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Auch du mein Sohn Brutus – Kehrtwende beim OLG Celle zur Drogenfahrt

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In der OLG-Rechtsprechung umstritten ist die Frage nach bzw. die Anforderungen an die Fahrlässigkeit bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG. Da gibt es ein – mehr oder weniger – lustiges Hin und Her in der obergerichtlichen Rechtsprechung, das schon zu mancher Kehrtwende in der Rechtsprechung der OLG geführt hat (vgl. dazu u.a. den KG, Beschl. v. 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14 – 162 Ss 93/14 und dazu Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf….-jetzt auch in Berlin?).

Jetzt dann auch beim OLG Celle, das im OLG Celle, Beschl. v. 30.04.2015 – 321 SsBs 42/15 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben hat. Die Argumente kennen wir – daher erspare ich sie mir hier und stelle nur die Leitsätze ein:

1. Nimmt ein Betroffener nach dem Konsum von Cannabis als Kraftfahrer am Straßenverkehr teil, handelt er nach § 24 a Abs. 3 StVG fahrlässig, wenn er nicht sicher sein kann, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum abgebaut ist (Anschluss KG, Blutalkohol 52, 32; OLG Frankfurt, NStZ?RR 2013, 47; OLG Koblenz, NStZ?RR 2014, 322; OLG Bremen, NStZ?RR 2014, 257; OLG Hamm, Blutalkohol 48, 288).

2. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass, an dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert bei der Fahrt erreicht wird. Nur wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene trotz Erreichen des analytischen Grenzwertes seinen Sorgfalts? und Erkundigungspflichten nachgekommen ist, ist der Tatrichter gehalten, sich angesichts der entgegenstehenden Messwerte mit der Möglichkeit eines solchen Tatverlaufs auseinanderzusetzen (Anschluss OLG Koblenz, a. a. O.; OLG Frankfurt, a. a. O.).

Ich meine, dass die Vorlegungsvoraussetzungen (§ 121 GVG) vorliegen. Also: Warum geht nicht mal ein OLG zum BGH. Nur Mut. Soll schon nicht so schlimm werden.

Die Ansicht von Burhoff „geht indes fehl.“ Das tut weh :-), stimmt aber wohl

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Der Kollege Brüntrup aus Minden hatte mir zum Jahreswechsel den OLG Celle, Beschl. v. 29.12.2014 – 321 SsBs 37/14 – übersandt, dem ich die Leitsätze:

  1. Wird in einem Bußgeldbescheid wegen einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG die konkrete Höhe der gemessenen THC-Konzentration nicht mitgeteilt, ist das allenfalls ein die Informationsfunktion des Bußgeldbescheides betreffender Mangel, der die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides grundsätzlich nicht beeinträchtigt.
  2. Für die Annahme von Fahrlässigkeit reicht bei einer Drogenfahrt nach 3 24 Abs. 2 StVG die Feststellung einer über dem Grenzwert der jeweiligen Substanz im Blut liegenden Wirkstoffkonzentration allein nicht aus. Es ist vielmehr die Vorstellung des Betroffenen unter Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel vom Tatgericht festzustellen.

voranstelle und zu dem ich anmerke:

  1. Die zu Leitsatz 1 angesprochene Frage hatte ich unter Hinweis auf einen  OLG Hamm, Beschl. v. 11.02.2010 – 3 Ss OWi 319/09  in der Vergangenheit anders gesehen und war von einem inhaltlichen Mangel mit der Folge der Unwirksamkeit ausgegangen. Es hatte aber bereits das OLG Hamm in seinem „klarstellenden Beschluss“ OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2014 – 3 RBs 49/13 anders gesehen und darauf hingewiesen, dass bei einem solchen inhaltlichen Mangel lediglich eine Beschränkung des Einspruchs allein auf die Rechtsfolgen unzulässig sei, mit der Folge, dass der Bußgeldrichter eigene Feststellungen zum äußeren und inneren Tatbestand des § 24 a StVG treffen müsse. Das greift das OLG Celle auf. Allerdings mit der Formulierung: „Die Verteidigung bezieht sich für ihre Rechtsauffassung, die Wirkstoffkonzentration müsse im Bußgeldbescheid angegeben werden, auf Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., Rdnr. 550. Dies geht indes fehl. “ Dies „Dies geht indes fehl.“ tut weh 🙂 . Der Schmerz wird allerdings dadurch gelindert, dass sich das OLG auf die 3. Auflage bezieht, also die 4. offenbar noch nicht hat (war wiederum weh tut). Aber: In der 4. steht es anders. Ich bin ja nicht beratungsresistent. 🙂
  2. Mit dem Leitsatz 2 hält das OLG an seiner ständigen Rechtsprechung zur Fahrlässigkeit bei § 24a Abs. 2 StVG fest., wonach der Tatrichter neben dem Erreichen oder Überschreiten eines bestimmten BtM-Grenzwerts weitere Feststellungen zur Fahrlässigkeit hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „unter der Wirkung“, ggf. unter Heranziehung weiterer Beweisanzeichen, treffen muss (s. u.a auch die wohl h.M. in der Rechtsprechung der OLG, teilweise wird es inzwischen aber auch anders gesehen. Mal sehen, wo die Reise da hin geht.

Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf….-jetzt auch in Berlin?

© Shawn Hempel - Fotolia.com

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So, die letzten Vorweihnachtstage sind angebrochen. In vielen Büros „ist schon Schicht“. Das habe ich an den Rückläufern bei meinem letzten RVG-Newsletter gemerkt. Aber ein wenig wird dann doch noch gearbeitet. Und ich habe dazu heute den KG, Beschl. v. 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14 – 162 Ss 93/14 -betreffend die Fahrlässigkeit bei § 24a StVG. Ein Bereich, in dem es in letzter Zeit hoch streitig hergegangen ist, nämlich in der Frage: Wie/Wann handelt der Betroffene fahrlässig, wenn er nach länger zurück liegendem Drogenkonsum die Fahrt antritt. Und in dem Streit hat nun das KG in seinem „ellenlang“ begründeten Beschluss die Seiten gewechselt.

d) Demgegenüber sind zuletzt obergerichtliche Entscheidungen ergangen, welche in Übereinstimmung mit Peter König (in Hentschel/König/Dauer, 42. Aufl., § 24a StVG Rn. 25b; DAR 2007, 626; 2010, 277 [Anm. zu KG DAR 2010, 274]; NStZ 2009, 425; vgl. auch Janker in Burmann/Hess/Jahnke/Janker, 22. Aufl., § 24a StVG Rn. 7; NK-GVR/Krumm, § 24a StVG Rn. 26, 28; Tolksdorf, DAR 2010, 686) die faktische Beschränkung des Fahrlässigkeitsvorwurfs auf die drei Fallgruppen ‚Zeitnaher Konsum’, ‚Hoher THC-Wert’ und ‚Erkennbarkeit aufgrund besonderer Umstände’ als zu eng ansehen (vgl. OLG Bremen NStZ-RR 2014, 257; OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 47; OLG Hamm Blutalkohol 48, 288; mit Einschränkung auch OLG Stuttgart DAR 2011, 218). In diesen Judikaten sind die sich aus der Gefährlichkeit des Straßenverkehrs und dem Erfordernis effektiven Rechtsgüterschutzes ergebenden besonders hohen Sorgfaltsanforderungen betont worden, die jedem Rauschmittelkonsumenten eine Pflicht auferlegen, sich gewissenhaft und gründlich über die Wirkdauer von Drogen zu informieren und bei verbleibenden Unklarheiten die Fahrt zu unterlassen. e) Dem folgt der Senat. An seiner Rechtsprechung, einem Betroffenen, dessen Cannabiskonsum „längere Zeit“ (DAR 2010, 274: 14 bis 18 Stunden) zurückliegt, könne ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden, hält er nicht fest. Im Regelfall besteht für den Tatrichter kein Anlass, an der Sorgfaltspflichtverletzung und dem subjektiven Sorgfaltsverstoß zu zweifeln, wenn der analytische Grenzwert bei der Fahrt erreicht wird. Denn nach § 24a Abs. 3 StVG handelt bereits fahrlässig, wer nach dem Konsum berauschender Mittel ein Kraftfahrzeug führt, ohne sich sicher sein zu können, dass der Rauschmittelwirkstoff noch nicht vollständig unter den analytischen Grenzwert abgebaut ist (Anschluss an OLG Bremen NStZ-RR 2014, 257). Kann der Konsument die Sicherheit nicht gewinnen, so darf er kein Kraftfahrzeug führen.“

Ich habe mit solchen Entscheidungen immer meine Probleme, weil mir nicht so ganz richtig klar ist, warum eigentlich das, was man früher anders gesehen hat, nun auf einmal nicht mehr richtig ist/sein soll. Und da helfen mir auch 16 Seiten Begründung nicht so richtig weiter. Zwar eine Fundgrube der Rechtsprechung der OLG zu dieser Problematik, aber so richtig überzeugt es micht nicht. Nun denn: Man muss damit leben ….. jetzt also auch in Berlin

Drogenfahrt: Wann ist der Fahrtantritt nach Drogenkonsum fahrlässig?

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Nicht ganz unbestritten in der Rechtsprechung ist die Frage, wie bei der Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 StVG die Fahrlässigkeit zu bestimmen ist. Wir haben darüber ja auch schon häufiger berichtet (vgl. u.a. Drogenfahrt: Weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf…. und Drogenfahrt: Lallen und starkes Zittern? Reicht das?). Dabei geht es vornehmlich um die Frage eines Fahrlässigkeitsvorwurfs, wenn der zwischen dem Drogenkonsum und dem Fahrtantritt ein längerer Zeitraum liegt. Dann fragt sich die Rechtsprechung: Ggf. fahrlässig, wenn der Betroffene noch unter der Wirkung eines berauschenden Mittels steht. Dazu dann jetzt auch noch einmal der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 10.05.2013 – 1 (3) Ss Bs 131/13-AK 35/13, der die Fragen wie die m.E. zutreffende h.M. löst:

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer nur geringen Überschreitung des analytischen Grenzwerts und einem längeren zeitlichen Abstand von etwa einem Tag zwischen dem Konsum des berauschenden Mittels und dem Fahrtantritt es an der Erkennbarkeit der fortbestehenden Wirkung fehlen kann (OLG Hamm a.a.O.; OLG Braunschweig Blutalkohol 2010, 298; OLG Frankfurt NStZ-RR 2007 und NZV 2010, 530; KG NZV 2009, 572 und VRS 118, 205; OLG Celle NZV 2009, 89; OLG Saarbrücken NJW 2007, 309 und 1373; wohl auch OLG Stuttgart DAR 2011, 218; OLG Zweibrücken Verkehrsrecht aktuell 2006, 194; OLG Bremen NZV 2006, 276; dagegen OLG Hamm Blutalkohol 2011, 288; König DAR 2007, 626; NStZ 2009, 425 und in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 24a StVG Rn. 25b; ähnlich OLG Jena Blutalkohol 2010, 247; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483). In einem solchen Fall bedarf es näherer Ausführungen dazu, aufgrund welcher Umstände sich der Betroffene hätte bewusst machen können, dass der Cannabiskonsum noch Auswirkungen bei Fahrtantritt haben konnte. Dies lässt sich dem angefochtenen Urteil, demzufolge die Aufnahme des berauschenden Mittels mehr als einen Tag vor Fahrtantritt gelegen haben kann, indes nicht entnehmen.

3. Da der zeitliche Abstand zwischen dem Rauschmittelkonsum und dem Fahrtantritt für die Beurteilung des Falles von entscheidender Bedeutung sein kann, das angefochtene Urteil aber keine Begründung dafür enthält, warum eine nähere zeitliche Eingrenzung des Zeitpunkts, zu dem der Betroffene Cannabis konsumiert hat, unterblieben ist, hebt der Senat das Urteil insgesamt auf, um zu ermöglichen, dass in einer neuen Hauptverhandlung unter Heranziehung eines rechtsmedizinischen Sachverständigen widerspruchsfreie Feststellungen getroffen werden können.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach den dazu vorliegenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen THC in der Regel schon nach wenigen Stunden soweit verstoffwechselt ist, dass der Gehalt im Serum unter der Nachweisgrenze liegt. Etwas anderes gilt nur bei Dauerkonsumenten, bei denen sich THC im Fettgewebe abgelagert, aus dem es bei Abstinenz wieder ausgeschieden wird (vgl. Skopp et al., Archiv für Kriminologie 212 (2003): 83 – 95; 228 (2011), 46 – 59; Berr/Krause/Sachs, Drogen im Straßenverkehrsrecht, 2007, S. 122 ff., 152 ff.). Ein über der Nachweisgrenze liegender Serumspiegel an THC deutet danach entweder – bei Gelegenheitskonsum – auf einen zeitlich nur wenige Stunden zurückliegenden Konsum oder aber auf einen längerdauernden Cannabiskonsum hin, was, da sich auch der medizinische Laie das Wissen von den Auswirkungen verschaffen kann, in beiden Fällen den Fahrlässigkeitsvorwurf rechtfertigt. Auf der Grundlage der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse ist der Tatrichter nach Auffassung des Senats ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte nicht gehalten, nach dem Zweifelsgrundsatz davon auszugehen, dass der (einmalige) Konsum länger als 24 Stunden zurückliegt. Im vorliegenden Fall wird dabei auch das widersprüchliche Einlassungsverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen sein.

 

Bremsscheibenkontrolle beim Lkw, nein, oder vielleicht doch?

entnommen wikimedia.org Urheber Johann H. Addicks

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Urheber Johann H. Addicks

Muss der Fahrer eines Lkw vor Fahrtantritt die Bremsscheibens eine Lkw eine Sichtkontrolle unterziehen? Mit der Frage hatte sich Anfang des Jahres das OLG Düsseldorf im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.01.2014 -IV-3 RBs 11/14 – zu befassen. Und? Muss er nicht. Nun, grds. nicht, aber im Ausnahmefall vielleicht doch. So ganz klar ist es nicht, was das OLG nun will, wenn es ausführt:

Die Feststellungen tragen aber nicht die Annahme von Fahrlässigkeit des Betroffenen in Bezug auf den Verstoß. Der strafrechtliche Fahrlässigkeitsmaßstab fordert die nach den objektiven Umständen gebotene und den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., Einl. Rn. 138). Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO ist der Fahrzeugführer für die Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs verantwortlich. Er hat sich jeweils vor Fahrtantritt im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren davon zu überzeugen (vgl. König a. a. O., § 23 StVO Rn. 15 ff m. w. N.). Da die Funktionsfähigkeit der Bremsanlage von enormer Wichtigkeit für die Verkehrssicherheit ist, bestehen insoweit strenge Anforderungen an die Prüfpflicht des Fahrers. Der Führer eines Lastkraftwagens ist grundsätzlich vor Antritt der Fahrt verpflichtet, die Bremsanlage durch Bremsproben zu überprüfen (vgl. OLG Koblenz VRS 41, 267; 51, 267; BayObLGSt 1973, 216; OLG Frankfurt a.M. VersR 1980, 196; OLG Hamm, Beschl. v. 10.9.1992, 3 Ss OWi 853/92, […]; König a. a. O. Rn. 18). Eine derartige Bremsprobe hat der Betroffene vor der Fahrt durchgeführt. Soweit das Amtsgericht davon ausgeht, dass ein Lastzugfahrer jeweils vor Fahrtantritt die Bremsscheiben des Lastzugs durch die Löcher in den Felgen einer Sichtkontrolle auf Risse unterziehen muss, überspannt das Amtsgericht aber die Sorgfaltsanforderungen an einen Lastkraftfahrer (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 3. Februar 2009 – 311 SsRs 138/08 -, […], OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 2007 – 4 Ss OWi 146/07 -, […]). Eine Pflicht zu regelmäßigen Sichtkontrollen der Bremsscheiben ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht angenommen worden (OLG Celle, a. a. O., OLG Hamm a. a. O.). Auch der Senat sieht keine grundsätzliche Verpflichtung zur Kontrolle der Bremsscheiben vor Fahrantritt. Aus den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der „Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution“ ist nicht zu entnehmen, dass die Bremsanlage einer Sichtprüfung zu unterziehen ist. In der Durchführungsanordnung zu § 36 Abs. 1 UVV wird auf den BG-Grundsatz „Prüfung von Fahrzeugen durch Fahrpersonal“ (BGG 915) verwiesen. Darin sind die Prüfpunkte für die Fahrzeugkontrolle – u. a. für die Bremsanlage – festgelegt. Der Prüfungsumfang richtet sich nach der Art der Bremsanlage (hydraulisch, Druckluft, sonstige), wobei bei keiner Anlage eine optische Kontrolle vorgesehen ist. Den Betroffenen träfe nur dann ein Fahrlässigkeitsvorwurf, wenn er im konkreten Fall einen besonderen Anlass zu einer Sichtkontrolle der Bremsscheiben gehabt hätte. Ein solcher Anlass zu gesteigerter Sorgfalt kann etwa bestehen, wenn entsprechende Mängel zuvor bereits einmal festgestellt worden sind (vgl. dazu KG VRS 82, 149). Der Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene sei auf Grund der Vielzahl der Hitzerisse, die über einen längeren Zeitraum hinweg entstanden seien, zur Prüfung der Bremsscheiben auch auf durchgehende Risse verpflichtet gewesen, folgt der Senat nicht. Denn die Hitzerisse waren nach den Angaben des Sachverständigen überwiegend unproblematisch. Bei harmlosen Mängeln, die sich erst über einen längeren Zeitraum verschlechtern, darf sich der Fahrer aber grundsätzlich darauf verlassen, dass diese bei der regelmäßigen Wartung, spätestens aber bei der Hauptuntersuchung des Fahrzeuges festgestellt und beseitigt werden. Die Pflicht zu genauerer Prüfung vor Fahrtantritt könnte hier allenfalls daraus folgen, dass die Mängel an der Bremsscheibe so auffällig waren, dass sie von dem Betroffenen bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflicht zur Kontrolle der Reifen auf ausreichenden Luftdruck und Profiltiefe sowie der Radmuttern auf festen Sitz hätten bemerkt werden müssen. Dies ist durch die Feststellungen des Urteils aber nicht hinreichend belegt. Dass der Zeuge POK M. und der Sachverständige die durchgehenden Risse durch die „in ausreichender Zahl vorhandenen und ausreichend großen Lüftungsöffnungen der Felgen ohne Zuhilfenahme von Werkzeugen“ sehen konnten, besagt nicht, dass auch der Betroffene diese erkannt haben musste. Hiervon wäre nur auszugehen, wenn mindestens ein durchgehender Riss – völlig unabhängig von der Radstellung – durch die Felgenlöcher zwingend erkennbar gewesen ist. Dazu ist weitere Aufklärung zur Position der durchgehenden Risse auf der Bremsscheibe erforderlich. Sollte nicht auszuschließen sein, dass beide Risse durch die Bremsbacken verdeckt gewesen sein könnten, scheidet ein Fahrlässigkeitsvorwurf aus. Denn der Betroffene war nicht verpflichtet, den Sattelzug mehrfach um wenige Zentimeter zu bewegen, um so die Bremsscheiben vollständig in Augenschein nehmen zu können. Ein derartiger Aufwand überspannte die Anforderungen an einen Kraftfahrer.

Und: Alle vom OLG zitierten Schutzvorschriften sehen eine Sichtkontrolle von Bremsscheiben nicht vor.