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„Vollmachtstrick“ (?) – selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht

© TAlex - Fotolia.com

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Ich habe ja in der letzten Zeit schon ein paar Mal über Verfahren berichtet, in denen der Verteidiger eine Verwerfung des Einspruchs (gegen den Strafbefehl/Bußgeldbescheid) wegen unerlaubter Abnwesenheit des Angeklagten/Betroffenen u.a. dadurch zu verhindern versucht hatte, dass er einen Entbidnungsantrag gestellt und eine von ihm selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht vorgelegt hatte (vgl. dazu für das OWi-Verfahren den KG, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 Ws (B) 202/13 – 122 Ss 62/13 /12 und Der nächste “Vollmachtstrick” (?) – die selbst unterzeichnete Vertretungsvollmacht sowie für das Strafverfahren den OLG Dresden, Beschl. v. 21.08.2012 – 3 Ss 336/12 und dazu Vertretungsvollmacht – selbst unterzeichnet, das ist kein “Vollmachts-Trick”). Nun hat es auch das OLG Celle „erwischt“. Das hat im OLG Celle, Beschl. v. 20.01.2014 – 322 SsRs 24/13 – die Selbstunterzeichnung ebenfalls für zulässig angesehen und mit der Begründung die Ablehnung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Entbindungsantrages (§§ 73, 74 OWiG) gerügt.

b) Das Amtsgericht hat dem Betroffenen das rechtliche Gehör versagt, indem es den von seinem Verteidiger gestellten Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung abgelehnt hat. Nachdem der Betroffene bei seinem Verteidiger seine Fahrereigenschaft verwertbar eingeräumt hatte und im Übrigen angekündigt hatte, keine weiteren Angaben machen zu wollen, war das persönliche Erscheinen des Betroffenen in der Hauptverhandlung unter keinem Gesichtspunkt mehr erforderlich. Danach hätte das Amtsgericht dem Entbindungsantrag des Betroffenen stattgeben müssen und den Einspruch nicht verwerfen dürfen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die dem Verteidiger erteilte Vollmacht nicht von dem Betroffenen persönlich unterzeichnet war. Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:

„Der Verteidiger war auch im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG legitimiert, weil er von dem Betroffenen zur Vertretung bevollmächtigt wurde und seine Vertretungsbefugnis durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen hat. Dabei ist unschädlich, dass der Verteidiger die Vollmachtsurkunde selbst unterzeichnet hat. Diesbezüglich ist zwischen der Erteilung der Vollmacht und dem Nachweis durch Vorlage einer entsprechenden Urkunde zu unterscheiden. Einer besonderen Form bedarf die Erteilung der umfassenden Vertretungsvollmacht nicht; sie kann insbesondere auch mündlich erteilt werden. In der Erteilung kann die Ermächtigung enthalten sein, eine ggf. erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Auftraggebers zu unterzeichnen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 07.11.2001 – 5StRR 285/01 ; KG Berlin, Beschl. v. 12.06.2013 – 3 Ws (B) 202/13). Nach dem Vorbringen in der Rechtsbeschwerde hat der Betroffene seinen Verteidiger umfassend bevollmächtigt. Diese Erklärung schließt die Ermächtigung des Verteidigers ein, die Vollmachtsurkunde im Namen des Betroffenen zu unterzeichnen (vgl. BayObLG, a.a.O.; KG Berlin, a.a.O.). Danach war der Verteidiger berechtigt für den Betroffenen Erklärungen auch zur Sache abzugeben und einen Entbindungsantrag zu stellen.“

Es ist übrigens kein „Vollmachtstrick“ :-).

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Mein Gott, wie oft müssen OLG das eigentlich noch schreiben? – Die Pflicht zur Entbindung des Betroffenen

Der Kollege, auf dessen Rechtsbeschwerde hin der OLG Bamberg, Beschl. v. 14.03.2013 – 3 Ss OWi 344/13 ergangen ist, hat mir die Entscheidung zukommen lassen. Beim Lesen habe ich dann (nur) gedacht. Ausgekautes Problem. Allerdings: Wie oft müssen die OLG denn eigentlich noch zu der Frage Stellung nehmen, wann der Betroffene von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung des Bußgeldverfahrens entbunden werden muss. Das haben wir doch alles schon mehrfach gelesen und müssen es immer wieder lesen. Offenabr gibt es dann doch immer wieder noch (unbelehrbare) Amtsrichter, die die §3 73, 74 OWiG als Mittel zur Disziplinierung der Betroffenen und auch der Verteidiger sehen undden Betroffenen zum Erscheinen zwingen bzw. die Verwerfung des Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vorbereiten wollen.

Hier daher noch einmal zum Mitschreiben die Leitsätze des OLG Bamberg, Beschl. v. 14.03.2013 – 3 Ss OWi 344/13, die der h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung entsprechen.

Muss das Amtsgericht aufgrund der Begründung des Entbindungsantrags davon ausgehen, dass der Betroffene keine weiteren Angaben mehr machen und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich sein würde, ist er von der Pflicht zur persönlichen Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu entbinden. Das gilt insbesondere, wenn die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu seiner Identifizierung unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nicht (mehr) erforderlich ist, weil der Betroffene eingeräumt hat, zu dem im Bußgeldbescheid genannten Tatzeitpunkt das Tatfahrzeug geführt zu haben

Liegen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vor, ist die Entscheidung über den Entbindungsantrag nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt; vielmehr ist das Gericht dann verpflichtet, dem Antrag zu entsprechen, sofern nicht die Aufklärungspflicht die Anwesenheit des Betroffenen unverzichtbar macht

Und aus dem Beschluss:

Auch kann die Ablehnung eines Antrages auf Befreiung von der Erscheinenspflicht selbst im Falle eines drohenden Fahrverbots nicht darauf gestützt werden, dass insoweit noch Detailfragen – etwa zur Frage des Eintritts einer wirtschaftlichen Existenzkrise bei einem Berufskraftfahrer – zu klären seien, die allein der Betroffene beantworten kann. Denn eine solche, gegebenenfalls in vergleichbaren Fällen durchaus erfüllte tatrichterliche Erwartung ist letztlich im konkreten Fall nur theoretisch oder spekulativ und vermag deshalb allein ein Aufklärungsinteresse im Sinne des § 73 Abs. 2 OWiG nicht begründen, wenn sich der seine Fahrereigenschaft ein-räumende Betroffene zur Sache geäußert und gleichzeitig erklärt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weiter einlassen zu wollen.

Interessanter Nebenaspekt der Entscheidung: Das OLG hat – ohne dazu Ausführungen zu machen – die Sache an „eine andere Abteilung“ des AG zurückverwiesen. Für das darin liegende Abweichen von der Regel des § 79 Abs. 6 OWiG dürften Querelen zwischen Betroffenem/Verteidiger und Amtsrichter der Grund sein. Denn warum sonst? Der Kollege hat es bei der Übersendung der Entscheidung übrigens auch angedeutet 🙂

 

Terminsverlegung a la LG Hannover

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Häufig muss gerade im Bußgeldverfahren um eine Terminsverlegung (heftig) gekämpft werden. Wird sie dann vom AG ablehnt, ist die Frage streitig, ob der Betroffene/Angeklagte dagegen ein Rechtsmittel einlegen kann. Das wird z.T. in der Rechtsprechung vollständig verneint, z.T. wird die Beschwerde unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Bislang ist das LG Hannover Verfechter der vollständigen Ablehnung gewesen. Aber es ist/war nicht gegen bessere Einsicht gefeit, sondern hat seine bsiherige Rechtsprechung aufgegeben. Nun geht es – ebenso wie die wohl überwiegenden Auffassung – davon aus, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung, einen festgesetzten Hauptverhandlungstermin zu verlegen, ausnahmsweise zulässig, wenn die Ablehnung in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffen und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offensichtlich ist (vgl. LG Hannover, Beschl. v. 30.11.2012 – 48 Qs 162/12).

Und das LG setzt gleich noch einen drauf, wenn es dem Amtsrichter einen deutlichen Hinweis gibt, wie er mit der Ablehnung eines Terminsverlegungsantrages umgehen muss: Das AG muss sich in seiner Entscheidung über die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags mit den Belangen des Angeklagten/Betroffenen einerseits und dem eigenen Interesse an der Aufrechterhaltung des Hauptverhandlungstermins andererseits beschäftigen und dies in seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen müssen.

Und, und auch insoweit zutreffend:

Die ablehnende Entscheidung gemäß § 73 Ordnungswidrigkeitengesetz ist selbständig nicht anfechtbar (Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 16. Aufl., § 73 Rn. 16). Die Ablehnung des Antrags des Betroffenen, ihn von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren aufgrund der Verfahrensrüge überprüfbar, nicht aber im Rahmen eines der erstinstanzlichen Entscheidung vorausgehenden Beschwerdeverfahrens.“

 

 

Wo ist der Unterschied zwischen Rotlichtverstoß und Handyverstoß?

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Dann will ich zu der zu erwartenden Entscheidung des OLG Düsseldorf betreffend §§ 73, 74 OWiG gleich ein weitere Entscheidung zu der Problematik hinterher schicken. nämlich den OLG Düsseldorf, Beschl. v.22.08.2012 – IV 1 RBs 121/12. Wenn die Amtsrichterin die Ablehnung des Entbindungsantrages in dem Verfahren gegen Sidney Sam ebenso begründet hat wie der Amtsrichter in dem dem OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Verfahren, hätte die  gute Aussicht auf Erfolg. Wird aber wohl nicht der Fall sein

Allerdings: Die vom AG in dem hier vorgestellten Fall gewählte Begründung trifft man immer wieder an, obwohl sie immer wieder auch von OLG als unzulässig/Rechtsfehlerhaft beanstandet wird. Allein die theoretische Möglichkeit, der Betroffene werde seinen Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung überdenken, reicht eben nicht aus, ihm die Befreiung von seiner Verpflichtung zum Erscheinen zu verweigern. So auch das OLG Düsseldorf.

Interessant ist, dass das OLG sich von seinem Beschl. v. 14. 12.2011 (IV-1 RBs 144/11 (vgl. dazu hier) abgrenzt. Frage zu Recht?

Im vorliegenden Fall wurde dem Betroffenen in Rotlichtverstoß zur Last gelegt. Den hatte der Betroffene gegenüber den Polizeibeamten am Vorfallsort bestritten. Das AG hatte seinen Entbindungsantrag (§ 73 OWiG) mit der Begründung abgelehnt, das Erinnerungsvermögen der Zeugen sei größer, wenn sie den Betroffenen zu Gesicht bekämen. Das OLG hat das als Begründung nicht gelten lassen. Das werde nicht durch einzelfallbezogene konkrete Tatsachen gestützt. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Erinnerung der polizeilichen Zeugen an den Vorfall notwendig an den optischen Eindruck von dem Betroffenen geknüpft sei.

In dem Zusammenhang verweist das OLG eben auf seinen Beschl. v. 14. 12. 2011 (IV-1 RBs 144/11). In dem hatte das OLG in einem Verfahren wegen des Vorwurfs der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefon die Ablehnung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der vier Monate nach der Tat stattfindenden Hauptverhandlung nicht beanstandet. Das hatte es damit begründet, dass der Polizeibeamter den Tatvorwurf bezeugen solle, und somit die Feststellung, ob der Betroffene verbotswidrig mobiltelefoniert habe, maßgeblich davon abhänge, ob sich der Zeuge konkret daran erinnere, dass er gesehen habe, dass der Betroffene ein Mobiltelefon bedient habe. Dazu müsse er den Betroffenen unmittelbar identifizieren. Bereits dieser Umstand rechtfertigte damals für das OLG die Annahme, die Anwesenheit des Betroffenen sei erforderlich.

Mir erschließt sich der Unterschied zum Rotlichtverstoß nicht.

Immer wieder schön (falsch) – der zu Unrecht abgelehnte Entbindungsantrag im Bußgeldverfahren

Die Verwerfungsurteile nach den §§ 73, 74 Abs. 2 OWiG sind m.E. häufig ein recht erfolgversprechender Weg zu einer erfolgreichen Rechtsbeschwerde. Denn hier kommt es häufig zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Verwerfungsentscheidung und daraus resultierend zu Zeitgewinn für den Betroffenen, der im  straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren im Hinblick auf eine Fahrverbotsentscheidung für den Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann.

Die hohe Zahl von Aufhebungen wundert mich. Denn die Rechtslage ist klar: Wenn der Betroffene klar und unmissverständlich erklärt, dass er der Fahrer zum Vorfallszeitpunkt war und außerdem mitteilt, dass er mehr in der Hauptverhandlung nicht sagen wird, dann ist von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung keine weitere Aufklärung zu erwarten. Er muss dann von seiner Anwesenheitspflicht entbunden werden. Alle Spekulationen des Amtsrichters, was darüber hinaus sein könnte, sind dann überflüssig. Warum die Amtsrichter das teilweise nicht sehen und meinen, sie könnten den Betroffenen in der Hauptverhandlung zu weiteren Angaben veranlassen/überreden, ist mir unverständlich. Das Ergebnis liegt dann jedoch i.d.R. auf der Hand: Es wird nicht entbunden, der Betroffene erscheint aber nicht, es wird verworfen, und: Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Als Beispiel dient hier dazu der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.06.2012 – 2 (6) SsRs 279/12  AK 73/12:

Die Rüge ist auch begründet, denn das Amtsgericht hätte den Einspruch nicht durch Prozessurteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verwerfen dürfen, sondern hätte zur Sache verhandeln und das Vorbringen des Betroffenen berücksichtigen müssen. Den Antrag, den Betroffenen von der Pflicht zum Erscheinen zu entbinden, durfte das Amtsgericht nicht ablehnen. Gemäß § 73 Abs. 2 01MG befreit das Gericht den Betroffenen auf dessen Antrag, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.

Der vertretungsbefugte Verteidiger des Betroffener hat für diesen die Erklärung abgegeben, der Betroffene sei der Fahrzeugführer gewesen, und hat mitgeteilt, der Betroffene werde weiter nichts sagen. Damit war unmissverständlich klargestellt, dass von der persönlichen Anwesenheit des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin keinerlei weitergehende Aufklärung zu erwarten war, so dass die Spekulationen des Amtsgerichts, der Betroffene werde in der Hauptverhandlung vielleicht doch Angaben machen, jeder Substanz entbehren und keineswegs ge- eignet sind, das Erscheinen des Betroffenen zu erzwingen bzw. ein Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG zu rechtfertigen. Da somit die Voraussetzungen für eine Entbindung des Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht vorgelegen haben, war die Zurückweisung des dahingehenden Antrags und auch die darauf basierende Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG rechtsfehlerhaft.

 Für den Verteidiger ist die Rechtsbeschwerde allerdings nicht so ganz einfach. Denn die Begründungsanforderungen an die zu erhebende Verfahrensrüge sind hoch.