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Drum prüfe, wer geraucht hat Cannabis, ob von dem Zeug im Blute noch was ist, oder: Schluss mit lustig?

Den Auftakt mache ich heute mit dem BGH, Beschl. v. 14.02.2017 – 4 StR 422/15, betreffend die Fahrlässigkeit bei der Drogenfahrt, der ja auch schon einige andere Blogs beschäftigt hat und auch sonst über die Ticker gelaufen ist. Ein bisschen gedauert hatte es schonm bis das OLG Oldenburg im Sommer 2015 mit dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.08.2015 – 2 Ss OWi 142/15 dazu (Vorlage/auf zum BGH: Die Fahrlässigkeit bei der „OWi-Drogenfahrt“) dem BGH die zwischen den OLG umstrittene Frage nach der Fahrlässigkeit bei einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 WOWiG endlich vorgelegt hat. Und es hat dann noch einmal auch 1 1/2 Jahre gedauert, bis der BGH mit dem BGH, Beschl. v. 14.02.2015 – 4 StR 422/15 – nun (endlich) geantwortet hat. Man weiß nicht, warum es so lange dauert, aber vielleicht hat der BGH sich zunächst mit der Fragestellung schwer getan. Dafür spricht, dass er die Vorlegungsfrage des OLG anders gefasst hat. Seine Antwort entspricht dann der von ihm anders gefasst Vorlegungsfrage, und zwar:

„Der Tatrichter ist in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen.“

Der BGH begründet das – kurz gefasst –  mit die vielfältigen Gefahren, die aus dem Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr für Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer erwachsen können. Daraus ergeben sich für einen Kraftfahrzeugführer strenge Sorgfaltspflichten,
die auch das Verhalten vor Antritt der Fahrt betreffen. Das führt dazu, dass ein Kraftfahrer nach vorausgegangenem bewussten Konsum von Cannabis eben verpflichtet ist, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt.Der BGHG bleibt also ein wenig abstrakt.

Für die Praxis wird man m.E. aber – so meine erste Einschätzung – aus den (weiteren) Beschlussgründen Folgendes ableiten können:

  • Steht die Fahrt im zeitlichem Zusammenhang mit dem vorangegangenen Drogenkonsum, bleibt es auf jeden Fall bei der bisherigen Rechtsprechung, die in den Fällen bei „nahem zeitlichen Zusammenhang“ von Fahrlässigkeit ausgegangen ist.
  • (Auch) in den anderen Fällen muss der Kraftfahrer aber prüfen, ob er noch unter der Wirkung steht.Der Beschluss ist m.E. kein Freibrief für geringe(re) Konzentrationen. Kann der Betroffene spürbare Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen, darf er nicht fahren. Frage ist nur, was er ggf. „wahrnehmen konnte/musste“
  • Erreicht die THC-Konzentration den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml und der Kraftfahrer fährt, war es das, es sei denn es liegen „gegenläufige Beweisanzeichen“ vor. Aber: „Ohne hierfür sprechende konkrete tatsächliche Anhaltspunkte besteht für den Tatrichter keine Veranlassung, etwa eine nur unbewusste Cannabisaufnahme zu unterstellen oder davon auszugehen, dass der Betroffene seinen Selbstprüfungs- und Erkundigungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.“ Das kommt im Grunde einer Beweisregel gleich, die letztlich auf der Rechtsprechung des BVerfG zu § 24a Abs. 2 StVG beruht.

Schauen wir mal, wie sich die Praxis entwickelt. Ein wenig einfacher ist es für die Tatgerichte geworden, und damit schwieriger für Verteidiger.

Irrtum über Dauerrot an einer Ampel, oder: Kein Fahrverbot

© Thomas Pajot Fotolia.com

Irrt der Betroffene feststellbar über die Funktionsfähigkeit einer Lichtzeichenanlage („Dauerrot“) und begeht dann einen sog. qualifizierten 1-Sec-Rotlichtverstoß, so ist trotz Vorsatzes nur wegen eines fahrlässigen einfachen Rotlichtverstoßes zu der hierfür vorgesehenen Geldbuße zu verurteilen. So hat das AG Dortmund entschieden (vgl. AG Dortmund, Urt. v. 17.01.2017 – 729 OWi-264 Js 2313/16 -9/17). Ähnlich hat vor einiger Zeit auch bereits das OLG Hamm entschieden (vgl. OLG Hamm NZV 2000, 52 = VRS 97, 384).

Das AG hat außerdem – ebenfalls ähnlich wie das OLG Hamm – von einem Fahrverbot abgesehen. Begründung: Bei einem solchen Irrtum sei der Handlungsunwert des Rotlichtverstoßes deutlich verringert und der Verstoß dementsprechend nicht mehr als grob pflichtwidrig i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG anzusehen. Das macht dann die Festsetzung eines Fahrverbotes unmöglich.

So weit, so gut. Ich frage mich allerdings, was ein „zweifelnder Anschluss“ ist. So hat nämlich das AG im Leitsatz(vorschlag) formuliert: „zweifelnder Anschluss an OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.1999 – 2 Ss OWi 486/99 = NZV 2000, 52 = MDR 1999, 1264 = VerkMitt 2000, Nr. 12 = VRS 1999 Bd. 97, 384 = NStZ 1999, 518“. Entweder oder, oder?

Der „bespuckte“ Polizeibeamte – Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

entnommen: openclipart.org

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Ganz gut zum „Schnittbrot-Posting“ von gestern (vgl. den KG, Beschl. v. 16.05.2015 – (2) 121 Ss 73/15 (33/15) und dazu Das Schnittbrot und die Körperverletzung passt der BGH, Beschl. v. 18.08.2015 – 3 StR 289/15. Es geht auch um eine Körperverletzung, in dem Fall zu Lasten eines Polizeibeamten, zu der das LG Mainz festgestellt hatte: „dass der Angeklagte am 12. Dezember 2014 den Kriminalhauptkommissar S. zunächst unter anderem mit den Worten „Arschloch“ und „Wichser“ titulierte und sodann zweimal in dessen Richtung spuckte, wobei der zweite Auswurf diesen im Gesicht traf. Dies erzeugte beim Beamten starke Ekelgefühle und Brechreiz, die bis in die Abendstunden anhielten. „Bei seinem Handeln wollte der Angeklagte den Zeugen […] in dessen Ehre herabsetzen, ihn erniedrigen und nahm die bei diesem eingetretenen Ekelgefühle billigend in Kauf“.“ Das LG hat darin eine vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) gesehen.

Der BGH hat Schwierigkeiten mit der subjektiven Seite:

„Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Körperverletzung nicht. Sie belegen zwar den objektiven, nicht jedoch den subjektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 Alternative 1 StGB.

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behand-lung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 1974 – 3 StR 324/73, BGHSt 25, 277). Seelische Beeinträchtigungen als solche genügen nicht; nötig sind vielmehr körperliche Auswirkungen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340). Danach erfüllt vorliegend zwar nicht die bloße Erregung von Ekelgefühlen (aA RG, Urteil vom 30. Mai 1910 – 3 D 359/10, GA 58, 184, 185; dagegen schon OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Juni 1990 – 1 Ss 238/89, NJW 1991, 240, 241), jedoch das Hervorrufen von Brechreiz das Tatbestandsmerkmal (vgl. zu durch Angst hervorgerufene Magenschmerzen BGH, Urteil vom 15. Oktober 1974 – 1 StR 303/74, MDR 1975, 22; insgesamt S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 223 Rn. 4).

Einen auf die Verursachung von Brechreiz bezogenen Vorsatz des Angeklagten hat die Strafkammer indes nicht festgestellt, weshalb die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung keinen Bestand haben kann.“

Der BGH hat aufgehoben und zurückverwiesen und ist nicht den vom GBA vorgeschlagenen großzügigeren Weg gegangen. Der GBA hatte nämlich vorgeschlagen, den entsprechenden Schuldspruch entfallen zu lassen. Der BGH möchte das anders, und meint, dass selbst wenn weitere Feststellungen zu einer zumindest billigenden Inkaufnahme nicht zu erwarten wären, jedenfalls eine fahrlässige Körperverletzung im Raum (§ 229 StGB) stünde. Damit hat er Recht. Aber, was die dann neben der Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung bei der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten „bringen“ soll, erschließt sich mir nicht. Sonst ist der BGH sich doch immer in solchen Fällen sicher, dass das LG bei Wegfall der Strafe für das geringere Delikt nicht eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Aber vielleicht war die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe gar nicht so milde – was wir nicht wissen – oder: Der BGH möchte „abschrecken“?

Das Schnittbrot und die Körperverletzung

© ernsthermann - Fotolia.com

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Zunächst hatte ich gedacht, dass es bei dem KG, Beschl. v. 16.05.2015 – (2) 121 Ss 73/15 (33/15) – um die Frage geht, ob ggf. ein „Schnittbrot“ ein gefährliches Werkzeug i.S. des § 224 StGB ist/sein kann. Aber genauerem Hinsehen stellt man dann aber sehr schnell fest, dass es um eine ganz andere Frage aus dem Bereich der Körperverletzung geht, nämlich um die Abgrenzung von vorsätzlicher zu fahrlässiger Körperverletzung (§§ 223, 229 StGB, und zwar bei folgendem „Kerntatgeschehen“: Der Angeklagte – BAK von 1,19 Promille – der beide beobachtet hatte und sich in aggressiver Stimmung befand, schrie den Zeugen T. an, ,,was der Scheiß mit dem Brot solle, er solle Bier besorgen“. Dann ging der Angeklagte zu ihm hin, nahm ihm das Brot ab und drückte es dem Zeugen S. so heftig in die – in Abwehrhaltung ausgestreckten – Hände, dass diese verdreht wurden und der Fingernagel des rechten Mittelfingers umgeknickt wurde, wodurch das Nagelbett blutete. Das LG hat bedingten Vorsatz der Körperverletzung angenommen und u.a. wegen eines Verstoßes gegen § 223 StGB verurteilt.

KG sieht das anders und beanstandet die Beweiswürdigung zum bedingten Vorsatz:

Vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes muss sich der Tatrichter – wie vom Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale auch – auf der Grundlage einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände überzeugen (§ 261 StPO). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 27. August 2013 a.a.O.). Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14 – [juris]; vom 18. Januar 2011 – 1 StR 600/10 – [juris] = NStZ 2011, 302; vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 – [juris]). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 – 4 StR 360/12 – [juris]). Dazu gehört auch, dass der Tatrichter in seine Erwägungen auch diejenigen Umstände einbezieht, die seine Überzeugung vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes in Frage stellen können.

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung zum bedingten Körperverletzungsvorsatz des Angeklagten nicht gerecht. Es fehlt die Auseinandersetzung mit der sich unter den gegebenen Umständen aufdrängenden Frage einer nur fahrlässigen Begehungsweise. Ausweislich der Urteilsgründe ist nicht in Erwägung gezogen worden, dass der Angeklagte bei Aushändigung des Brotes an den Zeugen S. die Möglichkeit der Verletzung verkannte. In den Feststellungen heißt es zum subjektiven Tatbestand ohne nähere Begründung, der Angeklagte habe die Verletzungsfolge billigend in Kauf genommen. Allein aus dem objektiven Geschehen konnte vorliegend aber noch nicht auf einen bedingten Verletzungsvorsatz des Angeklagten geschlossen werden. Nur bei äußerst gefährlichen Handlungen liegt es allein auf Grund des objektiven Tatgeschehens nahe, dass der Täter mit dem Verletzungserfolg rechnet und – weil er mit seinem Handel gleichwohl fortfährt – einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 1992 – 5 StR 300/92 – [juris]). Eine solchermaßen gefährliche Handlung fehlt jedoch vorliegend. Der Darstellungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache im angegebenen Umfang.“

Also: An der Stelle geht es in die zweite Runde.

Vorlage/auf zum BGH: Die Fahrlässigkeit bei der „OWi-Drogenfahrt“

© macrovector - Fotolia.com

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Ich habe hier im Blog ja schon häufiger über die in der OLG-Rechtsprechung umstrittene Frage zu den Anforderungen an die Fahrlässigkeit bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG (so u.a. über den KG, Beschl. v. 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14 – 162 Ss 93/14 und dazu Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf….- jetzt auch in Berlin?). Zuletzt habe ich in dem Zusammenhang den OLG Celle, Beschl. v. 30.04.2015 – 321 SsBs 42/15, in dem das OLG eine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat und sich der wohl im Vordringen befindlichen Rechtsprechung angeschlossen hat, die sich von der „Längeren Zeitrechtsprechung“ abwendet, vorgestellt.

Im letzten Posting hatte ich eine Vorlage an den BGH „angemahnt“, damit die Frage nun endlich entschieden wird und wir die „Kuh vom Eis haben – so oder so. Nun, es ist soweit. Ein Leser des Blog hat mich – herzlichen Dank – auf den OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.08.2015 – 2 Ss OWi 142/15 – hingewiesen. Das OLG Oldenburg hat sich (endlich) ein Herz gefasst und die Frage dem BGH vorgelegt, und zwar mit folgendem Leitsatz:

„Ist auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen, wenn der analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) bei der Fahrt erreicht ist, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, die den Rückschluss vom Überschreiten des analytischen Grenzwertes auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß entkräften, und das Tatgericht veranlassen müssen, sich mit der Möglichkeit eines abweichenden Tatverlaufs auseinanderzusetzen?“

Ich bin mal gespannt, was der BGH macht: Entscheidet er in der Rechtsfrage oder hat er dazu keine Lust/Zeit und sagt: Tatsachenfrage, da es nicht/weniger weniger um die rechtliche Beurteilung des Maßstabs der Fahrlässigkeit geht, sondern eher um die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen und die richterliche Beweiswürdigung. Aber auch das sind Fragen, die der BGH beantworten kann. Es bleibt also spannend.