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Was häufig übersehen wird: Begründung des Rechtmittels beim Verwerfungsurteil

Gegen das die Berufung nach § 329 Abs. 2 StPO verwerfende Prozessurteil kann die Revision nur mit der Verletzung der §§ 329, 412 StPO geltend gemacht werden. Und Die Überprüfung durch das Revisionsgericht setzt hierbei i.d.R. die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (s. OLG Hamm, Beschl. v. 15.0 7.2010 – III-2 RVs 34/10).

Das gilt übrigens entsprechend für die Rechtsbeschwerde gegen das nach § 74 Abs. 2 OWiG ergangene Verwerfungsurteil. An die Zulässigkeit der Rüge, das Berufungs- bzw. das Amtsgericht habe die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt, werden allerdings keine strengen Anforderungen gestellt (vgl. z.B. OLG Köln StV 1989, 53). Der Rüge muss aber jedenfalls zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO bzw. § 7 74 Abs. 2 OWiG rügen will, dass nämlich die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt worden sind. Im Übrigen kann die Rüge auch in einem gleichzeitig mit der Revision oder Rechtsbeschwerde erhobenen Wiedereinsetzungsantrag (vgl. § 329 Abs. 3 StPO bzw. § 74 Abs. 3 OWiG) enthalten sein. Dann muss sich aus dessen Begründung aber ergeben, dass das das Ausbleiben des Angeklagten/Betroffene  nicht  als unentschuldigt hätte angesehen dürfen.

Doppeltes Anwaltsverschulden – Wiedereinsetzung ist zu gewähren

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wird von den Verfassungsgerichten hoch gehalten, vor allem dann, wenn es um den sog. ersten Zugang zum Gericht geht.

So vor kurzen der BayerischeVerfGH in seinem Beschl. v. 12.05.2010 – Vf. 117-VI-09, der im Grunde eine doppelte Wiedereinsetzung betraf. Der VerfGH sieht es – zutreffend – als eine unzulässige Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör an, wenn strafgerichtliche Beschlüsse, wie hier eine Wiedereinsetzung nach versäumtem Einspruch im Strafbefehlsverfahren, einem anwaltlich vertretenen Angeschuldigten den Zugang zum Gericht derart verwehren, dass seine eigenen Anträge sowie die Anträge seines Verteidigers als wegen Verfristung unzulässig angesehen werden, obwohl sich der Verteidiger für die ursprüngliche Verfristung im Wege einer anwaltlichen Versicherung verantwortlich gezeichnet hat. Wird der Wiedereinsetzungsantrag des Verteidigers als unzureichend gewertet, kann dies dem selbst ebenfalls Wiedereinsetzung begehrenden Angeschuldigten ebenso wenig zugerechnet werden wie die anwaltliche Fristversäumnis selbst.

Im Beschluss heißt es:

„Nach § 44 Satz 1 StPO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Bei der Prüfung, ob den Beschuldigten ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, ist es den Strafgerichten regelmäßig verwehrt, ihm Versäumnisse seines Verteidigers zuzurechnen (vgl. BVerfG vom 13.4.1994 = NJW 1994, 1856). Dies umfasst nicht nur die eigentliche Versäumung der Frist, sondern auch durch den Verteidiger verursachte Mängel des Wiedereinsetzungsantrags (vgl. OLG Hamm vom 28.12.2002 = VRS 104, 361). Abzustellen ist vielmehr auf Versäumnisse des Betroffenen selbst (vgl. Maul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, RdNrn. 30 f. zu § 44; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, RdNrn. 11, 18 zu § 44). Gegen diese Grundsätze, die der Sicherung des (erstmaligen) Zugangs zu den Strafgerichten dienen, ist hier verstoßen worden. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die aus verfassungsrechtlicher Sicht ausnahmsweise eine Abweichung rechtfertigen könnten.“

Die Nebenklägerrevision: Immer wieder unzulässig :-(

Der Nebenkläger und seine Revision: Ein Dauerbrenner, der wegen § 400 StPO immer wieder zu obergerichtlichen Entscheidungen führt (vgl. auch hier und hier und hier).

Die Vorschrift des § 400 StPO und die sich daraus ergebenden Einschränkungen wird leider häufig übersehen. So ist es auch nicht ausreichend, wenn die Nebenklägerrevision allein beanstandet, dass der den Nebenkläger betreffende Tatkomplex wegen einer Beschränkung gem. § 154a StPO entgegen § 397 Abs. 2 StPO (a.F. = § 395 Abs. 5 StPO n.F.) nicht weiterverfolgt wurde. Denn damit wird ein Verfahrensfehler rügt und das genügt nicht den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO  (so OLG Hamm, Beschl. v. 15.04.2010 – 2 RVs 25/10), weil nicht deutlich wird, dass der Nebenkläger mit seiner Revision ein zulässiges Ziel (Änderung des Schuldspruchs) verfolgt. Es kann ja auch nur ums Strafmaß gehen.

Na ja, 🙂

Verwerfungsurteil: Aufgepasst bei der Begründung der Revision bzw. Rechtsbeschwerde

Wird gegen ein Verwerfungsurteil (§ 329 Abs. 2 StPO bzw. § 74 Abs. 2 OWiG) Revision/Rechtsbeschwerde eingelegt, wird häufig übersehen, dass damit nur geltend gemacht werden kann, dass das Tatgericht den Begriff der „genügenden Entschuldigung“ verkannt hat. Das kann nur mit einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Verfahrensrüge geltend gemacht werden (vgl. jetzt nochmals OLG Hamm, Beschl. v. 15.07.2010 – III-2 RVs 34/10).

An die Zulässigkeit dieser Rüge werden allerdings keine strengen Anforderungen gestellt (vgl. z.B. OLG Köln StV 89, 53). Der Rüge muss aber jedenfalls zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO rügen will, dass nämlich die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt worden sind. Im Übrigen kann die Rüge auch in einem gleichzeitig mit der Revision oder Rechtsbeschwerde erhobenen Wiedereinsetzungsantrag (vgl. § 329 Abs. 3 StPO bzw. § 74 Abs. 3 OWiG) enthalten sein. Dann muss sich aus dessen Begründung aber ergeben, dass das das Ausbleiben des Angeklagten/Betroffene  nicht als unentschuldigt hätte angesehen dürfen.

Pauschgebührantrag: Schreiben, begründen, schreiben, begründen, schreiben…

Entscheidungen zur Pauschgebühr nach § 51 RVG sind nach Inkrafttreten des RVG selten geworden, was u.a. darauf zurückzuführen ist, dass der Gesetzgeber gerade im Strafverfahren durch die Änderung der Gebührenstruktur zu einer Erhöhung der anwaltlichen Gebühren kommen wollte (und teilweise ja auch gekommen ist). Wenn dann mal wieder eine Entscheidung zu § 51 RVG veröffentlicht wird, ist sie doppelt interessant. So also der Beschl. des OLG Rostock v. 23.07.2010 – I Ws 384/09.  Die Leitsätze lauten:

  1. Eine Erhöhung der Vergütung des Pflichtverteidigers auf den Höchstbetrag der Wahlverteidigergebühren im Rahmen der Gewährung einer Pauschgebühr kommt nur in außergewöhnlichen Strafverfahren und eine Überschreitung der Wahlverteidiger-Höchstgebühr allenfalls in extrem umfangreichen und schwierigen Verfahren in Betracht.
  2. Die Antragsbegründung des Verteidigers stellt im Pauschgebührenverfahren zwar eine wesentliche, aber nicht die einzige Prüfungsgrundlage für die Gewährung einer Pauschgebühr dar. Es ist jedoch nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, den Verteidiger in Form eines Zwischenbescheids oder sonst auf eventuelle Unzulänglichkeiten seines Vortrags hinzuweisen und ihm – ggf. sogar mehrfach – Gelegenheit zu geben, seinen Antrag sukzessiv nachzubessern, um doch noch die Zuerkennung einer Pauschvergütung in der von ihm gewünschten Höhe zu ermöglichen.

Es ist hier m.E. nicht der Raum, sich mit allen Einzelheiten der Entscheidung zu befassen, daher zu Ls. 1 nur so viel: Ob das so richtig ist, wage ich zu bezweifeln. M.E. folgt schon aus § 42 RVG etwas anderes, da der die Überschreitung der Wahlanwaltsgebühr ausdrücklich vorsieht, diese dann allerdings begrenzt. Falsch ist m.E. auch der Hinweis, dass es nicht auf „Kostendeckung“ ankommt, aber die Frage ist ein gebührenrechtlicher Dauerbrenner, den die OLGs teilweise anders sehen.

Hinweisen will ich aber auf den Ls. 2: Er hat zur Folge, dass der Pflichtverteidiger alles, aber auch wirklich alles zur Antragsbegründung vortragen muss. Denn letztlich kommt es auf seinen Antrag an und die darin vom Verteidiger dargestellten Tätigkeiten für den Mandanten, von denen sich viele nicht aus der Akte ergeben werden. Also: Begründen, begründen, begründen… Das habe ich übrigens schon immer gesagt/geraten und war während meiner Tätigkeit beim OLG häufig erstaunt, wie dürftig manche Anträge begründet waren.