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Auslagenpauchale und AVP bei der Beratungshilfe, oder: Was Bezirksrevisoren meinen, ist nicht Gesetz

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Viel Lärm um Nichts? Nun ja. Nicht um Nichts, aber um wenig. Aber auch Kleinvieh macht eben Mist. Und das gilt eben gerade auch im Rahmen der Beratungshilfe, wo dem Rechtsanwalt/Verteidiger nun ja nicht gerade besonders hohe Gebühren zustehen. Und dann soll er noch auf eine Auslagenpauschale Nr. 7000 VV RVG und auch die Erstattung der Kosten der Aktenversendung verzichten müssen. Das meinten jedenfalls Bezirksrevisor und ihm folgend die Rechtspflegerin in einem Verfahren. Anders dann das AG Germersheim auf die Erinnerung. Das hat im AG Germersheim, Beschl. v. 02.03.2017 – 1 UR II 461/16 – festgesetzt:

„Die Auffassung des Bezirksrevisors, wonach die Auslagenpauschale und die Gebühr für die Aktenversendung im Rahmen der Akteneinsicht nur dann zu erstatten sei, wenn der Rechtsanwalt im Einzelfall die Notwendigkeit darlege, ist nicht haltbar. Auch dann, wenn der Rechtsanwalt, nicht als Verteidiger, sondern lediglich im Rahmen der Beratungshilfe tätig wird, handelt es sich um ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren, in dem er tätig wird. Eine ordnungsgemäße Beratung des Mandanten ist ohne vorherige Akteneinsicht sinnvoll nicht möglich, zumal der Rechtsanwalt trotz der nur sehr kärglichen Entlohnung der Beratungshilfe für die Richtigkeit der Beratung haftet.

Das Amtsgericht Mannheim (AG Mannheim, Beschl. v. 05.06.2012 – 1 BHG 380/11) hat in einem ähnlich gelagerten Falle zu Gunsten desselben Rechtsanwaltes ausgeführt:

Zusätzlich ist vorliegend die Postpauschale gemäß VV RVG Nr. 7002 in Höhe von 6,00 Euro angefallen. Denn Rechtsanwalt S. hat Schriftverkehr mit dem Polizeipräsidium Mannheim geführt und die Anforderung der Ermittlungsakte war auch sachgerecht und notwendig, da – wie Rechtsanwalt Sorge zu Recht ausführt, eine Beratung in einem Strafverfahren ohne Kenntnis des Inhalts der Ermittlungsakte in aller Regel nicht möglich ist. Die Akteneinsichtnahme selbst mag zwar durch die Beratungsgebühr abgegolten sein, die Anforderung der Akte aber nicht.

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass aus der negativen Fassung des Gesetzestextes („Auslagen … werden nicht vergütet, wenn …, zu schließen ist, dass wenn dies nicht geschehen soll, die Beweislast für die Tatsache, dass die Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben des Rechtsanwaltes nicht erforderlich waren, bei der Staatskasse liegt (Schoreit/Groß a. a. O. Rdnr. 3; Mayer/Kroiß a. a. O. Rdnr. 121 mit weiteren Nachweisen).

Dieser Nachweis ist vorliegend nicht erbracht, es ist vielmehr vom Gegenteil auszugehen.

Dem schließt sich das erkennende Gericht vollumfänglich an.

Dass die Ergebnisniederschrift der Tagung der Bezirksrevisoren im Außenverhältnis nicht bindet, sondern allein die Gesetzeslage maßgeblich ist, ist selbstverständlich.“

Der letzte Satz ist wohltuend. Denn manchmal hat man schon den Eindruck, dass Bezirksrevisoren meinen: Wir sind das Gesetz. 🙂

Elektronische Aktenführung, oder: Kosten der Akteneinsicht

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Und zum Abschluss des Tages dann noch eine Entscheidung aus dem Bußgeldverfahren. Vorgestellt wird der AG Ahrensburg, Beschl. v. 21.07.2016 – 52 OWiG 463/14. Er enthält nichts Neues, sondern behandelt nur noch einmal die Frage der Kosten der Akteneinsicht bei elektronisch geführter Akte bzw. die Frage, wann für die „Akteneinsicht“ einen Auslagenpauschale nach § 107 Abs. 5 OWiG verlangt werden darf. Dazu das AG: Aktenausdrucke, die unter Verstoß gegen die §§ 110 a ff. OWiG gefertigt wurden, rechtfertigen keine Auslagenpauschale nach § 107 Abs. 5 OWiG rechtfertigen:

„Der zulässige Antrag gegen den Kostenbescheid des Kreises Stormarn vom 25.11.2014 ist begründet. Der Verteidiger hat auf seinen Antrag auf Akteneinsicht vom 18.11.2014 (BI. 78 d.A.) einen Aktenausdruck erhalten, der den Anforderungen der §§ 110 a ff OWiG nicht genügte. Auch der später vom Kreis zur Verfügung gestellte Aktenausdruck, der jeweils eine sog. Prüfdokumentation enthält, entspricht nach der Überzeugung des Gerichts noch nicht vollständig den Anforderungen der §§ 110 a ff. OWiG. Gemäß § 110 b Abs. 2 S. 2 OWiG muss jedes elektronische Dokument, welches zur Ersetzung der Urschrift (zur Akte gereichte Schriftstücke oder Augenscheinsobjekte) gefertigt worden ist, den Vermerk enthalten, wann und durch wen die Urschrift übertragen worden ist, Diese Anforderung ist hier nicht erfüllt. Aus der den jeweiligen elektronischen Dokumenten angefügten sog. Prüfdokumentationen geht nicht erkennbar hervor, wann und durch wen die Urschrift übertragen worden ist. Insoweit wird beispielhaft auf Bi. 102 f. d.A. und BI, 21 f. d.A. d.A. Bezug genommen. Der Kostenbescheid des Kreises Stormarn vom 25.11.2014 war aufzuheben, weil Aktenausdrucke, die unter Verstoß gegen die §§ 110 a ff. OWiG gefertigt wurden, keine Auslagenpauschale nach § 107 Abs. 5 OWiG rechtfertigen (vgl. AG Duderstadt, Beschluss vom 01. Februar 2012 – 3 OWi 366/11, zitiert nach juris).“

Entspricht der h.M. in der Rechtsprechung der AG zu dieser Problematik.

2. KostRMoG – Zwei Auslagenpauschalen: Gesetzesänderung oder nur „Klarstellung“?

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Das 2. KostRMoG hat § 17 RVG a.F. geändert. In § 17 Nr. 10a RVG ist jetzt bestimmt, dass im Strafverfahren vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Somit kann nach der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG die Postentgeltpauschale zweimal geltend gemacht werden (zu den Änderungen durch das 2. KostRMoG hier). Die Frage, die sich wegen der Änderungen durch das 2. KostRMoG stellt: Handelt es sich um „richtige“ Gesetzesänderungen oder handelt es sich „nur“ um Klarstelllungen der bisherigen Gesetzeslage. Geht man von letzterem aus, dann kommt es auf die Übergangsregelung des § 60 RVG nicht an, sondern die Klarstellungen finden auch in Altfällen Anwendung. Geht man hingegen von Gesetzesänderungen aus, dann gelten die Neuerungen erst in den Fällen, in denen dem Rechtsanwalt der unbedingte Auftrag ab 01.08.2013 erteilt worden.

Zu der Frage gibt es jetzt eine erste Entscheidung eines LG. Der LG Hildesheim, Beschl. v. 23.09.2013 – 22 Qs 7/13 – stellt sich auf den Standpunkt: Gesetzesänderung; a.A. sind übrigens die Gebührenreferenten der RAK im Sommer 2013 gewesen. Dazu das LG:

„2. Das Amtsgericht hat auch zutreffend entschieden, dass der Rechtsanwalt der Nebenklägerin die Auslagenpauschale nach VV 7002 nur einmal fordern kann.

Es ist zwar richtig, dass aus § 17 Nr. 10 RVG n. F. folgt, dass nunmehr das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das nachfolgende (erstinstanzliche) Gerichtsverfahren kostenrechtlich als verschiedene Angelegenheiten gelten und dem Verteidiger oder Nebenklägervertreter, der sowohl im Vorverfahren als auch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren tätig war, daher künftig die Auslagenpauschale zweimal zusteht.

Die nunmehrige Fassung des RVG gilt aber nur, wenn der Rechtsanwalt nach ihrem Inkrafttreten im Rahmen des 2. KostRMoG am 1. August 2013 in derselben Angelegenheit beauftragt worden ist (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Dies ist vorliegend nicht der Fall; selbst der Abschluss der Angelegenheit(en) im kostenrechtlichen Sinne erfolgte vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG, nämlich durch das Urteil des Amtsgerichts pp. vom 11. März 2013.

Entgegen der Auffassung der Nebenklägerin handelt es sich bei der Neufassung von § 17 RVG auch nicht um eine Klarstellung der bereits geltenden Rechtslage.

Vielmehr hat die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur – der auch die Kammer u. a. in dem v. g. Beschluss vom 2. März 2010 gefolgt ist – aus der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gesetzesfassung geschlossen, dass Ermittlungsverfahren und nachfolgendes erstinstanzliches Strafverfahren kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit darstellen und dem in beiden Verfahrensabschnitten tätigen Verteidiger daher die Auslagenpauschale nach VV Nr. 7002 nur einmal zusteht (vgl. LG Zweibrücken, Beschl. v. 29. Juni 2012, Qs 56/12, JurBüro 2013, 35 m. w. N.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., § 17 Rn. 59, a. A. ohne eigene Begründung AG Neuss, Beschl. v. 24. August 2007, 12 Ls 60 Js 40708/06, AGS 2008, 598)

Die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Beschl. v. 29. April 2013, 1 Ws 46/13) betrifft hingegen eine ganz andere Rechtsfrage, nämlich, ob das Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen mit dem erstinstanzlichen Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit bilden könnte.“

Kann man auch anders sehen, aber ist sicherlich vertretbar.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Dieses BGH-Urteil wird bald Rechtsgeschichte sein…..Und: Der BGH schweigt

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Etwas erstaunt war ich dann doch, als ich das BGH, Urt. v. 19. 12. 2012 – IV ZR 186/11 – gefunden habe. Der – 4. Zivilsenat des – BGH nimmt darin zu der in Rechtsprechung und Literatur immer noch umstrittenen Frage Stellung, ob im Bußgeldverfahren das vorbereitende Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind. Die Frage hat Bedeutung für den Anfall mehrerer Postentgeldpauschalen nach Nr. 7002 VV RVG – darum ging es in dem Urteil -, für die Frage des Übergangrechts und für die Anrechnung von Vorschüssen nach § 58 Abs. 3 RVG.

Der 4. Zivilsenat hat sich gegen die h.M. in Rechtsprechung und Literatur entschieden, die von verschiedenen Angelegenheiten ausgeht, und hat dieselbe Angelegenheit angenommen. So weit, so gut. Mich überzeugen – als Angehöriger der Gegenmeinung 🙂 – die Argumente des BGH nicht, aber man muss es eben hinnnehmen, auch wenn es nicht der Fachsenat des BGH ist, der zu der Frage Stellung genommen hat. Die RSV werden jubeln, bringt die Entscheidungen doch bei der Nr. 7002 VV RVG manchen Euro. Auch Kleinvieh macht eben Mist.

Ich frage mich bei der Lektüre des Urteils allerdings: Warum so und warum jetzt noch? Auch wenn man das Urteil mehrfach liest: Man findet nämlich keinen Hinweis auf die gegenteilige Ansicht des Gesetzgebers, der im 2. KostenrechtsmodernisierungsG ab 01.07.2013 die Frage gesetzlich regeln wird, und zwar durch einen neuen § 17  Nr. 11 RVG. Danach handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten.Warum der BGH das nun noch anders sieht, bleibt sein Geheimnis. Und: Es stünde einem obersten Bundesgericht m.E. gut an, in einer solchen Entscheidung wenigstens mal auf die kommende – andere – gesetzliche Regelung hinzuweisen, wenn man sich schon nicht damit auseinander setzen will, dass und warum der Gesetzgeber einen anderen Weg gehen wird/will. Aber wie gesagt: Dazu kein Wort.

Dennoch alles in allem: Das BGH-Urteil wird ab 01.07.2013 nur noch Rechtsgeschichte sein = für die Vergangenheit gelten. Alle „neuen“ Aufträge richten sich dann nach § 17 Nr. 11 RVG.

 

Auch Kleinvieh macht Mist – 20 € haben oder nicht haben…

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Es gibt ein paar gebührenrechtliche Fragen, die beschäftigen Rechtsprechung und Literatur seit Inkrafttreten des RVG, also seit nunmehr acht Jahren. Dazu gehört die Frage, ob im Strafverfahren (Teil 4) das vorbereitende Verfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren bzw. im Bußgeldverfahren (Teil 5)  das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind. Die Antwort hat Auswirkungen auf die Abrechnung des Verteidigers. Denn handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten kann der Rechtsanwalt nach der Anm. zur Nr. 7002 VV RVG in jeder die Postentgeldpauschale in Höhe von 20 € abrechnen.

Welche Antwort richtig ist, ist höchst umstritten. Die Literatur geht weitgehend übereinstimmend davon aus, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt. Die Rechtsprechung kommt im Strafverfahren wohl überwiegend dazu, dass es sich um dieselbe Angelegenheit handelt, während im Bußgeldverfahren m.E. die Auffassung überwiegt, die von verschiedenen Angelegenheiten ausgehen. Und die RSV? Nun, die Antwort liegt, wie ich es von Kollegen immer wieder höre, auf der Hand: Natürlich dieselbe Angelegenheit.

Das Hin und Her hat nun demnächst ein Ende. Denn der Regierungsentwurf zum 2. KostRMoG sieht – abweichend vom Referentenentwurf – vor, die Frage gesetzlich zu regeln, und zwar durch einen neuen § 17 Nr. 10b bzw. Nr. 11 RVG. Danach handelt es sich um verschiedene Angelegenheiten. Demnächst kann dann immer mindestens zweimal die Nr. 7002 VV RVG abgerechnet werden. Ist nicht viel mehr, eben  nur 20 €. Aber auch Kleinvieh macht Mist.

Eins muss man allerdings beachten: Das gilt wegen der Übergangsregelungen in §§ 60, 61 RVG nur für die Mandate, in denen der unbedingte Auftrag ab 01.07.2013  erteilt worden ist. In den laufenden Mandaten gilt das noch nicht. Es sei denn, die Staatskasse, der Mandant und die RSV sind großzügig.

Ach so: Solche Änderungen machen natürlich auch RVG-Kommentatoren Freude. Zumal, wenn sie die Auffassung, die jetzt Gesetz werden soll, vertreten haben :-).