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Dauerbrenner „gefährlicher Eingriff, oder: in dubio contra reum

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Heute kommt „Friederike“ 🙂 bzw. soll kommen ……. Und hier kommen heute drei verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen. Als erste stelle ich den BGH, Beschl. v. 24.10.2017 – 4 StR 334/17 – vor. Er hat den verkehrsstrafrechtlichen Dauerbrenner – sicherlich eine der „Lieblingsvorschriften“ des BGH zum Gegenstand. „Lieblingsvorschriften“? Ich bezweilfle es. Ich glaube, der 4. Strafsenat ist eher genervt, dass er immer wieder dieselben Textbausteine hervorholen muss, um die landgerichtlichen Entscheidungen zu reparieren. Ich verstehe es nicht, dass immer wieder dieselben Fehler gemacht werden. Der BGh hat doch oft genug vorgebetet, wie es gehen muss. So dann hier auch noch einmal:

„a) Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die Strafbarkeit nach § 315b Abs. 1 StGB bei einem sog. verkehrsfeindlichen Inneneingriff, von dessen Vorliegen das Landgericht hier ausgegangen ist, voraus, dass zu dem be-wusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Einstellung hinzukommt, dass es der Täter mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht. Erst dann liegt eine über den Tatbestand des § 315c StGB hinausgehende und davon abzugren-zende verkehrsatypische „Pervertierung“ eines Verkehrsvorgangs zu einem gefährlichen „Eingriff“ in den Straßenverkehr im Sinne des § 315b Abs. 1 StGB vor (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233; Beschlüsse vom 22. November 2011 – 4 StR 522/11, NStZ-RR 2012, 123; vom 16. März 2010 – 4 StR 82/10, StraFo 2010, 259; vom 9. Februar 2010 – 4 StR 556/09, NStZ 2010, 391, 392).

Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch eine der in den Nummern 1 bis 3 des § 315b Abs. 1 StGB genannten Tathandlungen eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenver-kehrs herbeigeführt worden ist und sich diese abstrakte Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert verdichtet hat. Dabei muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiven nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 4 StR 53/17, NStZ-RR 2017, 224; vom 10. Dezember 2009 – 4 StR 503/09, NStZ-RR 2010, 120 f.; vom 3. November 2009 – 4 StR 373/09, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 6).“

Und dann passt es (natürlich) nicht:

„b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht diese Voraussetzungen bejaht hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Dies gilt zunächst mit Blick auf das Erfordernis eines zumindest bedingten Schädigungsvorsatzes des Täters. Zwar hat die Strafkammer ange-nommen, dass der Angeklagte beim Zufahren auf den Polizeibeamten L. „eine nicht unerhebliche Verletzung des Zeugen zumindest billigend in Kauf nahm, wenn dieser nicht zur Seite springen würde“ (UA S. 8). Jedoch begegnen die dieser Annahme zugrundeliegenden Erwägungen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn das Landgericht, das sachverständig beraten davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte mit einer Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h bis höchstens 39 km/h auf den Zeugen L. zufuhr, hat seine Annahme eines Schädigungsvorsatzes des Angeklagten maßgeblich damit begründet, dem Zeugen L. – der zur Seite wich, als der Pkw noch etwa fünf bis acht Meter entfernt war – hätten „bei der Annahme der maximal zu erreichenden Beschleunigung“ des Fahrzeugs auf 39 km/h nur 0,4 bis 0,75 Sekunden zum Ausweichen zur Verfügung gestanden, womit er sich „im gerade noch beherrschbaren Grenzbereich einer erfolgreichen Ausweichbewegung“ befun-den habe (UA S. 17). Damit hat die Strafkammer ihrer Berechnung der dem Zeugen zur Verfügung stehenden Ausweichzeit und ihrer hierauf gestützten Annahme eines Schädigungsvorsatzes – in Umkehrung des Zweifelsgrundsatzes – die für den Angeklagten ungünstigste der in Betracht kommenden Ge-schwindigkeiten zugrunde gelegt; dieses Vorgehen war unzulässig.

bb) Darüber hinaus kann den Feststellungen auch keine konkrete Gefahr für den Zeugen L. entnommen werden. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte – nachdem der Zeuge, als der Pkw noch ca. fünf bis acht Meter entfernt war, zur Seite gewichen war und so den Fahrweg freigegeben hatte – in einer Entfernung von etwa „einer Armlänge“ an dem Zeugen vorbei-fuhr (UA S. 8). Ein Verkehrsvorgang, bei dem es zu einem „Beinahe-Unfall“ ge-kommen ist, also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, „das sei noch einmal gut gegangen“, erschließt sich dar-aus nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2011 – 4 StR 522/11, NStZ-RR 2012, 123, 124; vom 5. August 1986 – 4 StR 359/86, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 1).“

Vielleicht klappt es ja beim zweiten Mal.

Schüsse auf den Pkw – warum klagt man das als gefährlichen Eingriff an?

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Und als letzte Entscheidung heute dann der BGH, Beschl. v. 30.08.2017 – 4 StR 349/17. Er ist in einem Verfahren ergangen, in dem das LG den Angeklagten u.a. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt hat. Dagegen die Berufung Revision des Angeklagten, die teilweise Erfolg hatte. Die Verurteilung  wegen § 315b StGB hat der BGH aufgehoben:

„1. Die vom Landgericht nicht weiter begründete tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB hat keinen Bestand. Nach den Feststellungen zur Tat 2 (Urteilsgründe II.) hat der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz einen Schuss mit seiner halbautomatischen Selbstladepistole auf den Fahrer des im Tatzeitpunkt neben ihm befindlichen Fahrzeugs der Marke BMW, den Nebenkläger W. , abgegeben. Der Schuss verfehlte sein Ziel und schlug – vom Nebenkläger zunächst unbemerkt – in die B-Säule des von ihm gefahrenen Fahrzeugs ein.

Diese Feststellungen belegen einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht. Eine solche Verurteilung setzt bei Schüssen auf Fahrzeuge im Straßenverkehr voraus, dass die konkrete Gefahr für eines der in § 315b Abs. 1 StGB genannten Schutzobjekte jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08, NStZ 2009, 100, 101). Daran fehlt es, wenn der Schaden – wie hier – ausschließlich auf der durch die Pistolenschüsse freigesetzten Dynamik der auftreffenden Projektile beruht (BGH aaO). Um insoweit auch nur zu einer Verurteilung wegen Versuchs zu gelangen, hätte der Angeklagte in seine Vorstellung aufnehmen und billigen müssen, dass es infolge des Schusses zu einem Beinahe-Unfall kommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15, NStZ 2016, 407, 408); Feststellungen dazu hat das Landgericht indes nicht getroffen.

Der Senat hat für die Tat 2 den Schuldspruch entsprechend abgeändert. Er schließt aus, dass in einer erneuten Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung wegen (versuchten) gefähr-lichen Eingriffs in den Straßenverkehr tragen würden.“

Wegen der Strafzumessung geht es dann in den zweiten Durchgang. Den hätte sich m.E. aber auch sparen können, wenn die StA § 315b StGB im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH von Anfang an nicht angeklagt hätte. Warum macht man das?

„Beinaheunfall“, oder: Wenn die Polizei am Überholen gehindert und mit einem Feuerlöscher beworfen wird

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Einen verkehrsstrafrechtlichen Klassiker hat der BGH, Beschl. v. 15.03.2017 –  4  StR 53/17 – zum Inhalt, nämlich die „Polizeiflucht. Entscheiden musste der BGH allerdings nicht über die sonst häufige Konstellation des Zufahrens auf einen Polizeiwagen und/oder -beamte, sondern über einen Fall des Hindernisbereiten. Der Angeklagte hatte nämlich auf der Flucht vor ihn verfolgenden Polizeibeamten den von ihm gefahrenen PKW zweimal in dem Moment auf die Gegenfahrbahn der dreispurig ausgebauten Bundesstraße, die man befuhr, gelenkt, als das Polizeifahrzeug jeweils gerade zum Überholen ansetzte. Das LG hat „diese Fahrmanöver als Hindernisbereiten im Sinne des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB gewertet und weiter gemeint, der Angeklagte habe mit „zumindest bedingte(m) Gefährdungsvorsatz hinsichtlich der konkreten Rechtsgutsgefährdung“ gehandelt. „Die hochgefährliche Fahrweise des Angeklagten und das Werfen der Gegenstände aus dem Fluchtfahrzeug durch den Mittäter belegen, dass der Angeklagte die konkrete Gefährdung der Polizeibeamten und des Streifenwagens zumindest billigend in Kauf genommen hat.“

Dem BGH reicht das für einen Versuch eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nicht und hebt – in der Kürze liegt die Würze 🙂 – insoweit auf:

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. nur Senatsbeschluss vom 3. November 2009 – 4 StR 373/09, BGHR StGB § 315b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 6 mwN). Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz eines Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (Senatsurteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237 f.; Beschluss vom 5. November 2013 – 4 StR 454/13, NStZ 2014, 86).

bb) Das Landgericht hat sich demgegenüber darauf beschränkt, einen bloßen Gefährdungsvorsatz festzustellen. Der Senat kann – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen, dass der Angeklagte bei seinen gefährlichen Fahrmanövern mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt hat.

Und dann gibt es auch gleich noch eine Segelanweisung:

„Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird deutlicher als bisher geschehen darzulegen haben, ob der Angeklagte – gegebenenfalls im Sinne sukzessiver Mittäterschaft – mit dem Hinauswerfen des Feuerlöschers und der weiteren Gegenstände durch seinen Mittäter einverstanden war und dies mit bedingtem Schädigungsvorsatz geschehen ist; der Angeklagte hat dies bestritten.

Für den Fall, dass sich in der erneuten Verhandlung ein auch nur beding-ter Schädigungsvorsatz des Angeklagten nicht nachweisen lässt, wird der nun-mehr zur Entscheidung berufene Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB zu erwägen haben.“

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, oder: Wenn der Beifahrer einen Radfahrer „vom Rad holt“

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Meist ist es ja der BGH, der zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) „Stellugn nimmt“. Hier haben wir aber mal wieder eine OLG-Entscheidung, nämlich den OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2017 – 4 RVs 159/16, und zwar zu einer etwas atypischen Verkehrssituation:

Am 07.07.2015 gegen 22:15 Uhr befuhr der Zeuge T mit seinem Fahrrad die N-straße in Q aus Richtung L kommend. In dem verkehrs-beruhigten Bereich (Spielstraße)der Kreuzung N-straße/I-straße überholte erden dort stehenden bzw. gerade wieder anfahrenden Pkw vom Typ N1,amtliches Kennzeichen ## ## ###, welcher von dem vormaligen Mitangeklagten Y gesteuert wurde und in welchem sich der Angeklagte E als Beifahrer befand, mit hoher Geschwindigkeit rechts und bog sodann knapp vor dem N1 nach rechts in die I-straße in Richtung H-straße ein. Der Zeuge Y, welcher ebenfalls gerade nach rechts abbiegen wollte, war hierdurch gezwungen, wieder zu bremsen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Aufgrund des riskanten Fahrmanövers entschlossen sich nun der Zeuge Y und der Angeklagte, den Zeugen T für dessen Verhalten zur Rede zu stellen. Der Zeuge Y beschleunigte daher den Pkw stark, hupte, überholte den Zeugen T. dessen Fahrrad und lenkte den Pkw sodann schräg nach rechts, um diesem den Weg abzuschneiden. Gleichzeitig – noch während des Abdrängens – öffnete der Angeklagte E, den Plan des Zeugen Y unterstützend, ein Stück weit die Beifahrertür. Durch das Querstellen des Fahrzeuges sowie das gleichzeitige Öffnen der Beifahrertür sah der Zeuge T seinen Fahrweg versperrt und sich zu einer Notbremsung und einem Ausweichmanöver gezwungen. Dabei prallte er gegen die Rückseite des am rechten Straßenrand geparkten PKW P der Zeugin T und stürzte vom Fahrrad. Der Zeuge Y hielt den M1 nur kurz an. Nachdem er und der Angeklagte den Sturz des Radfahrers registriert hatten, fuhren sie sodann unter starker Beschleunigung davon, ohne sich bei diesem über sein Wohlergehen zu erkundigen.“

Das LG verurteilt wegen „eines gemeinschaftlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223 Abs. 1,224 Abs. 1 Nr. 5, 315 b Abs. 1 Nr. 3, 25 Abs. 2, 52 StGB. Und das „hält“ beim OLG Hamm:

„a) Der Angeklagte ist – wie das Landgericht Paderborn zutreffend angenommen hat – Mittäter i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB. Unschädlich ist, dass er als Beifahrer das Fahrzeug nicht selbst gelenkt hat. Bei § 315 b Abs. 1 StGB handelt es sich nicht um ein eigenhändiges Delikt. Täter i.S.v. § 315 b Abs. 1 StGB kann jeder – auch der Beifahrer – sein, der das tatbestandsmäßige Geschehen im Sinne der Nummern 1 bis 3 beherrscht. Dies gilt auch im Fall des hier vorliegenden sog. verkehrsfremden Inneneingriffs. Anknüpfungspunkt ist insoweit gerade nicht das Führen des Fahrzeugs. Es kommt vielmehr darauf an, dass das Fahrzeug nicht mehr als Mittel der Fortbewegung genutzt, sondern zur Verletzung oder Nötigung eingesetzt wird (Wolters in: SK-StGB, 9. Aufl., § 315 b Rn. 26; König in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 315 b Rn. 92; Pegel in: Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 315 b Rn. 60). Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des Landgerichts die Beifahrertür des von dem Zeugen Y gelenkten Fahrzeugs bewusst geöffnet, um den geschädigten Zeugen T abzudrängen und „vom Rad zu holen“. Damit hat er das Fahrzeug im vorbeschriebenen Sinne zweckentfremdet.

b) Es bedarf entgegen den Ausführungen des Landgerichts keines Rückgriffs auf die Generalklausel des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Wer im fließenden Verkehr mit seinem Kraftfahrzeug einem anderen Verkehrsteil-nehmer den Weg abschneidet, ohne durch die Verkehrslage irgendwie dazu veranlasst zu sein und um dem anderen die Weiterfahrt unmöglich zu machen, bereitet ein Hindernis im Sinne von § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB (BGH, Beschluss vom 01.09.1967 – 4 StR 340/67; Beschluss vom 15.12.1967 – 4 StR 441/67; Sternberg-Lieben/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 315 b Rn. 8).

So ist es hier. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte bereits vorsätzlich ein Hindernis im Sinne von § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereitet, indem der frühere Mitangeklagte Y entsprechend eines zuvor gemeinsam gefassten Tatplans das von ihm gelenkten Fahrzeug schräg nach rechts lenkte, während der Angeklagte die Beifahrertür öffnete, um dem Geschädigten T so den Weg abzuschneiden.“

Ausgebremst, oder: Nichts weltbewegend Neues

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Die Fälle des sog. Ausbremens sind im Straßenverkehr häufiger anzutreffen. Der BGH hat jetzt im BGH, Beschl. v. 21.06.2016 – 4 StR 1/16 – noch einmal klar gestellt, wann in diesen Fällen von einer Strafbarkeit nach § 315b StGB wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ausgegangen werden kann:

a) Soweit das Landgericht das Ausbremsen des Nebenklägers als fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne von § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB gewertet hat, wird der Schuldspruch von den Feststellungen nicht getragen.

Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Februar 2016 zutreffend ausgeführt:

„Ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr wird dann von § 315b StGB erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Oktober 2003 – 4 StR 275/03 –, BeckRS 2004, 00459 m.w.N.). Darüber hinaus setzt die Strafbarkeit nach § 315b StGB voraus, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09 –, NStZ 2010, 216 f). Schließlich muss das Fahrzeug mit (mindestens bedingtem) Schädigungsvorsatz – etwa als Waffe oder Schadenswerkzeug – missbraucht werden (Senatsurteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02 –, BGHSt 48, 233).

Gemessen daran vermögen die Feststellungen der Strafkammer einen fahrlässigen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB nicht zu begründen. Der Mitangeklagte S. reduzierte seine Geschwindigkeit kurz nach dem Ortseingang von L. zunächst auf ca. 50 km/h und bremste dann an einer bewusst ausgesuchten Engstelle ohne Veranlassung durch die Verkehrslage bis zum vollständigen Stillstand ab (UA S. 7, 14). Der Nebenkläger konnte nicht ausweichen und musste ebenfalls scharf abbremsen, um einen Auffahr-unfall zu verhindern. Anhaltspunkte für eine Vollbremsung des Mitange-klagten S. bestehen nicht (UA S. 15). Der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen betrug zunächst zwischen 15 und 20 Metern und verringerte sich infolge der starken Bremsung sukzessive, bis die beiden Fahrzeuge schließlich im Abstand von wenigen Metern zueinander zum Stehen kamen (UA S. 7, 14f). Die Angeklagten erkannten zwar, dass ihr Bremsvorgang die Gefahr eines Zusammenstoßes schuf, vertrauten aber darauf, dass sich dieses Risiko nicht verwirklichen würde (UA S. 7). Un-beschadet dessen enthalten die Urteilsgründe keine Feststellungen zum Wert der beteiligten Fahrzeuge.

Damit ist zwar belegt, dass die Angeklagten in verkehrsfeindlicher Ge-sinnung ein Hindernis im Sinn des § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereiteten, indem sie den Geschädigten ohne verkehrsbedingte Veranlassung ausbremsten. Eine konkrete Gefährdung des Geschädigten oder einer frem-den Sache von bedeutendem Wert kann den getroffenen Feststellungen indes nicht entnommen werden. Die von der Strafkammer angenomme-ne Konstellation des ‚Beinaheunfalls‘ (vgl. UA S. 23) wird von den Feststellungen nicht getragen. Zudem fehlt es am erforderlichen Schädigungsvorsatz. …“

Nichts weltbewegend Neues, aber Erinnerung an alt Bekanntes 🙂 .