Corona I: Kann man „unter freiem Himmel sitzen?, oder: Was ist „Außengastronomie“?

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Und dann -seit längerem mal wieder – zum Wochenauftakt zwei Entscheidungen aus dem Bereich „Corona“.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 09.08.2022 – 201 ObOWi 903/22, der sich u,a, miz dem Begriff der zulässigen ‚Außengastronomie‘ nach § 27 der 12. BayIfSMV befasst.

Das AG hat hat den Betroffenen schuldig gesprochen, vorsätzlich entgegen § 13 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben zu haben, und hat deshalb eine Geldbuße in Höhe von 2.500 Euro gegen ihn verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Rechtsbeschwerde hatte teilweise Erfolg:

1. Das Urteil hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant – im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Betroffene ist Geschäftsführer eines Gastronomiebetriebs. Am 22.05.2021 im Zeitraum zwischen 13:00 und 15:30 Uhr öffnete der Betroffene einen Bereich des Lokals für die Bewirtung von Gästen auf der baurechtlich als „Freischankfläche Terrasse“ zugelassenen Fläche, welche jedoch an einer Seite von einer Mauer und an drei Seiten durch fest mit dem Boden verbundene Metallprofile, die mit Glasscheiben ausgefüllt sind, umgrenzt wird, wobei ein Zeltdach, welches teilweise auf den Metallprofilen der Seitenwände aufliegt, die gesamte Fläche von rund 100 m² überspannte. Eine der drei Glasfronten war vollständig geschlossen, bei zwei der Glasfronten waren die fünf Meter breiten Durchgänge vollständig geöffnet, sodass der umgrenzte Raum durch Dach und Seitenwände nicht vollständig gegen Regen und Zugluft geschützt war. Der Betroffene, der den äußeren Sachverhalt weitgehend eingeräumt hat, hat sich dahingehend eingelassen, dass er den Bereich für Außengastronomie gehalten habe und sich deshalb zur Öffnung berechtigt gesehen habe. Außengastronomie war nach Mitteilung des zuständigen Landratsamts zum Tatzeitpunkt zugelassen. Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt, da er sämtliche Tatbestandsmerkmale gekannt habe und hinsichtlich des Vorliegens von Außengastronomie lediglich einem Subsumtionsirrtum unterlegen sei.

2. Die rechtliche Einordnung des Tatrichters, dass der von dem Betroffenen unterhaltene Gastronomiebetrieb nicht der Außengastronomie zuzurechnen ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft München in ihrer Stellungnahme Folgendes ausgeführt:

„Entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers liegt keine Bewirtung im Außenbereich des Ausnahmetatbestands des § 27 Abs. 1 bzw. Abs. 2 der 12. BayIfSMV vor.

Zwar definiert die 12. BayIfSMV nicht den in § 27 verwendeten Begriff der ‚Außengastronomie‘, die insoweit zutreffende Beurteilung des Gerichts lässt sich jedoch aus der Rechtsprechung und den Gesetzesmaterialien zum Rauchverbot nach dem Bay. Gesundheitsschutzgesetz ableiten, zumal es sich um eine gleich gelagerte Gesundheitsgefährdung Dritter durch Aerosole und Partikel in der Luft handelt.

In seiner Entscheidung vom 12.08.2009 – 2 Ss OWi 795/09 formuliert das OLG Bamberg (Anm. d. Senats: vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 12.08.2009 – 2 Ss OWi 795/09 bei juris = OLGSt OWiG § 3 Nr 2 = BeckRS 2009, 26732) zum Begriff ‚Innenraum‘ i.S.d. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayGSG: ‚Von einem Innenraum kann nach dem allgemeinen sprachlichen Verständnis sowie auch nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei einem geschlossenen Raum ausgegangen werden, der nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzt wird, ohne dass es aber auf das Material oder die Beschaffenheit der den Raum umgrenzenden Wände, Türen und Fenster ankommt. Der Innenbereich ist damit abzugrenzen vom Außen- und Freibereich. Dem Freibereich sollen danach nicht (vollständig) überdachte Innenhöfe, überdachte aber nicht geschlossene Sportstadien und insbesondere Frei- und Außenbereiche der Gastronomie, zum Beispiel in Wirts- und Biergärten, zugerechnet werden.‘

Auch der Bay. Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 18.11.2011 (Anm. d. Senats: vgl. BayVGH, Beschl. v. 18.11.2011 – 22 CS 11.2007 bei juris = BeckRS 2011, 34392), von dieser Entscheidung aus und stützt sich dabei auf die Begründung im Gesetzgebungsverfahren. Unter der Rn. 13 führt der Senat in den Gründen aus: ‚Die Einzelbegründung zu Art. 3 Abs. 1 GSG a.F. [LT-Drs. 15/8603, S  9 f.] definiert Innenräume als geschlossene Räume, ‚die nach allen Seiten von Wänden oder Fenstern eingegrenzt werden. Abgegrenzt wird der Begriff des Innenraums von dem des Außen- oder Freibereichs […] in den Freibereichen wie nicht (vollständig) überdachten Innenhöfen […] und insbesondere im Frei- und Außenbereich der Gastronomie, z.B. in Wirts- und Biergärten, ist das Rauchen weiterhin erlaubt […]. In der Außenluft können sich die Schadstoffe des Tabakrauchs besser verteilen, sodass die Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen erheblich vermindert sind.‘ Die Einzelbegründung zu Art. 6 Abs. 4 GSG a.F. (vgl. LT-Drs. 15/8603, S. 11) spricht insofern vom Rauchen unter freiem Himmel, bei welchem der Nichtraucher nicht zwangsläufig den Risiken des Passivrauchens ausgesetzt ist, da er sich dem Qualm leicht durch Weggehen entziehen kann. Die Gesetzesmaterialien unterscheiden erkennbar nur zwei Bereiche: Räume und Flächen in allseits umschlossenen und vollständig überdachten Gebäuden als Innenbereich einerseits sowie Frei- und Außenflächen im Außengelände andererseits. Einen dritten Bereich gibt es nach den den Gesetzesmaterialien zu Grunde liegenden Vorstellungen […] nicht.‘

Ausgehend von diesen Definitionen des Innenbereichs von Gaststätten und des Außenbereichs ist die vom Gericht getroffene Beurteilung des Betriebs einer Gaststätte im gegebenen Fall nicht zu beanstanden.[.. ]. Es handelt sich insoweit nicht um Außengastronomie, bei der begrifflich die Gäste ‚unter freiem Himmel‘ sitzen müssen.“

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen nach eigener Überprüfung an. Der Betroffene hat damit entgegen § 13 Abs. 1 der 12. BayIfSMV einen Gastronomiebetrieb geöffnet und betrieben.

3. Der Schuldspruch erweist sich hingegen als rechtsfehlerhaft, soweit der Tatrichter von vorsätzlicher Tatbegehung ausgeht. Vielmehr befand sich der Betroffene ausweislich der Urteilsfeststellungen in einem Tatbestandsirrtum (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG), der die Ahndung wegen vorsätzlicher Tatbegehung ausschließt…….“

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