Hier eine ganz interessante Entscheidung des VG Oldenburg v. 19.01.2010 – 7 B 3383/09, die in Zusammenhang mit der verfassungswidrigen Videomessung steht und aufzeigt, dass die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 Auswirkungen an Stellen hat, an die man auf den ersten Blick gar nicht denkt – jedenfalls ich nicht, was ich einräume. Das VG Oldenburg hat nämlich unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Oldenburg zum Beweisverwertungsverbot in den Fällen darauf hingewiesen, dass dann, wenn Grundlage der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches (§ 31a StVZO) zwar ein Abstandsverstoß durch einen letztlich nicht zu ermittelnden Fahrer gewesen ist, aber erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und damit die Verwertbarkeit der durch das Messsystem gewonnenen Daten bestehen, es an einem tatbestandsmäßigen Anknüpfungspunkt für die Auferlegung des Fahrtenbuchs fehlt. Also eine Art „Fernwirkung“ der Entscheidung des BVerfG, die der Rechtsanwalt bei der zunehmenden Tendenz zum Fahrtenbuch (s. dazu auch der 48., VGT) nicht übersehen sollte.
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Halterhaftung auch für den fließenden Verkehr? Ist das noch verfassungsgemäß?
Immer wieder was Neues: Jetzt – nach der Frage: Kommt die Maut? – die Einführung der Halterhaftung für Zuwiderhandlungen im fließenden Straßenverkehr. Unsere Regierung schiebt es natürlich auf die EU und die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments. M.E. hat der DAV Recht, wenn er die „Halterhaftung“ wegen Verstoßes gegen den Grundsatz, dass es keine „Strafe ohne Schuld“ geben darf, als verfassungswidrig ansieht. In der Tat besteht die Gefahr, dass es die Einführung zu Entwicklungen führ, bei denen sich die Behörden nicht einmal mehr die Mühe machen würden festzustellen, wer ein Verstoß begangen hat, sondern bevorzugt eben – weil es so einfach ist – den Halter heranziehen. Man muss sich das mal vorstellen: Ich verleihe meinen Pkw und hafte dann für alle OWis, die der Entleiher damit begangen hat. Und wenn es ein Familienangehöriger ist: Habe ich dann ein Zeugnisverweigerungsrecht? Oder schaffen wir das auch gleich ab.
Strafverfahren quo vadis? – Das deutsche Strafverfahren auf dem Weg in den Parteiprozess?
Erstaunlich, was man da so aus Karlsruhe liest. Seit einigen Jahren ist ja mehr als deutlich zu erkennen, dass sich der Ton im Strafverfahren deutlich verschärft. Das gilt vor allem auch für das Beweisantragsrecht, wo immer mehr auf Prozessverschleppung abgestellt wird und der BGH ja eine vom Gesetz nicht vorgesehene Fristsetzung eingeführt hat. Die wird von den Instanzgerichten gerne aufgegriffen und das führt dann dazu, dass teilweise schon nach kurzem Verfahrenslauf Fristen zur Stellung weiterer Beweisanträge gesetzt werden. Und zwar Fristen von nur einem Tag. Zwar ist eine gewisse Entspannung eingetreten durch die Entscheidung des 5. Strafsenats – da ging es um so kurze Fristen – und auch der 1. Strafsenat – ansonsten immer vorne weg bei diesem „Spiel“ – ist ja vor kurzem etwas zurückgerudert. Jetzt ist ein wenig Mäßigung angesagt. Wer allerdings auf Hilfe von ganz oben gehofft hatte – also vom BVerfG -, der wird enttäuscht. Der Beschluss vom 06.10.2009, 2 BvR 2580/09 segnet diese Verfahrensweise ab und stellt im Strafverfahren einen weiteren Schritt auf dem Weg in den Parteiprozesse dar. Und nicht nur hier, sondern auch im Bußgeldverfahren. Überall lesen wir: Der Beschuldigte/Betroffene hat nicht geltend gemacht usw. Wo steht das eigentlich in der StPO. Strafverfahren quo vadis?
Nochmals AG Grimma: Umfassendes Beweisverwertungsverbot nach Videomessung
Ich hatte ja bereits schon einmal über die Auffassung des AG Grimma berichtet, wonach über den vom Verfassungsgericht entschiedenen Fall der Videoaufzeichnung hinaus die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze (2 BvR 941/08) auch für jede Art von Verkehrsverstößen gelten, bei denen eine Identifizierung des Fahrers nur mittels eines Tatbildes möglich ist, d.h. auch für die Geschwindigkeitsmessung (stationäre oder mobile Messungen). Auch in diesen Fällen müssen – so das AG Grimma – die Ausführungen des BVerfG Anwendung finden. Dazu jetzt hier noch einmal eine Entscheidung, gegen die die StA Rechtsbeschwerde eingelegt hat. Wir werden also (bald?) eine weitere Entscheidung eines OLG haben. Dieses Mal das OLG Dresden. Man darf gespannt sein, wie dieses mit der Problematik umgehen wird. Wer das Urt. v. 22.10.2009 – 003 OWI 153 Js 34830/09 lesen will: Hier steht es
Leutheusser-Schnarrenberger muss sich spalten, wirklich?
In der nächsten Woche werden wir es dann am Dienstag (15.12.2009) erleben: Die Persönlichkeitsspaltung einer Bundesjustiministerin. Denn, wenn das BVerfG über die Vorratsdatenspeicherung verhandelt, wird die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, wenn sie denn anwesend ist, in doppelter Funktion anwesend sein müssen. Sie ist nämlich einerseits eine der Bescherdeführer, muss aber als Bundesministerin andererseits auch die Bundesrepublik vertreten. (vgl. dazu auch Süddeutsche Zeitung vom 08.12.2009). Ich bin gespannt, wie sie das bewerkstelligt: Immer zwischen den Plätzen hin und her wetzen, das ist mühsam. Wie wäre es mit Tafeln, die Sie von ihrem Platz aus hoch hebt und auf denen steht, in welcher Funktion sie gerade spricht. Hauptsache, Sie vertut sich nicht. Aber vielleicht wird die Bundesrepublik ja auch vom früheren Innenminster Schäuble vertreten. Auch nett, wenn zwei Mitglieder des Kabinetts auf unterschiedlichen Seiten sitzen.