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StGB II: Vorsätzliche falsche eidliche Versicherung, oder: Irrtum bei der Vermögensauskunft?

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Als zweite Entscheidung heute dann eine Revisionsentscheidung des OLG Celle, und zwar der OLG Celle, Beschl. v. 12.10.2023 – 1 ORs 4/23. Es geht um vorsätzliche falsche Versicherung an Eides Statt.

Das LG hatte folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

„Nach den Feststellungen des landgerichtlichen Urteils gab der Angeklagte am 27. Oktober 2020 gegenüber der Obergerichtsvollzieherin W. in seiner Wohnung in Z. eine Vermögensauskunft nach § 802c ZPO ab und versicherte nach erfolgter Belehrung über die Strafbarkeit bei vorsätzlich falschen Angaben deren Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides Statt.

Die ihm schriftlich in der Vermögensauskunft unterbreitete Frage zu Ziffer 14 über vorhandene Konten, insbesondere Sparguthaben, Gehaltskonten, Geschäftskonten, Girokonten, Paypalkonten und ohne vermögenswirksame Leistungen anzusparenden Bausparverträgen verneinte der Angeklagte zunächst, gab jedoch nachfolgend ergänzend an, über ein derzeit mit einem negativen Saldo von 400 Euro bestehendes Guthabenkonto bei der P. zu verfügen. Ein weiteres vom Angeklagten als Einzelkaufmann genutztes Geschäftskonto bei der Sparkasse R.-O. verschwieg der Angeklagte dagegen. Der Angeklagte nutzte dieses Konto sowohl für Zahlungsabwicklungen im Rahmen seines Gebrauchtwagenhandels als auch für private Zwecke. Dem vor-bezeichneten Geschäftskonto lag eine Kreditrahmenvereinbarung von 10.000 Euro zugrunde, welche der Angeklagte regelmäßig mindestens teilweise in Anspruch nahm. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Vermögensauskunft wies das Konto einen negativen Saldo in Höhe von 8.800,04 Euro auf.

Die Frage zu Ziffer 19 nach sonstigen Forderungen, insbesondere solchen aus Kauf- und Darlehensverträgen, Rückerstattungs- und/oder Ersatzansprüchen, Bezugsrechten an/aus Versicherungen, verneinte der Angeklagte ebenfalls bewusst wahrheitswidrig. Tatsächlich war ihm bei Abgabe der Vermögensauskunft jedoch bekannt, dass er eine Zahlung in Höhe von 6.700 Euro von einem Fahrzeugfinanzierer (der B. K. GbR) erwartete. Dem lag ein Finanzierungsgeschäft zum Verkauf eines Personenkraftfahrzeugs zugrunde, welches der Käufer M. zuvor vom Angeklagten erworben hatte. Bereits am 19. Oktober 2020 hatte der Käufer eine entsprechende Anzahlung über 1.500 Euro auf das Geschäftskonto des Angeklagten überwiesen.

Zur Beweiswürdigung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Angeklagte den äußeren Sach-verhalt sowie die Höhe des vereinbarten Kreditrahmens eingeräumt habe. Er sei jedoch der Auffassung gewesen, sein Geschäftskonto aufgrund der fortwährenden Überziehung nicht habe angeben zu müssen. Zudem habe es sich um ein Geschäftskonto gehandelt, welches er schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen getrennt von seinem sonstigen Vermögen zu unterhalten habe.

Die Feststellungen zu den im Rahmen der Vermögensauskunft getätigten Angaben sowie die zuvor erfolgte Belehrung hat die Kammer auf die Bekundungen der die Vermögensauskunft entgegennehmenden Obergerichtsvollzieherin W. und die auszugsweise Verlesung der vom Angeklagten unterzeichneten Erklärung vom 27. Oktober 2023 gestützt.

Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht ausgeführt, dass der Angeklagte die Existenz des Geschäftskontos nebst eingeräumten Kreditrahmen zum Zeitpunkt der Vermögensauskunft ein-gestanden habe. Die entsprechende Kenntnis werde auch durch mehrere im Rahmen des Onlinebankings am Tattag durchgeführte Verfügungen belegt. Darunter hätten sich auch mehrere negative Buchungen befunden, was für die Kenntnis vom im Zeitpunkt der Erklärung noch nicht ausgeschöpften Kreditrahmen spreche. Dass der Angeklagte sich bei der Abgabe der Auskunft auch über Bestand und Umfang einer unmittelbar bevorstehenden Zahlung in Höhe von 6.700 Euro aus der festgestellten Fahrzeugfinanzierung bewusst gewesen sei, werde durch den am nächsten Tag in entsprechender Höhe eingegangenen Zahlungseingang und mit einer bereits am 19. Oktober 2020 erfolgten Anzahlung im Rahmen desselben Fahrzeuggeschäfts belegt. Soweit der Angeklagte die Trennung von Geschäfts- und Privatkonten als Grund für die unterbliebene Angabe vorgebracht habe, hat die Kammer dies als Schutzbehauptung gewertet, weil die auf dem Geschäftskonto festgestellten Buchungen sowohl geschäftlichen als auch privaten Transaktionen dienten. Die Kammer vermochte hingegen nicht auszuschließen, dass der Ange-klagte der Auffassung war, ein debitorisches Konto nicht angeben zu müssen.

Bezüglich der Fehlvorstellung über die Angabeverpflichtung bezüglich debitorischer Konten sah die Kammer einen vermeidbaren Verbotsirrtum im Sinne von § 17 S. 2 StGB als verwirklicht an und hat den Strafrahmen des § 156 StGB nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert.“

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Aus seiner Sicht sei von der Verpflichtung zur Angabe im Rahmen der Vermögensauskunft nur das aktive Vermögen umfasst. Ein debitorisches Konto sei nur dann anzugeben, wenn der Schuldner von seiner Bank aufgrund einer bestehenden Vereinbarung weiteren Kredit in Anspruch nehmen könne und es sich nicht lediglich um eine geduldete Überziehung gehandelt habe. Das Urteil verhalte sich nicht dazu, ob ein solcher Anspruch bestanden habe. Zudem habe sich der Angeklagte über den Umfang seiner Auskunftspflicht geirrt, was zu einem Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum führe. Soweit das Landgericht die Verwirklichung einer falschen Versicherung an Eides Statt wegen fehlender Angabe einer Forderung von 6.700 Euro gesehen habe, sei dies in unzulässiger Weise allein auf den späteren Zahlungseingang gestützt worden. Eine schon zum Zeitpunkt der Abgabe der Versicherung bestehende Rechtsbeziehung werde damit nicht belegt, zumal die Anzahlung für den Fahrzeugkauf auch von einer anderen Person erfolgt sei. Ferner werde eine Einlassung des Angeklagten zu diesem Punkt nicht mitgeteilt.

Die Revision hatte keinen Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der OLG-Entscheidung:

    1. Der Schuldner hat im Rahmen der nach §§ 156 und 161 Abs. 1 StGB strafbewehrten Auskunftserteilung nach § 802c ZPO auch solche Konten anzugeben, welche dauerhaft überzogen und mit Schuldzinsen belastet sind (debitorische Bankkonten). Auf die Frage, ob dem Schuldner ein vertraglich vereinbarter Kontokorrentkredit eingeräumt ist oder es sich lediglich um eine geduldete Kontoüberziehung handelt, kommt es nicht an.
    2. Geht der Schuldner im Rahmen der Vermögensauskunft irrtümlich davon aus, dass er bei der Frage über vorhandene Konten solche nicht anzugeben braucht, die ständig im Negativsaldo geführt wurden (debitorische Konten), so handelt es sich nicht um einen Irrtum über Tatum-stände (§ 16 Abs. 1 StGB), sondern um einen Verbotsirrtum (§ 17 StGB).

Corona I: Kann man „unter freiem Himmel sitzen?, oder: Was ist „Außengastronomie“?

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Und dann -seit längerem mal wieder – zum Wochenauftakt zwei Entscheidungen aus dem Bereich „Corona“.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.08.2022 – 201 ObOWi 903/22, der sich u,a, miz dem Begriff der zulässigen ‚Außengastronomie‘ nach § 27 der 12. BayIfSMV befasst.

Das AG hat hat den Betroffenen schuldig gesprochen, vorsätzlich entgegen § 13 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben zu haben, und hat deshalb eine Geldbuße in Höhe von 2.500 Euro gegen ihn verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Rechtsbeschwerde hatte teilweise Erfolg:

1. Das Urteil hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant – im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Betroffene ist Geschäftsführer eines Gastronomiebetriebs. Am 22.05.2021 im Zeitraum zwischen 13:00 und 15:30 Uhr öffnete der Betroffene einen Bereich des Lokals für die Bewirtung von Gästen auf der baurechtlich als „Freischankfläche Terrasse“ zugelassenen Fläche, welche jedoch an einer Seite von einer Mauer und an drei Seiten durch fest mit dem Boden verbundene Metallprofile, die mit Glasscheiben ausgefüllt sind, umgrenzt wird, wobei ein Zeltdach, welches teilweise auf den Metallprofilen der Seitenwände aufliegt, die gesamte Fläche von rund 100 m² überspannte. Eine der drei Glasfronten war vollständig geschlossen, bei zwei der Glasfronten waren die fünf Meter breiten Durchgänge vollständig geöffnet, sodass der umgrenzte Raum durch Dach und Seitenwände nicht vollständig gegen Regen und Zugluft geschützt war. Der Betroffene, der den äußeren Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat, hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Bereich für Außengastronomie gehalten habe und sich deshalb zur Öffnung berechtigt gesehen habe. Außengastronomie war nach Mitteilung des zuständigen Landratsamts zum Tatzeitpunkt zugelassen. Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, da er sämtliche Tatbestandsmerkmale gekannt habe und hinsichtlich des Vorliegens von Außengastronomie lediglich einem Subsumtionsirrtum unterlegen sei.

2. Die rechtliche Einordnung des Tatrichters, dass der von dem Betroffenen unterhaltene Gastronomiebetrieb nicht der Außengastronomie zuzurechnen ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Stellungnahme Folgendes ausgeführt:

„Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers liegt keine Bewirtung im Außenbereich des Ausnahmetatbestands des § 27 Abs. 1 bzw. Abs. 2 der 12. BayIfSMV vor.

Zwar definiert die 12. BayIfSMV nicht den in § 27 verwendeten Begriff der ‚Außengastronomie‘, die insoweit zutreffende Beurteilung des Gerichts lässt sich jedoch aus der Rechtsprechung und den Gesetzesmaterialien zum Rauchverbot nach dem Bay. Gesundheitsschutzgesetz ableiten, zumal es sich um eine gleich gelagerte Gesundheitsgefährdung Dritter durch Aerosole und Partikel in der Luft handelt.

In seiner Entscheidung vom 12.08.2009 – 2 Ss OWi 795/09 formuliert das OLG Bamberg (Anm. d. Senats: vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 12.08.2009 – 2 Ss OWi 795/09 bei juris = OLGSt OWiG § 3 Nr 2 = BeckRS 2009, 26732) zum Begriff ‚Innenraum‘ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayGSG: ‚Von einem Innenraum kann nach dem allgemeinen sprachlichen Verständnis sowie auch nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei einem geschlossenen Raum ausgegangen werden, der nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzt wird, ohne dass es aber auf das Material oder die Beschaffenheit der den Raum umgrenzenden Wände, Türen und Fenster ankommt. Der Innenbereich ist damit abzugrenzen vom Außen- und Freibereich. Dem Freibereich sollen danach nicht (vollständig) überdachte Innenhöfe, überdachte aber nicht geschlossene Sportstadien und insbesondere Frei- und Außenbereiche der Gastronomie, zum Beispiel in Wirts- und Biergärten, zugerechnet werden.‘

Auch der Bay. Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 18.11.2011 (Anm. d. Senats: vgl. BayVGH, Beschl. v. 18.11.2011 – 22 CS 11.2007 bei juris = BeckRS 2011, 34392), von dieser Entscheidung aus und stützt sich dabei auf die Begründung im Gesetzgebungsverfahren. Unter der Rn. 13 führt der Senat in den Gründen aus: ‚Die Einzelbegründung zu Art. 3 Abs. 1 GSG a.F. [LT-Drs. 15/8603, S  9 f.] definiert Innenräume als geschlossene Räume, ‚die nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzt werden. Abgegrenzt wird der Begriff des Innenraums von dem des Außen- oder Freibereichs […] in den Freibereichen wie nicht (vollständig) überdachten Innenhöfen […] und insbesondere im Frei- und Außenbereich der Gastronomie, z.B. in Wirts- und Biergärten, ist das Rauchen weiterhin erlaubt […]. In der Außenluft können sich die Schadstoffe des Tabakrauchs besser verteilen, sodass die Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen erheblich vermindert sind.‘ Die Einzelbegründung zu Art. 6 Abs. 4 GSG a.F. (vgl. LT-Drs. 15/8603, S. 11) spricht insofern vom Rauchen unter freiem Himmel, bei welchem der Nichtraucher nicht zwangsläufig den Risiken des Passivrauchens ausgesetzt ist, da er sich dem Qualm leicht durch Weggehen entziehen kann. Die Gesetzesmaterialien unterscheiden erkennbar nur zwei Bereiche: Räume und Flächen in allseits umschlossenen und vollständig überdachten Gebäuden als Innenbereich einerseits sowie Frei- und Außenflächen im Außengelände andererseits. Einen dritten Bereich gibt es nach den den Gesetzesmaterialien zu Grunde liegenden Vorstellungen […] nicht.‘

Ausgehend von diesen Definitionen des Innenbereichs von Gaststätten und des Außenbereichs ist die vom Gericht getroffene Beurteilung des Betriebs einer Gaststätte im gegebenen Fall nicht zu beanstanden.[.. ]. Es handelt sich insoweit nicht um Außengastronomie, bei der begrifflich die Gäste ‚unter freiem Himmel‘ sitzen müssen.“

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen nach eigener Überprüfung an. Der Betroffene hat damit entgegen § 13 Abs. 1 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben.

3. Der Schuldspruch erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft, soweit der Tatrichter von vorsätzlicher Tatbegehung ausgeht. Vielmehr befand sich der Betroffene ausweislich der Urteilsfeststellungen in einem Tatbestandsirrtum (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG), der die Ahndung wegen vorsätzlicher Tatbegehung ausschließt…….“

Irrtum über Dauerrot an einer Ampel, oder: Kein Fahrverbot

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Irrt der Betroffene feststellbar über die Funktionsfähigkeit einer Lichtzeichenanlage („Dauerrot“) und begeht dann einen sog. qualifizierten 1-Sec-Rotlichtverstoß, so ist trotz Vorsatzes nur wegen eines fahrlässigen einfachen Rotlichtverstoßes zu der hierfür vorgesehenen Geldbuße zu verurteilen. So hat das AG Dortmund entschieden (vgl. AG Dortmund, Urt. v. 17.01.2017 – 729 OWi-264 Js 2313/16 -9/17). Ähnlich hat vor einiger Zeit auch bereits das OLG Hamm entschieden (vgl. OLG Hamm NZV 2000, 52 = VRS 97, 384).

Das AG hat außerdem – ebenfalls ähnlich wie das OLG Hamm – von einem Fahrverbot abgesehen. Begründung: Bei einem solchen Irrtum sei der Handlungsunwert des Rotlichtverstoßes deutlich verringert und der Verstoß dementsprechend nicht mehr als grob pflichtwidrig i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG anzusehen. Das macht dann die Festsetzung eines Fahrverbotes unmöglich.

So weit, so gut. Ich frage mich allerdings, was ein „zweifelnder Anschluss“ ist. So hat nämlich das AG im Leitsatz(vorschlag) formuliert: „zweifelnder Anschluss an OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.1999 – 2 Ss OWi 486/99 = NZV 2000, 52 = MDR 1999, 1264 = VerkMitt 2000, Nr. 12 = VRS 1999 Bd. 97, 384 = NStZ 1999, 518“. Entweder oder, oder?

(Kein) Schadensersatz nach Notwehrirrtum?

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Zivilrecht meets Strafrecht, oder eben (Kein) Schadensersatz nach Notwehrirrtum, das ist das Fazit aus dem OLG Hamm, Beschl. v. 08.06.2015 – 9 U 103/14, einem sog. Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. Zu entscheiden hatte das OLG über die Schadensersatzklage eines Klägers, dem der Beklagte, Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens, einen Faustschlag isn Gesicht versetzt hatte. Der Beklagte hatte die Filiale eines Baumarkts in Paderborn zu überwachen. In der Annahme eines Diebstahls von Baumarktmaterialien hielt der Beklagte den Kläger und einen Begleiter an einem Abend im Juni 2013 gegen 23.00 Uhr in der Nähe des Baumarkts an, weil diese einen Kanister mit sich führten. In ihrem Fahrzeug befanden sich mehrere Kunststoffkanister, von denen einer mit Diesel gefüllt war. Weil ihm dies verdächtig erschien, informierte der Beklagte die Polizei, woraufhin der Kläger versuchte, in das Fahrzeug einzusteigen. Dies verhinderte der Beklagte, indem er die Fahrertür zudrückte. Hierauf schlug der Kläger den Beklagten ins Gesicht, worauf der Beklagte mit einem Faustschlag ins Gesicht des Klägers reagierte. Durch diesen Schlag erlitt der Kläger eine Gesichtsschädelfraktur. Vom Beklagten hat der Kläger deswegen Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro. Die entsprechende Klage ist vom LG Paderborn abgewiesen worden.

Und das OLG teilt im Hinweisbeschluss nun mit, dass die Berufung des Klägers wohl erfolglos bleibt:

Tja, irren ist menschlich, aber einen Hauptverhandlungstermin darf man nicht übersehen

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 Tja, kann passieren, darf es aber nicht, dass das Gericht einen Hauptverhandlungstermin vergisst. Nein, nicht so vergessen, dass alle anderen Verfahrensbeteiligten zur Hauptverhandlung erschienen waren und das Gericht fehlte. Das wäre „hochnotepinlich“ gewesen. Aber auch so ist es unschön, dass man bei einer Strafkammer des LG Essen übersehen hat, dass ein an sich geplanter Hauptverhandlungstermin nicht statt gefunden hat und man nicht an vier, sondern nur an drei Tagen verhandelt hatte. Denn das hatte dann Folgen, weil so die Urteilsabsetzungsfrist eben nicht mehr als fünf sondern nur die i.d.R. gewährten fünf Wochen des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO dauerte und das Urteil deshlab von der Kammer zu spät zur Akte gebracht worden war. Der Verteidiger hat es gemerkt und gerügt und der BGH hebt dann im BGH, Beschl. v. 06.05.2014 – 4 StR 114/14 – auf.

„Die zulässige Rüge, das Urteil sei nicht in der gemäß § 275 Abs. 1 S. 2 StPO maßgebenden Frist zu den Akten gebracht worden, ist begründet, so dass es auf die zugleich erhobene Sachbeschwerde und weiteren Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.

Das Urteil vom 28. Oktober 2013 wurde nach dreitägiger Verhandlung verkündet (Bl. 33 PB). Gemäß § 275 Abs. 1 S. 2 StPO betrug daher die Frist, binnen derer die Urteilsurkunde zu den Akten zu bringen war, fünf Wochen und endete mit dem 2. Dezember 2013. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle gelangte das schriftliche Urteil jedoch erst am 4. Dezember 2013 zu den Akten (Bl. 421 Bd. III). Damit war die fünfwöchige Frist überschritten. Ein unabwendbarer Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 S. 4 StPO ist nicht ersichtlich. Den dienstlichen Stellung-nahmen des Vorsitzenden und Berichterstatters (Bl. 596 f. Bd. IV) lässt sich entnehmen, dass diese bei der Berechnung der Frist irrten, indem sie von ursprünglich vier angedachten Verhandlungstagen aus-gingen. Eine unrichtige Berechnung kann die Überschreitung der Frist jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2002 – 2 StR 504/01). Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.“

Tja, irren ist menschlich, aber – wie schreibt der BGH so schön: „Eine unrichtige Berechnung kann die Überschreitung der Frist jedoch nicht rechtfertigen“.