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Corona I: Verfahrensverzögerung wegen Corona, oder: Gibt es eine Entschädigung?

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Heute dann zum Wochenstart zwei Entscheidungen, die mit Corona zu tun haben. Aber mal etwas anderes als Impfpass und Owis, nämlich: Verfahrensverzögerung und Fitness-Studio.

Zunächst hier das BFH, Urt. v. 27.10.2021 – X K 5/20, auf das ich erst jetzt durch eine PM des BFH aufmerksam geworden bin.

In dem vom BFH entschiedenen Verfahren ging es um eine Kage, die der Kläger 2018 gegen Umsatzsteuerbescheide erhoben hatte. Zwei Jahre nach Klageeingang hatte der Kläger eine Verzögerungsrüge wegen der Besorgnis erhoben, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird. Das Klageverfahren wurde dann acht Monate später – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit Zustellung des Urteils beendet.

Nachfolgend hat der Kläger dann Klage auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer in Höhe von mindestens 600 EUR erhoben. Er begründete diese im Wesentlichen damit, dass der Entschädigungsanspruch zwar verschuldensunabhängig sei, sodass es nicht auf ein pflichtwidriges Verhalten bzw. Verschulden der mit der Sache befassten Richter ankomme. Somit könne die unangemessene Verfahrensdauer auch nicht mit dem Hinweis auf eine chronische Überlastung der Gerichte, länger bestehende Rückstände oder eine angespannte Personalsituation gerechtfertigt werden. Nach den Erwägungen des Gesetzgebers müssten aber die verfahrensverzögernden Umstände zumindest innerhalb des staatlichen bzw. dem Staat zurechenbaren Einflussbereichs liegen.

Der BFH hat die Klage abgewiesen. Die mehrmonatige Verzögerung des Ausgangsverfahrens beruhe auf Einschränkungen des finanzgerichtlichen Sitzungsbetriebs ab März 2020. Diese seien Folge der Corona-Pandemie und der zu ihrer Eindämmung ergriffenen Schutzmaßnahmen. Es handele sich nicht um ein spezifisch die Justiz betreffendes Problem, da andere öffentliche und private Einrichtungen und Betriebe ebenso betroffen (gewesen) seien. Die Corona-Pandemie sei – jedenfalls zu Beginn – als außergewöhnliches und in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands beispielloses Ereignis anzusehen, die weder in ihrem Eintritt noch in ihren Wirkungen vorhersehbar gewesen wäre. Von einem Organisationsverschulden der Justizbehörden im Hinblick auf die Vorsorge für die Aufrechterhaltung einer stets uneingeschränkten Rechtspflege könne daher ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Hier die Leitsätze zu dem BFH-Urteil vom 27.10.2021:

  1. Nach den Erwägungen des Gesetzgebers setzt der (verschuldensunabhängige) Entschädigungsanspruch i.S. des § 198 GVG voraus, dass die Umstände, die zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer geführt haben, innerhalb des staatlichen bzw. dem Staat zurechenbaren Einflussbereichs liegen müssen.
  2. Eine zu Beginn der Corona-Pandemie hierdurch verursachte Verzögerung beim Sitzungsbetrieb führt nicht zur Unangemessenheit der gerichtlichen Verfahrensdauer i.S. des § 198 Abs. 1 GVG, da sie nicht dem staatlichen Verantwortungsbereich zuzuordnen ist.
  3. Bei der Corona-Pandemie und den zur Eindämmung getroffenen Schutzmaßnahmen handelt es sich nicht um ein spezifisch die Justiz betreffendes Problem, da sie ??was ihr Personal und die Verfahrensbeteiligten anbelangt?? ebenso betroffen ist wie andere öffentliche und private Einrichtungen und Betriebe.

Gerichtsgebühren für die erfolglose Anhörungsrüge, oder: Altes oder neues Recht

Heute ist RVG- bzw. Gebührentag, also Entscheidungen, die mit Gebühren, Kosten und Auslagen zu tun haben. Und in dem Zusammenhang stelle ich heute zwei Entscheidungen vor, die sich mit etwas abgelegeneren Fragen befassen.

Das ist zunächst der BFH, Beschl. v. 16.12.2022 – X S 16/21 u.a. Der nimmt Stellung zur Frage, in welcher Höhe für eine nach dem 31.12.2020 bei Gericht eingegangene –ohne Erfolg gebliebene– Anhörungsrüge die Festgebühr festzusetzen ist. Altes Recht, also 60 EUR oder neuen Recht, also 66 EUR. Es geht um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine vom Kläger beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil eines Finanzgerichts. Der entsprechende Antrag ist abgelehnt worden. Dagegen hat der  Antragsteller/Kläger Anhörungsrüge erhoben, die keinen Erfolg hatte. Die Anhörungsrüge ist nach dem 1.1.2021 eingegangen, also nach Wirksamwerden der Rechtsänderungen durch das KostRÄG 2021. Der BFH sagt: Anwendbar ist aber dennoch altes Recht:

„1. Für erfolglose Anhörungsrügen sieht das Kostenverzeichnis in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) eine Festgebühr vor (vgl. Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Diese Festgebühr greift auch dann ein, wenn —wie vorliegend— mit der Anhörungsrüge ein Verfahren wegen PKH-Bewilligung fortgesetzt werden soll, das seinerseits gerichtsgebührenfrei ist (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 16.02.2006 ? VII S 2/06 , BFH/NV 2006, 1123, unter II.4.; vom 14.12.2006 ? VIII S 25/06 , BFH/NV 2007, 923, unter II.3., und vom 26.03.2014 ? XI S 1/14 , BFH/NV 2014, 1071, Rz 18).

2. Infolge der Änderung des GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 vom 21.12.2020 —KostRÄG 2021— (BGBl I 2020, 3229) ist nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum GKG ab dem 01.01.2021 eine Festgebühr in Höhe von 66 € anzusetzen (vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 108 , Art. 13 Abs. 3 KostRÄG 2021 ), bis zum 31.12.2020 fiel eine Festgebühr von 60 € an.

3. Im Streitfall beträgt die Festgebühr noch 60 €. Dies ergibt sich aus § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG , wonach die Kosten in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, nach dem bisherigen Recht erhoben werden. Der Antragsteller hat zwar die Anhörungsrüge X S 16/21 erst am 20.07.2021 beim BFH angebracht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der PKH-Bewilligungsantrag, gegen dessen Ablehnung sich die vorliegende Anhörungsrüge richtet, bereits am 13.09.2019 beim BFH eingegangen ist.

a) Zwar hat der Senat Anhörungsrügen in der Vergangenheit als selbständige Verfahren der FGO und damit als eine Rechtsstreitigkeit i.S. des § 71 1 Satz 1 GKG angesehen und damit auf die Anhängigkeit der Anhörungsrüge abgestellt ( Beschlüsse vom 31.01.2014 ? X S 57/13 , BFH/NV 2014, 871, Rz 10, und vom 20.05.2014 ? X S 11/14 , BFH/NV 2014, 1754, Rz 13, m.w.N.). Diese Qualifikation als selbständiges Verfahren wird allerdings dem Wesen einer Anhörungsrüge nicht gerecht, die eine nachträgliche Selbstkontrolle des Gerichts und eine die Rechtskraft der bereits getroffenen Entscheidung beiseiteschiebende Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht (so Rüsken inGosch, FGO § 133a Rz 11). Die Regelungen des § 133a FGO sind hierfür der Beleg: Nach dessen Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 FGO führt das Gericht bei begründeter Anhörungsrüge das Verfahren fort. Das Verfahren wird nach § 133a Abs. 5 Satz 2 FGO in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand.

b) Zudem ist der Senat in einem Entschädigungsklageverfahren wegen überlanger Verfahrensdauer gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) davon ausgegangen, dass eine sich an ein isoliertes Verfahren auf PKH-Bewilligung anschließende Anhörungsrüge ein Rechtsbehelf ist, der auf die Fortführung des ursprünglichen Verfahrens gerichtet ist ( Urteil vom 20.03.2019 ? X K 4/18 , BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16, Rz 36). Er hat damit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt, nach der ein Anhörungsrügeverfahren kein selbständiges Verfahren ist, sondern dem Hauptsacheverfahren hinzugerechnet wird und somit Teil eines einheitlichen Gerichtsverfahrens i.S. von § 198 6 Nr. 1 GVG ist ( BGH-Urteil vom 21.05.2014 ? III ZR 355/13 , Neue Juristische Wochenschrift 2014, 2443, Rz 12). Nach Auffassung des Senats ist kein Grund erkennbar, den Begriff der Rechtsstreitigkeit i.S. von § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG und den des einheitlichen Gerichtsverfahrens gemäß § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG in diesem Zusammenhang unterschiedlich auszulegen.

c) Aus alledem ergibt sich, dass der Senat —unter Aufgabe seiner in den Entscheidungen in BFH/NV 2014, 871 [BFH 31.01.2014 – X S 57/13] und BFH/NV 2014, 1754 [BFH 20.05.2014 – X S 11/14] vertretenen Auffassung— die vorliegende Anhörungsrüge als Teil eines einheitlichen Verfahrens (hier des unter dem Aktenzeichen pp. geführten PKH-Bewilligungsverfahrens) ansieht. Demzufolge ist nach § 71 1 Satz 1 GKG noch das bis zum 31.12.2020 gültige Kostenrecht anzuwenden. Nichts anderes ergibt sich aus § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG . Danach kommt im Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung eingelegt worden ist, abweichend von Satz 1 das im Zeitpunkt seiner Einlegung geltende Recht zur Anwendung. Die Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO ist aber mangels Devolutiv- und Suspensiveffekts kein Rechtsmittel, sondern lediglich ein subsidiärer Rechtsbehelf (vgl. Senatsurteil in BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16 [BFH 20.03.2019 – X K 4/18] , Rz 36; Bergkemper inHHSp, § 133a FGO Rz 3,8).“

Die Argumentation könnte auch in anderen Verfahren helfen.

Sind Pauschgebühren außerordentliche Einkünfte?, oder: Pauschgebühr wird normal versteuert

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Als zweite Entscheidung des Tages dann ein Beschluss des BFH mit gebührenrechtlichem Einschlag. Nein, es geht nicht um die Frage, welche Gebühren ggf. im finanzgerichtlichen Verfahren entstehen, sondern darum, ob es sich bei der Pauschgebühr nach § 51 RVG um sog. außerordentliche Einkünfte i.S. von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG handelt.

Davon war ein (Pflicht)Verteidiger in Sachsen ausgegangen und hatte damit beim Sächsischen G keinen Erfolg. Der BFH hat dann im BFH, Beschl. v. 20.01.2020 – VIII B 121/19 – auch seine Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen:

„Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Form dargelegt worden.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der vorgelegten Rechtsfragen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28.04.2016 – IX B 18/16, BFH/NV 2016, 1173). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist. Darüber hinaus ist eine Rechtsfrage auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (BFH-Beschluss vom 08.07.2014 – VII B 129/13, BFH/NV 2014, 1776).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, „ob eine nur auf gerichtlichen Antrag zu gewährende Pauschvergütung nach § 51 Abs. 1, Abs. 2 RVG, über die stets ein Gericht oder zumindest das Oberlandesgericht zu entscheiden hat und die nur zu gewähren ist, wenn das OLG die Unzumutbarkeit der regulären RVG-Vergütung feststellt, … zusammengeballt zufließt und nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu behandeln ist, wenn das der Vergütung zugrundeliegende und betreute Verfahren mehrere Veranlagungszeiträume und mehr als 12 Monate umfasste“, nicht klärungsbedürftig.

aa) Für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist geklärt, dass die Anwendung der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG für eine mehrjährige Tätigkeit auf besondere Tätigkeiten beschränkt ist, die von der üblichen Tätigkeit eines Freiberuflers abgrenzbar sein müssen (BFH-Urteil vom 30.01.2013 – III R 84/11, BFHE 240, 156, BStBl II 2018, 696, Rz 15; zur Abgrenzung zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit s. BFH-Urteil vom 07.05.2015 – VI R 44/13, BFHE 249, 523, BStBl II 2015, 890, Rz 14 f.). Die Vergütung wird für eine mehrjährige Tätigkeit erzielt, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem einzigen Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit vorliegt, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, sowie in einem einzigen Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteile vom 06.10.1993 – I R 98/92, BFH/NV 1994, 775; vom 14.12.2006 – IV R 57/05, BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180; vom 16.09.2014 – VIII R 1/12, juris; in BFHE 240, 156, BStBl II 2018, 696). Unter die Tarifermäßigung fallen auch Vergütungen für die mehrjährige regelmäßige Tätigkeit, die aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung atypisch zusammengeballt zufließen, weil für den Steuerpflichtigen in diesem Fall regelmäßig nicht disponibel ist, wann der – je nach Gewinnermittlungsart entweder durch das Zufluss- oder das Realisationsprinzip vorgegebene – Zeitpunkt der letztendlichen einkommensteuerlichen Erfassung dieser Einnahme eintritt (BFH-Urteil in BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180).

bb) Der Kläger trägt keine Gesichtspunkte vor, die für eine Ausweitung der Fallgruppen auf den vorliegenden Sachverhalt sprechen und zu einer Überprüfung der bisherigen Rechtsprechung Anlass geben könnten. Der von ihm hervorgehobene Sinn und Zweck der Regelung in § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, die Progressionswirkung für zusammengeballt erzielte Einkünfte zu mildern, ist in der Rechtsprechung wiederholt bei der Entwicklung der oben genannten Fallgruppen und Abgrenzung zu nicht begünstigten Einkünften herangezogen worden und spricht für sich betrachtet nicht für eine Ausweitung der Rechtsprechung. Zwar fallen nach dem vom Kläger zitierten BFH-Urteil in BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit, die aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen Auseinandersetzung atypisch zusammengeballt zufließen, unter die Regelung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, weil für den Steuerpflichtigen in diesem Fall regelmäßig nicht disponibel ist, wann der Zeitpunkt der letztendlichen einkommensteuerlichen Erfassung dieser Einnahme eintritt. Bei dieser Entscheidung handelt es sich im Kontext der gefestigten Rechtsprechung des BFH zur Zusammenballung von berufsüblichen Einkünften eines Freiberuflers, die grundsätzlich nicht unter die Steuerbegünstigung des § 34 EStG fallen, jedoch um eine singuläre Entscheidung, die darauf beruht, dass dem Steuerpflichtigen erst nach Durchführung eines Rechtsstreits zusammengeballt die Einkünfte zuflossen, die ihm bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtlich zugestanden hätten. Davon zu unterscheiden ist jedoch der vorliegende Streitfall. Die nach § 51 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) gezahlten höheren Pauschgebühren sind mit den Honoraren von Freiberuflern gleichzusetzen, die erst nach der Auftragsbeendigung für eine mehrjährige Tätigkeit zusammengeballt gezahlt werden und nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH nicht unter die Tarifbegünstigung des § 34 EStG fallen. Hierfür spricht auch, dass dem Rechtsanwalt nach § 51 Abs. 1 Satz 5 RVG auf Antrag ein angemessener Vorschuss auf die Pauschgebühr bewilligt werden kann, was bei einem gerichtlichen Rechtsstreit über die Höhe eines Honorars – wie in dem dem BFH-Urteil in BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 zugrundeliegenden Fall – nicht möglich ist. Danach ist die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage offensichtlich zu verneinen und somit nicht klärungsbedürftig.“

Fazit: Pauschgebühr wird normal versteuert.

Das beA kann keine Umlaute/Sonderzeichen lesen, oder: Die Anwaltskammern informieren nicht über die Folgen

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Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich vor einigen Tagen die Überschrift zu einer Meldung gelesen habe: „Das beA kann kein deutsch“. Mein erster Gedanke: Was ist da denn schon wieder los?

Und nach dem Lesen der ganzen Meldung dann: Nach dem Theater um die Einführung des beA und das häufige Nichtfunktionieren, nun das: Das beA kann wirklich kein deutsch bzw. es kann zumindest keine Umlaute und/oder Sonderzeichen in Dateibezeichnungen lesen.  Und das hatte für den Kläger in einem finanzgerichtlichen Verfahren fatale Folgen: Er hatte deshalb und weil es nach dem Versenden dann auch keine Fehlermeldung gibt, eine Frist beim BFH versäumt. Der hat aber dann im BFH, Beschl. v. 05.06.2019 – IX B 121/18, der erst jetzt veröffentlicht worden ist, Wiedereinsetzung gewährt:

„1. Die Beschwerde ist zulässig. Zwar hat der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) versäumt, weil die elektronisch übermittelte Datei mit der Begründung nicht fristgerecht beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen ist. Dem Kläger ist jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren (§ 56 Abs. 2 Satz 4 FGO). Er hat die versäumte Handlung innerhalb der dafür geltenden Frist nachgeholt. Die Fristversäumung war unverschuldet. Die für die Beurteilung des Verschuldens maßgeblichen Tatsachen sind gerichtsbekannt. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers versandte den Begründungsschriftsatz rechtzeitig aus seinem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und nutzte dafür die von der Bundesrechtsanwaltskammer zur Verfügung gestellte Webanwendung. Zur Bezeichnung der versandten Datei verwendete der Prozessbevollmächtigte offenbar (ohne dies zu wissen) technisch nicht zulässige Zeichen (Umlaute und Sonderzeichen). Die Nachricht wurde deshalb vom zentralen Intermediär-Server des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs nicht dem BFH zugestellt, sondern in ein Verzeichnis für „korrupte“ Nachrichten verschoben. Auf diesen Server hat der BFH keinen Zugriff; der BFH ist von dem Vorgang auch nicht benachrichtigt worden, so dass ein Hinweis nach § 52a Abs. 6 FGO nicht erteilt werden konnte. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhielt die Mitteilung, seine Nachricht sei erfolgreich versandt und zugegangen. Auch er konnte nicht erkennen, dass die Nachricht angehalten und dem BFH nicht zugegangen war. In Hinweisen der örtlichen Anwaltskammern wird zwar darauf hingewiesen, dass Umlaute und Sonderzeichen in Dateibezeichnungen zu vermeiden seien. Es wird aber nicht erläutert, welche Folgen die Verwendung haben kann.“

Noch mal mit einem blauen Auge davon gekommen.

Wenn man das allerdings liest, fragt man sich, welche Könner das BeA eigentlich programmiert haben? Könner“ können es m.E. nicht gewesen sein. Der eigentliche Skandal für mich: Die Anwaltskammern weisen zwar offenbar darauf hin, dass Umlaute und Sonderzeichen in Dateibezeichnungen zu vermeiden sind. Sie weisen aber nicht darauf hin, was passiert, wenn man es dennoch tut. Jetzt weiß man es. Dre Kläger beim BFH hätte allerdings fast teures Lehrgeld bezahlt.

Frage: Ist Silvester ein (gesetzlicher) Feiertag?

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Heute im Kessel Buntes dann mal eine „fächerübergreifende“ Entscheidung zu der Frage: Ist Silvester ein (gesetzlicher) Feiertag? Ist für 2018 ja noch ein weing früh, aber der gute Mann baut vor.

Die Frage stellte sich (mal wieder) in einem beim BFH anhängigen Verfahren. In dem hatte ein auf den 28.12.2012 datierter Antrag des Klägers auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 von den beklagten „Freunden“ vom Finanzamt den Eingangsstempel des 02.01.2013 erhalten. Der Antrag hatte war mit der Begründung abgelehnt worden, dass mit Ablauf des 31.12.2012 –einem Montag– Festsetzungsverjährung eingetreten sei (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung –AO– i.V.m. § 13 des Investitionszulagengesetzes 2007). Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, der Antrag sei am 31.12.2012 eingegangen, also an Silvester. Silvester sei also ein gesetzlicher Feiertag, so dass die Frist erst am nächsten Werktag abgelaufen sei, das sei aber der 02.01.2013 gewesen.

Der BFH hat das im BFH, Beschl. v. 20.03.2018 – III B 135/17 – anders gesehen:

2. Die Frage, ob der 31. Dezember –Silvester– bei der Fristberechnung einem Feiertag gleichzustellen ist, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist offensichtlich zu verneinen, wie es das FG getan hat.

a) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Wortgleiche Regelungen finden sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), in § 43 Abs. 2 der Strafprozessordnung, in § 64 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und in § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), auf den wiederum in anderen Verfahrensordnungen –z.B. § 54 Abs. 2 FGO, § 57 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und in § 16 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit– verwiesen wird. Eine ähnlich formulierte entsprechende Regelung findet sich z.B. in § 193 BGB.

b) Fristbestimmungen müssen klar überschaubar und leicht handhabbar sein. Die dabei erforderliche Rechtssicherheit darf nicht durch schwer berechenbare und nicht selten erst in einem Rechtsstreit zu klärende Billigkeitserwägungen ersetzt werden, vielmehr muss über die Dauer einer Frist aus Gründen der Rechtssicherheit allgemein Gewissheit bestehen (z.B. BGH-Urteil vom 17. Februar 2005 III ZR 172/04, BGHZ 162, 175; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12. April 1999  2 ObOWi 145/99, Versicherungsrecht 2000, 1293). Da Silvester kein gesetzlicher Feiertag ist, widerspräche die vom Kläger erstrebte Rechtsfortbildung dem klaren Gesetzeswortlaut. Rechtsprechung und Literatur vertreten soweit ersichtlich einheitlich die Auffassung, dass nur gesetzliche Feiertage den Fristablauf verschieben, nicht aber auch kirchliche, konfessionelle oder religiöse Feiertage, die keine gesetzlichen Feiertage sind, und auch nicht Gedenk- und Trauertage, Brauchtumstage oder lokale Festtage, selbst wenn diese dienst- oder arbeitsfrei sind (z.B. Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 54 FGO Rz 36; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 64 Rz 29).

Darüber hinaus würde eine Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen bei Fristberechnungen die Frage aufwerfen, inwieweit sie auf andere Tage zu übertragen ist, die ebenfalls arbeitsfrei sind, ohne gesetzlicher Feiertag zu sein. Dies würde zu weiterer Rechtsunsicherheit führen: Verlängert sich eine am dienstfreien Rosenmontag endende Frist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO auf den Ablauf des nächsten Werktages (dagegen BFH-Urteil vom 18. April 1996 V R 25/95, BFHE 180, 512, BStBl II 1996, 578)? Ist die dem § 108 Abs. 3 AO entsprechende Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO auf den Heiligabend entsprechend anwendbar (dagegen Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 9. Februar 1993 Bs VI 4/93, NJW 1993, 1941)?

Die Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen i.S. des § 108 Abs. 3 AO könnte auch dazu führen, dass gleichlautende Regelungen verschiedener Rechtsgebiete unterschiedlich ausgelegt werden; dies widerspräche ebenfalls der erforderlichen Rechtssicherheit.

Das FG-Urteil widerspricht nicht dem vom Kläger zur Begründung der Beschwerde herangezogenen BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 und dem BGH-Urteil in NJW 2015, 2666; die Revision ist daher auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

a) Das BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 betraf keine Fristenberechnung, sondern Lohnzuschläge für Feiertagsarbeit (§ 34a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG– 1971). Es beruht auf der Erwägung, dass „Feiertagsarbeit“ in § 34a Abs. 2 EStG 1971 sich nur auf Arbeit an gesetzlichen Feiertagen bezieht, wegen des Fehlens der Einschränkung „gesetzlich“ aber für die Fälle des § 34a Abs. 1 EStG 1971 primär dem jeweiligen Tarifvertrag zu entnehmen sei, wann „Feiertagsarbeit“ vorliegt; dies könne auch am 24. Dezember ab 16 Uhr und am 31. Dezember ab 21 Uhr zutreffen.

b) Das BGH-Urteil in NJW 2015, 2666 betraf ebenfalls keine Fristenberechnung, sondern die Vorwirkung „demnächstiger“ Zustellung der Klageschrift; eine vorwerfbare (!) Verzögerung von mehr als 14 Tagen wurde verneint, weil die Einzahlung des Kostenvorschusses an Wochenend- und Feiertagen sowie am Heiligabend und Silvester nicht erwartet werden könne.“