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Bewährung II: Zweidrittel vom BGH, oder: Wenn der „Islamische Staat“ als „Räuberbande“ erkannt wird

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Die zweite „Bewährungsentscheidung“ stammt auch vom BGH. Es ist der BGH, Beschl. v. 19.04.2018 – StB 3/18. Es handelt sich um eine sog. 2/3-Entscheidung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB. Die sieht man beim BGH ja eher selten. Der BGH schließt sich hier dem OLG Frankfurt, dass den Verurteilten u.a. wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen verurteilt und nun nach Verbütung von zwei Dritteln der Strafe den Rest zur Bewährung ausgesetzt hat, an:

„1. Der Senat teilt die Ansicht des Oberlandesgerichts, dass die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB).

a) Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen dieses Absatzes dann zur Bewährung auszusetzen, wenn dem Verurteilten eine günstige Prognose für eine Legalbewährung in Freiheit gestellt werden kann. Dabei sind an die Erwartung künftiger Straffreiheit umso strengere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger das im Falle eines Rückfalls bedrohte Rechtsgut ist (BGH, Beschlüsse vom 25. April 2003 – StB 4/03, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 2; vom 4. Oktober 2011 – StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Die vorzunehmende Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Strafvollzugs und dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit kann auch bei Kapitaldelikten, schweren Sexualstraftaten oder terroristischen Verbrechen zu dem Ergebnis führen, dass die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug verantwortbar ist; die Voraussetzungen an eine positive Legalprognose dürfen auch in diesem Bereich nicht so hochgeschraubt werden, dass dem Verurteilten letztlich kaum eine Chance auf vorzeitige Haftentlassung bleibt (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 – StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8). Insbesondere wenn sich ein terroristischer Straftäter im Vollzug ordnungsgemäß führt und von seiner früheren Gewaltbereitschaft glaubhaft lossagt, kann auch hier eine Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 1990 – StB 39/89, BGHR StGB § 57 Abs. 1 Erprobung 1).

b) Nach diesen Maßstäben ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat – sachverständig beraten (§ 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO) – die nach § 57 Abs. 1 Satz 2 StGB für die Entscheidung zu berücksichtigenden Umstände einer Gesamtwürdigung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine hinreichend günstige Prognose für eine bedingte Entlassung des Verurteilten gestellt werden kann, der sich von den seinen Taten zugrunde liegenden radikalen Einstellungen distanziert hat. Dem schließt sich der Senat an.

aa) Zwar ist der Beschwerde zuzugeben, dass einige Umstände – die auch das Oberlandesgericht Frankfurt erkannt hat – durchaus gegen die Annahme einer günstigen Legalprognose sprechen könnten. So beging der Verurteilte die verfahrensgegenständlichen Straftaten unter laufender Bewährung und weist nach dem eingeholten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Prof. Dr. S. Persönlichkeitszüge auf, die seine Einordnung in ein soziales Gefüge erschweren können. Eine begonnene Umschulungsmaßnahme konnte er wegen Fehlzeiten, die allerdings durch seine Erkrankung an Morbus Crohn bedingt waren, nicht abschließen. Auch verlief der Strafvollzug nicht frei von Verstößen gegen Weisungen der Justizvollzugsbediensteten und disziplinarischen Beanstandungen; die gegen ihn verhängte Disziplinarmaßnahme wegen Verletzung der Arbeitspflicht hat der Verurteilte indes akzeptiert, sich für sein Fehlverhalten entschuldigt und schließlich zunehmend angepasste Verhaltensweisen gezeigt.

bb) Demgegenüber fällt jedoch entscheidend ins Gewicht, dass sich der Verurteilte glaubhaft von seiner früheren radikalen Einstellung, die für die hier gegenständlichen Straftaten ursächlich war, gelöst und während des Strafvollzuges seit der über vier Jahre zurückliegenden Hauptverhandlung einen positiven Reifungsprozess durchlaufen hat, in dessen Folge er sich intensiv mit seinen Taten auseinandergesetzt und sich von diesen distanziert hat.

Seine Verurteilung hat er als „richtig“ erkannt, die verhängte Strafe akzeptiert und eine insgesamt günstige Entwicklung genommen. Bereits im Jahre 2013 hat sich der Verurteilte schriftlich mit der Bitte um Unterstützung an das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und nach seiner Aufnahme in das Aussteigerprogramm Islamismus (API) im Jahre 2015 mehr als einhundert Stunden intensive Gespräche mit dessen Mitarbeitern bei regelmäßigen, alle drei bis vier Wochen stattfindenden Besuchen geführt. Zudem hat er sich mit Literatur zum Islam befasst und schließlich erkannt, dass er in der Vergangenheit „den falschen Leuten vertraut“ habe und „Rattenfängern“ gefolgt sei; heute ist er der Ansicht, dass er durch Propagandavideos, Hasspredigten und die Einbindung in die islamistische Szene hin zu einem „Schwarz-Weiß-Denken“ manipuliert worden sei. Die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat“ sieht er als „Räuberbande“ an, die nicht zum Islam gehöre und die Religion missbrauche……….

Geht doch….

Bewährung I: Günstige Sozialprognose, oder: Überspannte Anforderungen

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So, ab heute bin ich ein paar Tage unterwegs. Will mir mal Riga und Lettland anschauen und Mittsommernacht weit im Osten erleben. Hoffentlich spielt das Wetter mit. Hier im Blog muss es daher ein paar Tage ohne mich laufen. Wird schon gehen. Beiträge sind vorbereitet, allerdings – wie immer – mit deaktivierter Kommentarfunktion. Ich möchte nicht von Lettland aus die Kommentare im Blick haben müssen. So, das vorab.

Und heute mache ich dann einen Bewährungstag 🙂 . In den starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 05.04.2018 – 1 StR 654/17. Die Angeklagten sind vom LG wegen (gemeinschaftlicher) unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden. Gegen den Angeklagten hat es hierfür unter Einbeziehung einer Einzelgeldstrafen aus einem Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Der BGH meint: Keine Bewährung passt so nicht:

„3. Die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) hält demgegenüber rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Zwar kommt dem Tatrichter bei der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ein weiter Beurteilungsspielraum zu, in dessen Rahmen das Revisionsgericht jede rechtsfehlerfrei begründete Entscheidung hinzunehmen hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. März 2012 – 2 StR 547/11 Rn. 20 [insoweit nicht abgedruckt in StV 2013, 73] und vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367; Mosbacher/Claus in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 56 Rn. 51 mwN). Die Prognoseentscheidung des Landgerichts, aufgrund deren es für den Angeklagten keine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB festzustellen vermochte, erweist sich jedoch nicht in jeder Hinsicht als frei von Rechtsfehlern.

Im Ansatz ist das Landgericht bei seiner Prognoseentscheidung zwar von zutreffenden Maßstäben ausgegangen. Es hat darauf abgestellt, dass sich der Angeklagte durch die bisher gegen ihn ergriffenen strafrechtlichen Maßnahmen nicht von der Begehung neuer Straftaten abhalten ließ. Auch habe er durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, Sanktionen hinzunehmen und Auflagen oder Weisungen nachzukommen (UA S. 19). Dabei hat das Landgericht nicht nur der Frage, welche Wirkung für den Angeklagten von einer etwaigen Strafaussetzung ausginge und ob er sich von dem Druck eines gegebenenfalls zu gewärtigenden Widerrufs der Strafaussetzung in seinem Verhalten beeinflussen ließe (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Februar 2001 – 1 StR 519/00, NStZ 2001, 366, 367), Rechnung getragen. Vielmehr hat es bei der Prognose, ob sich der Angeklagte schon die erneute Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen werde, auch die sonstigen Lebensumstände des Angeklagten (vgl. zu diesem Aspekt Fischer, StGB, 65. Aufl., § 56 Rn. 10) berücksichtigt.

Bei diesen der Sozialprognose zugrunde gelegten, prognoserelevanten Lebensumständen zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung ist allerdings zu besorgen, dass das Landgericht der festgestellten fehlenden Motivation, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen oder zumindest Sozialleistungen als legale Einkunftsquelle zu beantragen, ein zu starkes prognostisches Gewicht beigemessen und die Anforderungen nach § 56 Abs. 1 StGB überspannt hat. Auch wenn sich derartige Umstände grundsätzlich als prognostisch ungünstig erweisen können, hätte das Landgericht unter gebotener Berücksichtigung der sonstigen Lebensverhältnisse deutlicher in den Blick nehmen müssen, dass dem Angeklagten finanzielle Unterstützung durch seine Familie, insbesondere seinen Vater, zuteil wurde. Dies hätte innerhalb der rechtlich geforderten Gesamtwürdigung hinsichtlich des Gewichts der vom Landgericht als prognostisch ungünstig bewerteten Verhältnisse eingestellt und gewichtet werden müssen, zumal der noch junge Angeklagte bereits eine Bewährung durchgestanden hatte. Daran fehlt es hier.“

Bewährung II, oder: Der „Eindruck“ des schweigenden Angeklagten in der Hauptverhandlung

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Die zweite vorzustellende Entscheidung des BGH, die sich mit Bewährungsfragen befasst, ist der BGH, Beschl. v. 26.10.2017 – 2 StR 334/17. Es geht um Beihilfe zum Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung u.a. Das LG hat zu einer bewährungsfähigen Freiheitsstrafe verurteilt, die es aber nicht zur Bewährung abgesehen hat. Der BGH sieht das anders:

„Das Landgericht hat ausgeführt, die Vollstreckung der Strafe könne nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, weil bei einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten keine besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vorlägen. Dafür genüge nicht, dass er nunmehr eine Anstellung im Sicherheitsgewerbe gefunden und nur Beihilfe zur Tat seines Bruders geleistet habe. Auch eine Gesamtschau aller Strafmilderungsgründe ergebe keine besonderen Umstände; denn der Angeklagte habe „in der Hauptverhandlung nicht ansatzweise den Eindruck erweckt, dass er das Unrecht seines strafbaren Verhaltens einsehe und dieses bereue oder dass er auch nur geringes Mitgefühl mit der Geschädigten Zeugin M. entwickelt“ habe.

Diese Begründung weist Rechtsfehler auf.

a) § 56 Abs. 1 und 2 StGB ermöglicht es dem Gericht, bei Vorliegen einer günstigen Legalprognose und besonderer, in der Tat oder der Persönlichkeit des Angeklagten liegender Umstände auch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Bewährung auszusetzen. Dabei sind die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 StGB vorrangig zu prüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. April 2015 – 2 StR 424/14, BGHR StGB § 56 Abs. 2 Sozial-prognose 6). Daran fehlt es hier.

b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet ferner die Bewertung des Eindrucks des Angeklagten in der Hauptverhandlung, obwohl dieser keine Angaben zur Sache gemacht hat. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Macht er von seinem Schweigerecht Gebrauch, darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 3 StR 344/15, NStZ 2016, 220 f. mwN). Der unbefangene Gebrauch des Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung der Gründe hierfür befürchten müsste. Deshalb dürfen aus der Aussageverweigerung keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Landgericht dies verkannt hat.“

Selbstläufer nennt man so etwas.

Bewährung, oder: Die Alkoholabstinenzweisung beim alkoholkranken Verurteilten

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Und als zweites Posting heute noch eine Entscheidung mit vollstreckungsrechtlichem Einschlag. Im LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 12.07.201716 Qs 15/17 – geht es mal wieder um die Zulässigkeit einer Alkoholabstinenzweisung bei einem alkoholkranken Verurteilten. Dazu meint das LG: Die Weisung, jeglichen Konsum von Alkohol zu unterlassen, ist grundsätzlich zulässig. Bei einer alkoholkranken Person ist für eine Alkoholabstinenzweisung aber erforderlich, dass zuvor eine entsprechende Therapie erfolgreich abgeschlossen wurde:

„Der Widerruf nach § 56f StGB setzt voraus, dass der Verurteilte gegen eine zulässig angeordnete Auflage oder Weisung gröblich und beharrlich verstößt. Die Voraussetzungen eines Bewährungswiderrufs sind nicht erfüllt. Die Weisung, jeglichen Konsum von Alkohol zu unterlassen, wurde nicht zulässig angeordnet. Zwar ist eine Weisung nach § 56 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, den Alkoholkonsum zu unterlassen, grundsätzlich zulässig (OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 332). Eine solche Weisung (im Rahmen der Führungsaufsicht) verstößt jedoch bei einer alkoholkranken Person gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist nicht mit § 68b Abs. 3 StGB zu vereinbaren OLG Dresden, Beschluss vom 13.07.2009; NJW 2009, 3314). Gemäß § 68 Abs. 3 StGB dürfen bei den Weisungen an die Lebensführung der verurteilten Person keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Eine entsprechende Regelung sieht das Gesetz in § 56 e Abs. 1 S. 2 StGB auch für die Erteilung von Weisungen im Rahmen der Bewährung vor.

Eine Alkoholabstinenzweisung bei einer alkoholkranken Person ist regelmäßig erst zulässig, wenn zuvor eine entsprechende Therapie erfolgreich abgeschlossen wurde (OLG Dresden, NJW 2009, 3314)

Laut dem Arztbericht des Bezirksklinikums pp. vom 08.06.2015 wurde nach einem stationären Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Zeit von 05.06.2015 bis 06.06.2015 die Diagnose eines Abhängigkeitssyndrom bezüglich Alkohols (ICD F 10.2) gestellt.

In der Bescheinigung der psychologischen Psychotherapeutin … vom 14.10.2016 ist vermerkt, dass sich die Beschwerdeführerin bei ihr in ambulanter Verhaltenstherapie u.a. wegen einer Alkoholabhängigkeit nach F 10.2 befand.

Die Beschwerdeführerin hat, wie sich der Beschwerdebegründung vom 08.06.2017 entnehmen lässt, im Jahr 2013 eine Alkoholtherapie absolviert, diese jedoch vor einem erfolgreichen Abschluss abgebrochen. Andere Erkenntnisse diesbezüglich liegen nicht vor.

Aufgrund der Feststellungen aus dem Arztbericht des BKH A. vom 08.06.2015, den Feststellungen im Urteil vom 25.04.2016 (Feststellung zur Blutalkoholkonzentration in der Tatnacht: 1,90 Promille), sowie der zeitnah nach dem Urteil am 14.10.2016 ausgestellten Bescheinigung der behandelnden Psychotherapeutin ist von einer Alkoholabhängigkeit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewährungsbeschlusses auszugehen. Da die Beschwerdeführerin zu diesem Zeitpunkt eine entsprechende Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen hatte, zwar die Auferlegung der Weisung, jeglichen Konsum von Alkohol zu unterlassen, für die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Erkrankung unzumutbar gem. § 56 c Abs. 1 S. 2 StGB. Die Abstinenzweisung war insoweit nicht zulässig angeordnet.

Nachdem sich die Beschwerdeführerin im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht Neustadt a.d. Aisch vom 20.04.2017 jedoch bereit erklärt hat eine stationäre Therapie zu machen, kommt derzeit aus Sicht der Kammer nach einer erneuten Anhörung der Beschwerdeführerin gegebenenfalls die Abänderung des Bewährungsbeschlusses unter Auferlegung einer Weisung nach § 56 c Abs. 3 Nr. 1 StGB in Betracht.“

„Kölner-Raser-Fall“, oder: Zur Strafaussetzung zur Bewährung bei „Rasern“

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Die sog. „Kölner-Raser-Fall“-Entscheidung – das BGH, Urt. v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16 – ist in den Blogs inzwischen an vielen Stellen behandelt worden, und zwar sowohl auf der Grundlage der PM als auch auf der Grundlage des Volltextes. Zugrunde gelegen hat dem Urteil ein „Autorennen“ in der Kölner Innenstadt, bei dem einer der beiden beteiligten Kraftfahrzeugführer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und eine auf dem angrenzenden Radweg fahrende 19-jährige Studentin erfasst hatte, die später ihren durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen erlag. Das LG Köln hatte zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. von einem Jahr und neun Monaten, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt. Der BGH hat das LG-Urteil hinsichtlich der Bewährungsentscheidung aufgehoben.

Ich will jetzt hier nicht auch noch die Entscheidung einstellen. M.E. lesenswert, das der BGH schon einen kleinen Grundkurs zur Entscsheidung von Bewährungsfragen gibt. Das sollte man als Verteidiger, aber auch als Gericht dann ggf. doch mal/immer wieder nachlesen. Der BGH hat an der Kölner-Entscheidung zwei Punkte beanstandet, nämlich:

  • Im Rahmen der Prüfung „besonderer Umstände“ nach § 56 Abs. 2 StGB habe das LG keine über die günstige Sozialprognose des § 56 Abs. 1 StGB hinausgehenden Umstände berücksichtigt.
  • Und bei der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gebiete (§ 56 Abs. 3 StGB) seien Tat und Täter nicht ausreichend gewürdigt worden, wobei auch generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukomme (Verweis auf BGHSt 24, 40, 45). Insbesondere der Umstand, dass die Angeklagten die zum Tod der Studentin führenden Gefahren bewusst geschaffen haben, sei hier von maßgeblicher Bedeutung (OLG Karlsruhe NZV 2004, 156 = DAR 2003, 325 im damaligen Raserfall).

Man draf gespannt sein, wie das LG mit den Vorgaben des BGH umgehen wird. Jedenfalls muss es die Frage der Bewährung eingehender prüfen und auch begründen, wenn es den BGH an seine Vorgaben – ggf. erneut Strafaussetzung zur Bewährung – binden will – „bis zur Grenze des Vertretbaren“.

Auch an der Stelle ist auf das vom Bundestag am 29.6.2017 beschlossene „Gesetz zur Strafbarkeit der Veranstaltung nicht genehmigter Kfz-Rennen und der Teilnahme daran“ mit dem neuen § 315d StGB, der das Veranstalten von Rennen und die Teilnahme an Rennen im Straßenverkehr unter Strafe stellt – bis nur OWi nach § 29 StVO zu verweisen. Zudem lässt die Entscheidung vom 06.07.2017 erahnen, wie der BGH über die bei ihm anhängige Revision über die Verurteilung wegen Mordes im „Berliner-Raser-Fall“ (vgl. das LG Berlin, Urt. v. 27.02.2017 – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16) entscheiden wird. Gut sieht es dort danach m.E. für die Angeklagten nicht aus.