Der „bespuckte“ Polizeibeamte – Vorsatz oder Fahrlässigkeit?

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Ganz gut zum „Schnittbrot-Posting“ von gestern (vgl. den KG, Beschl. v. 16.05.2015 – (2) 121 Ss 73/15 (33/15) und dazu Das Schnittbrot und die Körperverletzung passt der BGH, Beschl. v. 18.08.2015 – 3 StR 289/15. Es geht auch um eine Körperverletzung, in dem Fall zu Lasten eines Polizeibeamten, zu der das LG Mainz festgestellt hatte: „dass der Angeklagte am 12. Dezember 2014 den Kriminalhauptkommissar S. zunächst unter anderem mit den Worten „Arschloch“ und „Wichser“ titulierte und sodann zweimal in dessen Richtung spuckte, wobei der zweite Auswurf diesen im Gesicht traf. Dies erzeugte beim Beamten starke Ekelgefühle und Brechreiz, die bis in die Abendstunden anhielten. „Bei seinem Handeln wollte der Angeklagte den Zeugen […] in dessen Ehre herabsetzen, ihn erniedrigen und nahm die bei diesem eingetretenen Ekelgefühle billigend in Kauf“.“ Das LG hat darin eine vorsätzliche Körperverletzung (§ 223 StGB) gesehen.

Der BGH hat Schwierigkeiten mit der subjektiven Seite:

„Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Körperverletzung nicht. Sie belegen zwar den objektiven, nicht jedoch den subjektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 Alternative 1 StGB.

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behand-lung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Januar 1974 – 3 StR 324/73, BGHSt 25, 277). Seelische Beeinträchtigungen als solche genügen nicht; nötig sind vielmehr körperliche Auswirkungen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340). Danach erfüllt vorliegend zwar nicht die bloße Erregung von Ekelgefühlen (aA RG, Urteil vom 30. Mai 1910 – 3 D 359/10, GA 58, 184, 185; dagegen schon OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Juni 1990 – 1 Ss 238/89, NJW 1991, 240, 241), jedoch das Hervorrufen von Brechreiz das Tatbestandsmerkmal (vgl. zu durch Angst hervorgerufene Magenschmerzen BGH, Urteil vom 15. Oktober 1974 – 1 StR 303/74, MDR 1975, 22; insgesamt S/S-Eser, StGB, 29. Aufl., § 223 Rn. 4).

Einen auf die Verursachung von Brechreiz bezogenen Vorsatz des Angeklagten hat die Strafkammer indes nicht festgestellt, weshalb die Verurteilung wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung keinen Bestand haben kann.“

Der BGH hat aufgehoben und zurückverwiesen und ist nicht den vom GBA vorgeschlagenen großzügigeren Weg gegangen. Der GBA hatte nämlich vorgeschlagen, den entsprechenden Schuldspruch entfallen zu lassen. Der BGH möchte das anders, und meint, dass selbst wenn weitere Feststellungen zu einer zumindest billigenden Inkaufnahme nicht zu erwarten wären, jedenfalls eine fahrlässige Körperverletzung im Raum (§ 229 StGB) stünde. Damit hat er Recht. Aber, was die dann neben der Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung bei der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten „bringen“ soll, erschließt sich mir nicht. Sonst ist der BGH sich doch immer in solchen Fällen sicher, dass das LG bei Wegfall der Strafe für das geringere Delikt nicht eine noch mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Aber vielleicht war die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe gar nicht so milde – was wir nicht wissen – oder: Der BGH möchte „abschrecken“?

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