„Auch Kleinvieh macht Mist“. Der Spruch passt zu dem AG Radolfzell, Beschl. v. 09.02.2024 – c 1 OWi 323/23 – ja, schon älter -, der auf einen Antrag eines Verteidigers ergangen ist, der sich gegen die bei ihm erhobene Aktenversendungspauschale gewandt hat.
Der Rechtsanwalt hatte den Betroffenen im Bußgeldverfahren verteidigt und bei der Verwaltungsbehörde beantragt, „mir die amtliche Ermittlungsakte zum Zwecke der Einsichtnahme zukommen zu lassen“. Ihm wurde Akteneinsicht in die dort elektronisch geführten Bußgeldakten gewährt, indem ihm mit Schreiben vom 18.10.2023 ein Papierausdruck übersandt wurde. Für die Aktenversendung wurde unter Verweis auf § 107 Abs. 5 OWiG die Aktenversendungspauschale von 12,00 EUR erhoben. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser hatte Erfolg:
„Der zulässige Antrag ist begründet, da die Aktenversendungspauschale nach § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG für die vorliegend erfolgte Akteneinsicht nicht anfällt und die Verwaltungsbehörde daher nicht berechtigt ist, diese vom Antragsteller zu erheben.
Die Erhebung der Aktenversendungspauschale ist für das verwaltungsbehördliche Verfahren in § 107 Abs. 5 OWiG geregelt.
Gemäß § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, der mit Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 05.07.2017 seine derzeit geltende Fassung erhielt, wird eine Aktenversendungspauschale nicht erhoben, wenn die Akte elektronisch geführt wird und ihre Übermittlung elektronisch erfolgt. Ersteres ist vorliegend der Fall. Letzteres ist allerdings nicht erfolgt, vielmehr wurden bei der Verwaltungsbehörde – sei es, weil dort die technischen Voraussetzungen für einen elektronischen Aktenversand (noch) gar nicht bestehen, sei es, weil dies vorliegend im Einzelfall für „praktischer“ gehalten wurde – von der elektronisch geführten Akte Papierausdrucke erstellt und dem Verteidiger postalisch übersandt.
Hierauf kommt es jedoch nicht an, da die Vorschrift des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG im Hinblick auf ihre Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen ist, dass die Aktenversendungspauschale für einen Ausdruck einer eigentlich elektronisch geführten Akte nur dann anfällt, wenn der Antrag-steller (der Verteidiger) die Übersendung eines Papierauszuges ausdrücklich beantragt, was vor-liegend nicht geschehen ist.In der Begründung des Gesetzes vom 05.07.2017 (BT-Drucks. 18/9416) heißt es nämlich zur Be-gründung der Änderungen bei der Regelung zur Erhebung der Dokumentenpauschale im GKG, FamGKG, GNotKG und JVKostG, die jeweils einheitlich dahingehend abgeändert wurden, dass „eine Dokumentenpauschale nur erhoben (wird), wenn auf besonderen Antrag ein Ausdruck einer elektronischen Akte oder ein Datenträger mit dem Inhalt einer elektronischen Akte übermittelt wird“: „Eine Dokumentenpauschale soll nur für die Fälle der Übermittlung eines elektronischen Aktenausdrucks oder eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte anfallen, da in diesen Fällen der besondere Aufwand durch einen Antrag des Einsichtnehmenden verursacht wird.“ Demgegenüber soll das elektronische Bereitstellen einer Akte zum Abruf ebenso kostenfrei blei¬ben, wie die Einsichtnahme einer Akte in den Diensträumen oder die Übergabe zur Mitnahme. In der Begründung heißt es weiter ausdrücklich: „Wählt im Einzelfall die Einsicht gewährende Stelle den Weg der Übermittlung eines Datenträgers mit dem Inhalt der elektronischen Akte, weil z. B. das Bereitstellen des Inhalts einer Akte zum Abruf nicht möglich ist, soll keine Dokumentenpauschale anfallen.“ Es soll also nach dem Willen des Gesetzgebers für das Entstehen der Gebühr darauf ankommen, in wessen Verantwortungsbereich die Gründe für die den Aufwand verursachende Art der Gewährung von Akteneinsicht liegen. Auf diese Begründung nimmt die mit demselben Gesetz vorgenommene Änderung des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG, mit dem die Aktenversendungspauschale bei Einsicht in die elektronische Akte, die bis dahin 5,00 Euro betragen hatte, abgeschafft wurde, ausdrücklich Bezug (s. BT-Drucks. 18/9416, S. 75, 80). Die Regelung im OWiG zum Anfall der Aktenversendungspauschale im verwaltungsbehördlichen Bußgeldverfahren sollte daher nach dem Willen des Gesetzgebers ersichtlich den Regelungen zum Anfall der Dokumentenpauschale bei Einsicht in elektronisch geführte Akten in gerichtlichen Verfahren gleichgestellt werden.
Für diese Auslegung spricht im Übrigen auch die Systematik des OWiG selbst: § 110c OWiG verweist für die Aktenführung und Kommunikation im Verfahren auf § 32f StPO, der hinsichtlich der Form der Gewährung von Akteneinsicht in elektronische Akten in Abs. 1 regelt, dass die Einsicht grundsätzlich durch Bereitstellen des Inhalts der Akte zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg erfolgt und die Übersendung eines Aktenausdrucks von einem besonderen Antrag abhängig macht. Unter diesen Umständen darf aber der Einsicht begehrende Verteidiger, der einen solchen Antrag nicht stellt, darauf vertrauen, dass ihm die Akten auch in der gesetzlich vorgesehenen Form und somit kostenneutral im Sinne des § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG zur Verfügung gestellt werden.
Nach alledem fällt die Aktenversendungspauschale gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG im Falle der Übersendung eines Papierausdruckes einer bei der Verwaltungsbehörde elektronisch geführten Bußgeldakte nur dann an, wenn der Verteidiger die Übermittlung eines Aktenausdruckes in Papierform besonders beantragt hat (so auch AG Verden, B. v. 05.07.2021, 9b OWi 245 Js 25572/21). Das hat der Verteidiger hier aber nicht getan.“
Der Beschluss ist richtig. So ist bereits wiederholt entschieden worden.