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Sichtung und Erhebung von Kipo-Datenmaterial, oder: Muss der Verurteilte die hohen SV-Kosten tragen?

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Ich hatte im Sommer den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 17.06.2024 – 12 Qs 19/24 – vorgestellt (vgl. hier: Grobsichtung von Datenträgern in Kipo-Verfahren, oder: Wer trägt die Kosten?). In der Entscheidung hatte sich das LG nach einem sog. KiPO-Verfahren in Zusammenhang mit den zu Lasten des Angeklagten angefallenen Kosten mit der abrechenbaren Sachverständigenleistung für die Grobsichtung von Datenträgern befasst.

In der Entscheidung, in der das LG eine Kostentragungspflicht des verurteilten Angeklagten verneint hatte, hatte es eine OLG-Entscheidung erwähnt und sich darauf bezogen. Außerdem hatte es beklagt, dass das OLG seine Entscheidung nicht veröffentlicht hatte. Das war für mich Anlass, mir den OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.08.2018 – 1 Ws 605/17 – zu besorgen. Ihn stelle ich heute vor. Das OLG führt zur Abgrenzung der abrechenbaren von der nicht abrechenbaren Sachverständigenleistung aus:

„b) Zu den Kosten des Verfahrens gehören gem. § 464a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StPO die Gebühren und Auslagen der Staatskasse, einschließlich derjenigen Kosten, die durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. § 3 Abs. 2 GKG verweist wegen der Kosten auf die in der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) aufgeführten Gebühren und Auslagen. Gemäß Nr. 9015 KV GKG gehören zu den Auslagen der Staatskasse auch die unter Ziffer 9000 bis 9014 bezeichneten Kosten, soweit sie durch die Vorbereitung der öffentlichen Klage entstanden sind. Dies gilt demnach auch für die gemäß Nr. 9005 KV GKG nach dem Justizvergütungsgesetz (JVEG) zu zahlenden Beträge.

aa) Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat gem. § 110 Abs. 3 StPO die Durchsicht und Auswertung der übersandten Datenträger auf die X. übertragen. Dies ist zulässig, da die Verantwortung für die abschließende Durchsicht durch die Staatsanwaltschaft gem. § 152 GVG sichergestellt ist (vgl. Meyer-Goßner, Schmitt, 60. Auflage, § 110, Rdnr. 2a und Rdnr. 3, und Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 10.01.2017, 2 Ws 441/16, abgedruckt in Juris).

bb) Die Firma X. trat insoweit nicht nur als reine Hilfskraft für die ermittelnden Behörden auf, sondern hatte den Auftrag, unabhängig und eigenverantwortlich ein Sachverständigengutachten zu erstellen; dessen Kosten sind in vollem Umfang durch den Verurteilten zu tragen.

Ein Sachverständiger hat die Aufgabe, dem Staatsanwalt die Kenntnis von Erfahrungssätzen zu übermitteln und gegebenenfalls aufgrund solcher Erfahrungssätze Tatsachen zu ermitteln. Bei der Sichtung und Erhebung von Datenmaterial liegt eine Sachverständigenaufgabe vor, wenn der Betreffende nicht nur eine reine Sichtung beschlagnahmter Unterlagen vornimmt, sondern unter Einsatz geeigneter – nicht jedermann zur Verfügung stehender – Rechenprogramme und des Fachwissens die ermittlungsrelevanten Tatsachen fest – und zusammenstellt (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.07.2010, 1 Ws 189/10, NStZ-RR 2010, 359).

Ein Teilbetrag der Rechnung beruht auf der Sichtbarmachung der kinderpornographischen Schriften und Dateien, bei der auch versteckte, wiederherstellbar gelöschte, archivierte und teilweise überschriebene Dateien in die Sichtung miteinbezogen wurden. Das Landgericht hat zutreffend die Auswertung der Datenträger und die technische Umsetzung beschrieben. Die beauftrage Firma hat – mit Hilfe spezieller Software – das PC-System ausgewertet und mittels Bilderfilter und spezieller Filmsoftware eine immense Menge an Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt und Videodateien festgestellt. Dies erfordert – entgegen der Einschätzung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in seiner Entscheidung vom 10.01.2017, Az. 2 Ws 441/16 (abgedruckt in NStZ-RR 2017, 127 f) – mehr Fachwissen als eine reine technische Unterstützung bei der Wiederherstellung von Dateien (vgl. BGH Beschluss vom 02.03.2011, 2 StR 275/10, StV 2011, 483).

Gleichzeitig war die Firma X.im Konkreten beauftragt, aus der Gesamtmenge der Dateien die Dateien, die kinder – bzw jugendpornographischen Inhalt haben, aufzufinden. Dafür musste eine Durchsicht sämtlicher, mittels des Bilderfilters festgestellter Bilder und hinsichtlich der Videos eine Ansicht jedes Videos erfolgen; für die Frage der Einordnung musste eine Voreinschätzung getroffen werden, die nur mit inhaltlichem Fachwissen realisiert werden kann. Insoweit war die Firma X. unabhängig und eigenverantwortlich tätig. Der dort tätige Gutachter hat deshalb erklärt, eine „auf seinen Erfahrungen im Bereich der Gutachtenserstellung zur Verbreitung bzw. Besitz von kinderpornographischen Schriften beruhende persönliche Einschätzung“ getroffen habe. Durch die Sichtbarmachung der Dateien hat die Firma X. dem Staatsanwalt die Möglichkeit verschafft, Tatsachen zu ermitteln und diese dann rechtlich selbst einzuordnen. Insoweit hat auch diese Dienstleistung die Qualität eines Sachverständigengutachtens, die darauf entfallenen Kosten sind ebenfalls vom Verurteilten zu tragen.

Eine Vergleichbarkeit zu dem der Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 10.01.2017 zugrunde liegenden Sachverhaltes besteht damit nicht; die im vorliegenden Fall eingesetzte Firma X. hat mehr als eine technische Sichtbarmachung von Datenmaterial und mehr als eine technisch bedingte Vorsortierung von Datenmaterial, welches dann von Polizei und Staatsanwalt gesichtet und bewertet wird, vorgenommen, sodass die entsprechenden Kosten hier eben nicht mit der Verfahrensgebühr nach dem GKG abgegolten sind.“

OWi II: Fristberechnung bei der Verjährungsfrist, oder: Was häufig übersehen wird….

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Die zweite Entscheidung des Tages ist eine Verjährungsentscheidung. Das OLG Koblenz behandelt im OLG Koblenz, Beschl. v. 08.02.2023 – 4 ORbs 31 SsBs 1/23 – die Frage, wie sich die Verjährungsfrist berechnet.

Das AG hatte den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, das OLG hat auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben und das Verfahren eingestellt:

„Das Rechtsmittel der Betroffenen führt zu einer Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zu einer Einstellung des Verfahrens aufgrund des Verfahrenshindernisses der Verfolgungsverjährung.

Die korrekt erhobene Sachrüge führt zur Prüfung des Fehlens von Verfahrensvoraussetzungen und des Vorliegens eines Verfahrenshindernisses (vgl. BGH NStZ 2001, 440; OLG Koblenz, Beschluss v. 12.08.2008 – 2 SsBs 54/08; OLG Hamm NZV 2003, 396; OLG Köln NZV 2002, 241). Wenn eine Rechtsbeschwerde in zulässiger Weise erhoben wurde, kann auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Einstellung wegen Verjährung erfolgen (vgl. BGH a. a. O., OLG Koblenz MDR 1977, 954; König in: Göhler, a. a. O., § 31m Rn. 19). Denn der Ablauf der Verjährung ist -so eine gerichtliche Prüfungsmöglichkeit besteht- von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen, auch noch im Rechtsbeschwerdeverfahren (vgl. BGH NStZ 2001, 440; BGHSt 16, 115).

Das Verfahren gegen den Betroffenen war unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 206 a StPO einzustellen, da hinsichtlich des gegen ihn erhobenen Vorwurfs der fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits am 10. November 2022 Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrem, dem Verteidiger bekannt gegeben Votum wie folgt ausgeführt:

Die Verkehrsordnungswidrigkeiten weisen eine absolute Verjährungsfrist von 2 Jahren auf (§ 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG i.V.m. § 26 Abs. 3 StVG). Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Vorliegend wurde die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung am 10.11.2020 begangen und beendet. Der Tag, an dem die Verjährung mit Eintritt des Ereignisses beginnt, ist der 1. Tag der Verjährungsfrist, hier also der 10.11.2020. Der letzte Tag der Verjährungsfrist ist der im Kalender vorhergehende Tag (Göhler § 31 Rn. 16; OLG Karlsruhe vom 28.06.2019 – 2 RB 8 Ss 486/19; OLG Bamberg vom 12.12.2005 – 3 Ss OWi 1354/05), vorliegend demnach der 09.11.2022. Die Fristberechnung nach § 43 StPO kommt bei Fristen des materiellen Rechtes, wie den Verjährungsfristen, hingegen nicht in Betracht, da diese Norm aus-schließlich auf Fristen prozessualer Natur beschränkt ist (KK-Schneider-Glockzin, § 43 StPO, Rn. 6 m. w. N.). Die absolute Verfolgungsverjährung ist daher vorliegend mit Ab-lauf des 09.11.2022 eingetreten. Der Beschluss nach § 72 OWiG ist indes erst am 10.11.2022 unterzeichnet worden, sodass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verjährung der Ordnungswidrigkeit eingetreten ist und nicht das Ruhen der Verjährung gemäß § 32 Abs. 2 OWiG herbeigeführt werden konnte.

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO StPO.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung geht der Senat davon aus, dass gegen den Betroffenen ohne Eintritt des Verfahrenshindernisses zu Recht wegen einer fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h eine Geldbuße von 160,– Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden wäre.

Das Amtsgericht hat sich rechtsfehlerfrei mit den Einwendungen gegen die Geschwindigkeitsmessung auseinandergesetzt. Es hat die technischen und personellen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Messung überprüft, keine Fehler festgestellt und auch zutreffend begründet, warum die Beiziehung der weiteren von der Verteidigung angeforderten Unterlagen wie das Erstinbetriebnahmeprotokoll, Fotos von der Messstelle mit Trailer, die Verwendungsanzeige und die fehlende Speicherung der Rohmessdaten mit einem Verweis auf die hierzu ergangene Rechtsprechung ebenso wenig erforderlich war, wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Es hat auch die Höhe der festgesetzten Geldbuße und die Verhängung eines einmonatigen Fahr-verbotes rechtsfehlerfrei begründet, indem es zutreffend besonderes Gewicht auf eine einschlägige Tatwiederholung hinsichtlich einer weiteren unzulässigen Geschwindigkeitsüberschreitung (dort um 29 Kmh) vom 20. Juli 2020 (Rechtskraft der verhängten Geldbuße in Höhe von 80 € am 17. September 2020, knapp zwei Monate vor der hiesigen Tat) gelegt und hierbei die besondere berufliche Situation des Betroffenen (Umfangreiche Kundenbesuche in weiten Teilen Deutschlands für sein Unternehmen) berücksichtigt hat.

Das Verfahren hätte jedoch am 10. November 2022 aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung durch das Amtsgericht eingestellt werden müssen, so dass es nicht zu einer rechtsmittelfähigen Sachentscheidung hätte kommen dürfen. Die notwendigen Auslagen für das Rechtsbeschwerdeverfahren wären dann nicht angefallen.“

Diese Frage wird bei der Berechnung der Verjährungsfrist im OWi-Verfahren häufig übersehen, kann aber, wie man sieht, entscheidend sein.

Black-Friday, oder: Keine Parkgebühren bei einer „innerstädtischen Geschäftsreise“

entnommen wikimedia.org
Autor: TomK32

Heute ist „Black-Friday“. Für den BOB ja nichts Besonderes, denn hier ist freitags immer „Money-Tag, dann geht es nämlich ums Geld bzw. um Gebühren. Und das auch am heutigen Freitag, an dem ich zunächst den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.10.2018 – 2 Ws 531/18 – vorstelle.

Er stammt aus dem Love-Parade-Verfahren, mit dem wir es sicherlich gebührenrechtlich noch häufiger zu tun haben werden. Es geht in dem Beschluss um die Erstattung von Parkgebühren. An sich ja nur ein kleiner Betrag, aber in der Summe kann er dann ggf. doch zu Buche schlagen. So hier. Der beschwerdeführende Rechtsanwalt/Kollege hat als gem. § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO gerichtlich bestellter Beistand eines Nebenklägers in dem beim LG Duisburg anhängigen „Loveparade-Verfahren“ einen Vorschuss auf seine Vergütung geltend gemacht. Darin waren eben auch Parkgebühren einschließlich 19% Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 262,80 EUR enthalten. Diese sind abgesetzt worden. Erinnerung und Beschwerde des Kollegen hatten keinen Erfolg:

„Die Hauptverhandlung im Loveparade-Verfahren findet im Congress Center Düsseldorf Ost der Messe Düsseldorf statt. Die Kanzlei des Beschwerdeführers befindet sich ebenfalls in Düsseldorf. Mangels gegenteiligen Vorbringens ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch in Düsseldorf wohnt.

1. In Teil 7 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG (VV RVG) findet sich keine Rechtsgrundlage für sein Begehren auf Ersatz der entstandenen Parkgebühren.

a) Der Beschwerdeführer hat die geltend gemachten Parkgebühren als „Reisekosten Nr. 7003-7006 VV RVG“ angemeldet. Diese Auslagentatbestände gelten indes nur bei einer Geschäftsreise. Eine solche liegt hier nach der Legaldefinition in Vorbemerkung 7 Abs. 2 VV RVG nicht vor, weil das Reiseziel im Stadtgebiet Düsseldorf und damit nicht außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Rechtsanwalts befindet.

Parkgebühren gehören zu den „sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise“ im Sinne von Nr. 7006 VV RVG (vgl. LG Halle AGS 2009, 60; Schmidt in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Nr. 7006 VV Rdn. 6; Ebert in: Mayer/Kroiß. RVG, 6. Aufl., Nr. 7006 VV Rdn. 2). In § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO wurden Parkgebühren noch ausdrücklich als bare Auslagen, die bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs aus Anlass einer Geschäftsreise regelmäßig anfallen, angeführt. Dass Parkgebühren in Nr. 7006 VV RVG nicht mehr namentlichgenannt werden, bedeutet nicht, dass sie diesem Auslagentatbestand nicht unterfallen (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., Nr. 7003-7006 VV Rdn. 37). Vielmehr hat die Erstattung von Parkgebühren, bei denen es sich um „sonstige Auslagen“ handelt, durch Nr. 7006 VV RVG beschränkt auf Geschäftsreisen eine besondere Regelung erfahren. Nicht anderes gilt etwa für Übernachtungskosten, die ebenfalls nicht ausdrücklich erwähnt werden.

b) Soweit der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Erstattung der Parkgebühren in dem Rechtsmittelverfahren nunmehr auf § 675 i.V.m. § 670 BGB stützt, scheidet auch diese Anspruchsgrundlage aus. Denn nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 VV RVG kann der Rechtsanwalt Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) nur verlangen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

Dies bedeutet, dass die in Nr. 7000 ff. VV RVG angeführten Auslagentatbestände die dort erfassten Auslagen abschließend regeln (vgl. Müller-Rabe in: Gerold/ Schmidt a.a.O. Vorb. 7 VV Rdn. 15; Bräuer in: Bischof/Jungbauer u. a., RVG, 8. Aufl., Vorb. 7 VV Rdn. 8). Die Erstattung von Parkgebühren wird – wie dargelegt – von Nr. 7006 VV RVG („sonstige Auslagen“) erfasst, und zwar mit der Einschränkung, dass die sonstigen Auslagen anlässlich einer Geschäftsreise entstanden sein müssen. Es hat sich nach Maßgabe des RVG nichts daran geändert, dass die Erstattung von Parkgebühren – wie schon unter Geltung des § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO – gesetzlich nur dann vorgesehen ist, wenn ein Kraftfahrzeug für eine Geschäftsreise benutzt wird.

Gemäß Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG werden Parkgebühren bei Fahrten innerhalb der Wohnsitz- bzw. Kanzleigemeinde wie die Fahrtkosten selbst als allgemeine Geschäftskosten mit den Verfahrens- und Terminsgebühren abgegolten (vgl. LG Halle a.a.O.; Rehberg/Schons u. a., RVG, 6. Aufl., Stichwort „Reisekosten des Rechtsanwalts“, Nr. 2.1.1).

Soweit der Beschwerdeführer beklagt, dass die Parkgebühren in Anbetracht der Vielzahl der Verhandlungstage einen erheblichen Umfang erreichen werden, ist darauf hinzuweisen, dass die Relation zu den Terminsgebühren annähernd gleich bleiben wird. So stehen den geltend gemachten Parkgebühren von 220,84 Euro netto, die bei der Teilnahme an 26 Hauptverhandlungsterminen entstanden sind, für diese Tage allein Terminsgebühren von 9.344 Euro netto gegenüber, die der Beschwerdeführer aus der Staatskasse erhalten hat. Diese Gegenüberstellung (ohne Berücksichtigung der Verfahrensgebühren) lässt erkennen, dass es für den ortsansässigen Beschwerdeführer keineswegs unzumutbar ist, die Parkgebühren als allgemeine Geschäftskosten nicht zusätzlich in Rechnung stellen zu können.2

M.E. zutreffend.

Nicht zutreffend bzw. ein Ärgernis ist der Verweis auf „Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl.„. Ein Strafsenat (!!) sollte die aktuelle 5. Aufl. (!!) eines Gebührenspezialkommentars vorliegen haben.  Die 3. Aufl. ist Rechtsgeschichte.

Und für alle, die jetzt erschrocken feststellen, dass sie auch noch mit einer alten Auflage unseres RVG-Kommentars arbeiten, hier der Hinweis: <<Werbemodus an>> Derzeit läuft eine Mängelaktion, das Werk kostet als Mängelexemplar nur 89,90 EUR. Bestellen kann man hier. Und weitere Preiskracher gibt es auch, vgl. dann hier: Sale/Preiskracher/Sonderverkauf, oder: Weihnachten steht vor der Tür).<<Werbemodus aus>>

Das war dann mein (erster) Beitrag zum „Black-Friday“ 🙂

Beratungshilfe, viel Lärm um nichts, oder: Auch Auslagen werden (natürlich) erstattet

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„Freitag ist Zahltag“ hieß es früher häufig. Bei mir im Blog heißt es: „Freitag ist Gebührentag“. Und den eröffne ich heute mit dem AG Riesa, Beschl. v. 16.08.2 UR II 345/16. Der Kollege A. Michl aus Oschatz hat ihn mir geschickt, zusammen mit dem in der Sache wegen der Gebühren geführten Schriftwechsel. Das waren mehr als 20 Seiten, die da angefallen.

Und wer nun meint, es sei um richtig große Beträge gegangen. Nein, es ging/geht nur um die Frage: Sind im Rahmen der Festsetzung von Beratungshilfegebühren für Strafsachen  für den Rechtsanwalt – auch – die Pauschale für Post- und Telekommunikationsauslagen und die Dokumentenpauschale nebst anteiliger Umsatzsteuer festzusetzen? Die zuständige Rechtspflegerin meinte nein – und ist dann zu großer Form aufgelaufen – wahrscheinlich sind anderer wichtigere Gebührensachen liegen geblieben. Denn hier musste man dem Kollegen doch mal zeigen, was Sache ist und den sächsischen Staatshaushalt vor dem sonst drohenden Bankrott bewahren. Denn immerhin ging es ja um rund 40 €.

Der Kollege hat die Sache „durchgefochten“. M.E. zu Recht, denn sonst muss er sich demnächst die Entscheidung der Rechtspflegerin vorhalten lassen, getreu dem Satz: Haben wir immer schon so gemacht. Dabei hatte die Rechtspflegerin hier übersehen, dass gerade das AG Riesa früher schon anderer Ansicht gewesen ist.

Und so ist es gekommen, wie es kommen musste: Der Richter hat es gerichtet und die abgesetzten Auslagen festgesetzt:

„…Die Urkundsbeamtin geht in ihrer ablehnenden Entscheidung davon aus, dass eine Einsichtnahme in Strafakten nur möglich ist, wenn sich der Rechtsanwalt als Strafverteidiger angezeigt hat. In diesem Fall läge deshalb keine bloße Beratung mehr vor, sondern der Anwalt habe die Vertretung seines Mandanten in dem Strafverfahren übernommen. Nach S. 2 Abs. 2 Satz 2 BerHG könne in Straf- und Ordnungswidrigkeitsangelegenheiten aber lediglich für die Beratung, nicht auch für die anwaltliche Vertretung Beratungshilfe gewährt werden.

Die zuständige Bezirksrevisorin hält die Frage der Erstattungsfähigkeit der Auslagen bei Beratungshilfe für Strafsachen für streitig; auch bei dem angerufenen Gericht habe es in der Vergangenheit unterschiedliche Auffassungen gegeben.

Richtig ist die Rechtsansicht, dass auch in Strafsachen Kopiekosten und entsprechende Auslagen im Rahmen der Beratungshilfe erstattungsfähig sind, wenn sie im Rahmen der Beratung angefallen sind und die übrigen Voraussetzungen der Beratungshilfe vorliegen. Der Antragsteller hat hinreichend dargelegt, dass ihm die geltend gemachten Auslagen durch Anfertigen von Kopien der Straf- oder Ermittlungsakte für seine Handakte entstanden sind. In ihrer Höhe sind diese Auslagen nicht zu beanstanden. Der Rechtsanwalt muss sich auch nicht auf kostengünstigere Vorgehensweisen verweisen lassen, wenn diese zur Erfüllung seiner Beratungsleistung nicht ebenso geeignet sind.

a) Die von der Urkundsbeamtin vertretene Ansicht ist nicht überzeugend. Zum einen ist dem im Vergütungsverfahren als Antragsteller auftretenden Rechtsanwalt ein Beratungshilfeschein für die Beratung in einem bestimmten Strafverfahren bewilligt worden. Sofern im Zusammenhang dieser Beratungstätigkeit Auslagen anfallen, sind ihm diese zu erstatten (Nr. 7002 RVG-VV i.V.m. S. 8 Abs. 1 BerHG). Eine Differenzierung dahingehend, dass Kopien aus der Akte ausschließlich einer anwaltlichen Vertretung dienen würden und nicht zugleich einer Beratung, dürfte kaum möglich sein. Sofern die Urkundsbeamtin der Ansicht ist, der antragstellende Rechtsanwalt habe seinen Mandanten im Strafverfahren umfassend vertreten, müssten folgerichtig auch alle übrigen Gebühren abgesetzt werden; denn auch insoweit ist eine Trennung zwischen Beratung, für die Beratungshilfe bewilligt wurde, und Vertretung des Ratsuchenden als dessen Strafverteidiger schwerlich durch* führbar. Fraglich ist, welche Wirkung dann noch dem Berechtigungsschein zukommen würde.

b) Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Antragsteller sich im Ermittlungs- oder Strafverfahren als Strafverteidiger angezeigt hat, weil ihm andernfalls keine Akteneinsicht durch Übersendung der Verfahrensakte hätte erteilt werden dürfen (S. 147 Abs. 1 u. 4 StPO), schließt das nicht aus, dass er seinen Mandanten auf der Grundlage der bewilligten Beratungshilfe beraten hat und ihm zu diesem Zweck die geltend gemachten Auslagen entstanden sind (AG Halle (Saale), Beschluss vom 08.02.2010 103 3103/09; Groß        in: Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 13. Aufl., 2015, S. Rn. 17). Sofern er im weiteren Verfahrensverlauf als Wahl- oder Pflichtverteidiger weitergehende Vergütungsansprüche erwirbt, werden Leistungen auf der Grundlage des Beratungshilfegesetzes gegebenenfalls zu verrechnen sein.

Der Wortlaut des S. 2 Abs. 2 BerHG lässt in keiner Weise erkennen, dass Kosten, die einem Strafverteidiger erwachsen, nicht erstattungsfähig sind. Es kommt ersichtlich nicht auf den Status des Rechtsanwalts als Rechtsberater, Parteivertreter, Prozessbevollmächtigter oder Strafverteidiger an, sondern es ist auf seine Tätigkeit abzustellen. Gebühren und Auslagen, die für die Beratung anfallen, sind auch bei strafrechtlicher Beratung aus der Staatskasse zu erstatten, wenn die übrigen Voraussetzungen des Beratungshilfegesetzes vorliegen.

c) Im Regelfall ist für eine sachgerechte Beratung die Anfertigung von Kopien aus der Ermittlungs- oder Strafakte erforderlich. Der die Vergütung begehrende Rechtsanwalt braucht deshalb hierzu nichts weiter vorzutragen (vgl. auch AG Riesa, Beschluss vom 27.06.2012 — 2 UR Il 885/10, juris), insbesondere braucht er sich als Organ der Rechtspflege (S. 1 BRAO) nicht vorhalten zu lassen, er hätte sich anderweitig behelfen können (vgl. AG Riesa a.a.O.; AG Germersheim, Beschluss vom 02.03.2017 – 1 UR II 461/16, juris).

d) Auch die Entstehung von Entgelten für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen ist hinreichend ersichtlich. Diese Auslagen können schon im Zusammenhang mit der Akteneinsicht und dem Schriftverkehr mit dem Beratenen entstanden sein.“

Viel Lärm um wenig/nichts. Ich weiß nicht, ob man die Arbeitszeit nicht besser verwenden könnte.

Elektronische Akte/Akteneinsicht, oder: Keine Rechtsgrundlage in Rheinland-Pfalz

entnommen openclipart.org

Ein kleines Schmankerl hat mir vor einigen Tagen der Kollege Brüntrup aus Minden geschickt. Es geht mal wieder um die Kosten für die Einsicht in die elektronische Akte. Die Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz hatte dafür 12 € festgesetzt. Der Kollege hat Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Und das AG Pirmasens hat im AG Pirmasens, Beschl. v. 13.04.2017 – 1 OWi 424/16 – die Auslagenfestsetzung aufgehoben. Begründung: Keine Rechtsgrundlage:

„Die Führung einer elektronischen Akte ist, wie sich aus § 110 b Abs. 1 OWiG aber auch der Gesetzesbegründung ergibt, jedoch erst dann zulässig, wenn sie durch Rechtsverordnung zugelassen wurde (vgl. BT-Drs. 15/4067, S. 47, linke Spalte a. E.).

Eine entsprechende Rechtsverordnung liegt – wie seitens der Bußgeldstelle in der Stellungnahme vom 30.012017 (BI. 84 f. d.A.) bestätigt wurde – derzeit noch nicht vor. Insofern geschieht die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf — wie beispielsweise nach erfolgtem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid — ausgedruckt werden, im Hinblick auf die fehlende Rechtsverordnung nach § 110 b Abs. 1 OWiG derzeit ohne Rechtsgrundlage (OLG Koblenz, Beschluss vom 06.09.2016 — 1 OWi 3 Ss Rs 93/16, zitiert nach juris, Rn. 5).

Da es insofern an einer zulässigerweise und durch Rechtsverordnung zugelassene Führung einer elektronischen Akte fehlt, kann auch keine Akteneinsicht nach § 110 d Abs. 2 S. 1 OWiG durch Erteilung eines Aktenausdrucks gewährt werden, da diese zwingend eine aufgrund Rechtsverordnung geführte elektronische Akte voraussetzt. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann naheliegenderweise keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird.“