wiederholt bedrängt, eine schriftliche Vereinbarung über ein Honorar abzuschließen, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigen würde, und hierbei zum Ausdruck bringt, ohne den Abschluss dieser Vereinbarung sei seine Motivation, für den Angeklagten tätig zu werden, eingeschränkt.“

Die Mandantin hatte u.a. vorgetragen:

Sie habe sich schon bei Gesprächen in der Untersuchungshaft von ihrem Verteidiger unter Druck gesetzt gefühlt, da dieser sie öfter darauf angesprochen habe, dass er „eine Menge Arbeit mit dem Ermittlungsverfahren“ habe und – unabhängig von seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger – „dafür natürlich auch Geld sehen“ wolle, ohne aber konkrete Summen zu nennen. Nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft habe sie sodann erfahren, dass der Verteidiger bereits kurz nach ihrer Festnahme auch ihrem (damals im Ausland befindlichen, später ebenfalls inhaftierten) Vater gegenüber erklärt habe, dass er „nicht umsonst arbeitet“ und ca. 10.000 Euro Honorar verlange. Ihre Mutter und ihr Onkel hätten den Anwalt daraufhin in dessen Kanzlei aufgesucht, wo der Rechtsanwalt diese Aussage sinngemäß wiederholt und einen Betrag von 8.000 Euro gefordert habe. Darauf habe ihr Onkel entgegnet, die Angeklagte könne keine Honorarvereinbarung unterschreiben; aber sobald man Geld übrig habe, werde man etwas überweisen, damit die Beschwerdeführerin „gut verteidigt“ werde. Nach ihrer Entlassung habe sie ihrerseits dem Rechtsanwalt mitgeteilt, dass sie – auch nur, solange sie noch nicht aus dem Polizeidienst entlassen sei und ihre Bezüge erhalte – allenfalls monatliche Raten in Höhe von ca. 300 bis 500 Euro zahlen könne. Den Vorschlag des Rechtsanwalts, das Geld von Verwandten zu besorgen, habe sie abgelehnt, da auch diese kein Geld hätten. Sie habe dem Anwalt nie zugesagt, eine schriftliche Honorarforderung über die von ihm geforderten 9.500 Euro zu unterschreiben.“

Das KG begründet den Rauswurf/die Entpflichtung mit:

Es sind aber im Zusammenhang mit der Honorarfrage Verhaltensweisen des Verteidigers festzustellen, die auch bei einem verständigen Angeklagten Grund zu der Sorge geben können, der Rechtsanwalt sei zu einer sachgerechten Verteidigung nicht (mehr) bereit. Die Beschwerdeführerin hat unwidersprochen die wiederholten Honorarforderungen des Rechtsanwalts in beträchtlicher Höhe vorgebracht. Sie hat plausibel geltend gemacht, dass sie sich insbesondere durch die Erklärung des Anwalts, seine Motivation, einen Termin für die Angeklagte wahrzunehmen, sei gesunken, weil sie die Honorarvereinbarung nicht unterzeichnet habe, unter Druck gesetzt fühle, diese Vereinbarung doch noch zu unterzeichnen und so eine Verpflichtung einzugehen, die sie in erhebliche finanzielle Bedrängnis bringen würde. Damit sind konkrete Umstände dargelegt, die eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zu dem Verteidiger und die Besorgnis der Angeklagten verständlich erscheinen lassen, objektiv nicht mehr sachgerecht – weil nicht mehr hinreichend engagiert – verteidigt zu werden, wenn und weil es zu der schriftlichen Vereinbarung über ein Honorar von 9.500 Euro nicht kommen wird. Nachvollziehbar ist auch ihre Darstellung, dass sie infolge der durch den Anwalt herbeigeführten Drucksituation Angst vor Gesprächen mit ihm hat, ihm nicht mehr ins Gesicht sehen und mit ihm deshalb auch während der Verhandlung nicht mehr vertrauensvoll sprechen könne. Tatsächlich haben die Angeklagte und der Verteidiger seit dem 29. November 2011 nicht mehr miteinander kommuniziert.

 Unerheblich ist, dass die Angeklagte und ihre Familie über einen Zeitraum von mehreren Monaten infolge ihrer Sorge um eine „gute Verteidigung“ Raten auf die mündliche Forderung des Anwalts gezahlt haben. Ob die Angeklagte dem Anwalt tatsächlich in Aussicht gestellt hat, eine schriftliche Vereinbarung zu unterzeichnen (und so deren Wirksamkeit herbeizuführen, § 3a Abs. 1 RVG), kann dahin stehen. Maßgeblich ist, dass der Verteidiger auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung, die ihm ein die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren übersteigendes Honorar sichern soll, keinen Anspruch hat. Allerdings liegt es – auch angesichts des unwidersprochen gebliebenen Vortrags der Angeklagten betreffend die Erklärungen ihres (jeweils namentlich benannten) Freundes bzw. Onkels – nicht nahe, dass sie tatsächlich die Zahlung eines Honorars in einer vorgesehenen Höhe und den Abschluss einer entsprechenden schriftlichen Vereinbarung versprochen hat. Hierbei ist auch in Rechnung zu stellen, dass der Verteidiger seine erhebliche Honorarforderung noch zu einer Zeit aufrechterhalten und wiederholt hat, als bereits absehbar war, dass die Hauptverhandlung gegen die Beschwerdeführerin in kurzer Zeit durchgeführt werden würde. Legt man die in Aussicht genommene Hauptverhandlungsdauer von zwei Tagen zugrunde, übersteigt das vom Verteidiger geforderte Honorar die gesetzlichen Gebühren, die er – selbst bei einer Tätigkeit als Wahlanwalt unter Zugrundlegung der Höchstgebühr jedes Gebührentatbestandes – verdienen könnte, um ein Mehrfaches. Ein Angeklagter muss aber uneingeschränkt darauf vertrauen können, dass ein Pflichtverteidiger sein Engagement nicht danach bemisst, ob und ggf. in welcher Höhe der Angeklagte ein (zusätzliches) Honorar zahlt. Ein Verteidiger, der – subtil oder offen, wie hier, – zum Ausdruck bringt, er könne sich eine Tätigkeit als Verteidiger auf der Grundlage der gesetzlichen Gebühren wirtschaftlich nicht leisten und bedürfe der Motivation durch eine Honorarvereinbarung, beseitigt die Grundlage für ein solche Vertrauen.“

 

Allmählich setzen sich ca. 250 €/Stunde als Stundensatz durch

Auch für Strafrechtler/Verteidiger interessant ist das Urt. des OLG München v. 30.06.2010 – 7 U 1879/10, das sich u.a. auch mit der Frage der angemessenen Höhe einer Honorarvereinbarung beschäftigt.

Danach sind grds. für Anwaltskanzleien, die sich auf Wirtschaftsrecht spezialisiert haben, Stundensätze in Höhe von 260,– € bzw. 225,– € für angestellte Rechtsanwälte nicht zu beanstanden. Daneben hat das OLG in Zusammenhang mit einer Schadensersatzfrage auch dazu Stellung genommen, ob der Abschluss einer Honorarvereinbarung ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht des § 254 BGB darstellt und hat das verneint.

Das Urteil ist m.E. ein weiterer Beleg dafür, dass sich allmählich ein Stundensatz von rund 250 € als angemessen durchsetzt.

250 €/Stunde in Wirtschaftsstrafverfahren gehen wohl durch…

Ein Stundensatz von (mindestens) 250 € für die Tätigkeit des Strafverteidigers scheint sich durchzusetzen bzw. wird offenbar von den Zivilgerichten in Wirtschaftsstrafverfahren nicht als unangemessen beanstandet, wenn „die Rahmenbedingungen stimmen“ (vgl. dazu jetzt OLG Koblenz, Urt. v. 26.04.2010 – 5 U 1409/09;  auch BGH NJW 2010, 1364; OLG Hamm StRR 2008, 236 = JurBüro 2008, 307; AG Köln zfs 2006, 227; s. auch noch OLG Celle, Urt. v. 18.11.2009 – 3 U 115/09).

Das OLG Düsseldorf (a.a.O.) sieht das allerdings anders, hat dafür aber von Schons (a.a.O.) herbe Kritik erfahren müssen, der sich dem OLG Koblenz angeschlossen hat. Man darf gespannt sein, wie der BGH die Dinge demnächst sehen wird. Denn die Entscheidung des OLG Düsseldorf (a.a.O.) ist nicht rechtskräftig; die Revision ist unter dem Aktenzeichen IX ZR 37/10 beim BGH anhängig. Gespannt vor allem auch deshalb, weil der BGH ja nach wie vor an seiner „Fünffach-Satz-Rechtsprechung“ aus BGHZ 162, 98 festhält. Er hat diese in seinem Urt. v. 04.02.2010 (IX ZR 18/09 (NJW 2010, 1364) ja nicht aufgegeben, sondern nur modifiziert. Er hat allerdings schon darauf hingewiesen, dass ein gehobenes Einkommen für erfolgreiche Rechtsanwälte i.d.R. ein Zeithonorar von 250 € je Stunde erfordert.