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Keine nachträgliche Pflichtverteidigerbeiordnung? – zumindest bei § 154-StPO-Einstellung „schofel“

Immer wieder geht es in der Praxis um die Frage der nachträglichen Pflichtverteidigerbeiordnung, die es – wie die Obergerichte gebetsmühlenartig immer wieder holen – nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens nicht gibt, da die Pflichtverteidigung nicht im Kosteninteresse des Rechtsanwalts besteht.

So weit – na ja, ob so gut, ist eine andere Frage. Dagegen kann man sicherlich das ein oder andere einwenden und es gibt ja auch eine ganze Menge Landgerichte, die das anders sehen. Zumindest im Fall der Einstellung des Verfahrens  nach § 154 StPO. Denn da wird häufig eingestellt und „vergessen“, den Rechtsanwalt (noch) beizuordnen. Da wird dann schon mit einer nachträglichen Beiordnung „geholfen“.

Leider aber nicht in LG Leipzig, Beschl. v. 04.07.2011 – 6 Qs 31/11. Wenn man gewollt hätte, hätte man m.E. „helfen“ können. Aber man wollte wohl nicht – aus welchen Gründen auch immer.

Wochenspiegel für die 27. KW., oder wir blicken mal wieder über den Tellerrand

Wir berichten über:

  1. (Traditionsgemäß :-)) über Kachelmann – die Nachlese-, und zwar lesenswert hier, aber auch noch hier.
  2. Über die Falschbeschuldigungsquote bei Vergewaltigungsvorwürfen.
  3. Über eine kreative Radarfalle.
  4. Über Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.
  5. Über Hamburger Taxifahrer unter Betrugsverdacht.
  6. die Beschlagnahme von E-Mails.
  7. den Betrug mit EC-Karten.
  8. die Frage, ob die Presse über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens berichten muss,
  9. das Absehen vom Fahrverbot bei einem „Schichtdienstler“,
  10. Und: Über Burhoff und den Oldtimer.

„Reue und Einsicht“ bei § 153a StPO

Das OLG Köln, Beschl. v. 19. 04.2011 – III-1 RVs 68/11 hat ein landgerichtliches Urteil aufgehoben, in dem es zur Strafzumessung u.a. hieß:

„Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne ist zugunsten des Angeklagten sein umfassendes, auch bereits in erster Instanz abgelegtes Geständnis zu be­rücksichtigen, durch das er eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Eine echte Reue und Einsicht in das Unrecht der Taten vermag die Kammer trotz der erfolgten Schadenswiedergutmachung erst ansatzweise bei dem Angeklagten festzustellen und ihm nur im geringen Umfang zugutezuhalten. Dass er die Di­mension seiner Taten noch nicht richtig erkannt hat, wurde auch dadurch deutlich, dass er durch seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung geltend machen ließ, das Unrecht der Taten könne nunmehr mit einer Einstellung nach § 153 a StPO hinreichend geahndet werden…„.

Das OLG beanstandet die Passage wie folgt:

Danach hat die Strafkammer dem „umfassenden“ Geständnis des Angeklagten ersichtlich ein geringeres strafmilderndes Gewicht deshalb beigemessen, weil sie bei ihm „echte Reue und Einsicht“ insbesondere wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO nur „ansatzweise“ festzustellen vermochte.

Diese Bewertung wird der Bedeutung des Geständnisses des Angeklagten in revisionsrechtlich bedeutsamer Weise nicht gerecht.

Im Hinblick darauf, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ein umfassendes Geständnis abgelegt hat und eine vollständige Schadenswiedergutmachung anstrebt, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taten – wie auch das Ergebnis der Strafzumessung des Landgerichts erweist – noch dem Bereich der mittleren Kriminalität zugeordnet werden können und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eingetreten ist, lässt die Anregung einer Einstellung nach § 153 a StPO  keine innere Einstellung erkennen, die auf fehlende Reue und Einsicht hindeutet. Sie ist erkennbar von dem – wenn auch unrealistischen – Wunsch nach günstiger Verfahrensgestaltung geprägt und überschreitet die Grenze angemessener Verteidigung nicht…“

Also: Dem geständigen Angeklagten können „Reue und Einsicht“ nicht ohne weiteres wegen der Anregung zur Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO abgesprochen werden.

Strafantrag – manchmal übersehen – hier ohne messbare Folgen

Das in der Revision von Amts wegen zu beachtende Strafantragserfordernis wird manchmal übersehen bzw. in dem ein oder anderen Fall wird nicht sorgfältig genug darauf geachtet, ob ein wirksamer Strafantrag vorliegt.

So auch in BGH, Beschl. v. 17.02.2011 – 3 StR 477/10, in dem es u.a. um eine Verurteilung wegen unbefugten Gebrauchs eines Kfz ging.  Dort hatte der Eigentümer eines LKW Strafanzeige wegen eines mit einem LKW versuchten Diebstahl gestellt. Der BGH sagt, dass das unbefugte Gebrauchen des LKW davon nicht mit umfasst ist. Es fehlte somit im Hinblick auf eine solche Tat damit an einer nicht nachholbaren Verfahrensvoraussetzung mit der Folge der Verfahrenseinstellung.

Allerdings – wie so häufig – ohne messbare Folgen:

„Die Schuldspruchberichtigung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat kann angesichts der Nichterwähnung der zur Verurteilung nach § 248b Abs. 1 StGB führenden Umstände in den Strafzumessungserwägungen des landgerichtlichen Urteils ausschließen, dass der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeuges zu einer milderen Strafe geführt hätte.“

Klageerzwingungsverfahren bei Einstellung nach § 153a StPO?

Mit der Einstellung nach § 153a StPO ist es manchmal noch nicht getan, da der Geschädigte ggf. noch das Klageerzwingungsverfahren betreibt. Mit der Frage, ob und inwieweit das zulässig ist, befasst sich OLG Bamberg, Beschl. v.19.10.2010 – 3 Ws 60/10, der folgende Leitsätze hat:

  1. Bei einer Verfahrenseinstellung nach § 153 a I StPO kann das Klageerzwin­gungsverfahren ausnahmsweise dann zulässig sein, wenn die St­aats­anwaltschaft beim Zusammentreffen eines Verbrechens- und eines Vergehens­ver­dachtes den hinrei­chenden Tatverdacht hinsichtlich des möglichen Verbre­chenstat­bestandes verneint und von der (weiteren) Verfolgung der Tat und der Erhebung der öffentlichen Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Vergehens nach § 153 a I StPO ab­gesehen hat (u.a. Anschluss an OLG Hamm MDR 1997, 285).
  2. Für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrags muss sich in diesem Fall schon aus der Antragsbegründung jedoch substantiiert ent­nehmen lassen, dass und weshalb der Antragsteller gerade die Verdachtsbewertung der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf einen bestimmten Verbrechenstatbestand für falsch hält und deshalb in­soweit die Erhebung der öffentlichen Klage ge­boten ist.