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VerkehrsR I: Dauerbrenner Fluchtfahrt vor der Polizei, oder: BGH noch einmal zu den Feststellungen

Und heute dann noch verkehrsrechtliche StGB-Entscheidungen. Zwei kommen vom BGH, eine von einem LG.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 28.01.2025 – 4 StR 397/24 – der noch einmal/mal wieder zu en erforderlichen Feststellungen bei §§ 315b, 315c StGB anlässlich einer Fluchtfahrt Stellung nimmt/nehmen muss.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen verbotenem Kraftfahrzeugrennen und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubter Einreise sowie wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Verdeckung einer Straftat verurteilt. Der Angeklagte leistete elf türkischen Staatsangehörigen Hilfe bei deren unerlaubter Einreise, indem er sie im Laderaum eines Kleintransporters über Österreich nach Deutschland verbrachte. Unmittelbar nach Grenzübertritt wurde er zur Durchführung einer Kontrolle von einem Zivilfahrzeug der Grenzpolizei überholt, die ihn durch das Anhaltesignal „Polizei, Bitte Folgen“ und zusätzliches Winken mit einer Anhaltekelle dazu bewegen wollte, in einer Einbuchtung zu halten. Stattdessen zog der Angeklagte sein Fahrzeug nach links und beschleunigte stark, um sich der Kontrolle zu entziehen. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h fuhr er über Land-straßen bis zum Ortsgebiet, wo er mit mindestens 100 km/h weiterfuhr. In einer Linkskurve geriet sein Fahrzeug in eine instabile Lage, schaukelte stark und „drohte“ aus Sicht der nachfolgenden Polizeibeamten „zu kippen“. Nur mit Mühe gelang es dem Angeklagten, das Fahrzeug wieder zu stabilisieren. Kurz darauf überholte er in einer Rechtskurve einen Pkw, obwohl sich erkennbar Gegenverkehr näherte. Das entgegenkommende Fahrzeug musste deshalb stark abbremsen und wich in seiner Fahrtrichtung nach rechts in die Einfahrt ei-nes Parkplatzes aus, um nach Einschätzung der nachfolgenden Polizeibeamten einen Zusammenstoß „gerade noch in letzter Sekunde“ zu vermeiden. Der An-geklagte nahm hierbei zumindest billigend in Kauf, sowohl die ungesichert im Laderaum sitzenden Geschleusten als auch den entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer bei einem Unfall zu gefährden oder gar zu verletzen. Kurz danach bog er in eine Straße ein, bremste stark ab und kam zum Stillstand. Kurz darauf wurde er von dem Dienstfahrzeug überholt, das schräg mit einem Abstand von ca. 1,5 m vom Bordstein und ca. 5 m vor dem Kleintransporter anhielt. Der Angeklagte fasste nun den Entschluss, sich zur Verdeckung seines bisherigen Tuns erneut der Festnahme zu entziehen, und fuhr mit einer Ge-schwindigkeit zwischen 5 und 25 km/h über den Randstein des Gehwegs. Bei seinem Anfahren rechnete er zumindest damit, dass sich aufgrund der drohen-den Festnahme die Beifahrertür des Dienstfahrzeugs öffnen würde. Hierzu kam es auch, jedoch konnte der Angeklagte auf das Aussteigen des Polizeibeamten, das er zum Zeitpunkt des Losfahrens nicht widerleglich noch nicht erkennen konnte, nicht mehr reagieren. Während er an dem Dienstfahrzeug mit einem Abstand von ca. 20 cm vorbeifuhr, erfasste er deshalb frontal dessen Beifahrertür, die hierdurch umgeklappt und bis zum Kotflügel des Dienstfahrzeugs gedrückt wurde. Nur durch einen schnellen Sprung zurück in das Dienstfahrzeug konnte sich der aussteigende Polizeibeamte vor einem Zusammenstoß retten. Der Zusammenstoß zwischen beiden Fahrzeugen war so stark, dass alle Geschleusten im Laderaum nach vorne geschleudert wurden; an dem Dienstfahrzeug entstand ein Sachschaden von etwa 14.000 €.

Der BGH führt insoweit aus:

„c) Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich der neue Tatrichter intensiver als bislang geschehen damit zu befassen haben wird, ob sich der Angeklagte wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) StGB strafbar gemacht hat.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer in allen Tatvarianten des § 315c Abs. 1 StGB vorausgesetzten konkreten Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert zwar die Feststellung eines „Beinahe-Unfalls“ erforderlich, also eines Geschehens, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, es sei „noch einmal gut gegangen“. Eine solche wertende Einschätzung muss aber von Feststellungen getragen werden, nach denen die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt hat, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt wurde, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2024 – 4 StR 73/24 Rn. 6 mwN).

bb) Insoweit fehlt es für die Annahme, dass das in die Einfahrt eines Parkplatzes ausgewichene Fahrzeug konkret gefährdet war, an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Denn die Urteilsgründe verhalten sich weder zu den in diesem Moment gefahrenen Geschwindigkeiten noch zu der Intensität der zur Vermeidung einer Kollision vorgenommenen Bremsungen. Auch bleibt offen, in welchem Abstand zu dem Fahrzeug des Angeklagten das entgegenkommende Fahrzeug auswich und zum Stehen gebracht wurde.

cc) Entsprechendes gilt für die Annahme, dass die Personen im Fahrzeug des Angeklagten konkret gefährdet waren, als das Fahrzeug zuvor in einer Linkskurve in eine instabile Lage geriet und es dem Angeklagten nur „mit Mühe“ gelang, das Fahrzeug wieder zu stabilisieren. Denn auf der Grundlage welcher Tatsachen – insbesondere des Kurvenradius und der konkreten Neigung des Fahrzeugs – die Befürchtung der nachfolgenden Polizeibeamten, es drohe umzukippen, trotz erfolgreicher stabilisierender Fahrmanöver des Angeklagten objektiv gerechtfertigt war, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Auch insoweit gilt, dass das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht ergänzende Feststellungen treffen kann, sofern diese den bisherigen nicht widersprechen.

2. Die nicht näher ausgeführte Sachrüge des Angeklagten hat teilweise ebenfalls Erfolg. Seine Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach §§ 315b Abs. 1 Nr. 3 , Abs. 3 , 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b) StGB unter Ziffer B. II. 3. der Urteilsgründe (Tatkomplex 2) ist nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats wird ein vorschriftswidriges Verhalten im fließenden Verkehr von § 315b StGB nur erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“, und es ihm darauf ankommt, hierdurch in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen. Ein vollendeter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr erfordert zudem, dass durch den tatbestandsmäßigen Eingriff Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet werden. Bei Vorgängen im fließenden Verkehr muss zu einem bewusst zweckwidrigen Einsatz des Fahrzeugs in verkehrsfeindlicher Absicht ferner hinzukommen, dass das Fahrzeug mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz missbraucht wurde (st Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 – 4 StR 503/23 Rn. 9 mwN).

b) Dass der Angeklagte im vorgenannten Sinne in der Absicht handelte, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu pervertieren, lässt sich den Urteilsgründen auch unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs nicht entnehmen. Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte in einem Abstand von ca. 20 cm an dem Dienstfahrzeug vorbei, mit dem er ausschließlich deshalb kollidierte, weil sich – womit er freilich rechnete – die Beifahrertür öffnete. Damit belegen die Urteilsgründe zwar bedingten Schädigungsvorsatz des Angeklagten, schließen aber nicht aus, dass er bis zuletzt ein kollisionsfreies Passieren des Dienstfahrzeugs für möglich hielt und anstrebte, den Verkehrsvorgang also nicht für sein Fortkommen pervertierte (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2023 – 4 StR 70/23 Rn. 12 mwN).“

Verkehrsrecht II: Polizeiflucht als Alleinrennen, oder: Polizeiflucht aber nicht auch als verbotenes Rennen

Die zweite Entscheidung ist auch eine, die etwas mit (verbotenen) Rennen zu tun hat, und zwar noch einmal mit der sog. Polizeiflucht.

In dem dem OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2022 – 1 Ss 199/22 – zugrunde liegenden Verfahrenist dem Angeklagten vorgeworfen worden, sich 2021 an einem Tag gegen 23:15 Uhr in Nordhorn im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB). Das AG hat hat sich aber vom Vorliegen einer Straftat nicht zu überzeugen vermocht und den lediglich wegen einer Ordnungswidrigkeit, nämlich vorsätzlicher Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage (Rotlichtdauer über 1 Sekunde) in Tateinheit mit einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 50 km/h, zu einer Geldbuße von 300 € verurteilt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt, wobei es wegen eines bereits in der Vergangenheit verhängten Fahrverbots von einer Anordnung nach § 25 Abs. 2a StVG abgesehen hat.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das LG Osnabrück als unbegründet verworfen. Dagegen dann noch die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und von der Generalstaatsanwaltschaft vertretene Revision der Staatsanwaltschaft. Die hatte keinen Erfolg.

Das OLG führt aus:

2. Die Beweiswürdigung, mit der das Landgericht zu einer Ablehnung einer Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB („verbotenes Einzelrennen“) gelangt ist, ist nicht zu beanstanden.

Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht daher in der Regel hinzunehmen. Eine revisionsrechtliche Beurteilung ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denk- oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, wenn das Tatgericht zu hohe Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil v. 25.11.2010, 3 StR 364/10, NStZ 2011, 338) oder wenn sich die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen schwerwiegenden Verdacht begründen (vgl. BGH, Beschluss v. 25.03.1986, 2 StR 115/86, NStZ 1986, 373). Hieran gemessen sind die Erwägungen, mit denen die Strafkammer zu der Annahme gelangt ist, der Angeklagte habe angenommen, er hätte auf der ihm bekannten und in Teilen geraden Strecke schneller fahren können, nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoßen die Ausführungen des Landgerichts, wonach es sich bei dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug um ein vom Modell und Typ her anderes als das der Polizeibeamten handelte, so dass allein aus dem Umstand, dass die Beamten – wegen des Aufsetzens ihres Fahrzeugs – auf dem Streckenabschnitt nicht schneller fahren konnten, nicht der Schluss gezogen werden könne, dies sei auch dem Angeklagten nicht möglich gewesen, nicht gegen die Denkgesetze. Zu beachten ist zudem, dass aus einer Fluchtmotivation, wie sie bei dem Angeklagten bestand, nicht ohne weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern (BGH, Beschluss v. 17.02.2021, 4 StR 225/20, NJW 2021, 1173 Rz. 17)

3.a.) Unter Zugrundelegung der fehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht zutreffend das Vorliegen einer Straftat nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint.

Zwar kommt grundsätzlich auch eine Subsumtion der sog. „Polizeiflucht-Fälle“ unter diese Norm in Betracht (vgl. BGH, a.a.O.). Dies gilt indes nur, wenn auch festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Erforderlich dafür ist zwar nicht das Vorliegen der Absicht, das Fahrzeug mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen oder es bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren. Gefordert ist aber ein Abzielen auf eine angesichts der relevanten Komponenten, wie fahrzeugspezifische Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung, subjektives Geschwindigkeitsempfinden, Verkehrslage und Witterungsbedingungen relative Höchstgeschwindigkeit. Die Absicht des Erzielens einer höchstmöglichen Geschwindigkeit entfällt, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 5. Oktober 2022 zutreffend hingewiesen hat, dann, wenn der Kraftfahrzeugführer unwiderlegbar behaupten kann, er sei der Auffassung gewesen, noch schneller fahren zu können, worauf er jedoch verzichtet habe. So liegt es hier.

b) Darüber hinaus hat die Strafkammer zu Recht auch eine Strafbarkeit nach § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB abgelehnt.

Der von der Revision herangezogenen Entscheidung der 13. Strafkammer (Jugendkammer) des Landgerichts Osnabrück vom 22. Februar 2021 (13 Ns 16/20, NZV 2021, 368; zustimmend Müller, NZV 2021, 369), wonach auch die Fälle der sogenannten Polizeiflucht – worunter das vorliegend festgestellte Verhalten des Angeklagten fällt – die Tatbestandsvariante der Teilnahme an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllten, vermag der Senat nicht zu folgen.

Die 13. Jugendkammer des Landgerichts Osnabrück begründet ihre Ansicht damit, dass auch in diesen Fällen von einem spezifischen Renncharakter auszugehen sei, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs hier nicht im bloßen Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liege. Eine vorherige Absprache oder Organisation sei nicht erforderlich. Schließlich erfasse der Wortlaut der Strafvorschrift auch die Fälle, in denen nicht alle Teilnehmer unerlaubt handelten.

Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass das „Rennen“ als solches mangels behördlicher Erlaubnis (§ 29 Abs. 2 StVO) unerlaubt ist, auch wenn die Polizeibeamten im Rahmen der Gefahrenabwehr und damit gerechtfertigt handeln (vgl. König, DAR 2022, 363).

Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 315d Abs, 1 Nr. 2 StGB wäre aber weiter, dass der Angeklagte als Kraftfahrzeugführer an Kraftfahrzeugrennen teilgenommen hätte. Kraftfahrzeugrennen ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen, bei denen zwischen mindestens zwei Teilnehmern ein Sieger ermittelt wird, wobei es einer vorherigen Absprache der Beteiligten nicht bedarf. Letzteres trifft allerdings nur insoweit zu, als vorbereitende ausdrückliche Verabredungen über Zeit, Ort oder Regeln nicht getroffen werden müssen, mithin eine „Organisation“ nicht erforderlich ist. Ein „Rennen“ selbst setzt aber stets die Kenntnis aller Teilnehmer voraus, denn ein Wettbewerb existiert begrifflich nur dort, wo er als solcher wahrgenommen wird. Vereinbarungen können sich auch spontan und konkludent ergeben (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. § 315d Rz. 5 f.).

Insoweit weist aber bereits Krenberger in seiner Anmerkung zu der bezeichneten Entscheidung des Landgerichts Osnabrück (ZfS 2021, 412) zutreffend darauf hin, dass schon der Teilnehmerbegriff auf den Fahrzeugführer des Polizeifahrzeugs nur schwerlich anzuwenden ist. Als Teilnehmer an einem Rennen ist zu qualifizieren, wer sich äußerlich den formellen oder informellen Regeln der Veranstaltung im Wesentlichen unterwirft und dabei subjektiv einen Platz im Wettbewerb einnehmen oder das Ziel der Veranstaltung fördern möchte. Der Polizeibeamte hat hier aber mitnichten ein Förderungswillen, sondern will das Rennen so schnell wie möglich beenden. Damit fehlt es aber, wie auch König in seiner Anmerkung zu dem Urteil des Landgerichts Osnabrück (DAR 2022, 363) ausführt, an einer jedenfalls konkludenten Rennabrede. Zudem fehlt der Verfolgungsfahrt selbst der Wettbewerbscharakter, weil sie auf eine Beendigung der „Teilnahme“ des verfolgten Kraftfahrzeugführers abzielt (vgl. Krenberger, a.a.O.).

Nach alledem kommt deshalb eine rechtliche Einordnung der sog. „Polizeiflucht-Fälle“ als verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht in Betracht….“

Verkehrsrecht I: Polizeiflucht als Alleinrennen?, oder: Absicht, maximale Geschwindigkeit zu fahren

Heute mache ich dann mal wieder einen „Verkehrsrechtstag“, also drei Entscheidungen zu verkehrsrechtlichen Fragen.

Ich beginne mit dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 14.10.2022 – 1 OLG 2 Ss 27/22, der eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zum Gegenstand hat. Der Angeklagte wurde am 03.06.2021 gegen 1.48 Uhr von einer Polizeistreife auf einem Parkplatz angetroffen, wo er mit seinem Pkw Mercedes-Benz mit durchdrehenden Reifen fahrend und um Parkplatzbegrenzungen driftend angekommen war. Als der Polizeibeamte an sein Fahrzeug herantrat, um ihn einer Personenkontrolle zu unterziehen, setzte der Angeklagte sein Fahrzeug abrupt aus der Parklücke zurück und beschleunigte den Pkw massiv, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und sich so der polizeilichen Kontrolle zu entziehen. Mit weit überhöhter Geschwindigkeit missachtete er eine rot zeigende Wechsellichtzeichenanlage, befuhr die sich anschließende Straße mit einer deutlich über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h liegenden Geschwindigkeit, ignorierte eine einmündende Vorfahrtsstraße und überfuhr mit mindestens 70 km/h eine weitere rot anzeigende Wechsellichtzeichenanlage. Nach einer Gesamtfahrtstrecke von 250 m bog der Angeklagte links ab. Dadurch verlor ihn der Polizeibeamte, der mit seinem Fahrzeug die Verfolgung aufgenommen hatte, aus dem Blick. Bei der anschließenden Nahbereichsfahndung wurde der Pkw von einer hinzugerufenen Streifenwagenbesatzung aufgefunden. Das Landgericht hat diesen Sachverhalt rechtlich als verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet.

Das LG hat den Sachverhalt rechtlich als verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB gewertet. Dem Angeklagten sei es darum gegangen, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern, um sich der polizeilichen Kontrolle zu entziehen. Dies resultiere aus der durch den ihn verfolgenden Polizeibeamten festgestellten Geschwindigkeit von mindestens 70 km/h und dem Umstand, dass er ungebremst eine Vorfahrtsstraße sowie zwei rot zeigende Lichtzeichenanlagen bei Nacht überfahren habe. Das Geschehen habe sich auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke von etwa 250 m ereignet. Die dagegen gerichtete Revision hatte Erfolg:

„Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe in der Absicht gehandelt, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung erweist sich als lückenhaft.

1. Bei einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB muss die Tathandlung im Sinne einer überschießenden Innentendenz von der Absicht des Täters getragen sein, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht unerheblichen Wegstrecke die unter den konkret situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Diese Absicht braucht nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns zu sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen. Dies hat zur Folge, dass beim Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen auch sogenannte Polizeifluchtfälle von der Strafvorschrift erfasst werden, sofern festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei ist zu beachten, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Geschwindigkeit zu steigern (BGH, Beschlüsse vom 17.02.2021 – 4 StR 225/20, BGHSt 66, 27 Rn. 16 f.; vom 24.03.2021 – 4 StR 142/20, juris Rn. 18 f.; vom 29.04.2021 – 4 StR 165/20, NStZ 2021, 615 Rn. 8 f.).

2. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom Vorliegen des Absichtselements ausschließlich auf die Bekundungen des den Angeklagten verfolgenden Polizeibeamten zu dessen Fahrverhalten gestützt. Es hat sich weder mit den auf der zurückgelegten Strecke unter den konkreten Gegebenheiten höchstmöglichen Geschwindigkeiten auseinandergesetzt, noch hat es dargelegt, inwieweit der Angeklagte versucht hat, diese zu erreichen. Allein der Umstand, dass der Angeklagte unter Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und von Vorfahrtsregelungen vor der Polizei flüchtete, genügt nicht, um auf die zur Verwirklichung des Tatbestandes erforderliche Absicht zu schließen. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers sollen bloße Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht von der Strafbarkeit erfasst werden, selbst wenn sie erheblich sind (s. BT-Drucks. 18/12964 S. 6). Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass der Angeklagte mindestens 70 km/h gefahren sein müsse, weil der Zeuge 60 km/h gefahren sei und sich der Abstand zu dem Angeklagten „rasant“ vergrößert habe, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, ob das Landgericht bei der Würdigung der Zeugenaussage und der darauf aufbauenden Schätzung der vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit berücksichtigt hat, dass der Zeuge bei Beginn der Flucht nicht in seinem Fahrzeug gesessen hat, sondern ausgestiegen und an den Pkw des Angeklagten herangetreten war. Die Strafkammer hätte näher in den Blick nehmen müssen, ob und inwieweit die Bewertung der von dem Angeklagten gefahrenen und angestrebten Geschwindigkeiten dadurch erschwert gewesen sein könnte, dass der Zeuge die Verfolgung nicht unmittelbar nach Beginn der Fluchtfahrt hat aufnehmen können und der Angeklagte schon allein deshalb einen Vorsprung hatte.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das objektive Tatbestandselement der unangepassten Geschwindigkeit meint jede der konkreten Verkehrssituation nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht mehr entsprechende Geschwindigkeit und erfasst sowohl Verstöße gegen die Gebote des § 3 Abs. 1 StVO als auch Überschreitungen der in § 3 Abs. 3 StVO geregelten allgemeinen Höchstgeschwindigkeit (BGH, Beschlüsse vom 17.02.2021 – 4 StR 225/20, BGHSt 66, 27 Rn. 13; vom 24.03.2021 – 4 StR 142/20, juris Rn. 16, jeweils mwN). Soweit der Senat in seiner früheren Entscheidung die Auffassung vertreten hat, dass nicht entscheidend auf die Überschreitung der am Tatort zugelassenen Geschwindigkeit abzustellen sei, sondern darauf, ob das Fahrzeug bei der gefahrenen Geschwindigkeit noch sicher beherrscht werden kann (Beschluss vom 19.05.2020 – 1 OLG 2 Ss 34/20, juris Rn. 8), hält er hieran nicht fest.

b) Soweit die neue Verhandlung ergibt, dass sich der Angeklagte nicht wegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht hat, wird zu prüfen sein, ob der Angeklagte wegen der Begehung verschiedener Verkehrsordnungswidrigkeiten, insbesondere wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 3, § 3 StVO) sowie Vorfahrts- und Wechsellichtzeichenverstößen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 8, §§ 8, 37 StVO) zu verurteilen ist. Diese sind wegen der verjährungsunterbrechenden Maßnahmen der ersten Vernehmung am 09.08.2021 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und des Erlasses des Strafbefehls am 21.09.2021 (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15 OWiG) bis zur erstinstanzlichen Verurteilung am 14.12.2021 nicht verjährt. Seither ruht die Verjährung (§ 32 Abs. 2 OWiG).“

Verkehrsrecht II: Kraftfahrzeugrennen als Polizeiflucht, oder: Unzulässige Provokation durch die Polizei?

In der zweiten Entscheidung, dem LG Flensburg, Beschl. v. 27.05.2021 – V Qs 17/21, geht es ebenfalls um ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB), und zwar um die Frage einer rechtsstaatswidrigen Provokation des Beschuldigten durch eine Polizeistreife. Das LG hat das verneint:

„3. Gründe dafür, das nach § 111a Absatz 1 Satz 1 StPO eröffnete Ermessen („kann“) hier dahin auszuüben, dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis trotz Vorliegens eines Regelfalles im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 1a) StGB nicht vorläufig zu entziehen, vermag die Kammer nicht zu erkennen.

Solche Gründe liegen nach Ansicht der Kammer insbesondere nicht darin, dass der Beschuldigte – nachdem er in der Sequenz 01:09-01:20 min. des Videos, als die zivile Polizeistreife hinter ihm fuhr, zunächst mit einer Geschwindigkeit um 100 km/h gefahren war – erst auf die dargelegten, deutlich überhöhten Geschwindigkeiten beschleunigte, nachdem die Polizeistreife ihn überholt hatte und ihrerseits die Geschwindigkeit erhöht hatte. Insbesondere kommen nach Auffassung der Kammer nicht die Konsequenzen zum Tragen, die bei einer rechtsstaatswidrigen Provokation zu einer Straftat gelten. Denn an einer solchen fehlt es hier nach Auffassung der Kammer.

Nach der Rechtsprechung des EGMR liegt eine (unzulässige) Anstiftung vor, wenn sich die Polizisten nicht darauf beschränken, strafbares Verhalten zu ermitteln, sondern den Betroffenen derart beeinflussen, dass sie ihn anstiften, eine Straftat zu begehen, die er sonst nicht begangen hätte, um die Tat nachweisen zu können, d. h. um Beweise zu beschaffen und die Tat strafrechtlich zu verfolgen (EGMR, Urteil vom 23. Oktober 2014, 54648/09 (Furcht/Deutschland), Rn. 48 m. w. N., zitiert nach Beck-online). Grund für das Verbot der Anstiftung durch die Polizei ist, dass sie die Aufgabe hat, Straftaten zu verhüten und aufzuklären, aber nicht, zu ihrer Begehung anzustiften (EGMR, a. a. O., Rn. 48). Um zu unterscheiden, ob die Polizei unter Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK zu der Tat angestiftet oder dem Täter eine Falle gestellt hat oder ob sie bei strafrechtlichen Ermittlungen rechtmäßige verdeckte Ermittlungstechniken angewandt hat, hat der Gerichtshof folgende Kriterien entwickelt: Bei der Entscheidung, ob die Ermittlung „im Wesentlichen passiv“ war, sind die Gründe zu prüfen, auf denen die verdeckte Maßnahme beruht, sowie das Verhalten der Beamten, die die Maßnahme durchgeführt haben (EGMR, a. a.O., Rn. 50). Dabei prüft der Gerichtshof unter anderem, ob auf den Beschuldigten Druck ausgeübt wurde, die Straftat zu begehen (EGMR, a. a. O., Rn. 52). In Rauschgiftfällen – in denen der Einsatz verdeckter Ermittler wohl am häufigsten ist – hat er festgestellt, dass die Ermittler sich unter anderem dann nicht mehr passiv verhalten, wenn sie von sich aus Kontakt zu dem Beschuldigten aufnehmen, ihr Angebot erneuern, obwohl es der Beschuldigte zunächst abgelehnt hat, ihn beharrlich drängen, indem sie den Preis über den durchschnittlich gezahlten erhöhen oder an das Mitleid des Beschuldigten appellieren, indem sie Entzugserscheinungen erwähnen (EGMR, a. a. O., Rn. 52 m. w. N.).

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt keine rechtsstaatswidrige Provokation der Tat gemäß § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, deren der Beschuldigte dringend verdächtig ist, vor. Im vorliegenden Fall fehlt es sowohl an jeglichem – in den vom EGMR genannten Beispielen sogar z. T. wiederholten – für eine Anstiftung zu fordernden (vgl. BGH, NStZ 2009, 393; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 26 Rn. 3) kommunikativen Akt, der zur Begehung der Straftat durch den Beschuldigten führte. Denn die insoweit allein in Betracht kommende Handlung der Polizisten, die zeitlich vor dem Beschleunigen des Beschuldigten liegende Geschwindigkeitserhöhung des zivilen Polizeifahrzeugs, entbehrt jeglicher Kommunikation mit dem Beschuldigten. Der bloßen, zeitlich der Beschleunigung des Beschuldigten vorhergehenden Geschwindigkeitserhöhung der Polizeistreife fehlt es zudem an jedweder ebenfalls vom EGMR geforderten Ausübung von Druck auf den Beschuldigten, seinerseits unter erheblicher Unterschreitung des Sicherheitsabstandes die Geschwindigkeit weit über die zulässige Höchstgeschwindigkeit hinaus zu erhöhen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine staatliche Tatprovokation vor, wenn ein verdeckter Ermittler (oder eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson) über das bloße „Mitmachen“ hinaus in Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter einwirkt (BGH, Urteil vom 10. Juni 2015, 2 StR 97/14, Rn. 24, zitiert nach Beck-online). Auch bei anfänglich bereits bestehendem Anfangsverdacht kann eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vorliegen, wenn die Einwirkung auf die Zielperson im Verhältnis zum Anfangsverdacht „unvertretbar übergewichtig“ ist; im Rahmen der erforderlichen Abwägung sind insbesondere Grundlage und Ausmaß des gegen den Betroffenen bestehenden Verdachts, Art, Intensität und Zweck der Einflussnahme sowie die eigenen, nicht fremdgesteuerten Aktivitäten des Betroffenen in den Blick zu nehmen (BGH, a. a. O., Rn. 24 m. w. N.). In dem Fall, welcher dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs zugrunde lag, hatte ein verdeckter Ermittler („Ap.“) den Beschuldigten trotz dessen anfänglicher Verweigerungshaltung wiederholt gefragt, ob dieser ihm, dem Ap., nicht seine (aus Vorstrafen wegen Betäubungsmitteldelikten herrührenden) niederländischen Kontakte, nämlich Betäubungsmittellieferanten, vermitteln könne, er (Ap.) sei von seinem Lieferanten versetzt worden. Der Beschuldigte lehnte jedenfalls die erste, zweite und dritte Anfrage über einen Zeitraum von 10 Tagen ab, obwohl der verdeckte Ermittler ihm mitteilte, dass seine serbischen Abnehmer „rasend vor Wut seien“, da das Geschäft mit ihnen mangels Lieferung an ihn (Ap.) nicht zustande gekommen sei. Diese hätten K., einem weiteren verdeckten Ermittler, aufgelauert und ihn bedroht, weshalb Ap. seine Telefonnummer gewechselt, zusammen mit K seinen Wohnort verlassen habe und bei Bekannten untergekommen sei. Ap. bat den Beschuldigten anschließend um Hilfe und teilte mit, er sei bereit, jeden Preis zu zahlen, wobei der Beschuldigte auch diese Bitte ablehnte. Erst auf weiteres Drängen und die Schilderung noch intensiverer Drohungen durch die serbischen Abnehmer erklärte sich der Beschuldigte schließlich zur Vermittlung der Kontakte bereit.

Auch nach den Maßstäben des Bundesgerichtshofs liegt keine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor. Es fehlt dem bloßen Beschleunigen der Polizeistreife, bevor der Beschuldigte seinerseits beschleunigte, bereits an der vom Bundesgerichtshof geforderten Einwirkung auf den Beschuldigten „mit einiger Erheblichkeit“. Darauf, dass das dargelegte Beispiel deutlich macht bzw. jedenfalls sehr nahe legt, dass auch der Bundesgerichtshof einen kommunikativen Akt, also eine geistige Willensbeeinflussung, voraussetzt, an der es hier, wie dargelegt, fehlt, kommt es danach nicht mehr an.“

StGB I: Und nochmals Allein-/Kraftfahrzeugrennen, oder: Und nochmals „Polizeiflucht“

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Heute dann mal wieder ein Tag mit StGB-Entscheidungen, darunter zwei verkehrsrechtliche Entscheidungen.

Den Tag beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 29.04.2021 – 4 StR 165/20, der mal wieder/noch einmal zum verbotenen Kraftfahrzeugrennen in der Form des Alleinrennens – also § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB – Stellung nimmt. Gegenstand der Entscheidung ist eine „Polizeflucht“. Der Angeklagte sollte im Stadtgebiet von Kempen einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen werden. Der wollte sich der Angeklagte entziehen und er versucht, vor der Polizei zu fliehen. Dabie lieferte sich der Angeklagte mit den ihn verfolgenden Polizeibeamten  eine Verfolgungsfahrt, u.a. durch eine Fußgängerzone. Dort wäre es beinahe zu einer Kollision mit Fußgängern gekommen. Wegen der Einzelheiten der Fahrt und der Fahrweise verweise ich auf den Volltext. Das LG hat den Angeklagten jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hatte – teilweise – Erfolg:

„1. Die Strafvorschrift des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt in objektiver Hinsicht ein Sich-Fortbewegen mit nicht angepasster Geschwindigkeit voraus, das sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls als grob verkehrswidrig und rücksichtslos darstellt. Die grobe Verkehrswidrigkeit des Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit kann sich allein aus der besonderen Massivität des Geschwindigkeitsverstoßes oder aus begleitenden anderweitigen Verkehrsverstößen ergeben, die in einem inneren Zusammenhang mit der nicht angepassten Geschwindigkeit stehen. Die Tathandlung muss ferner im Sinne einer überschießenden Innentendenz von der Absicht des Täters getragen sein, nach seinen Vorstellungen auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke die unter den konkreten situativen Gegebenheiten maximal mögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Diese Absicht braucht nicht Endziel oder Hauptbeweggrund des Handelns zu sein. Es reicht vielmehr aus, dass der Täter das Erreichen der situativen Grenzgeschwindigkeit als aus seiner Sicht notwendiges Zwischenziel anstrebt, um ein weiteres Handlungsziel zu erreichen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2021 ? 4 StR 225/20 Rn. 16, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt; vom 13. April 2021 ? 4 StR 109/20 Rn. 5).

Dieses Verständnis des Absichtsmerkmals in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hat zur Folge, dass beim Vorliegen der weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen auch sogenannte Polizeifluchtfälle von der Strafvorschrift erfasst werden, sofern festgestellt werden kann, dass es dem Täter darauf ankam, als notwendiges Zwischenziel für eine erfolgreiche Flucht über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass aus einer Fluchtmotivation nicht ohne Weiteres auf die Absicht geschlossen werden kann, die gefahrene Geschwindigkeit bis zur Grenze der situativ möglichen Höchstgeschwindigkeit zu steigern (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2021 ? 4 StR 225/20 Rn. 17).

2. Die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe durch sein Fahrverhalten in der G. straße den Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und die einen fahrlässig verursachten Gefahrenerfolg voraussetzende Qualifikationsnorm des § 315d Abs. 4 StGB verwirklicht, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn die Feststellung des Landgerichts, dass das Fahren des Angeklagten mit unangepasster Geschwindigkeit in der G. straße von der Absicht getragen war, die nach seiner Vorstellung höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, stützt sich auf eine Beweiswürdigung, die unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 ? 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20 f. mwN; Franke in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) einer rechtlichen Prüfung nicht standhält. Die Beweiswürdigung erweist sich insoweit als lückenhaft.

Die Strafkammer hat ihre Überzeugung vom Vorliegen des Absichtselements des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB neben den Bekundungen des Zeugen F. und eines weiteren Zeugen zu ihren subjektiven Eindrücken vom Fahrverhalten des Angeklagten maßgeblich auf die durchgängig vorhandene Fluchtmotivation des Angeklagten sowie den Umstand gestützt, dass der Angeklagte zu Beginn der Fluchtfahrt in der K. Straße mit maximaler Beschleunigung fuhr. Dagegen hat sie die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des verkehrstechnischen Sachverständigen bei der Bewertung der subjektiven Tatseite nicht in den Blick genommen. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die vom Angeklagten nach dem R. platz zunächst zu bewältigende Rechtskurve in der G. straße mit einer Geschwindigkeit von höchstens 51 km/h durchfahren werden konnte und anschließend bis zur Position der vor der Gaststätte stehenden Personen eine Beschleunigungsstrecke zur Verfügung stand, die das Erreichen einer maximalen Geschwindigkeit von 110 km/h ermöglicht hätte. Der Umstand, dass für den Angeklagten bis zu dem Passieren der Personen vor der Gaststätte nach den Erläuterungen des Sachverständigen bei maximaler Beschleunigung eine Geschwindigkeit von 110 km/h möglich gewesen wäre, er an den Personen tatsächlich aber mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h vorbeifuhr, hätte vom Landgericht bei der Prüfung des Absichtselements mit in seine beweiswürdigenden Überlegungen eingestellt werden müssen. Darüber hinaus wäre bei der indiziellen Bewertung der beim Angeklagten durchgängig vorhandenen Fluchtmotivation zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte in der G. straße nicht mehr unter unmittelbarem Verfolgungsdruck stand, weil er das ihm in der K. Straße nachfahrende Einsatzfahrzeug der Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschüttelt hatte.

3. Die insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben aber, dass der Angeklagte durch sein Fahrverhalten zu Beginn der Fluchtfahrt in der K. Straße den Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt und sich wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens strafbar gemacht hat. Indem er die K. Straße ungeachtet der dort geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 50 km/h und anschließend 20 km/h mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h entlangfuhr, bewegte er sich als Kraftfahrzeugführer mit unangepasster Geschwindigkeit fort. Sein Tun stellte sich schon angesichts der massiven Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten als grob verkehrswidrig dar. Nach den Urteilsausführungen handelte der Angeklagte auch gleichgültig gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern um seines schnelleren Fortkommens Willen, mithin rücksichtslos. Schließlich hat das Landgericht auf der Grundlage der als glaubhaft bewerteten geständigen Einlassung des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die unter maximaler Beschleunigung unternommene Fahrt des Angeklagten in der K. Straße von der Absicht getragen war, nach seinen Vorstellungen über eine nicht ganz unerhebliche Wegstrecke die unter den konkreten situativen Gegebenheiten höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, um auf diese Weise der ihn verfolgenden Polizeistreife zu entkommen…..“