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Ist das denn so schwer?, oder: Butter bei die Fische im Verkehrsrecht

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Verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen des 4. Strafsenats des BGH sind nicht so häufig. Zuletzt kam von dort der BGH, Beschl. v. 09.04.2015 – 4 StR 401/14; dazu Der BGH, die Trunkenheitsfahrt und der Vorsatz – zwar BGHSt, aber….). Nun hat der BGH eine weitere Entscheidung veröffentlicht, die in doppelter Hinsicht interessant ist. Auf den einen Aspekt will ich hier heute eingehen. Die andere Frage werde ich dann gesondert „behandeln“. Im BGH, Beschl. v. 21.05.2015 – 4 StR 164/15 – hat der BGH nun noch einmal zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung (§ 315c StGB) Stellung genommen. Eine Problematik, bei der es leider auch in amtsgerichtlichen Urteilen häufig „hapert“, weil die Feststellungen da „zu dünn“ sind. Der BGH schreibt:

„b) Die im Fall II. 4 der Urteilsgründe auf § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a StGB gestützte Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenver-kehrs hat keinen Bestand, weil nicht belegt ist, dass durch die dem Angeklagten angelastete Nichtbeachtung der Vorfahrt (zum Vorsatz siehe König in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 190) Leib oder Leben eines ande-ren Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet worden sind.

aa) Nach gefestigter Rechtsprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der – was nach allgemeiner Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten  Person oder Sache von bedeutendem Wert so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 384; Urteil vom 30. März 1995 – 4 StR 725/94, NJW 1995, 3131 f.; Urteil vom 4. Septem-ber 1995 – 4 StR 471/95, NJW 1996, 329 f., zu § 315b StGB; SSW-StGB/ Ernemann, 2. Aufl., § 315c Rn. 22 ff.).

bb) Ob Leib oder Leben der Zeugin B. oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert durch das Fahrverhalten des Angeklagten tatsächlich in diesem Maße gefährdet waren, lässt sich auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Zwar teilt das Landgericht mit, dass das Ausbleiben einer Kollision zwischen den Fahrzeugen des Angeklagten und der Zeugin „nur dem Zufall geschuldet“ war. Offen bleibt aber, inwieweit im Fall einer Kollision auch Leib und Leben der Zeugin bedroht gewesen wären. Hierzu wären nähere Angaben zu den gefahrenen Geschwindigkeiten und zu der Be-schaffenheit des Fahrzeugs der Zeugin B. erforderlich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es – da insoweit das vom Angeklagten geführte Fahrzeug nicht in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 1999 – 4 StR 663/98, NStZ 1999, 350, 351; Urteil vom 28. Oktober 1976 – 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40) – bestimmter Angaben zum Wert des Fahrzeugs der Zeugin und zur Höhe des drohenden Schadens bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom 29. April 2008 – 4 StR 617/07, NStZ-RR 2008, 289; zur maßgeblichen Wertgrenze siehe BGH, Beschluss vom 28. September 2010 – 4 StR 245/10, NStZ 2011, 215; zu den Prüfungsschritten siehe BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2009 – 4 StR 408/09, NStZ 2010, 216, 217).“

Die Ausführungen des BGH lesen sich kommentarartig = man könnte sie in einen Kommentar übernehmen. Das Ganze m.E. eine Problematik, die angesichts der vielen – zu vielen (?) – Entscheidungen des BGH, der zu den Anforderungen immer wieder gebetsmühlenartig Stellung nimmt, kein Problem mehr sein dürfte. Aber offenbar liest keiner, was der BGH schreibt/will. Kann doch nicht so schwer sein.

Holzknüppel/Holzstock/Holzstab

entnommen: openclipart.org

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So, eine Entscheidung habe ich noch zum gefährlichen Werkzeug, dieses Mal  wieder in Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Das AG hatte festgestellt, dass der Angeklagte bei einer Demonstration „von hinten kommend aus vollem Lauf mit einem Holzknüppel mit einer Länge von mindestens 30 cm auf den von dem Polizeibeamten Q getragenen Einsatzhelm [geschlagen hatte]. Durch die Dicke des Helms ausreichend geschützt blieb der Zeuge Q unverletzt.“

Das OLG Hamm hat im OLG Hamm, Beschl. v. 13.05.2014 – 1 RVs 33/14 – aufgehoben:

1. Die Feststellungen ergeben – auch in der Gesamtschau der Urteilsgründe – nicht hinreichend den Qualifikationstatbestand der Körperverletzung mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Das Urteil leidet insoweit an einem sachlich-rechtlichen Mangel, auf dem es auch beruht.

Ein gefährliches Werkzeug ist nach der in ständiger Rechtsprechung verwendeten Formel ein solches, dass nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflage 2013, § 224 Rdnr. 9). In den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils wird allerdings weder die objektive Beschaffenheit des verwandten Stockes hinreichend konkret mitgeteilt (wie z.B. Breite bzw. Dicke des 30 cm langen Holzknüppels sowie Feststellungen, ob es sich um ein kantiges oder rundes Schlagwerkzeug gehandelt hat) noch die Art der Benutzung (Wucht bzw. Intensität des Schlages).

Allein die Beschreibung als „Holzknüppel“ lässt vor dem Hintergrund der in der Beweiswürdigung mitgeteilten Beschreibungen des vom Angeklagten verwandten, jedoch später nicht mehr aufgefundenen Gegenstands, keine ausreichenden Rückschlüsse auf dessen (tatsächliche) objektive Beschaffenheit zu. So soll der Zeuge T bekundet haben, dass der Angeklagte mit einer „Art Knüppel aus Holz“ (UA Bl. 5) auf den Kopf des Zeugen Q geschlagen habe. Nach den Bekundungen des Zeugen Q2 habe es sich bei dem Gegenstand „um einen länglichen Holzstab„, „eine Art Holzstange“ gehandelt, „wie sie häufig von Demonstranten mitgeführt würde, so ca. 30 – 50 cm lang, oft würde ein Fähnchen daran befestigt“ (UA Bl. 7 und 8).

Dass der Angeklagte „aus vollem Lauf“ (UA Bl. 3 und 5) auf den behelmten Kopf des Zeugen Q zugeschlagen haben soll und der Zeuge T den Schlag ergänzend als „Paradebeispiel für einen Schlag mit dem langen Arm“ (UA Bl. 6) beschrieb, lässt ferner keinen hinreichenden Rückschluss auf die Wucht des geführten Schlages zu. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Zeuge Q auf diesen Schlag nicht reagiert, sondern (einfach) weitergegangen sein soll (UA Bl. 5), unverletzt blieb und die Feststellungen des Urteils sich auch nicht zu einer Beschädigung des Helms (Delle, Kratzer etc.) verhalten. Da der Schlag mit dem vom Angeklagten verwandten Gegenstand den Zeugen Q nicht etwa an einem ungeschützten Körperteil, sondern – nach den Feststellungen offenbar auch gezielt – den durch den Helm geschützten Kopf traf, waren diese Feststellungen zur Bejahung des Einsatzes eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unverzichtbar. Vergleiche insoweit auch BGH, Beschluss vom 13.09.2005, 3 StR 306/05, zit. nach juris, Rdnr. 3, wonach Schläge mit einer 40 cm langen hölzernen Kleiderschrankstange keine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs darstellen, wenn weder die Wucht der Schläge noch die hierdurch erlittenen Verletzungen mitgeteilt werden. Nach den Feststellungen des Urteils erlitt der Zeuge Q (bereits) keinerlei Verletzungen.“

Das hätte für drei Aufhebungen gereicht….

© stockWERK - Fotolia.com

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Es war „nur“ eine Verurteilung des Angeklagten wegen Diebstahls (§§ 242, 243 StGB), die  dem OLG Dresden, Beschl. v. 12.03.2015 – 2 OLG 22 Ss 14/15 – zugrunde gelegen hat. Also amtsgerichtliches Alltagsgeschäft. Aber das OLG listet in seinem Beschluss drei große Kritikpunkte an der zu überprüfenden amtsgerichtlichen Entscheidung des AG Chemnitz auf. Und das sind:

1. Keine ausreichenden Feststellungen zur Wegnahmehandlung enthalten.

„Den Darlegungen im angefochtenen Urteil kann nicht entnommen werden, ob die Diebstahlshandlungen jeweils vollendet wurden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe in vollem Umfang geständig war. Es wird lediglich mitgeteilt, dass er die Waren „entwendet“ habe, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Der tatsächliche „Entwendungs“vorgang wird allerdings nicht geschildert. Damit aber ist das Tatbestandsmerkmal der Wegnahme im Sinne des § 242 Abs. 1 StGB nicht belegt. Wegnahme bedeutet Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams. Die rudimentären Urteilsgründe lassen diesbezüglich nicht die Beurteilung zu, ob der bisherige Gewahrsam des Berechtigten aufgehoben worden oder ob es lediglich zu einer bloßen Gewahrsamslockerung gekommen war.“

2. Fehler 1 bei der Strafzumessung:

Der Urteilsbegründung kann allerdings schon nicht zweifelsfrei entnommen werden, ob das Amtsgericht bereits das gesetzliche Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB („durch eine Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesicherte Sache“) für erfüllt angesehen hat (was rechtlich fehlerhaft wäre), oder ob es die Taten aus allgemeinen Gesichtspunkten – außerhalb des Regelbeispielkatalogs – als „besonders schwer“ gewertet hat. Denn einerseits (UA S. 4; Pkt. IV. 1. Absatz) führt das Amtsgericht aus, der Angeklagte habe sich „des Diebstahls…gemäß §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB“ schuldig gemacht. Andererseits wertet es den Einsatz des Magneten zum Lösen der Sicherheitsetiketten als Ausdruck „erkennbar erhöhter krimineller Energie“, die deshalb den „Unwertgehalt dieser Tat dem in den Regelbeispielen des § 243 Abs. 1 S. 2 StGB erfassten Unwertgehalt vergleichbar“ erscheinen ließe (UA S. 5, Pkt. IV. letzter Absatz).“

Diese offene Ambivalenz in den Urteilsgründen ist rechtsfehlerhaft.

aa) Rechtlich nicht haltbar wäre es, bereits das in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB gesetzlich aufgeführte Regelbeispiel für erfüllt anzusehen.

Voraussetzung für die indizierte Strafschärfung ist es, dass eine Schutzvorrichtung überwunden wird, welche nach ihrer Zweckbestimmung gerade den Gewahrsam des Berechtigten gegen den Bruch durch einen Unbefugten sichern soll. Danach darf der Gewahrsamsbruch bei Wirksamwerden der Schutzvorrichtung noch nicht vollendet sein. Mit Recht verweist die Revision darauf, dass elektronische Sicherungsetiketten diesen Schutz nicht gewähren. Denn sie dienen nicht dem Schutz gegen einen Gewahrsamsbruch, sondern nur der Wiedererlangung des bereits an den Täter verlorengegangenen Gewahrsams durch Ergreifen des Berechtigten oder seiner Hilfspersonen (OLG Stuttgart NStZ 1985, 385; OLG Frankfurt/Main MDR 1993, 671 [672]; Ruß in LK, StGB, 11. Auflage, § 243 Rdnr. 19; KG Berlin, Beschluss vom 04. Februar 1998 – (4) 1 Ss 209/97 (135/97) -, Rdnr. 7, zitiert nach juris).

3. Fehler 2 bei der Strafzumessung

Das Amtsgericht meint, die Verhängung der drei kurzen Freiheitsstrafen von zweimal drei und einmal vier Monaten sei unerlässlich, weil der Angeklagte „sich auch durch vorhergehende Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ“ (UA S.5 Pkt. V. 5. Absatz). Dies reicht zur Begründung nicht aus, selbst wenn das Urteil formal den Terminus „unerlässlich“ gebraucht……

Das Amtsgericht sieht vorliegend die besonderen Umstände ersichtlich in der Persönlichkeit des Angeklagten begründet, weil es darauf abstellt, dass sich der Angeklagte „auch durch vorhergehende Verurteilungen nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten ließ“ (UA S.5 Pkt. V. 5. Absatz). Das Vorliegen der Ausnahmevorschrift darf jedoch nicht schematisch auf das Vorliegen einschlägiger Vorstrafen gegründet werden (vgl. KG Beschluss vom 16. Juni 1997 – 5-12/97 -). Dies umso mehr, als die Sachverhalte der früheren Verurteilungen nicht näher dargelegt werden. Überdies weist der in den Urteilsgründen mitgeteilte Auszug aus dem Bundeszentralregister lediglich zwei vorangegangene Ahndungen – eine Geldstrafe von 5 Tagessätzen wegen Leistungserschleichung (Urteil des Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal vom 24. Juli 2012) und eine Gesamtgeldstrafe von 45 Tagessätzen wegen Diebstahls (Beschluss nach § 460 StPO des Amtsgericht Zwickau vom 16. Oktober 2013) – aus. Soweit das angefochtene Urteil auf das dieser Gesamtgeldstrafe zugrundeliegende Urteil des Amtsgerichts Zwickau vom 23. März 2013 abstellt (UA S. 5, Pkt V. 3. Absatz), verkennt es, das diese Entscheidung durch den nachgefolgten Gesamtstrafenbeschluss vom 16. Oktober 2013 rechtlich nicht mehr selbständig existent war. Dass angesichts dessen, dass gegen den Verurteilten zuletzt im Februar 2014 eine Jugendstrafe verhängt worden war, nunmehr für die zeitlich davor liegenden verfahrensgegenständlichen Taten die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich war, liegt ebenfalls nicht ohne weiteres auf der Hand. Es hätte deshalb umfassenderer Darlegungen bedurft, worauf das Amtsgericht seine Annahme gründet, eine Geldstrafe sei nicht mehr vertretbar und mit Sicherheit zur Abschreckung nicht mehr ausreichend gewesen. Solche Erörterungen erübrigten sich auch nicht deshalb, weil etwa aufgrund besonderer Umstände in der Tat die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe derart nahegelegen hätte.“

Das alles hätte für mindestens drei Aufhebungen gereicht. M.E. aber nichts Besonderes, sondern alles amtsrichterliches Einmal-Eins, das man wissen/kennen sollte.

Trunkenheitsfahrt: Vorsatz – ja oder nein?

© monticellllo - Fotolia.com

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Die Frage, ob eine Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) vorsätzlich begangen wurde oder nicht, kann in verschiedener Hinsicht Auswirkungen im Verfahren haben. So kann ggf. eine höhere Strafe festgesetzt werden die Sperrfrist (§ 69a StGB) kann länger werden und auch bei der Rechtsschutzversicherung kann es Probleme geben. Daher wird um „Vorsatz – ja oder nein“ häufig auch bei „Allerweltstrunkenheitsfahrten“ gekämpft. Als Verteidiger wird man in den Fällen dem Mandanten im Zweifel raten, den Mund zu halten, und sich dann mehr oder weniger entspannt zurücklehnen, um zu schauen, wie das Gericht „nun die Enden zusammen bekommt“ = welche Umstände festgestellt werden, um den Vorsatz begründen zu können. Mit diesen Umständen setzt sich der KG, Urt. v. 24.11.2014 –   (3) 121 Ss 155/14 (115/14) – auseinander. Da war der Angeklagte vom LG wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt (BAK 1,8 o/oo) verurteilt worden. Er hatte in Berlin öffentliche Straßen befahren und war dann an einer Lichtzeichenanlage bei Rotlicht eingeschlafen und erst nach einigen Schaltphasen durch andere Verkehrsteilnehmer geweckt worden. Den Vorsatz hatte das AG u.a. auf eine Vorverurteilung des Angeklagten wegen Trunkenheitsfahrt im Jahr 2009 gestützt. Das KG hatte insoweit keine Bedenken:

„Das Urteil teilt mit, dass der Angeklagte sich nicht eingelassen hat, so dass die Kammer keine Feststellungen zu den Umständen, namentlich dem Zeitpunkt und der Menge des Alkoholkonsums, treffen konnte. Auch die Täterpersönlichkeit konnte das Landgericht nur bedingt aufklären. Das Landgericht hat auf den Vorsatz unter anderem jedoch daraus geschlossen, dass der Angeklagte bereits im Juli 2009 und damit weniger als vier Jahre vor der neuerlichen Tat wegen – fahrlässiger – Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden war, wobei ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine achtmonatige Sperrfrist angeordnet worden war. Die Kammer hat aus diesem Umstand gefolgert, dass dem Angeklagten „bekannt und bewusst war, dass die konsumierte – den Grenzwert erheblich übersteigende – Alkoholmenge zur Fahruntüchtigkeit führt, so dass er die Auswirkungen seines Trinkens und die daraus resultierende von ihm ausgehende Gefährdung der Sicherheit des öffentlichen Verkehrs zumindest billigend in Kauf genommen hat“ (UA S. 8, 9). Die von der Strafkammer gezogene Schlussfolgerung, die Vorverurteilung habe den Angeklagten über die Wirkung des Alkohols aufgeklärt und ihn zugleich nachdrücklich und gewissermaßen anhaltend gewarnt, ist möglich und nachvollziehbar (vgl. auch Fischer, StGB 61. Aufl., § 316 Rn. 45 mwN); zwingend braucht sie, wie dargelegt, nicht zu sein (vgl. BGH NStZ 2014, 451).

Es bedurfte auch nicht der Darlegung der genauen Umstände der einschlägigen Vorverurteilung. Als Grundlage für den von der Strafkammer gezogenen Schluss reicht es aus, dass der Angeklagte bereits einmal strafgerichtlich verurteilt werden musste, weil er ein Kraftfahrzeug in alkoholbedingt fahrunsichern Zustand geführt hatte. Ebendies ergibt sich aus der Mitteilung des verwirklichten Tatbestands (UA S. 3: § 316 Abs. 2 StGB). Dem widerspricht auch nicht die Entscheidung des OLG Celle (NZV 1998, 123). Zwar tritt darin die Auffassung zutage, das Urteil müsse den der Vorverurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt feststellen, wenn daraus Schlussfolgerungen gezogen werden sollen. Dies betraf indes eine Vorverurteilung wegen Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB, und für das Revisionsgericht war – nachvollziehbar – unklar, ob dem Urteil überhaupt eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB) zugrunde gelegen hatte. Diese Unklarheit besteht hier nicht.

Nun ja, kann man so sehen, muss man aber nicht. Ich hätte vielleicht doch ein wenig über die Vortat wissen wollen – zumal die ja „nur“ fahrlässig begangen worden ist. Eine ganz andere Frage ist, ob nicht auch die übrigen Tatumstände für die Annahme von Vorsatz ausgereicht hätten. Einschlafen vor der Ampel und Wachwerden erst nach mehreren Schaltphasen…..

Lange nichts mehr zum Fahrverbot – hier ist mal wieder was.

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Ich habe lange nichts mehr zum Fahrverbot gebracht, hier ist mal wieder eine Entscheidung, und zwar der KG, Beschl. v. 08.10.2014 – 3 Ws (B) 488/14 – 162 Ss 135/14. Nichts Positives, leider.

Das AG hatte hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse der Betroffenen „festgestellt, dass diese als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Telefonanbieters Kunden im gesamten Bundesgebiet betreue und auch regelmäßig die Zentrale in Köln aufsuchen müsse. Als allein erziehende Mutter von zwei Kindern sei sie zudem auf die Benutzung ihres PKWs angewiesen, da sie ihren sechsjährigen Sohn jeden Tag in die Schule bringen müsse, die 25 km von Wandlitz entfernt sei, und es weder öffentliche Verkehrsmittel noch einen Schulbus gebe. Die Kita, die ihr zweijähriges Kind besucht, sei 3 km entfernt. Sie habe keinerlei Unterstützung vom Kindesvater oder sonst von Verwandten. Hinsichtlich des Absehens vom Fahrverbot hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass ein solches die Betroffene in ihrer Lebenssituation in besonders hartem Maße treffen würde.“

Dazu dann das KG mit den Leitsätzen:

  1. Das Verhängen eines Regelfahrverbotes schränkt grundsätzlich die Mobilität des Betroffenen ein und bedingt berufliche oder wirtschaftliche Nachteile. Diese häufigsten Folgen eines Regelfahrverbotes sind hinzunehmen. Daher reichen allein die Hinweise der Betroffenen auf ihre bundesweite Tätigkeit im Außendienst sowie auf ihre private Situation als alleinerziehende Mutter ohne familiäre Unterstützung nicht aus, um von einem Regelfahrverbot abzusehen.
  2. Der Tatrichter muss bereits aus Gründen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit erkennen lassen, dass er sich mit den Angaben der Betroffenen zur Auswirkung eines Regelfahrverbotes kritisch auseinandergesetzt hat.