Schlagwort-Archive: gefährliches Werkzeug

StGB I: Ein „Handelsüblicher Schraubendreher“, oder: Ein „gefährliches Werkzeug“

Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

Und dann am Monatsende und zu Beginn der neuen Woche ein wenig StGB.

Ich starte mit dem BGH, Urt. v. 20.06.2023 – 5 StR 67/23. Der BGH hatte bei dieser Entscheidung von folgenden Feststellungen auszugehen:

„1. Der Angeklagte suchte nachts gemeinsam mit dem Zeugen M. einen Imbiss auf, wo der Zeuge G. mit Reinigungsarbeiten beschäftigt war. Mit dessen Billigung begaben sich beide zunächst in einen mit Spielautomaten ausgestatteten Nebenraum, traten dann nach einiger Zeit in den Gastraum und riefen den Zeugen G. zu sich. Aufgrund eines zuvor gemeinsam gefassten Tatplans hielt der Angeklagte dabei einen handelsüblichen Schraubendreher in seiner Hand, den er für das Aufbrechen von Spielautomaten mitgebracht hatte. Er trat in bedrohlicher Weise nah an den Zeugen G.   heran und forderte ihn schreiend mit den Worten „Gib mir Geld“ auf, ihm aus der offenen Kasse den Bargeldbestand zu übergeben. Dabei stand der Angeklagte etwa einen halben Meter von G. entfernt und hielt den Schraubendreher – für den Zeugen deutlich erkennbar – unbewegt in der Hand. Ihm war bewusst, etwaigen Widerstand des Zeugen G. gegebenenfalls durch einen „jederzeit möglichen Einsatz des Schraubendrehers als Drohwerkzeug oder gegen den Körper des Zeugen G. überwinden zu können. Wie beabsichtigt entnahm der Zeuge G. der Kasse aus Angst mindestens 150 Euro in kleinen Scheinen und übergab diese an den Angeklagten, der sie dem Zeugen M. weiterreichte.

Im Nebenraum hebelte der Angeklagte sodann einen Spielautomaten auf und entnahm eine mit einem Schloss gesicherte Geldkassette, um das darin befindliche Geld für sich zu behalten. Auf den hierdurch ausgelösten akustischen Alarm wurde ein Polizeibeamter aufmerksam. Nach einem Gerangel mit diesem und dem Zeugen G. ergriff der Angeklagte die Flucht, wurde angeschossen und musste notärztlich versorgt werden, während der Zeuge M. mit dem Bargeld aus der Kasse entkommen konnte. Die Geldkassette aus dem Spielautomaten verblieb in dem Imbiss, ohne dass der Angeklagte das Geld entnehmen konnte.“

Das LG hat den Angeklagten auf der Grundlage dieser Feststellungen (nur) wegen schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 253 Abs. 1, § 255, § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl (§§ 242, 22, 23 StGB) verurteilt. Den Schraubendreher habe er lediglich bei sich geführt und nicht im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verwendet; es habe sich zudem nicht um ein gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift gehandelt. Der Angeklagte habe den später zum Aufbruch des Spielautomaten genutzten Schraubendreher für den Zeugen G.    gut sichtbar in der Hand gehalten, als er von diesem Geld forderte. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass der Zeuge den Schraubendreher deutlich sehen konnte und aus Angst seiner Forderung Folge leisten würde, worauf es ihm auch angekommen sei. Er habe weder Hieb- oder Stichbewegungen in Richtung des Zeugen ausgeführt noch ihm verbal angedroht, den Schraubendreher gegen ihn einzusetzen. Dieser sei gerade nicht als Waffenersatz und daher nicht als gefährliches Werkzeug verwendet worden.

Das sieht der BGH auf die zuungunsten des Angeklagten G eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft anders:

„1. Durch sein Handeln gegenüber dem Zeugen G.   hat der Angeklagte den Qualifikationstatbestand der besonders schweren räuberischen Erpressung gemäß § 255, § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht, weil er bei der Tat mit dem Schraubendreher ein gefährliches Werkzeug verwendet hat.

a) Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte bezieht sich das Verwenden auf den Einsatz des Nötigungsmittels zur Verwirklichung des Raubtatbestands; es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen oder – im Fall des § 255 StGB – eine andere Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zuzufügen. Im Fall der Drohung muss das Tatopfer das Nötigungsmittel und die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen. Denn hierunter ist das ausdrückliche oder schlüssige In-Aussicht-Stellen eines künftigen Übels zu verstehen, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Eine Drohung erfordert daher, dass der Bedrohte Kenntnis von ihr erlangt und dadurch in eine Zwangslage gerät (vgl. nur BGH, Beschluss vom 8. April 2020 – 3 StR 5/20, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 12 mwN; Urteil vom 10. Januar 2018 – 2 StR 200/17, NStZ 2018, 278; allgemein zur Drohung BT-Drucks. 13/8587, S. 44 f.).

b) Gemessen hieran hat der Angeklagte den Schraubendreher bei seiner Drohung gegenüber dem Zeugen G.   im Sinne des 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwendet. Hierzu genügte, dass er seine verbale Drohung unterstrich, indem er das Werkzeug dabei gut sichtbar in der Hand hielt, und ihm bewusst war, dass der Zeuge dies wahrnahm. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der Angeklagte den Schraubendreher damit durchaus „als Waffenersatz eingesetzt“. Für die Verwendung bei der Drohung – einem konkludent vollziehbaren Kommunikationsakt – war nicht erforderlich, damit zusätzlich Hieb- oder Stichbewegungen in Richtung des Adressaten der Drohung vorzunehmen oder solche verbal anzukündigen.

c) Bei einem Schraubendreher handelt es sich grundsätzlich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, denn ein solcher ist nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, etwa bei einem Einsatz als Stichwerkzeug (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – 3 StR 556/09, BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 9). Die genauen Abmessungen des hier verwendeten Schraubendrehers teilt das Urteil zwar nicht mit. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen wird die genannte Eignung durch die nicht näher ausgefüllte Bezeichnung als „handelsüblich“ und den späteren erfolgreichen Einsatz zum Aufhebeln eines Spielautomaten aber noch hinreichend belegt.

2. Mit der Ablehnung einer besonders schweren räuberischen Erpressung im ersten Handlungsakt hat sich das Landgericht zudem den Blick dafür verstellt, dass dem Schraubendreher auch für die Bewertung des anschließenden Diebstahlsversuchs Relevanz zukommt. Indem er ihn zum Aufhebeln des Spielautomaten nutzte und so präsent hielt, hat der Angeklagte insoweit einen versuchten Diebstahl in der qualifizierten Form des Diebstahls mit Waffen entsprechend § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB begangen.

Der Schraubendreher stellte auch im Sinne dieser Vorschrift ein gefährliches Werkzeug dar (vgl. zur parallelen Norm des § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB BGH aaO; BGH, Beschluss vom 1. September 2004 – 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437). Dass er dem Angeklagten bei der Wegnahme aus dem Automaten nur mehr als Aufbruchswerkzeug diente, steht dieser Einordnung nicht entgegen, weil die aus seiner Beschaffenheit resultierende objektive Gefährlichkeit hierdurch nicht reduziert wird. Da für § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB schon die mit dem Beisichführen verbundene latente Gefahr des Gebrauchs eines derartigen Gegenstands genügt (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257 Rn. 30 f.), kommt es außerdem nicht darauf an, dass der Angeklagte die gegebene Eignung des Schraubendrehers als „Waffenersatz“ (vgl. zur Bestimmung der Gefährlichkeit BGH aaO Rn. 23) hier durch dessen vorangehende Verwendung als Drohmittel sogar schon konkret illustriert hatte.

Der Angeklagte hat den Schraubendreher zudem (auch) bei dem Diebstahl bei sich geführt. Hierzu genügt bei einem mitgebrachten Werkzeug, dass es sich für den Täter in Griffweite befand oder er sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2016 – 3 StR 328/16). Dies wird durch die Urteilsgründe – der Schraubendreher war vom Angeklagten zum Aufbrechen von Spielautomaten mitgenommen worden, wurde hierzu bei der Tat benutzt und verblieb während des gesamten Geschehens am Tatort, wo er später aufgefunden wurde – hinreichend belegt.

3. Der Schuldspruch unterliegt daher insgesamt der Aufhebung. …..“

StGB I: Klassiker „Tritt mit dem beschuhten Fuß“, oder: Es mangelte mal wieder an den Feststellungen

entnommen wikimedia.org
Urheber Anmab82

Und dann heute drei StGB-Entscheidungen.

Den Opener mache ich mit dem BayObLG, Beschl. v. 02.02.2023 – 202 StRR 6/23. Die Entscheidung beinhaltet ein „Klassiker-Problem“. nämlich den Tritt mit dem beschuhten Fuß.

Das AG hat den u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt, die das LG als unbegründet verworfen hat. Dagegen dann jetzt noch die Revioson, die einen Teilerfolg hatte:

1. Während der Schuldspruch und der Strafausspruch zum Fall II. 2. b) der Gründe des Berufungsurteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweisen, hält die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2. a) der Gründe des Berufungsurteils) der sachlich-rechtlichen Nachprüfung aufgrund durchgreifender Darstellungsmängel nicht stand.

a) Zwar kann ein mit dem beschuhten Fuß geführter Tritt gegen den Kopf des Opfers eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2 StGB im Einzelfall rechtfertigen, allerdings muss sich die gesteigerte Gefährlichkeit der Verletzungshandlung gerade aus dem Einsatz des Schuhs ergeben (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.08.2019 – 5 StR 298/19, bei juris m.w.N.). Nach den Feststellungen der Berufungskammer sind diese Voraussetzungen aber schon deshalb nicht erfüllt, weil im Rahmen der Sachverhaltsschilderung lediglich ausgeführt wird, dass der Angeklagte nach vorangegangenen Faustschlägen gegen das dadurch zu Boden gegangene Opfer mit seinen „Sportschuhen“ zumindest einmal mit großer Wucht „in Richtung des Kopfes“ des Geschädigten getreten habe, um diesen zu verletzen. Dass der Kopf des Opfers durch diesen Tritt auch tatsächlich getroffen wurde, lässt sich den Feststellungen zum Tatgeschehen gerade nicht entnehmen. Zwar geht das Urteil im Rahmen der rechtlichen Würdigung davon aus, dass das Opfer gegen den Kopf getreten worden sei, löst den Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen indes nicht auf.

b) Aus den gleichen Gründen wird die Einschätzung des Berufungsgerichts, der Tritt stelle auch eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB dar, ebenfalls von den Feststellungen nicht getragen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass selbst in dem Fall, dass der vom Angeklagten ausgeführte Tritt den Kopf des Opfers getroffen haben sollte, auch eine lebensgefährdende Behandlung im Sinne der genannten Strafvorschrift nicht belegt ist. Denn nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist hierfür erforderlich, dass die Einwirkung durch den Täter nach den konkreten Umständen des Einzelfalls generell geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden (vgl. nur BGH, Beschl. v. 14.09.2021 – 4 StR 21/21 = RS 140, 325 (2021) = VRS 140, Nr 66 = StV 2022, 24 = JZ 2022, 364 = BGHR StGB § 224 Abs 1 Nr 5 Lebensgefährdung 4 = BGHR StGB § 315b Abs 1 Nr 3 Eingriff 9; 01.06.2021 – 6 StR 113/21 = NStZ-RR 2021, 244 = StV 2022, 165; 10.02.2021 – 1 StR 478/20 = NStZ-RR 2021, 211 = StV 2022, 166). Tritte gegen den Kopf können eine das Leben gefährdende Behandlung nur unter der Voraussetzung darstellen, dass sie nach Art der konkreten Ausführung der Verletzungshandlungen zu lebensgefährlichen Verletzungen führen können (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – 3 StR 301/14, bei juris m.w.N.). Die bloß theoretische Möglichkeit einer Lebensgefährdung, von der die Berufungskammer im Ergebnis ausgeht, genügt hierfür gerade nicht.“).

StGB III: Zahnarztzange als gefährliches Werkzeug?, oder: Zahnextraktionen ohne Indikationen

Bild von Lolame auf Pixabay

Und dann noch etwas ganz Besonderes zum Tagesschluss, nämlich den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.03.2022 – 1 Ws 47/22.

Er enthält die Eröffnung in einem Verfahren, in dem die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last legt, im Zeitraum zwischen dem 20.07.2010 und dem 06.06.2014 als Zahnarzt in 33 Fällen seinen Patienten und Patientinnen Zähne extrahiert zu haben, obwohl es hinreichend aussichtsreiche Behandlungsalternativen gegeben habe. Zuvor habe der Angeklagte die Extraktion bestimmter Zähne als zwingend notwendig empfohlen. Im Vertrauen auf die Angaben des Angeklagten hätten die Patienten den Zahnextraktionen zugestimmt, woraufhin der Angeklagte diese Eingriffe mittels der dafür erforderlichen ärztlichen Instrumente vorgenommen habe. Hätte der Angeklagte seine Patienten über die alternativen Behandlungsmethoden aufgeklärt, hätten diese den Zahnerhalt vorgezogen und die Zahnextraktion abgelehnt. Dem Angeklagten sei es dabei darauf angekommen, seine Patienten im weiteren Verlauf mit für ihn einträglichem Zahnersatz versorgen zu können.

Das LG hat die Eröffnung des Hauptverfahrens betreffend einiger Tatvorwürfe abgelehnt. Wegen der weiteren Tatvorwürfe hat es die Anklage mit der Maßgabe zugelassen, dass in rechtlicher Hinsicht von 29 tatmehrheitlichen Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230, 53 StGB auszugehen sei und insoweit das Hauptverfahren eröffnet.

Soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wurde, hat die Strafkammer dies damit begründet, dass bei den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten nur eine rechtliche Würdigung als vorsätzliche Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 230 StGB in Betracht komme. Dagegen die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte:

1. Die dem Angeklagten (in tatsächlicher Hinsicht zu Recht) angelasteten Taten sind als gefährliche Körperverletzung gemäß §§ 224 Abs. 1 Nr. 2, 53 StGB zu qualifizieren, sodass die Verjährungsfrist gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB zehn Jahre beträgt. Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Taten begann die Frist am 20.07.2010 (Ziff. 11), 29.10.2010 (Ziff. 16), 22.08.2011 (Ziff. 22) bzw. am 23.08.2011 (Ziff. 23) zu laufen und wurde (u.a.) durch die Anklageerhebung am 24.02.2017 unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Ziff. 6 StGB). Verfolgungsverjährung ist mithin nicht eingetreten.

2. Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft K. darauf hin, dass die Einordnung eines gefährlichen Werkzeugs als Mittel der Tatbegehung im Verhältnis zur Waffe durch das 6. StrRG v. 26.01.1998 (BGBl I 164) insoweit eine Änderung erfahren hat, als das gefährliche Werkzeug – anders als bei § 223a StGB a.F. – in der neuen Fassung des § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB nicht mehr als Beispiel für eine Waffe, sondern eine Waffe nunmehr als Unterfall eines gefährlichen Werkzeugs zu verstehen ist (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 224 Rn. 9). Demzufolge kann eine Abgrenzung, ob ein ärztliches oder zahnärztliches Instrument als gefährliches Werkzeug einzustufen ist oder nicht, nicht mehr danach erfolgen, ob es gleich einer Waffe zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken eingesetzt wird (so noch – zu § 223a StGB a.F. – BGH, Urteil vom 22. Februar 1978 – 2 StR 372/77 -, juris; BGH, Urteil vom 23. Dezember 1986 – 1 StR 598/86 -, juris.). Vielmehr ist auch bei ärztlichen Instrumenten wie der vorliegend vom Angeklagten verwendeten Instrumente zur Zahnextraktion danach zu fragen, ob der Gegenstand aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und der Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet ist, dem Opfer erhebliche Verletzungen beizubringen (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 224 Rn. 14; Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2021, § 224 Rn. 50; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30 Aufl. 2019, § 224 Rn. 8; Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2018, § 224 Rn. 22).

3. Dies ist nach Auffassung des Senats vorliegend der Fall. Zwar werden Schmerzen während der Extraktion eines Zahnes mittels der dafür vorgesehenen zahnärztlichen Instrumente aufgrund einer örtlichen Betäubung nicht oder kaum verspürt. Die vom Angeklagten vorsätzlich ohne medizinische Indikation zur Zahnextraktion verwendeten Instrumente (namentlich die zur Zahnextraktion verwendete Zange) führten unmittelbar nach dem Eingriff aber – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist – nach Trennung der Verbindung zum versorgenden Nerv zu dem unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses sowie zusätzlich zu einer – jedenfalls für die Dauer einiger Tage – offenen Wunde im Mundraum der Patienten. Derartige Eingriffe sind nach Abklingen der lokalen Narkose regelmäßig mit nicht unerheblichen Schmerzen, Beschwerden bei der Nahrungsaufnahme und der Gefahr von Entzündungen verbunden, welche nur durch Einnahme von Tabletten und oralhygienische Maßnahmen gemindert werden können, und zwar insbesondere dann, wenn wie vorliegend nacheinander mehrere Zähne entfernt werden (im Fall Ziff. 11: drei Zähne, im Fall Ziff. 16: fünf Zähne, im Fall Ziff. 22: sieben Zähne und im Fall Ziff. 23: vier Zähne). Von sowohl nach ihrer Intensität als auch ihrer Dauer gravierenden Verletzungen im Mundraum der Patienten ist daher auszugehen (vgl. auch BeckOK StGB/Eschelbach StGB, 52. Ed. 01.02.2022, § 224 Rn. 28, 28.4), weshalb in den genannten Fällen der Qualifikationstatbestand des § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB erfüllt ist (aA bei Extraktion eines Zahnes Schönke/Schröder, aaO, § 224 Rn. 8). Keine Rolle bei der Einordnung der vom Angeklagten verwendeten Instrumente als gefährliche Werkzeuge i.S.v. § 224 Abs. 1 Ziff. 2 StGB spielt der Umstand, dass der Angeklagte als (damals) approbierter Zahnarzt zu deren regelgerechter Anwendung grundsätzlich in der Lage war und sie auch regelgerecht angewandt hat.“

StGB II: „Besonders schwerer sexueller Übergriff“, oder: Schraubenzieher beim Oralverkehr in der Hand

Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 08.09.2021 – 4 StR 166/21. Thematik/Problemati: Wann wird ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB verwendet. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte mit der Sachrüge Erfolg:

„1. Nach den Feststellungen vereinbarte der Angeklagte mit der Nebenklägerin, die als Prostituierte tätig war, die Ausführung von Oralverkehr im Fahrzeug des Angeklagten. Beide setzten sich auf die Rückbank des Wagens. Während die Nebenklägerin den Oralverkehr an dem Angeklagten vollzog, ergriff dieser ihre Haare, riss ihren Kopf hoch und schlug ihn gegen die Autotür. Er griff fest in ihre Brüste, lutschte an ihnen und biss in sie. Die Nebenklägerin erlitt hierdurch, wie vom Angeklagten billigend in Kauf genommen, Schmerzen und Verletzungen. Sie äußerte, dass er aufhören solle, und setzte den Oralverkehr zunächst fort. Der Angeklagte riss sodann abermals ihren Kopf an ihren Haaren zurück. Dabei hielt er für die Nebenklägerin sichtbar einen „handelsüblichen“ Schraubenzieher von ca. 25 cm Länge, den er unter seinem Fahrersitz hervorgeholt hatte, in seiner linken Hand, ohne ihn „unmittelbar der Nebenklägerin entgegenzurichten“. Nach einigen Sekunden legte er den Schraubenzieher wieder aus der Hand und begann erneut, an den Brüsten der Nebenklägerin zu lutschen und in sie zu beißen. Die Nebenklägerin bekam auch unter dem Eindruck des Schraubenziehers zunehmend Angst und äußerte, dass sie alles tun werde, was der Angeklagte wollte. Anschließend vollzog sie weiter den Oralverkehr an dem Angeklagten, der hierbei mehrfach ihren Kopf fest auf seinen Penis drückte.

Das Landgericht hat die Tat als „besonders schweren sexuellen Übergriff in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung nach § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 7 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1, § 223 Abs. 1, 52 StGB“ gewertet und die Strafe dem Strafrahmen eines minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 Alt. 3 StGB entnommen.

2. Das Urteil hält der auf die Sachrüge gebotenen rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen besonders schweren sexuellen Übergriffs (§ 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB) nicht.

a) Die Urteilsgründe belegen zwar das Vorliegen des Qualifikationsmerkmals der Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB. Der Angeklagte übte jedenfalls dadurch, dass er im Zusammenhang mit den nicht von seiner Vereinbarung mit der Nebenklägerin gedeckten sexuellen Handlungen an ihren Brüsten ihren Kopf gegen die Autotür schlug und an ihren Haaren riss, Gewalt gegenüber dem Tatopfer aus. Dass ein Finalzusammenhang zwischen diesen Handlungen und dem sexuellen Übergriff nicht ausdrücklich festgestellt ist, steht der Annahme des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB nicht entgegen, weil die Gewalt jedenfalls nach Versuchsbeginn und vor Beendigung des jedenfalls teilweise nicht vom Einverständnis der Nebenklägerin gedeckten sexuellen Übergriffs verübt wurde (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 – 4 StR 311/18, BGHSt 63, 220, 223). Dabei kann offenbleiben, ob der Angeklagte zu der Verwirklichung des Grundtatbestandes (§ 177 Abs. 1 StGB) bereits unmittelbar angesetzt hatte, als er zum ersten Mal den Kopf der Nebenklägerin an deren Haaren hochriss, denn jedenfalls das erneute Reißen an den Haaren der Nebenklägerin geschah nach Versuchsbeginn.

Auch die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug im Sinne von § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB bei sich führte, wird von den Feststellungen getragen. Ein gefährliches Werkzeug nach dieser Vorschrift ist jeder bewegliche Gegenstand, der – im Fall seiner Verwendung – geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2021 – 4 StR 263/20 Rn. 8; zu § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB auch BGH, Urteile vom 9. Januar 2020 – 5 StR 333/19 Rn. 36 und vom 10. Oktober 2018 – 5 StR 179/18 Rn. 14 mwN). Dies ist bei dem als Stichwerkzeug geeigneten Schraubenzieher von 25 cm Länge, der sich im Rahmen des dynamischen Geschehens in der räumlichen Enge des Fahrzeugfonds in der Hand des Angeklagten befand, der Fall.

b) Demgegenüber sind dem Urteil keine ausreichenden Feststellungen dazu zu entnehmen, dass der Angeklagte dieses gefährliche Werkzeug auch im Sinne von § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB bei der Tat verwendete.

Ein solches Verwenden liegt in zeitlicher Hinsicht vor, wenn das gefährliche Werkzeug zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen Versuchsbeginn und Beendigung eingesetzt wird (BGH, Urteil vom 9. Januar 2020 – 5 StR 333/19 Rn. 38; Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18 Rn. 12 mwN). Was den Zweck der Verwendung betrifft, so sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Voraussetzungen des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB jedenfalls dann erfüllt, wenn das gefährliche Werkzeug entweder als Nötigungsmittel oder bei der sexuellen Handlung eingesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2018 – 4 StR 239/18 Rn. 13 mwN). Dafür genügt es, wenn sich das Geschehen als einheitlicher Vorgang mit Sexualbezug darstellt und die Verwendung des gefährlichen Gegenstandes deshalb ihrerseits sexualbezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 ? 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431 unter IV; Beschluss vom 15. April 2014 – 2 StR 545/13 mwN [jeweils zu § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB aF]).

Unbeschadet der Frage, welche Verwendungszwecke im Einzelnen den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB zu erfüllen vermögen, setzt ein Verwenden des gefährlichen Werkzeugs jedenfalls voraus, dass das Werkzeug überhaupt als Mittel zu einem Zweck, also zur Erzielung einer in Bezug auf das Tatopfer angestrebten Wirkung, eingesetzt wird, wofür auch die (konkludente) Ankündigung des körperlichen Einsatzes des Werkzeugs, sein Gebrauch als Drohmittel, genügen kann. Kein Verwenden, sondern nur ein Beisichführen im Sinne von § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB ist demgegenüber gegeben, wenn das Werkzeug von dem Täter nicht als zweckgerichtetes Mittel eingesetzt wird, sondern sich das gefahrerhöhende Moment für das Tatopfer in dem körperlichen Vorhandensein des Werkzeugs bei der Tat erschöpft.

Dieses Verständnis des Qualifikationstatbestandes des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB wird bereits vom Wortlaut der Norm nahegelegt. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch setzt das Verwenden eines Gegenstandes einen entsprechenden Einsatzzweck voraus. Hiernach ist unter „verwenden“ das Anwenden oder die Benutzung eines Gegenstandes für einen bestimmten Zweck, insbesondere zur Herstellung oder Ausführung von etwas (vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, 5. Aufl., Stichwort „verwenden“), mithin ein Gebrauchmachen von dem Gegenstand (so [zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB] BGH, Anfragebeschluss vom 3. Dezember 1998 – 4 StR 380/98 Rn. 10), zu verstehen. Auch gesetzessystematische und teleologische Erwägungen bestätigen diese Auslegung. Eine weite, auch jeden nicht instrumentellen Umgang mit dem gefährlichen Werkzeug bei der Tat umfassende Interpretation des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB wäre ungeeignet, den Tatbestand schlüssig von der Qualifikation nach § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB abzugrenzen. Während das Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat nach § 177 Abs. 8 StGB mit einer Mindeststrafe von fünf Jahren bedroht ist, sieht § 177 Abs. 7 StGB für das bloße Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs eine Strafe von nicht unter drei Jahren vor. Dieser Unterschied in der Strafdrohung findet seine Rechtfertigung in den gesteigerten Gefahren für Leib oder Leben des Tatopfers, welche die Verwendung des gefährlichen Werkzeugs gegenüber dessen bloßem Beisichführen birgt (vgl. BT-Drucks. 18/9097 S. 29; zu § 177 Abs. 4 StGB aF auch BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 4 StR 464/00, NStZ 2001, 313, 314). Eine derart erhöhte Gefährlichkeit weist indes – typischerweise – allein der zweckgerichtete Einsatz eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat auf. Ein sonstiger Umgang mit dem Werkzeug, der auf keine das Tatopfer treffende Wirkung gerichtet ist, geht hingegen in seinem Gefahrenpotential nicht über das Beisichführen hinaus. So wird etwa die Gefahr eines bewusst in der Jackentasche getragenen Werkzeugs und damit im Sinne von § 177 Abs. 7 Nr. 1 StGB mitgeführten Werkzeugs nicht allein dadurch erhöht, dass der Täter es für kurze Zeit ergreift und in der Hand hält, etwa um sich dessen Vorhandenseins zu vergewissern.

c) Nach diesem Maßstab tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch nach § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB nicht. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte den Schraubenzieher als Nötigungsmittel einsetzte, als er ihn unter dem Fahrersitz aufnahm und kurz in der Hand hielt. Die Urteilsfeststellungen sind aber unzureichend. Das Landgericht hat zwar festgestellt, dass die Nebenklägerin den Schraubenzieher wahrnahm und deswegen in Angst geriet. Eine entsprechende Zwecksetzung des Angeklagten, also der bewusste Einsatz des Werkzeugs als Drohmittel, ist dem Urteil mit Blick darauf, dass der Angeklagte den Schraubenzieher nicht auf die Nebenklägerin richtete und sogleich wieder weglegte, nicht sicher zu entnehmen. Das Landgericht ist hiervon ersichtlich auch nicht ausgegangen, weil es den Tatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 2 StGB nicht als erfüllt angesehen hat….“

StGB II: Ist ein Tätowiergerät ein gefährliches Werkzeug?, oder: Es kommt darauf an.

Bild von Aamir Mohd Khan auf Pixabay

Bei der zweiten Entscheidung, die ich zum StGB vorstelle, handelt es sich um den OLG Hamm, Beschl. v. 02.09.2021 – 4 RVs 84/21. Das OLG nimmt Stellung zur Frage, ob ein zum Tätowieren genutztes Tätowiergerät die Eigenschaft eines gefährlichen Werkzeugs i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB hat.

Nach den Feststellungen hatte die Angeklagte ihrer Tochter mit ihrem Tätowiergerät eine Tätowierung am rechten Unterarm beigebracht, ohne dass hierfür eine wirksame Einwilligung vorlag. Das LG hat in dem Tätowiergerät ein gefährliches Werkzeug i.S.v. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB gesehen. Es hat den Strafrahmen eines minderschweren Falles zu Grunde gelegt.

Das OLG hebt auf die Revision hin auf:

„Soweit das Landgericht die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verurteilt hat, tragen die bisher getroffenen Feststellungen eine solche nicht.

Ein gefährliches Werkzeug ist ein solches, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. nur: Fischer, StGB, 68. Aufl., § 224 Rdn. 14). Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht hinreichend, ob der konkrete Einsatz des Tätowiergeräts geeignet war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Es reicht insoweit nicht die bloße Eignung, überhaupt Verletzungen hervorzurufen (welche hier nicht in Frage steht), sondern diese muss auch erheblich sein (Hardtung in: MK-StGB, 4. Aufl. § 224 Rdn. 20). Es muss also nach der konkreten Art der Verwendung die Eignung bestehen, die Funktionen oder das Erscheinungsbild des Körpers so einschneidend zu beeinträchtigen, dass der Verletzte schwer getroffen ist und beträchtlich darunter zu leiden hat (Paeffgen/Böse in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, StGB § 224 Rn. 16). Ein Tätowiergerät hat nicht per se eine solche Eignung, sondern es kommt auf die konkrete Art seiner Verwendung an. Eine Tätowierung kann nach den heute gesellschaftlich allgemein vorherrschenden Vorstellungen nicht an sich schon als erhebliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes in dem o.g. Sinne angesehen werden. Auch der Vorgang des Tätowierens begründet nicht an sich schon ein erhebliches Leiden. Allerdings erscheint eine Eignung zum Hervorrufen erheblicher Verletzungen denkbar, etwa wenn das Tätowiergerät nicht hinreichend desinfiziert wurde und es deswegen zu schwerwiegenden Entzündungen kommt oder wenn sie in der Hand eines Ungeübten falsch verwendet wird und deswegen gravierendere Verletzungen (etwa durch falsche Aufstellung oder übermäßigen Druck in tieferen Gewebeschichten) hervorruft. Vorliegend ist lediglich festgestellt worden, dass die Angeklagte keine gelernte Tätowiererin ist, aber offenbar bei sich selbst bereits mehrere Tätowierungen angebracht hatte. Außerdem war ihr die Infektionsgefahr bei mangelnder Hygiene bewusst. Dies war gerade der Grund, warum sie selbst die Tätowierung bei ihrer Tochter vornehmen wollte. Es hätte vorliegend daher näherer Feststellungen zur Art des Gerätes bedurft (etwa, ob es so gebaut ist, dass auch bei ungeübter Verwendung ein Vordringen in tiefere Gewebeschichten ausgeschlossen ist) sowie auch zur Erfahrung und Übung der Angeklagten bei Anbringung von Tätowierungen, also insbesondere, ob die Tätowierungen aus der Laienhand der Angeklagten nicht zwangsläufig entstellend wirken und welche Hygienemaßnahmen sie ergriffen hat. Ferner kann für die konkrete Art der Verwendung von Bedeutung sein, in welcher Weise die Angeklagte das Tätowiergerät eingesetzt hat (etwa: Umfang der Druckausübung; Beeinträchtigung der Bedienfähigkeit nach Konsum berauschender Mittel etc.).“