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Auf dem Marsch/dem Weg ins lange Wochenende dann noch etwas für den „Anwalt des Vertrauens“

Immer wieder kommt es zur Ablehnung von Terminsverlegungsanträgen – im Grunde auch einer der verfahrensrechtlichen Dauerbrenner – womit m.E. Druck auf den Angeklagten ausgeübt wird. Um so schöner daher die  Entscheidung des OLG Oldenburg v. 12.10.2010 – 1 Ws 486/10, in der das OLG sich noch einmal mit einigen Argumenten für/gegen eine Terminsverlegung auseinandergesetzt hat.

Hervorzuheben ist diese Passage:

„Im vorliegenden Fall ist bereits nicht ersichtlich, ob der Vorsitzende überhaupt eine Ermessensentscheidung vorgenommen hat. Der Hinweis darauf, dass der Angeklagte bereits anderweitig verteidigt wird, lässt nicht erkennen,dass das Gericht das Interesse des Angeklagten sich in der Berufungshauptverhandlung durch den von ihm gewählten neuen Verteidiger, Rechtsanwalt XXXX und nicht durch die bisherige Pflichtverteidigerin vertreten zu lassen, bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat.“

Gut (oder auch nicht), wenn es um Beschleunigung geht/ginge, wird/würde ggf. anders argumentiert, aber immerhin: Die Richtung stimmt.

Keine Terminsverlegung, schließlich hat der Amtsrichter noch 10 Wochen Urlaub abzuwickeln

Da verschlägt es einem schon die Sprache, wenn man den Beschluss des LG Lüneburg in 26 Qs 4/10 liest. Hintergrund: Der Verteidiger beantragt Terminsverlegung. Das Amtsgericht lehnt ab. Das LG verwirft die Beschwerde als unzulässig (!). Soweit, so gut? Mitnichten, wenn man die Begründung liest:

„Die Ablehnung eines Terminsverlegungsantrags ist nach § 305 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG grundsätzlich unanfechtbar (vgl. Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a). Ob etwas anderes dann gilt, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden auf einem evidenten Ermessensfehler beruht (vgl. OLG Stuttgart, Justiz 2006, 8), kann hier dahingestellt bleiben, weil ein solcher Ermessensfehler nicht ersichtlich ist. Die Erwägung des Amtsgerichts, wonach die Vielzahl der gerichtlich anhängigen Ordnungswidrigkeitenverfahren bei der Prüfung von Verlegungsanträgen die Anregung eines strengen Maßstabs rechtfertigt, ist jedenfalls dann, wenn es sich, wie vorliegend, bei dem Vorwurf verbotenerweise mit einem Handy telefoniert zu haben, um einen einfach gelagerten Sachverhalt handelt, durchaus nachvollziehbar (vgl. auch insoweit Göhler, § 71 OWiG, Randnummer 25 a, wonach in Bußgeldverfahren regelmäßig ein strengerer Maßstab anzulegen ist). Diese Überlegung ist im Übrigen auch angesichts der kurzen Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG sachgerecht, weil anderenfalls bei einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeitenverfahren im Falle massiver Abstimmungsprobleme mit der Verteidigung der Verjährungseintritt drohen würde. Nach der ergänzenden Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts reicht die Terminierung bereits in den März 2010. Infolge Urlaubs des Richters in 2010 über insgesamt 10 Wochen bis Oktober fallen ca. 16 Terminswochen weg, so dass sich die dortige Terminierungssituation weiter verschlechtern wird.“

Also: Zum Anwalt des Vertrauens kein Wort und auch kein Wort dazu, dass OLGs die Frage teilweise anders sehen. Auch kein Wort dazu, was der Amtsrichter eigentlich unternommen hat, um die Terminschwierigkeiten zu beseitigen: warum kann man den Termin nicht aufheben und ggf. kurzfristig eine andere Sache ansetzen. Und dann: Verjährung droht: Wieso denn, wenn die Verjährungsfrist jetzt immerhin sechs Monate beträgt. Und in der Zeit sollte man doch wohl einen Termin auf die Reihe bekommen, auch wenn der Amtsrichter noch 10 Wochen in Urlaub in 2010 abwicklen muss. Was das allerdings mit dem Recht des Betroffenen auf den Anwalt des Vertrauens zu tun hat, erschließt sich nun nicht so richtig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 S. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

2. OpferRRG in Kraft: Pflichtverteidiger muss nicht mehr ortsansässig sein.

Heute ist dann das 2. Opferrechtsreformgesetz vom 29.07.2009 (BGBl I, S. 2274) in Kraft getreten, das einige für die Praxis beduetsame Änderungen im Strafverfahren bringt (vgl. dazu schon meinen Beitrag in VRR 2009, 331). Eine der wesentlichen Änderungen ist sicherlich die Neufassung des § 142 Abs. 1 StPO betreffend die Auswahl des Pflichtverteidigers. Das Merkmal der Ortsansässigkeit ist entfallen. Gott sei Dank, kann man da nur sagen, obwohl dieses Merkmal zum Schluss schon nicht mehr eine so große Rolle gespielt hat und zunehmend auf den  „Anwalt des Vertrauens“ abgestellt worden ist. Aber: Häufig dann, wenn ein „unbequemer“ RA als Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte, wurde dann doch gelegentlich noch auf die Frage der „Ortsansässigkeit“ abgestellt und damit die Beiordnung dann verweigert. Das geht jetzt nicht mehr (so einfach). Denn der RA, der vom Beschuldigten benannt wird, „ist“ beizuordnen. Die Gesetzesbegründung geht von einer Gesamtabwägung aus, in der die Frage des Anwalts des Vertrauens wohl an der Spitze stehen soll. Allerdings werden leider auch noch Kostengesichtspunkte genannt. An der Stelle müssen die Verteidiger darauf achten, dass über diese Schiene die Frage der Ortsansässigkeit nicht doch wieder eine Rolle spielt, also quasi duch die „Hintertür“ wieder eingeführt wird. Letztlich wird sich die Frage dann nur durch eine Beschwerde klären lassen.