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Der BGH und der Täter-Opfer-Ausgleich beim „opferlosen Delikt“.

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Und wieder eine Entscheidung für BGHSt, nämlich das BGH, Urt. v. 04.12.2014 –  4 StR 213/14 – betreffend eine verkehrsstrafrechtliche Konstellation, die m.E. aber auch über das Verkehrsstrafrecht hinaus Bedeutung hat. Das LG hatte den Angeklagten u.a.- wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der Angeklagte hat mit seiner Strafmaßrevision u.a. geltend gemacht, dass bei der Bestimmung der Einzelstrafe für die als vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung u.a. bewertete Tat der Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht gezogen worden sei. Der BGH hat die Revision verworfen, obwohl er sich Win der Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang bei der von ihm verletzten Polizeibeamtin W. entschuldigt und das bereits im ersten Rechtsgang anerkannte Schmerzensgeld an sie bezahlt.

Der BGH führt zur Begründung seiner Auffassung, dass § 46a Nr. 1 StGB nicht anwendbar ist, aus: Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB müsse das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer müsse die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren. Das und der Wortlaut des § 46a Nr. 1 StGB schlössen „eine Anwendung dieser Vorschrift auf „opferlose“ Delikte aus….“. Und:

„bb) Danach ist eine Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB bei einem vorsätzlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB grundsätzlich ausgeschlossen.

(1) § 315b StGB schützt die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs (BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 4 StR 160/04, NStZ 2004, 625; Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 123; Beschluss vom 23. Mai 1989 – 4 StR 190/89, NJW 1989, 2550; Urteil vom 21. Mai 1981 – 4 StR 240/81, VRS 61, 122, 123; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 4 mwN). Die in der Norm aufgezählten Individualrechtsgüter (Leben, Gesundheit und bedeutende Sachwerte der durch den Eingriff betroffenen Verkehrsteilnehmer) werden dabei lediglich faktisch mit geschützt (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 123; Beschluss vom 14. Mai 1970 – 4 StR 131/69, BGHSt 23, 261, 264 zu § 315c StGB; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 1; König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315b Rn. 3 und § 315 Rn. 5). Auch wenn § 315b StGB voraussetzt, dass sich die durch die tatbestandliche Handlung begründete abstrakte Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu einer konkreten Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verdichtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 122; SSW-StGB/Ernemann, 2. Aufl., § 315b Rn. 5) und der Täter bei Eingriffen innerhalb des fließenden Verkehrs mit einem zumindest bedingten Schädigungsvorsatz gehandelt haben muss (BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 4 StR 454/13, NStZ 2014, 86, 87; Beschluss vom 18. Juni 2013 – 4 StR 145/13, VRR 2013, 387, 388; Urteil vom 20. Februar 2003 – 4 StR 228/02, BGHSt 48, 233, 237 f.), werden die betroffenen Verkehrsteilnehmer dadurch nicht zum Träger des bestimmenden Rechtsguts. Ein zwischen ihnen und dem Täter durchgeführter dialogischer Ausgleichsprozess kann daher grundsätzlich weder zu einem friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat veranlassten Folgen, noch – wie dies von § 46a Nr. 1 StGB vorausgesetzt wird – zu einer Lösung des der Tat zugrunde liegenden Gesamtkonflikts führen (im Ergebnis wie hier Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46a Rn. 21; MüKoStGB/Maier, 2. Aufl., § 46a Rn. 3; NK-StGB/Streng, 4. Aufl., § 46a Rn. 10; Schönke/Schröder-Stree/ Kinzig, StGB, 29. Aufl., § 46a Rn. 4a; a.A. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 46a Rn. 8; SSW-StGB/Eschelbach, 2. Aufl., § 46a Rn. 20; Kaspar/Weiler/Schlickum, Der Täter-Opfer-Ausgleich, 2014, S. 26 jeweils zu § 315c StGB; Maiwald, GA 2005, 339, 345; Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle oder sinnvolle Bereicherung des Sanktionenrechts?, 2004, S. 118; Kasperek, Zur Auslegung und Anwen-dung des § 46a StGB, 2002, S. 65 f.; Schöch, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Bd. IV, 2000, S. 309, 333 f.). Hiermit steht in Einklang, dass der Bundesgerichtshof einen Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a Nr. 1 StGB sowohl bei der Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB (Urteil vom 4. April 2001 – 5 StR 68/01, BGHR StGB § 339 DDR-Richter 2, nicht tragend entschieden), als auch bei Steuerdelikten (Beschluss vom 25. Oktober 2000 – 5 StR 399/00, NStZ 2001, 200, 201; Beschluss vom 18. Mai 2011 – 1 StR 209/11, wistra 2011, 346) für ausgeschlossen erachtet hat, weil diese Delikte nur Gemeinschaftsrechtsgüter schützen und – im Fall der Rechtsbeugung – Individualinteressen allenfalls mittelbar geschützt werden.

(2) Dem steht nicht entgegen, dass nach § 46a Nr. 1 StGB ein gelungener Täter-Opfer-Ausgleich auch schon anzunehmen sein kann, wenn der Täter eine Wiedergutmachung seiner Tat nur zum überwiegenden Teil erreicht oder lediglich ernsthaft erstrebt hat (so aber Pielsticker, § 46a StGB – Revisionsfalle oder sinnvolle Bereicherung des Sanktionenrechts?, 2004, S. 118; Kaspar/ Weiler/Schlickum, Der Täter-Opfer-Ausgleich, 2014, S. 26). Eine nur zum über-wiegenden Teil erreichte oder lediglich erstrebte Wiedergutmachung vermag die Annahme eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB nur dann zu rechtfertigen, wenn sie auf der Grundlage umfassender Aus-gleichsbemühungen geleistet worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2002 – 2 StR 336/02, BGHR StGB § 46a Anwendungsbereich 2). Hier-an fehlt es aber, wenn der Geschädigte nicht Träger des bestimmenden Rechtsguts ist, sondern nur faktisch in den Schutzbereich der verletzten Norm einbezogen wird. Auch kann die gegenüber einem einzelnen Geschädigten ge-leistete Wiedergutmachung grundsätzlich nicht als eine Teilwiedergutmachung oder ein Wiedergutmachungsbemühen in Bezug auf andere verletzte Rechtsgü-ter gedeutet werden, deren Träger nicht in den Ausgleichsprozess einbezogen wurden oder für die es – wie hier in Bezug auf das Rechtsgut der Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr – keine individualisierbaren Opfer gibt…..“

Vom Ansatz des BGH her m.E. zutreffend. Es bleibt natürlich die Wiedergutmachung als allgemeiner Strafzumessungsgesichtspunkt. Aber das ist etwas anderes als der „vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB“. Die Frage dürfte im Übrigen bei allen „opferlosen Delikten“ eine Rolle spielen.

Immer wieder dasselbe: Liest denn keiner BGH-Entscheidungen?

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Immer wieder Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Man ist erstaunt, dass die Revisionsgerichte sich dazu so häufig äußern müssen, fast mag man es schon nicht mehr lesen. Diese Häufigkeit von Entscheidungen zu den §315b-StGB-Fragen zeigt, dass die ständige Rechtsprechung des BGH zu den Voraussetzungen und den Urteilsanforderungen offenbar bei den Instanzgerichten nicht ankommt (vgl. zuletzt u.a. zum BGH Endlich mal wieder was zum Verkehrsstrafrecht: Der “Rammer” im Straßenverkehr bzw. die “Rambofahrt”). Diese Rechtsprechung hat das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2013 – 5 RVs 41/13 – noch einmal schön zusammengefasst (vgl. auch meinen Beitrag „Die „konkrete Gefahr“ i.S. der §§ 315c, 315b StGB“ aus VRR 2011, 369.Auf folgende Punkte ist bei der Prüfung eines Urteils u.a. zu achten:

  • Ergibt sich aus den Feststellungen, dass Leib oder Leben eines anderen Menschen konkret gefährdet worden sind? Erforderlich sind Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und ggf. der Kollisionsintensität zwischen den beteiligten Fahrzeugen.
  • Ist die konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert belegt. Hat dieser fremden Sache von bedeutendem Wert auch ein bedeutender Schaden gedroht?. Sind insoweit die beiden Prüfschritte eingehalten?

(Wenigstens) beim gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ein kleiner Erfolg..

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Das BGH, Urt. v. 25.10.2012 – 4 StR 346/12 – befasst sich mit einem Urteil des LG Gießen, das den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr verurteilt hat. Die dagegen eingelegte Revision des Angeklagten hatte (nur) insofern Erfolg, dass der BGH nur wegen „versuchten gefährlichen Eingriffs in Straßenverkehr“ (§ 315n StGB verurteilt. Er sieht noch keine konkrete Gefahr:

2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeuten-dem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.

Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten Schritte Richtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben, die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.

Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.

An der Strafe hat sich nichts geändert, den:

Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

Scheppermannfall/Absichtlicher Auffahrunfall – wie intensiv hat es gescheppert?

§ 315b StGB – gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr – und kein Ende. Immer wieder gibt es dazu BGH-Entscheidungen, die im Grunde genommen immer wieder dasselbe sagen bzw. zu denselben Fragen Stellung nehmen. So auch der BGH, Beschl. v. 25.01.2012 – 4 StR 507/11, der noch einmal bestätigt, was der BGH schon vor einiger Zeit zum Merkmal „konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen“ ausgeführt hat. Im Zusammenhang mit der absichtlichen Herbeiführung eines Auffahrunfalls kann die von § 315b StGB vorausgesetzte konkrete Gefährdung von Leib und Leben eines anderen Menschen nicht hinreichend damit begründet werden, dass in solchen Fällen provozierter Unfälle regelmäßig die Gefahr liege, dass der plötzliche Aufprall bei den von der Situation überraschten Insassen des auffahrenden Fahrzeugs, dessen Auffahrgeschwindigkeit der Täter nicht beeinflussen könne, zu nicht unerheblichen Verletzungen namentlich im Kopf- und  Halswirbelsäulenbereich führe. Vielmehr sind – so der BGH – grundsätzlich konkrete Feststellungen insbesondere zu den Geschwindigkeiten der Pkw im Zeitpunkt der Kollision und der Intensität des Aufpralls zwischen den beteiligten Fahrzeugen erforderlich.

Und daran feht es häufig, weil die LG nur allgemeine Ausführungen machen, womit grundsätzlich in solchen Fällen zu rechnen sei.

 

„Gas-Wheelie“ oder „Kunstmotorradfahren kein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr

Das AG Lübeck hatte im § 111a-StPO-Verfahren über folgenden Sachverhalt zu befinden:

Danach befuhr der Beschuldigte am 27.08.2011 gegen 21:17 Uhr mit dem Kraftrad Suzuki Typ GSX-R 750/WVB 3 mit einer (zulassungs-)bescheinigten Nennleistung von 25 kw (9300 Umdrehungen/min) – amtliches Kennzeichen R – in M. öffentliche Straßen, u.a. die Hauptstraße. Dabei bewirkte er durch eine gezielte Betätigung des Gashebels, dass sich das Kraftrad mit dem Vorderrad von der Straße aufrichtete (sog. Gas- wheelie). Nachdem der Beschuldigte zunächst allein auf dem Hinterrad weitergefahren war, verlor er aus nach derzeitigem Sachstand unbekannten Gründen die Kontrolle über das Kraftrad und stürzte. Das Kraftrad rutsche über die Straße auf einen angrenzenden Gehweg, verfehlte dabei sich zwei dort befindliche Passanten letztlich nur dank deren schnellen Ausweichens um weniger als einen Meter und kollidierte schließlich mit zwei Verkehrsschildern, von denen eines leicht beschädigt, eines zerstört wurde…“

Das AG hat sich in seiner umfassend begründeten Entscheidung mit fast allen verkehrsstrafrechtlichen Tatbeständen befasst, so mit § 142 StGB, § 315c StGB und auch § 315b StGB. Zu letzterem kommt es zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit nach § 315b StGB nicht vorliegt. Ein absichtlich auf die Störung des Straßenverkehrs (zweck-)gerichtetes verkehrsfeindliches oder gar mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz vorgenommenes Fahrverhalten, in dem das Kraftrad als Waffe oder Schadenswerkzeug i.S. des § 315b StGB missbraucht worden sei, lasse sich nicht annehmen. Die Fahrt habe primär fahrerischen Unterhaltungszwecken gedient, damit aber jedenfalls auch (noch) dem eigenen Fortkommen im Verkehr. Eine andere Beurteilung hätte letztlich zur Folge, dass eine Vielzahl bewusst risikoreicher, teilweise geradezu grotesk-absurder Fahrmanöver im täglichen Straßenverkehr der vergleichsweise hohen Strafdrohung und -erwartung des § 315b StGB unterfielen. Dies möge aus generalpräventiven Gesichtspunkten zur mäßigenden Einwirkung auf das Verhalten im Straßenverkehr zwar geboten erscheinen. Eine solche Betrachtung verschließe sich aber, da nach dem Willen des Gesetzgebers abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße enumerativ von § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst seien.

Bezogen auf den Sachverhalt heißt es dann:

Dem lässt sich das vorliegende (Fahr-)Verhalten des Beschuldigten bei einem wertenden Vergleich nicht gleichstellen. Zwar kann – mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft – im Ausgangspunkt zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Beschuldigte die Fahrt auf dem Hinterrad ohne Rücksicht auf die Sicherheit des Straßenverkehrs in hohem Maße verkehrswidrig unternommen und den Straßenverkehr gleichsam zu seinem Ausleben pervertiert hat. Damit rückt der Sachverhalt aber wertungsmäßig in die Nähe etwa des sog. Auto-Surfens, bei welchem das Oberlandesgericht Düsseldorf die Verwendung eines Pkw zur Mitnahme von auf dem Dach liegenden Personen als zwar zweckentfremdetes Mittel der Unterhaltung angesehen, den Vorgang aber nicht als Eingriff in den Straßenverkehr bewertet hat (NStZ-RR 1997, 325 ff.; zustimmend etwa Sternberg-Lieben/Hecker, a.a.O., Rdn. 12; a. A. Saal, NZV 1998, 49, 50 ff.). Soweit es bei der Beurteilung im dortigen Streitfall auch darauf abgestellt hat, dass von den Beteiligten bewusst verkehrsfreie Feldwege zur Nachtzeit ausgewählt wurden, hier der Beschuldigte aber Hauptstraßen zur Abendzeit befahren hat, ändert dies an der Bewertung nichts. Denn ein absichtlich auf die Störung des Straßenverkehrs (zweck-)gerichtetes verkehrsfeindliches oder gar mit mindestens bedingtem Schädigungsvorsatz vorgenommenes Fahrverhalten, in dem das Kraftrad als Waffe oder Schadenswerkzeug missbraucht wird, lässt sich derzeit nicht annehmen, auch wenn der Beschuldigte eine Gefährdung anderer nicht schon durch die Wahl einer wenig befahrenen Wegstrecke von vornherein ausgeschlossen hat. Die gegenständliche Fahrt diente primär fahrerischen Unterhaltungszwecken, damit aber jedenfalls auch einem eigenen Fortkommen im Verkehr. Eine andere Beurteilung hätte letztlich zur Folge, dass eine Vielzahl bewusst risikoreicher, teilweise geradezu grotesk-absurder Fahrmanöver im täglichen Straßenverkehr der vergleichsweise hohen Strafdrohung und -erwartung des § 315 b StGB unterfielen. Dies mag aus generalpräventiven Gesichtspunkten zur mäßigenden Einwirkung auf das Verhalten im Straßenverkehr zwar geboten erscheinen. Eine solche Betrachtung verschließt sich aber, da nach dem Willen des Gesetzgebers abstrakt besonders gefährliche Verkehrsverstöße enumerativ von § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst sind.“

Behalten durfte der Fahrer seinen Führerschein aber dennoch nicht. Das AG hat einen Verstoß gegen § 21 StVG festgestellt und das als Anlasstat für die vorläufige Entziehung ausreichen lassen. Alles nachzulesen in AG Lübeck, Beschl. v. 09.12.0211 – 61 Gs 125/11.