Schlagwort-Archive: Einziehung

StPO II: Einziehung einer Photovoltaikanlage, oder: Zubehör ist rechtlich selbständig

Bild von Roy Buri auf Pixabay

Und als zweite Entscheidung dann das BGH, Urt. v. 12.07.2023 – 6 StR 417/22.

Das LG hat den Angeklagten F.   wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt sowie die Einziehung eines mit einer Tennishalle bebauten Grundstücks, der auf dem Hallendach installierten Photovoltaikanlage und des Wertes von Taterträgen angeordnet. Dagegen die Revision, die hinsichtlich der Einziehung teilweise Erfolg hatte:

„1. Nach den Feststellungen betrieben die bereits verurteilten D.Y., T., O.Y. sowie weitere Personen in der leerstehenden Tennishalle des Angeklagten F. eine Marihuanaplantage. In der Zeit von September 2020 bis Mai 2021 kam es zu einer Ernte und einer weiteren Anpflanzung. Wegen der ihm versprochenen Hallenmiete billigte F. den Anbau des Marihuanas zum gewinnbringenden Weiterverkauf und die Versorgung der Plantage mit Strom aus der auf dem Dach der Halle montierten Photovoltaikanlage; ferner unterstützte er beide Anbauvorgänge durch die Bereitstellung von Wohnraum für die Plantagenarbeiter, Transporttätigkeiten und das Überlassen von Gerätschaften.

2. Die zum Schuld- und Strafausspruch erhobenen Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

……

3. Eine weitere Verfahrensbeanstandung des Angeklagten führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung der Photovoltaikanlage.

a) Der Angeklagte rügt zu Recht, dass er auf diese Rechtsfolge weder in der zugelassenen Anklage noch in der Hauptverhandlung hingewiesen wurde.

aa) Einem Angeklagten ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO in der Hauptverhandlung stets ein förmlicher Hinweis zu erteilen, wenn die zugelassene Anklage keinen Hinweis auf eine dort genannte Rechtsfolge enthält, wie etwa die Maßnahme der Einziehung von Tatmitteln (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB). Die Hinweispflicht gilt unabhängig davon, ob sich in der Hauptverhandlung im Vergleich zum Inhalt der Anklageschrift oder des Eröffnungsbeschlusses neue Tatsachen ergeben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – GSSt 1/20, BGHSt 66, 20).

bb) Der danach gebotene Hinweis wurde dem Angeklagten nicht erteilt. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, dass die Einziehung der auf dem Dach der Tennishalle installierten Photovoltaikanlage, die später der Versorgung der Marihuanaplantage mit Strom diente, schon aus ihrer Zubehöreigenschaft (§ 97 BGB) folgt. Denn Zubehör ist grundsätzlich rechtlich selbstständig; es unterliegt insoweit den für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften, Zubehörstücke teilen daher nicht zwingend das rechtliche Schicksal der Hauptsache (vgl. MüKo-BGB/Stresemann, 9. Aufl., § 97 Rn. 42).

b) Auf diesem Rechtsfehler, der auch die zugehörigen Feststellungen erfasst (§ 353 Abs. 2 StPO), beruht die Einziehungsentscheidung. Denn es erscheint zumindest möglich, dass sich der Angeklagte erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 20/19).“

Einziehung III: (Ganz) kleine Rechtsprechungsübersicht, oder: Weiterverkauf von BtM, Spesen, Entreicherung

entnommen openclipart.org

Und dann noch der Rest an Einziehungsentscheidungen aus meinem Blogordner, und zwar:

„Im Fall 2 der Urteilsgründe begegnet die Einziehungsanordnung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden dem Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe 106 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15 Prozent im Wert von 4.000 Euro geliefert, die er gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Durch diese Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlangte der Angeklagte Kokain. Das Landgericht hat einen dessen Wert entsprechenden Geldbetrag (4.000 Euro) nach §§ 73, 73c StGB eingezogen.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel nicht Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB sind, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel wie hier aber im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen (BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – 5 StR 244/21).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Satz 1 StPO). Anders als in den übrigen Fällen ist im Fall 2 gerade nicht festgestellt, dass dem Angeklagten der Erlös aus einem etwaigen Weiterverkauf zugeflossen ist. Die Voraussetzungen einer Wertersatzeinziehung nach §§ 73, 73c StGB von 4.000 Euro als Mindestverkaufserlös liegen somit nicht vor. Wie vom Generalbundeanwalt beantragt, hat der Senat den Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um 4.000 Euro reduziert.“

„Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen erhielt die Angeklagte den Betrag von 1.500 Euro von einem der Hintermänner, um damit das für die Tatausführung erforderliche Fahrzeug anmieten und Übernachtungskosten bezahlen zu können.

Bei dieser Sachlage hat die Angeklagte den Geldbetrag – anders als es bei der erstrebten Teilhabe an der Tatbeute läge – nicht für die Taten, sondern für deren Durchführung erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2010 – 4 StR 277/10; NStZ-RR 2011, 283, 284 mwN).

Derartige „Spesen“ unterliegen als Tatmittel der Einziehung nach § 74 Abs. 1 und § 74c Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2002 – 3 StR 240/02; Urteil vom 25. Februar 1993 – 1 StR 808/92; BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 4). Die Einziehung des Tatmittels beziehungsweise dessen Wertes nach § 74c Abs. 1 StGB steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 34/20). Eine solche Ermessensentscheidung hat das Landgericht – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – nicht getroffen.

Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).“

1. § 459 Abs. 5 S. 1 StPO in der ab 01.07.2021 geltenden Fassung findet ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf Einziehungsentscheidungen Anwendung, auch wenn die der Einziehung zugrundeliegende Tat vor dem 01.07.2021 begangen wurde. Der Meistbegünstigungsgrundsatz aus § 2 Abs. 3 StGB ist auf § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht anzuwenden (Anschluss OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2022, 4 Ws 514/22, und OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2022, 2 Ws 63/22, sowie OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2022, 5 Ws 211/22, juris Rn. 19; entgegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.05.2022, 1 Ws 122/22, und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22.09.2022, 1 Ws 118/21).

2. Für die Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes wegen Unverhältnismäßigkeit ist es nicht ausreichend, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist.

Einziehung I: Untervermietung für „BtM-Plantage“, oder: Kein Abzug der Mietzahlung vom Wertersatz

entnommen wikimedia.org
Author H. Zell

Seit der Änderungen der §§ 73 ff. StGB im Jahre 2017 sind die Fragen der Einziehung nicht „in aller Munde“, aber doch in sehr vielen Urteilen. Das hat damit zu tun, dass der Anwendungsbereich der Regelungen durch die Neuregelung doch erheblich ausgeweitet worden ist. Es gibt fast kaum noch BGH-Entscheidungen, in denen nicht zu Einziehungsfragen Stellung genommen wird. Im Übrigen: Spigelbildlich hat dann auch im Gebührenrecht die mit der Nr. 4142 VV RVG zusammenhängende Problematik an Bedeutung erheblich zugenommen.

Das vorausgeschickt. Und dann: Heute gibt es hier einen „Einziehungstag“.

Und den eröffne ich mit dem BGH, Urt .v. 16.05.2023 – 1 StR 345/22. Das LG hatte in dem Verfahren den Angeklagten wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Es hat ferner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 EUR angeordnet. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt. Auf diese Revision hat der BGH mit Beschluss vom 11.01.2023 die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie über die Kosten des Rechtsmittels vorbehalten und die weitergehende Revision verworfen. Jetzt hatte er dann in der Sache nur noch die Anordnung der Einziehung von Wertersatz zu prüfen. Insoweit hatte die Revision (auch) keinen Erfolg:

„Das Landgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Der Angeklagte, der seinen Lebensunterhalt u.a. mit der Untervermietung angemieteter Objekte verdiente, vermietete in der Zeit von Juli 2020 bis Februar 2021 eine Industriehalle sowie zwei angrenzende Wohnungen an den gesondert Verfolgten M., der – wie der Angeklagte von Anfang an wusste – die Halle zum Betrieb einer Marihuanaplantage und die Wohnungen zur Unterbringung der Plantagenarbeiter nutzte. Hierfür erhielt er von M. acht monatliche Mietzahlungen von je 5.400 € in bar, mithin 43.200 €. Die M. überlassenen Räumlichkeiten sowie zwei anderweitig vermietete Wohnungen hatte der Angeklagte zum Zwecke der Weitervermietung von dem Eigentümer angemietet. An diesen zahlte er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine monatliche Miete von 5.800 €. Ob der Angeklagte bereits bei der Anmietung der Räumlichkeiten noch vor dem Jahr 2019 eine illegale Nutzung des Geländes im Blick hatte, hat das Landgericht nicht festgestellt.

II.

Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 43.200 € nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Der Angeklagte hat die an ihn gezahlten Mietzahlungen in Höhe von 43.200 € als Tatlohn für seine Unterstützung der von M. betriebenen Marihuanaplantage und damit „für“ die Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erhalten. Da die konkret erhaltenen Geldscheine als solche beim Angeklagten nicht mehr vorhanden waren, hat das Landgericht zutreffend gemäß § 73c Satz 1 StGB die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe der Belohnung angeordnet.

b) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die vom Angeklagten an den Eigentümer geleisteten Mietzahlungen von dem einzuziehenden Betrag auch nicht abzuziehen sind, soweit sie auf die an M. untervermieteten Räumlichkeiten entfallen. Zwar sind die Mietzahlungen des Angeklagten an den Eigentümer Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind; jedoch unterfallen diese Aufwendungen dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hängt die Abzugsfähigkeit nicht davon ab, ob der Angeklagte bereits bei Anmietung des Geländes eine illegale Nutzung bezweckte. Im Einzelnen:

aa) Bei der Bestimmung des Erlangten sind nach § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB Aufwendungen des Täters oder Teilnehmers abzuziehen. Aufwendungen in diesem Sinne sind alle geldwerten Leistungen, die zur Ermöglichung oder Durchführung der Tat aufgewendet werden. Der erbrachte Aufwand muss in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gerade mit dem strafrechtswidrigen Erlangen des Vermögenswertes stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 – 4 StR 387/20 Rn. 5, aber auch BGH, Urteil vom 30. März 2021 – 3 StR 474/19, BGHSt 66, 83 Rn. 73). Erforderlich ist ein innerer Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 78; BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 5 StR 558/19, BGHSt 65, 110 Rn. 84).

Demgegenüber sieht § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass das, was für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendet oder eingesetzt worden ist, außer Betracht bleibt und damit einem Abzugsverbot unterfällt. Die Vorschrift beschreibt den Kern des „Bruttoprinzips“ (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, BT-Drucks. 18/11640 S. 79). Mit dem Tatbestandsmerkmal „für“ wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an § 817 Satz 2 BGB sicherstellen, dass (nur) das, was für ein verbotenes Geschäft aufgewendet wurde, unwiederbringlich verloren sein müsse (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f.; BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 64). Daraus folgt, dass die Handlung oder das Geschäft, das unmittelbar zur Vermögensmehrung führt, selbst verboten sein muss (BGH aaO). Fehlt dieser Zusammenhang, sind die Aufwendungen zu berücksichtigen. Aufwendungen für nicht zu beanstandende Leistungen werden damit in Abzug gebracht, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis wie der strafrechtlich missbilligte Vorgang entstammen (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 67 f. mit Verweis auf BGH, Urteil vom 8. November 1979 – VII ZR 337/78, BGHZ 75, 299, 305).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt der gesamte Wert des an den Angeklagten gezahlten Tatlohns der Einziehung. Zwar waren die Mietzahlungen des Angeklagten Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB, die bei der Bestimmung des Erlangten grundsätzlich in Abzug zu bringen sind. Der erforderliche innere Zusammenhang mit Tat und Erwerbsakt ist gegeben. Der Angeklagte entrichtete seine monatlichen Mietzahlungen an den Eigentümer, indem er jeweils einen Teil der von M.       an ihn gezahlten Monatsmiete an diesen abführte (UA S. 10 und 51). Jedoch leistete er diese Aufwendungen – was in einem weiteren Schritt zu prüfen ist – „für“ die Tat, so dass sie dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB unterfallen. Ohne die Mietzahlungen an den Eigentümer wäre dem Angeklagten eine (weitere) Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an M.       und damit die Förderung der Haupttat nicht möglich gewesen. Dass der Angeklagte als Teilnehmer der Haupttat seine Aufwendungen zur Unterstützung des – verbotenen – Handelsgeschäfts des M.       einem unbeteiligten Dritten zukommen ließ, ist insoweit ohne Belang. Nach dem Bruttoprinzip unterfallen auch derartige mittelbare Aufwendungen dem Abzugsverbot, solange sie – wie hier – im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB für die vom Strafgesetz missbilligten Vorgänge aufgewendet werden.

Die Feststellungen belegen zudem, dass der von Anfang an über die tatsächliche Nutzung der Räumlichkeiten von M.      informierte Angeklagte die Aufwendungen auch willentlich und bewusst für das verbotene Geschäft einsetzte. Anders als der Generalbundesanwalt meint, kommt es nicht darauf an, ob der Angeklagte, der schon im Jahr 2018 einen Starkstromanschluss in die Halle legen ließ und gegenüber dem Voreigentümer vortäuschte, auf dem Gelände eine Lackiererei zu betreiben, die Räumlichkeiten vom Eigentümer bereits im Hinblick auf den späteren Betäubungsmittelhandel anmietete. Die Abzugsfähigkeit hängt nach § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB allein von einer subjektiven Komponente („für“) ab, d.h. davon, ob die für die Begehung der Tat oder für ihre Vorbereitung aufgewendeten oder eingesetzten Vermögenswerte „bewusst und willentlich“ (BT-Drucks. 18/9525 S. 68) getätigt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – 3 StR 518/19, BGHSt 66, 147 Rn. 101). In zeitlicher Hinsicht knüpft die Vorschrift an den Zeitpunkt der Aufwendung an, der hier mit der Zahlung der Miete an den Eigentümer zusammenfällt. Deswegen ist es aus rechtlichen Gründen ohne Relevanz, ob der Angeklagte die illegale Nutzung der Mietsache bereits bei Abschluss des Mietvertrags mit dem Eigentümer, also zeitlich weit im Vorfeld der geleisteten Aufwendungen, im Blick hatte.

 

Einziehung von Btm, eines Mobiltelefons, von Bitcoins, oder: Bitcoins sind mit Kurswert anzusetzen

Bild von MichaelWuensch auf Pixabay

Und dann hier noch der AG Langenfeld, Beschl. v. 21.04.2023 – 16 Ls 8/22. Klein, aber fein zum Gegenstandswert für die Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV RVG.

Eingezogen worden sind in einem Btm-Verfahren – Betäbungsmittel und ein Mobiltelefon sowie Bargeld. Das Besondere: Auf dem Mobiltelefon war auch die Wallet zu 1,3 Bitcoins vorhanden. Dies  war der einzige Ort, wo der Angeklagte die Wallet gespeichert hat. Geht diese verloren, sind auch die Bitcoins nichts mehr wert. Das AG hat die Bitcoins bei der Wertfestsetzung berücksichtigt:

„Der Gegenstandswert i.S.v. § 33 Abs. 1 RVG war wie tenoriert festzusetzen.

Die streitgegenständlichen Betäubungsmittel waren mit 0 € festzusetzen. Sie haben keinen Verkehrswert. Sie sind nicht verkehrsfähig. Die Herkunft ist unklar. Ein (legaler) Weiterverkauf wäre dem Verurteilten nichtmöglich gewesen. Der Verurteilte hat zudem sein Einverständnis mit einer außergerichtlichen Einziehung erklärt. Daraus ist abzuleiten, dass er den Betäubungsmitteln selbst keinen legalen Wert beimaß.

Das Bargeld war mit 1.700,00 € anzusetzen. Die 1,3 Bitcoins waren mit 33.798,57 € (Kurswert: 25.998,90 €) anzusetzen.

Die Mobiltelefone waren mit 100,00 € anzusetzen. Alter und Zustand führten dazu, dass diesen kein hoher Marktwert zu attestieren war. Der Verurteilte hat sein Einverständnis mit einer außergerichtlichen Einziehung erklärt. Daraus ist abzuleiten, dass er den Mobiltelefonen selbst keinen signifikanten Wert mehr beimaß.“

Zur Erstreckung nach altem Recht – fragwürdig, oder: Zur Einziehungsgebühr Nr. 4142 VV – Vortrag fehlt

Smiley

Die zweite Entscheidung kommt vom LG Detmold. Der dortige LG Detmold, Beschl. v. 21.02.2023 – 23 Qs 121/22 – behandelt zwei Themenbereiche, und zwar einmal die Frage der Erstreckung (§ 48 RVG) und dann den Anfall der Nr. 4142 VV RVG.

Wegen des Sachverhalts, der wie immer bei den „Erstreckungssachen“ etwas länger ist, verweise ich auf den verlinkten Volltext. Das LG hat dann mit dem AG die Erstreckung abgelehnt und die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nicht festgesetzt.

Zur Erstreckung ist anzumerken, dass sich das Verfahren noch nach altem Recht richtet. Das LG verwendet dazu viel Worte darauf, warum in Altfällen, wie dem vorliegenden, eine Erstreckungsentscheidung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG getroffen werden müsse und sich danach die festzusetzenden Rechtsanwaltsgebühren bemessen. Die Frage sei umstritten (gewesen). Das LG schließt sich insoweit der Auffassung an, wonach die Vorschrift des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG a.F. für alle Fälle der Verfahrensverbindung, ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge von Verbindung und Beiordnung, gelte. Hiernach führe die Beiordnungsentscheidung nach § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG gerade nicht dazu, dass sich automatisch eine Rückwirkung auch für getrennte Verfahren vor einer Verbindung und anschließender Beiordnung ergebe.

Dazu ist anzumerken: Das Problem hat sich inzwischen erledigt. Denn der Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG anders entschieden, als das LG entschieden hat. Die Rechtsprechung, auf die sich das LG bezieht, ist m.E. im Hinblick auf den in dieser Entscheidung zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers auch nicht mehr haltbar. Daher erscheint es schon ein wenig fragwürdig, wenn das LG sich noch auf diese Rechtsprechung bezieht und gegen den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesänderung zum Ausdruck gekommen ist, entscheidet.

Hinzu kommt, dass die Ausführungen des LG zur Erstreckung – zumindest teilweise – überflüssig sein dürften. Denn der Rechtsanwalt hatte gegen die teilweise Ablehnung der von ihm beantragten Erstreckung nicht Beschwerde eingelegt, diese Entscheidung ist somit in Rechtskraft erwachsen (vgl. nur OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22, AGS 2022, 206, LG Leipzig, Beschl. v. 19.1.2021 – 13 Qs 8/21, AGS 2021, 73 = JurBüro 2021, 522), so dass schon von daher insoweit eine Vergütungsfestsetzung für die von der Erstreckungsentscheidung nicht erfassten Verfahren nicht (mehr) in Betracht kam. In Verfahren über eine (weitere) Beschwerde wird die Richtigkeit der Erstreckungsentscheidung auch nicht mehr überprüft (vgl. nur OLG Braunschweig, NStZ-RR 2014, 232; OLG Celle, a.a.O.).

Zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG führt das LG aus:

„Das Amtsgericht hat ferner zu Recht eine Erstattung der geltend gemachten Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG abgelehnt.

Bei der Gebühr nach Nr. 4142 RVG handelt es sich um eine besondere, als Wertgebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr. Sie entsteht (zusätzlich) für Tätigkeiten des Rechtsanwaltes bei Einziehung oder verwandten Maßnahmen, hier also solchen nach § 73 ff. StGB. Die Gebühr entsteht bereits, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwaltes auf eine Einziehung „bezieht“ (vgl. insoweit OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.03.2022 – 1 Ws 38/22). Besondere Tätigkeiten des Rechtsanwaltes sind dabei nicht erforderlich, da ihm die Gebühr als reine Wertgebühr – unabhängig vom Umfang der Tätigkeit – zusteht. Indes ist zwar eine Einziehung von Wertersatz mit der Anklageschrift beantragt worden, eine wie auch immer beratende Tätigkeit des Beschwerdeführers ist nicht erkennbar. Eine solche hat er mit seinem Kostenfestsetzungsantrag nicht anwaltlich versichert. Zudem lässt sich weder aus seinen zahlreichen Schriftsätzen noch aus seinem Kostenfestsetzungsantrag eine Tätigkeit im Sinne „einer Beratung hinsichtlich einer Einziehung“ erkennen. Auch aus den drei Hauptverhandlungsprotokollen ergibt sich weder, dass die mit der Anklage beantragte Einziehung von den Verfahrensbeteiligten erörtert wurde noch, dass der Beschwerdeführer insoweit Anträge gestellt oder Stellung dazu im Ganzen bzw. zu Einzelpositionen genommen hätte. Letztlich ergibt sich auch nicht anderes aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 07.06.2022 (Bl. 553 d.A.). Allein dass der Beschwerdeführer „bei einer Verständigung im HVT vor dem AG Lemgo auch die Einziehungsposition der Anklageschrift für seinen Mandanten verstärkt mit im rechtlichen Auge hatte“ und „über gestaltete Verfahrenseinstellungen des Weges über § 154 StPO natürlich um die Reduzierung des Wertersatzes weiß“, reicht nicht für die Annahme einer beratenden Tätigkeit im Sinne der Gebührenentstehung nach Nr. 4142 VV RVG aus (vgl. nur OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2007, 391).

Entsprechend war auch insoweit die vom Beschwerdeführer unter Punkt II. 12) geltend gemachte Gebühr zu Recht nicht festgesetzt worden.“

Dazu ist anzumerken: Zur Nr. 4142 VV RVG ist sich die Rechtsprechung einig, dass für das Entstehen der Gebühr auch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausreicht, die sich – wie bei jeder Verfahrensgebühr – nicht unbedingt aus der Akte ergeben muss. Ausreichend ist, dass die Tätigkeit „nahe liegt“, was hier, da mit der Anklage Wertersatz beantragt worden ist, sicherlich der Fall war. Allerdings: Das LG dürfte Recht haben, wenn es letztlich darauf abstellt, dass allein der Umstand, dass der Verteidiger an die Einziehung denkt, für das Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nicht ausreicht. So lange sich das „Darandenken“ nicht in einer zumindest beratenden Tätigkeit für den Mandanten nieder geschlagen hat, reicht es für das Entstehen der Gebühr nicht. Dazu muss man dann aber auch vortragen, da diese Beratung zwar nahe liegt, für das Gericht aber nicht ohne weiteres erkennbar ist. Wahrscheinlich hat der Rechtsanwalt hier beraten. Dass die Gebühr aber dennoch nicht festgesetzt worden ist, hat er sich selbst zu zuschreiben.