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Verteidigerfehler: Aufklärungsrüge ist schwer, aber so schwer nun auch nicht, Herr Kollege

Gesicht ärgerlichNatürlich machen nicht nur Gerichte Fehler, sondern auch Verteidiger. Zum Ausgleich nach Klassischer (Anfänger)Fehler XIV: Verteidiger und Angeklagter fehlen bei Plädoyers daher hier ein Verteidigerfehler, den man sicherlich auch als Anfängerfehler bezeichnen und dem Kollegen nur den Rat geben kann, mal eine revisionsrechtliche Fortbildung zu besuchen. Allerdings sollte man als Verteidiger, der Revisionsrecht betreibt, auch ohne Fortbildung wissen: „Aufklärungsrüge ist schwer“, aber so schwer nun wieder auch nicht, dass man nicht folgendes weiß:

„Die Aufklärungsrüge, mit der die unterbliebene Vernehmung von drei Zeugen beanstandet wird, ist bereits deshalb nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die ladungsfähigen Anschriften der Zeugen nicht mitgeteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. November 2013 – 4 StR 242/13 mwN, insoweit in NStZ 2014, 172 nicht abgedruckt).“

Klassischer Fehler XIII: Tretmine Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Eine aus Verteidigersicht revisionsrechtlich häufig „sichere Bank“ – für die Gerichte eine „Tretmine“ – sind die mit der Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO zusammenhängenden Fragen. Denn da werden von den Landgerichten häufig Fehler gemacht, die dann i.d.R., weil das Anwesenheitsrecht des Angeklagten verletzt ist, über § 338 Nr. 5 StPO einer Verfahrensrüge zum Erfolg verhelfen. Nicht selten geht es darum, dass in Abwesenheit des Angeklagten Verfahrensvorgänge durchgeführt werden, bei den der Angeklagte hätte wieder anwesend sein müssen und/oder der Angeklagte nicht ausreichend über das informiert wird, was in seiner Abwesenheit in der Hauptverhandlung geschehen ist. Eine etwas andere Konstellation aus dem Problembereich hat der BGH, Beschl. v. 24.06.2014 – 3 StR 194/14 – zum Gegenstand. Da ging es nämlich um die nciht ordnungsgemäße Anordnung der Entfernung des Angeklagten. Dafür ist ein Gerichtsbeschluss erforderlich, an dessen Begründung besondere Anforderungen gestellt werden, die nicht erfüllt waren. Alles nichts Neues, was der BGH da ausführt, von daher dann schon ein „klassischer Fehler“, wenn das LG bei der Beschlussbegründung geschlampt hat. Zur Begründung hatte das LG nämlich nur ausgeführt: „die Zeugin habe auf dem Gerichtsflur weinend darum gebeten, dem Angeklagten nicht gegenübertreten zu müssen, da sie dann nicht reden könne. Ihre Mutter habe dringend darum gebeten, ihr Kind nicht in Anwesenheit des Angeklagten zu befragen. Mit Blick auf die Wichtigkeit des persönlichen Eindrucks von der Zeugin und die Aufklärungspflicht sei wie geschehen zu entscheiden.“ Das reichte nicht:

Diese knappe, im Wesentlichen nur die unsubstantiierten Angaben der Zeugin und ihrer Mutter referierende Begründung genügt den Anforderungen des § 247 Satz 1 StPO hier nicht. Der zeitweise Ausschluss des Angeklagten ist durch einen Gerichtsbeschluss anzuordnen, dessen Begründung zweifelsfrei ergeben muss, dass das Gericht von zulässigen Erwägungen ausgegangen ist.

Der bloße Wunsch eines Zeugen, in Abwesenheit des Angeklagten aussagen zu dürfen, rechtfertigt für sich eine Anordnung nach § 247 Satz 1 StPO noch nicht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. Dezember 1967 – 2 StR 616/67, BGHSt 22, 18, 21; Beschluss vom 15. August 2001 – 3 StR 225/01, BGHR StPO § 247 Satz 1 Begründungserfordernis 5). Die Befürchtung des Gerichts, dass die Anwesenheit des Angeklagten den Zeugen von einer wahren und voll-ständigen Aussage abhalten werde, muss sich auf konkrete, im Einzelfall begründete Tatsachen stützen und nicht etwa nur auf allgemeine Erwägungen (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 247 Rn. 15 mwN; KK-Diemer, 7. Aufl., § 247 Rn. 5). Die Norm erfordert deshalb mit Blick auf die Schwere des Eingriffs in die Rechte des Angeklagten grundsätzlich eine substantiierte Begründung dessen zeitweisen Ausschlusses von der Hauptverhandlung. Eine solche kann in Fällen der vorliegenden Art allenfalls dann als entbehrlich angesehen werden, wenn sich unmittelbar aus dem Anklagegegenstand sowie aus der Person von Zeugen und Angeklagtem und ihrer Beziehung zueinander ohne Weiteres eine massive Furcht des Zeugen vor dem auszuschließenden Angeklagten auf-drängt, die geeignet erscheint, den Zeugen von wahren, insbesondere vollständigen Angaben in Gegenwart des Angeklagten abzuhalten, wie es beispielsweise bei psychisch schwer geschädigten Opfern von Sexualverbrechen auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 21. April 1999 – 5 StR 715/98, BGHR StPO § 247 Satz 1 Begründungserfordernis 3).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Zeugin beschränkte sich im Wesentlichen auf die Anbahnung und Durchführung der von beiden gewünschten sexuellen Handlungen. Irgendwelche durch den Kontakt mit dem Angeklagten hervorgerufenen psychischen Beeinträchtigungen der Zeugin hat das Landgericht nicht feststellen können. Ein objektiver Anlass für eine begründete Furcht der Zeugin vor einer Aussage in Gegenwart des Angeklagten lag deshalb nicht nahe. Bei dieser Sachlage war eine sorgfältige Begründung der Anordnung unerlässlich, in der das gewichtige Interesse des Angeklagten, während der Vernehmung der wichtigsten Belastungszeugin an der Hauptverhandlung teilzunehmen, mit be-rechtigten Interessen der Zeugin abzuwägen gewesen wäre. In die Bewertung wäre gegebenenfalls auch einzustellen gewesen, ob den Interessen der Zeugin etwa mit Anordnungen zum Verhalten des Angeklagten während ihrer Verneh-mung oder zur Sitzordnung in ausreichender Weise hätte Rechnung getragen werden können (BGH, Beschluss vom 21. April 1999, aaO).

Ausreichende Anhaltspunkte, welche die Voraussetzungen des § 247 Satz 2 StPO belegen könnten, sind weder in der Beschlussbegründung dargelegt noch sonst ersichtlich.“

Mit solchen „Macken“ hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg…

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Die Verwerfung des Einspruchs des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG wegen unentschuldigten Ausbleibens des nicht von seiner  Anwesenheitspflicht entbundenen Betroffenen ist eine im Bußgeldverfahren doch häufigere Konstellation, die ebenso häufig – wie die veröffentlichte Rechtsprechung zeigt – zur Aufhebung der amtsgerichtlichen Verwerfungsurteile führt. Denn die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung zu den Anforderungen an diese Urteile ist verhältnismäßig streng, die amtsgerichtliche Urteile erfüllen diese Anforderungen nicht immer. Spiegelbildlich dazu sind aber auch die Anfordeurngen an die Rechtsbeschwerdebegründung und die zu erhebende Verfahrensrüge verhältnismäßig hoch. Das zeigt mal wieder der OLG Hamm, Beschl.  v. 23.05.2014 – 5 RBs 70/14. Da hatte der Verteidiger die Anforderungen des OLG nicht erfüllt. Die Begründung hatte mehrere „Macken“, denn:

  • Es fehlte dem OLG der zur ordnungsgemäßen Begründung erforderliche Vortrag, dass der Verteidiger, der in der Hauptverhandlung noch den Entpflichtungsantrag gestellt hatte, eine schriftliche Vertretungsvollmacht hat und diese dem AG nachgewiesen worden ist (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 114,116). In der Rechtsbeschwerdebegründung war lediglich davon die Rede, dass der Rechtsanwalt nicht  „nur als Verteidiger, sondern auch als Vertreter des Betroffenen mandatiert“ ist.  Nicht mitgeteilt wurde, dass die erforderliche Vertretungsvollmacht dem Gericht nachgewiesen worden war.
  • Ferner war nicht dargetan, ob der Entbindungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist. Der Antrag muss wiederholt werden, wenn der Hauptverhandlungstermin verlegt oder ausgesetzt worden ist und zwar vor einem neuen Hauptverhandlungstermin.

Auf solche Anforderungen muss man schon achten, wenn die Rechtsbeschwerde Erfolg haben soll.

Klassischer Fehler VII: Ordnungsgemäße Anklage – der BGH lässt nicht alles durchgehen.

© Dan Race - Fotolia.com

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Auch ein Klassiker im Revisionsrecht bzw. mit in die Gruppe „Klassischer Fehler“ gehören die mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anklageerhebung zusammenhängenden Fragen, die meist in Zusammenhang mit Serienstraftaten eine Rolle spielen. Da ist die Rechtsprechung des BGH zwar verhältnismäßig weit/großzügig, aber nicht so weit, dass der BGH nun alles durchgehen lässt, was an Anklage bei ihm ankommt bzw., was die Tatgerichte haben durchgehen lassen. Aus dem Bereich ist dann hinzuweisen auf den BGH, Beschl. v. 04.02.2014 – 2 StR 533/13, der eine Verurteilung wegen Bankrotts betrifft:

a) Der Verurteilung des Angeklagten wegen Bankrotts in den vorgenannten Fällen liegen nach den Feststellungen des Landgerichts 13 konkret beziffer-te Auszahlungen in einer Gesamthöhe von 78.875 Euro zugrunde, die der Angeklagte in der Zeit vom 22. Februar 2011 bis zum 26. August 2011 (UA S. 15) bzw. 12. September 2011 (UA S. 13) für seine Tätigkeit als Honorararzt von vier näher bezeichneten Krankenhausbetreibern erhalten und dem in Bezug auf sein Vermögen bestellten Insolvenzverwalter nicht offenbart hat.

b) Die Verurteilung des Angeklagten in diesen Fällen wird von der zugelassenen Anklage nicht erfasst. Es fehlt an einem hinreichend umgrenzten Tatvorwurf.

Die Anklage hat die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Umgrenzungsfunktion). Die begangene, konkrete Tat muss durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Fehlt es hieran, so ist die Anklage unwirksam (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 1 StR 205/09, NStZ 2010, 159, 160).

Diesen Anforderungen wird die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage nicht gerecht. Der von der Strafkammer in den Fällen II. 66 bis 78 abgeurteilte Lebenssachverhalt wird weder im Anklagesatz noch im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen konkret beschrieben. Die Anklage teilt lediglich mit, der Angeklagte habe in einer Mehrzahl von Fällen seine als Honorararzt von Krankenhausbetreibern erzielten Einnahmen in Höhe von insgesamt 78.515 Euro dem bestellten Insolvenzverwalter nicht offengelegt.

Schon die Benennung des Tatzeitraums fehlt bzw. umfasst – soweit die Anklage noch vor den nachfolgenden Angaben im konkreten Anklagesatz einen Tatzeitraum vom 18. Dezember 2006 bis Ende 2010 nennt – ganz offensichtlich nicht die abgeurteilten in der Zeit vom 22. Februar 2011 bis August 2011 erfolgten Honorarauszahlungen. Die Taten sind auch nicht durch andere Umstände unverwechselbar umschrieben und daher ausreichend konkretisiert. Die Anklageschrift nennt weder die verschiedenen Krankenhäuser noch gibt sie Auskunft über konkret erzielte Honorare. Angesichts der fehlenden Angabe des Tatzeitraums und jedweder weitergehender Konkretisierung der Tathandlung ist auch die Mitteilung des Gesamtbetrags der Auszahlungen in Höhe von 78.515 Euro nicht geeignet, den angeklagten Lebenssachverhalt hinreichend zu individualisieren (vgl. dagegen Senat, Urteil vom 12. Februar 2014 – 2 StR 308/13). Der in der Anklage genannte Gesamtbetrag stimmt im Übrigen auch nicht mit dem von der Strafkammer festgestellten Gesamtbetrag von 78.575 Euro überein, weshalb mangels anderweitiger Konkretisierungen schon nicht überprüft werden kann, ob die festgestellten einzelnen Auszahlungen auch alle vom Anklagevorwurf umfasst waren.“

Ergebnis: Teileinstellung und Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch. Wenigstens etwas 🙂 . Und: Im Übrigen eine Frage, die der BGH von Amts wegen prüft, da es sich bei der ordnungsgemäßen Anklageerhebung um eine Verfahrensvoraussetzung handelt.

Nur kurz: Verfahrensrüge – Mitteilungspflicht verletzt? Gibt es überhaupt etwas mitzuteilen?

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Bringen wir heute am Jahrestag der Verständigungsentscheidung des BVerfG vom 19.03.2013 nach Verständigung/Mitteilungspflicht: Wie war das Wetter an dem Tag? noch einen Beitrag zur Mitteilungspflicht, und zwar zur Frage: Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dazu heißt es im BGH, Beschl. v. 29.01.2014 – 1 StR 523/13 – kurz und zackig:

„Der Angeklagte macht geltend, der Kammervorsitzende habe in der Hauptverhandlung entgegen § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht bekanntgegeben,  ob vor der Hauptverhandlung mündliche oder schriftliche Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO stattgefunden haben, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist.

2. Es bestehen bereits Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Rüge, denn der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, ob Erörterungen im Sinne des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO stattgefunden haben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 – 2 StR 47/13, zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHSt 58, 315).“

Tja, da muss man dem BGH folgen. Denn, ob die Mitteilungspflicht verletzt ist, kann ich nur feststellen, wenn ich weiß, ob überhaupt mitzuteilende Erörterungen stattgefunden haben. Das war aber nicht der Fall. Es ist zwar wohl viel geredet worden, aber es haben nicht alle zusammen geredet, wenn man die „Feststellungen“ des BGH richtig versteht:

Der Senat hat im Freibeweisverfahren von den beteiligten Berufsrichtern und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft dienstliche Äußerungen so-wie von der Verteidigerin eine Erklärung dazu eingeholt, ob ihnen Erörterungen i.S.v. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO bekannt geworden sind. Auch dem Angeklagten wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von den Berufsrichtern wurden derartige Erörterungen unter ihrer Beteiligung verneint. Der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärte, dass er vor Beginn der Hauptverhandlung mit der Verteidigerin die jeweiligen Strafvorstellungen ausgetauscht habe, dass es aber zu keinem Gespräch mit der Strafkammer gekommen sei. Der Senat versteht die dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter dahingehend, dass diese von dem Gespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung keine Kenntnis erlangt hatten. Auch die Verteidigerin behauptet nicht, dass unter ihrer Beteiligung Gespräche mit der Strafkammer stattgefunden haben. Es entziehe sich jedoch ihrer Kenntnis, ob gegebenenfalls Gespräche zwischen Strafkammer und Staatsanwaltschaft stattgefunden hätten. Dass dies nicht der Fall war, ergibt sich gleichfalls aus den dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft.“