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OLG Hamm watscht JM NRW. Begründung von 3 Ss 293/08 liegt vor.

In den vergangenen Tagen ist in der Presse schon über das Urteil des OLG Hamm vom 18.08.2009 – 3 Ss 293/08 berichtet worden. Ich habe es gesucht und der Kollege Brüntrup, der es erstritten hat, hat es mir heute morgen zur Verfügung gestellt. Wenn man es liest, sagt man schnell: Boh, eih. An sich ein Feld Wald und Wiesen-Fall, aber: Er wird weit reichende Folgen haben. Im JM NW ist man sicherlich schon am rotieren und wird sich über die „Watschen“ aus Hamm nicht freuen. Denn das OLG hat mit ziemlich deutlichen Worten das JM NRW darauf hingewiesen, dass es seit Jahren den Richtervorbehalt bei nächtlichen Durchsuchungen missachtet und – zumindest im LG Bezirk Bielefeld – ein richterlicher Eildienst auch nachts hätte eingerichtet werden müssen.  Das OLG Hamm kommt dann zu einem Verwertungsverbot, das es vor allem damit begründet:

Insbesondere unter Berücksichtigung des besonderen Gewichts des verfassungsrechtlich angeordneten Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchungen führt dessen gröbliche Verletzung durch die Justizverwaltung zu einem Verwertungsverbot der bei einer Durchsuchungsmaßnahme, die unter Verletzung der Zuständigkeitsregelungen der StPO durchgeführt worden ist.

Wenn man das vom OLG ausgewertete und beigezogene Zahlenmaterial liest, fragt man sich, wie blauäugig muss man eigentlich sein, um nicht erkennen zu können, dass bei einer durchgeführten Befragung etwas nicht stimmen kann, wenn als Ergebnis herauskommt, dass im Bezirk der StA Esssen über einen längeren Zeitraum keine nächtlichen Zwangsmaßmnahmen angefallen sein sollen.

Das Urteil befasst sich mit der Durchsuchung, hat aber natürlich, worauf  das OLG Hamm ausdrücklich hinweist, auch Auswirkungen auf nächtliche Blutentnahmen. Der Richtervorbehalt ist nicht teilbar.

Die Diskussion wird jetzt einsetzen. Die Aufschreie werden nach diesem Urteil lauter werden. Man wird den Richtervorbehalt nach Möglichkeit für „geringere Eingriffe“ abschaffen wollen. Das Land Niedersachsen hat ja schon eine Gesetzesinitiative angemeldet. Lasst uns mitdiskutieren.

Symposium zum Richtervorbehalt bei der Blutentnahme

Etwas außerhalb der sonstigen Thematik, aber vielleicht interessiert es ja doch. Am 05.11.2009 findet an der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg, Oranienburg, ein Symposium zum Thema „Richtvorbehalt contra Gefahr im Verzug – Anordnungskompetenzen der Strafverfolgungsbehörden auf dem Prüfstand“ statt. Der Veranstalter hatte mich eingeladen, ich kann aber leider aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen. Aber vielleicht hat ja doch der ein oder andere Zeit und Lust. Die Teilnahme ist kostenfrei. Die Referenten sind schon recht hochkarätig: Neben Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Richter am BVerfG und VorsRiOLG Posthoff, OLG Hamm – 3. Strafsenat – noch Dr. med. Wolfgang Mattig, Leiter des Brandenburgischen Landesinstitutes für Rechtsmedizin. Nähere Informationen und ein Anmeldeformular findet man unter www.fhpolbb.de

24-Stunden-Eildienst des Richters für eine Blutentnahme???

Es gibt eine neue Entscheidung des OLG Hamm (3 Ss 293/08), die wohl über die bisherigen hinausgehen und in den Gründen die Einrichtung eines 24h-Eildienstes einfordern soll (vgl. u.a. http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2009-08/14734086-neue-westfaelische-justiz-muss-fuehrerscheine-zurueckgeben-bei-blutproben-ohne-richterspruch-von-hubertus-gaertner-007.htm). Die wird sicherlich für Aufregung bei der Justiz sorgen, denn ggf. geht das sogar über die Rechtsprechung des BVerfG hinaus.

Pflichtverteidiger im OWi-Verfahren wegen BVV bei Blutentnahme!!

Inzwischen hat auch das OLG Bremen in einem Beschluss vom 14.07.2009 (Ss BS 15/09) die Auffassung vertreten, dass dann, wenn in der HV die Frage eines Beweisverwertungsverbotes wegen Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs. 2 StPO strittig wird, ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Was interessant ist: Es handelte sich nicht um ein Strafverfahren, sondern um ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 2 StVG (also Drogenfahrt) und es ist auf die Rechtsbeschwerde hin das Urteil aufgehoben worden. Also schon eine Besonderheit. Denn wann gibt es im OWi-Verfahren schon mal einen Pflichtverteidiger?

Und es bewegt sich doch was…….

Ich bin dann doch erstaunt. Es bewegt sich ja doch etwas in der obergerichtlichen Rechtsprechung – trotz der Entscheidung des BVerfG vom 28.07.2008 – 2 BvR 784/08 (NJW 2008, 3053 = VRR 2008, 389 = StRR 2008, 382), in der man schon den Abgesang auf das Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des Richtervorbehalts in § 81a vermutet hatte.

Nach der Annahme von Beweisverwertungsverboten durch das OLG Hamm, das OLG Dresden und das OLG Celle, den zumindest vorsichtigen Hinweisen des OLG Karlsruhe hat nun das KG in einem Beschluss vom 01.07.2009 darauf hingewiesen, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu den veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und mehrerer Oberlandesgerichte zur Verletzung des Richtervorbehalts aus § 81a Abs.2 StPO bei der Anordnung der Blutprobenentnahme durch ermittelnde Polizeibeamte die Annahme, die anordnenden Polizeibeamten hätten in schlichter Unkenntnis ihrer Pflichten und daher nicht willkürlich gehandelt, nicht mehr ohne weiteres aufrecht zu erhalten sein dürfte.

Ich habe es doch immer schon gesagt. 🙂

Update vom 20.07.2009:
Den Beschluss des KG vom 01.07.2009 – (3) 1 Ss 204/09 (71/09) finden Sie nun im Volltext online auf LexisNexis® Strafrecht.