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Strafzumessung III: Strafaussetzung zur Bewährung?, oder: Begründungsmangel

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Und zum Schluss des Tages stelle ich dann hier noch den OLG Dresden, Beschl. v. 06.09.2021 – 1 OLG 22 Ss 368/21 – zu Bewährungsfragen.

Das LG hatte dem Angeklagten keine Bewährung gewährt. Das OLG hebt wegen eines Begründungsmangels auf:

„Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung hält dagegen revisionsrechtlicher Über-prüfung nicht stand. Die Ausführungen des Landgerichts hierzu weisen erhebliche Erörterungsmängel auf.

Zwar kommt dem Tatrichter bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (BGH, Urteil vom 05. April 2018 – 1 StR 654/17 – m.w.N.). Dies gilt sowohl für die Prognoseentscheidung des Landgerichts im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB als auch die Prüfung, ob besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 56 Rdn. 11, 25). In beiden Fällen hat der Tatrichter unter Einbeziehung aller dafür bedeutsamen Umstände im Sinne einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Die Umstände, auf die die Bejahung oder Verneinung einer günstigen Sozialprognose bzw. das Vorliegen besonderer Umstände gestützt werden soll, müssen rechtsfehlerfrei festgestellt werden (Fi-scher, a.a.O., Rdn. 23). Der Tatrichter ist dabei nach § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO gehalten, die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil unter Darlegung der dafür maßgeblichen Erwägungen in einer den Anforderungen des sachlichen Rechts genügenden Weise zu begründen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 25. Januar 2019 – 161 Ss 163/18 -).

Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Landgerichts nicht. Der Tatrichter hat dem Angeklagten zwar „eine positive Kriminal- und Sozialprognose“ gestellt. Die für den Ange-klagten sprechenden Umstände (geständig, entschuldigte sich beim Geschädigten, leistete Schadensersatz, Tat liegt fast vier Jahre zurück) seien jedoch „weder allein noch in ihrer Gesamtheit“ geeignet, das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB zu begründen. Ergänzend wurde angeführt, dass „das Berufungsgericht dem Gedanken einer Strafaussetzung sicherlich nähertreten“ hätte „können, wäre der Angeklagte nicht vorbestraft und hätte er trotz Wissen um das gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren keine weiteren Straftaten begangen“.

Diese Ausführungen erweisen sich nicht in jeder Hinsicht als frei von Rechtsfehlern. Das Landgericht hat insbesondere nicht berücksichtigt, dass der Angeklagte die mit Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 16. März 2018 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung beanstandungsfrei durchgestanden hat und die Strafe zwischenzeitlich erlassen worden ist. Dies stellt einen gewichtigen, für den Angeklagten sprechenden Umstand dar, der in die vorzunehmende Gesamtabwägung einzustellen war. Der Tatrichter durfte dem Angeklagten Strafaussetzung zur Bewährung nicht versagen, ohne zu prüfen, ob nicht allein die Gefahr des Widerrufs der Strafaussetzung mit der Folge der Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe den Angeklagten von weiteren Straftaten abzuhalten vermag (vgl. BGHR, StGB, § 56 Abs. 2 Sozialprognose 3; BGH, Urteil vom 05. April 2018 – 1 StR 654/17 -). Schließlich hat das Landgericht auch nicht in seine Abwägung eingestellt, dass gegen den Angeklagten nach Begehung der ihm im vorliegenden Verfahren zur Last liegenden Tat eine freiheitsentziehende Maßnahme in Form eines zweiwöchigen Jugendarrestes vollstreckt wurde und es sich bei dem Angeklagten im Hinblick auf die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe um einen Erstverbüßer handelt (KG Berlin, StV 2021, 53 f.). Bei dieser Sachlage hätte sich der Tatrichter mit der Frage auseinander-setzen müssen, ob der von der Vollstreckung des Jugendarrestes ausgehende Warneffekt eine Wirkung auf den Angeklagten erzielt hat und deshalb von einer Strafaussetzung zur Bewährung erwartet werden könnte, dass der Angeklagte die Chance nutzt und künftige keine Straftaten mehr begeht. Schließlich kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht den „Vorstrafen“ des Angeklagten zu großes Gewicht beigemessen hat. Bereits im Rahmen der Strafzumessung hat es berücksichtigt, dass der Angeklagte „bereits mehrfach auch einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten“ sei, „wenngleich diese Vortaten als Jugendverfehlungen geahndet wurden“. Tatsächlich war der Angeklagte zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Tat noch nicht vorbestraft. Die gegen ihn in den Jahren 2011 und 2015 eingeleiteten Verfahren waren nach § 47 JGG gegen richterliche Weisung bzw. Erbringung von Arbeitsleistungen eingestellt worden. Im Jahr 2017 wurde gegen ihn ein zweiwöchiger Jugendarrest verhängt. Bei den Verfahrenseinstellungen nach § 47 JGG als auch der Verhängung eines Zuchtmittels in Form des Jugendarrestes handelt es sich nicht um Vorstrafen (vgl. BayObLG, StV 2021, 257 f.). Die Vorahndungen können zwar im Rahmen der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Der Tatrichter muss sich dabei aber immer bewusst sein, dass es sich nicht um Vorstrafen, denen ein stärkeres Gewicht zukommt, handelt. Angesichts der Ausführungen des Landgerichts im Rahmen der Entscheidung zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung kann der Senat nicht ausschließen, dass sich der Tatrichter der vorgenannten Bedeutung der Vorahndungen nicht bewusst war und ihnen ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Hierfür spricht insbesondere auch, dass er unter Verweis auf die Eintragung Nr. 2 im Bundeszentralregister, nach der das Verfahren wegen räuberischer Erpressung und versuchter räuberischer Erpressung nach § 47 JGG gegen Erbringung von Arbeitsleistungen eingestellt wurde, zu Lasten des Angeklagten wertet, dass dieser „keine Hemmungen“ hatte, „die körperliche Unversehrtheit von Menschen und auch deren Eigentum anzugreifen“.

Angesichts der vorliegenden Erörterungsmängel kann die Entscheidung zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung keinen Bestand haben.“

Strafzumessung II: Bewährungsentscheidung, oder: „Die Angeklagte hat keine Unrechtseinsicht gezeigt….“

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Als zweite Entscheidung stelle ich den BGH, Beschl. v. 02.06.2021 – 6 StR 224/21 – vor. Das LG hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von „18 Monaten“ verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„2.a) Der Strafausspruch bedarf insoweit der Berichtigung, als das Landgericht eine Freiheitsstrafe von „18 Monaten“ anstelle einer solchen von einem Jahr und sechs Monaten verhängt hat. Gemäß § 39 StGB sind Freiheitsstrafen ab einer Dauer von einem Jahr grundsätzlich nach vollen Monaten und Jahren zu bemessen.

b) Die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen, hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

Es hat zur Begründung der nach seiner Auffassung ungünstigen Kriminalprognose im Sinne von § 56 Abs. 1 StGB in rechtsfehlerhafter Weise unter anderem darauf abgestellt, dass die Angeklagte keine Unrechtseinsicht gezeigt, sondern die verfahrensgegenständliche Tat als Unfall dargestellt habe. Fehlende Unrechtseinsicht durfte nicht zum Nachteil der die Tat bestreitenden Angeklagten gewertet werden; denn auch im Rahmen des § 56 StGB darf einem Angeklagten ein die Grenzen des Zulässigen nicht überschreitendes Verteidigungsverhalten nicht angelastet werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 ‒ 4 StR 521/15 ; vom 20. April 1999 ‒ 4 StR 111/99 , NStZ-RR 1999, 358; vom 20. Februar 1998 ‒ 2 StR 14/98 ,StV 1998, 482).

Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einer günstigeren Prognose gelangt wäre, wenn es die fehlende Unrechtseinsicht außer Acht gelassen hätte.“

Im Übrigen: Wahrscheinlich ein „Eigentor“, denn:

„Auch die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ( § 64 StGB ) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.2

Die Revision war also insoweit nicht beschränkt. Warum nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ziel der Revision die Unterbringung war.

 

Bewährung II: Noch einmal Bewährung beim vielfachen Bewährungsversager, oder: Urteilsgründe

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das BayObLG, Urt. v. 27.07.2020 – 203 StRR 210/20.

Das AG hat den Angeklagten wegen Diebstahls von 4 Flaschen Bier u.a. im Gesamtwert von 5,03 EUR zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft eingelegt, die sie auf die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung beeschränkt hat. Sie rügt, dass die Feststellungen des AG die Gewährung der erneuten Strafaussetzung zur Bewährung nicht tragen. Das angefochtene Urteil werde den erhöhten Darlegungsanforderungen bei angenommener günstiger Sozialprognose trotz erheblicher Vorstrafen und massiven zweifachen Bewährungsversagens nicht gerecht. Damit hatte sie beim BayObLG Erfolg:

„Die Sprungrevision der Staatsanwaltschaft ist zulässig (§§ 335 Abs. 1, 341 Abs.1, 3, 344, 345 StPO) und hat in der Sache – zumindest vorläufigen – Erfolg. Die Sprungrevision konnte auf die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt werden, weil dieser Beschwerdepunkt losgelöst von den nicht angefochtenen Teilen des Urteils rechtlich und tatsächlich selbstständig überprüft und beurteilt werden kann.

Die dem Angeklagten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand:

„1. Dem Tatrichter kommt bei der nach § 56 Abs. 1 StGB vorzunehmenden Legal- und Sozialprognose ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat. Das Revisionsgericht kann nur in den Ausnahmefällen eingreifen, in denen das angegriffene Urteil die Mindestanforderungen an die Begründung unterschreitet. Diese Grenzziehung ist allerdings nicht abstrakt zu bestimmen, sondern abhängig vom konkreten Einzelfall.

Bei einem, wie hier, schon vielfach vorbestraften Täter, der die Tat während zweier laufender Bewährungen begangen hat, bestehen besonders hohe Anforderungen an die Begründungstiefe der Prognoseentscheidung. Denn bereits die zweite Bewährung hat nach ständiger Rechtsprechung des Senats absoluten Ausnahmecharakter (Senatsbeschluss vom 6.6.2019, Az. 203 StRR 799/19). Das Tatgericht hat in diesen Fällen die außergewöhnlichen Umstände darzulegen, die es erwarten lassen, dass sich der Angeklagte, trotz zweifachen Bewährungsversagens in Zukunft straffrei führen wird. Der Tatrichter muss sich dabei mit der Tat und den Vortaten dezidiert auseinandersetzen. Die Vorverurteilungen sind nicht nur zu benennen, sondern es sind die diesen Urteilen zugrundeliegenden Sachverhalte so mitzuteilen, dass das Revisionsgericht sie seiner Bewertung zugrunde legen kann (BayObLG Urt. v. 8.11.2019, Az. 207 StRR 1863/19; OLG Köln Beschluss v. 24.5.2016 Az. 1 RVs 83/16 – juris).
Weiter hat das Tatgericht sich mit der – nachträglich betrachtet – falschen Sozialprognose der Vorverurteilungen auseinanderzusetzen und die gegenwärtigen Lebensverhältnisse des Angeklagten substantiell mitzuteilen, um sodann in einer plausiblen Begründung darzulegen, auf welche konkret zu benennende geänderte Umstände sich die Erwartung künftig straffreien Lebens stützt (vgl. KG, Urt. v. 26.02.2020 – 3 Ss 11/20 – juris). Trotz der zunächst gegebenen Bewertungsprärogative des Tatrichters, der sich aufgrund mündlicher Verhandlung – anders als das Revisionsgericht – einen persönlichen Eindruck über die aktuelle Lebenssituation des Angeklagten verschaffen kann, genügen in Fällen mehrfachen Bewährungsversagens die schlichten Angaben des Angeklagten hierzu nicht. Das Tatgericht ist gehalten, sich durch Anhörung etwa des Bewährungshelfers oder von Zeugen aus dem persönlichen Umfeld des Angeklagten eine Tatsachenplattform zu verschaffen, die geeignet ist, eine belastbare Prognoseentscheidung zu tragen. Diese in der Hauptverhandlung erhobenen Fakten sind in den Urteilsgründen umso detaillierter mitzuteilen, je außergewöhnlicher die Bewährungsentscheidung ist.

2. Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Es teilt lediglich den Inhalt der Eintragungen im Bundeszentralregister mit, nicht aber die den Vorstrafen zugrunde liegenden Sachverhalte.

Ausweislich der Urteilsgründe weist der Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten insgesamt 18 strafrechtliche Vorbelastungen auf. Zum Tatzeitpunkt stand der Angeklagte unter Bewährung aus dem Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 24.2.2015 (Freiheitsstrafe von 5 Monaten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs) und aus dem Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 10.7.2018 (Freiheitsstrafe von 8 Monaten wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis u.a. unter Einbeziehung einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von 5 Monaten wegen Erschleichens von Leistungen durch das Amtsgericht Landshut vom 8.2.2018). Die Bewährungszeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 24.2.2015 wurde wegen weiterer Verurteilungen zu Geldstrafen (Urteile des Amtsgerichts Landshut vom 9.5.2016 und Amtsgerichts Traunstein vom 12.5.2016) sowie der Verurteilung durch das Amtsgericht Regensburg vom 10.7.2018 zwei Mal verlängert bis zuletzt 1.6.2021.
Eine Mitteilung der Sachverhalte der genannten Entscheidungen war schon deswegen unabdingbar, damit der Senat nachvollziehen kann, warum das Amtsgericht bewährungsfreundlich berücksichtigt hat, dass „der Angeklagte nicht wegen Diebstahls unter Bewährung stand, sondern die letzten Vorverurteilungen aus dem Bereich der Fortbewegung stammen“ (UA S. 7 am Ende). Dabei hat das Amtsgericht ausgeblendet, dass ausweislich des Bundeszentralregisterauszugs die beiden Verurteilungen zu Geldstrafen vom 9.5.2016 und 12.5.2016 (BZRA Nr. 15 und 16) Vermögensdelikte betrafen, die in die Bewährungszeit aus dem Urteil vom 24.2.20215 fielen. Auch der Verlauf der vorangegangenen Bewährungen mit den gegebenenfalls erteilten Weisungen zur Alkoholabstinenz oder zu einer Betäubungsmittelproblematik (vgl. UA S. 7) hätte mitgeteilt werden müssen. Ungeklärt bleibt weiter, auf welcher Grundlage und vor welchem Hintergrund die im Urteil angesprochene Suchtentwöhnungstherapie durchgeführt wurde und welche Fakten der Bewährungshelfer in der Hauptverhandlung mitgeteilt und ob und gegebenenfalls welche bewertende Stellungnahme er abgegeben hat. Auch die schlichte Feststellung in den Urteilsgründen, der Angeklagte sei „nach der Therapie wieder familiär eng eingebunden“ ist bei einem mehrfachen Bewährungsversager nicht geeignet eine revisionsrechtlich nachvollziehbare Prognoseentscheidung zu tragen. Schließlich bildet eine Erklärung des Angeklagten, sich um weitere Stabilisierungsmöglichkeiten zu bemühen, Termine bei einer Suchtberatungsstelle vereinbaren zu wollen und die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe zu planen keine tragfähige Grundlage für eine dritte positive Bewährungsprognose.“

StGB III: Widerruf der Bewährung, oder: Vertrauensgrundsatz

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Die dritte Entscheidung des Tages – bevor es dann ins lange Wochenende geht – stammt dann aus dem Bereich der Bewährung (§§ 56 ff. StGB). Der vorgestellte OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.03.2020 – 3 Ws 34/20 – hat eine Widerrufsproblematik zum Gegenstand, die in der Praxis m.E. nicht selten ist.

Und zwar: Der Verurteilte ist in mehreren Verfahren zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Die Bewährungszeit wird verlängert. Dann wird die Bewährung auf Antrag der Staatsanwaltschaft widerrufen, und zwar (auch) wegen einer der Verurteilungen, die zur Verlängerung der Bewährungszeit geführt haben. Das OLG sagt auf die Beschwerde – zutreffend: Geht nicht:

1. Gem. § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Vorliegend wurde der Beschwerdeführer innerhalb der Bewährungszeit mehrfach, auch einschlägig strafbar, so dass – wie oben dargelegt – die ursprünglich auf vier Jahre festgesetzte Bewährungszeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 15.10.2015 auf insgesamt sechs Jahre verlängert wurde.

2. Soweit die Strafvollstreckungskammer nunmehr jedoch aufgrund des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 (25 Cs 203 Js 36094/18 – vgl. oben c) die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen hat, steht dem der Vertrauensschutz des Verurteilten entgegen.

Grundsätzlich kann zwar auch eine Verurteilung wegen eines eher geringfügigen Delikts (wie vorliegend den beiden Vergehen des Hausfriedensbruchs) zum Widerruf der Strafaussetzung führen, wenn – wie vorliegend – der Verurteilte bereits mehrfach bewährungsbrüchig war und die Taten zusammengenommen nicht (mehr) bedeutungslos sind (Fischer, StGB, 67. Aufl., Rdn. 8 a zu § 56 f).

Allerdings kann nach einer Verlängerung der Bewährungszeit (vorliegend durch Be-schluss vom 10.7.2019 – vgl. oben d) der Widerruf einer Strafaussetzung auf eine vor dem Verlängerungsbeschluss erfolgte Nachverurteilung nur dann gestützt werden, wenn die neue Straftat dem Gericht bei der Entscheidung über die Bewährungsverlängerung nicht bekannt war (OLG Celle, B. v. 23.1.2018 – 2 Ws 47/18 – Nds.Rpfl 2018, 112).

Vorliegend befand sich der seit 24.11.2018 rechtskräftige Strafbefehl vom 5.11.2018 bei der Akte, war dem Amtsgericht Mannheim bei Erlass des (Verlängerungs)Beschlusses vom 10.7.2019 bekannt und war auch in dem (vor Erlass des Verlängerungsbeschlusses) neu eingeholten BZR-Auszug vom 4.7.2019 enthalten. Auch wenn sowohl das amtsgerichtliche Anhörungsschreiben vom 5.6.2019 als auch der Beschluss vom 10.7.2019 ausdrücklich nur auf den Strafbefehl vom 12.4.2019 Bezug nehmen, durfte der Verurteilte dennoch darauf vertrauen, dass das Amtsgericht Mannheim alle für die Entscheidung über eine nochmalige Verlängerung der Bewährungszeit oder einen Bewährungswiderruf maßgeblichen Gesichtspunkte, somit auch die zeitlich vor Erlass des Strafbefehls des Amtsgerichts Mannheim vom 12.4.2019 liegende Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018, berücksichtigt und in seine Überlegungen miteinbezogen hat und dass sein, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 5.11.2018 zugrunde liegendes strafbares Verhalten daher keine weiteren Konsequenzen mehr nach sich ziehen werde.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten war daher der Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 4.2.2020 aufzuheben.

Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:

Aufgrund des dem Verurteilten zustehenden Vertrauensschutzes kam auch eine Verlängerung der Bewährungszeit vorliegend nicht mehr in Betracht. Vielmehr durfte er davon ausgehen, dass mit dem Verlängerungsbeschluss vom 10.7.2019 alle zuvor ergangenen neuen Straferkenntnisse verwertet worden waren.

Im Fall einer erneuten Strafbarkeit des Verurteilten nach Erlass des Verlängerungsbeschlusses vom 10.7.2019 steht die vorliegende Entscheidung einem eventuellen Bewährungswiderruf jedoch nicht entgegen.“

Nichts Besonderes, aber zur Auffrischung der Erinnerung an diese Konstellation mal ganz schön.

Strafzumessung III: Religiös motivierte Körperverletzung, oder: Bewährung?

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Und als dritte Entscheidung stelle ich dann das KG, Urt. v. 04.02.2019 – (3) 161 Ss 4/19 (5/19)  – vor. Schon etwas älter, aber passt dann heute (endlich) ganz gut.

Das KG hat das landgerichtliche Urteil, das die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und zwei Monaten verurteilt hat, aufgehoben. Das LG hatte das Urteil nämlich abgekürzt abgesetzt , und zwar so „kurz“, dass es für die abgeurteilten Taten der gefährlichen Körperverletzung keine Einzelstrafen festgesetzt hatte. Allein das führte bereits zur Aufhebung.

Und für die neue Hauptverhandlung hat das KG dem LG dann „mit auf den Weg gegeben“ – hier die Leitsätze: 

  1. Bei einem Täter, der wiederholt und auch einschlägig straffällig geworden ist, kann die Vollstreckung einer erneuten Freiheitsstrafe nur dann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn spezifische Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass er sich in Zukunft straffrei führen wird.

  2. Eine den Rechtsfrieden bedrohende Häufung von Straftaten kann ebenso Anlass zu einer Entscheidung nach § 56 Abs. 3 StGB geben wie der Gedanke der Abschreckung anderer Straftäter. Prägt gerade die religiöse Motivation die Tat (hier: „Abstrafung“ eines Konvertiten zum Christentum), so verstieße es gegen Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, hiervor die Augen zu verschließen.