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OWi II: Die Entscheidung im Beschlussverfahren, oder: Anforderungen an die Beschlussbegründung

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandemburg, Beschl. v. 22.09.2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 373/21 – geht es noch einmal um die Begründung des im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses. Das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehobe, weil der Beschluss keine Begründung enthielt, die Voraussetzungen für ein Absehen von der Begründung gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG mangels Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft nicht vorlagen und eine Nachholung der Gründe gemäß § 72 Abs. 6 OWiG nach Zustellung des nicht mit Gründen versehenen Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten nicht mehr zulässig war. Dazu nimmt es auf die Stellungnahme der GStA Bezug:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu wie folgt Stellung genommen:

“ (…) Der angefochtene Beschluss vom 25. Januar 2021 ist auf die erhobene Sachrüge hin schon deshalb aufzuheben, weil er die nach § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 OWiG vorgeschriebene Begründung nicht enthält. Danach muss die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG, mit dem eine Geldbuße festgesetzt wird, im Wesentlichen den Anforderungen genügen, die gemäß § 71 Abs. 2 OWiG i. V. mit § 267 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO an die Begründung eines nicht freisprechenden Urteils gestellt werden (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. Februar 2008, Az.: 1 Ss (OWi) 266 B/07, in: juris; KK-OWiG /Senge, 5. Auflage, 2018, § 72, Rn. 66 m. w. N.). Der am 1. März 2021 zu den Akten gelangte begründete Beschluss war insoweit für das weitere Verfahren — trotz Einhaltung der 5-Wochen-Frist nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG — unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein unter Verstoß nach § 72 Abs. 6 S. 1, S. 2 OWiG den Verfahrensbeteiligten als endgültige Fassung zugestellter Beschluss mit Übersendungsverfügung vom 25. Januar 2021 u.a. unter Bezugnahme auf § 41 StPO vorlag (BI. 88 d. A.). Ausweislich BI. 91 d. A. ist die Akte auch der Staatsanwaltschaft mit dem abgekürzten Beschluss zugegangen und von dieser mit Rechtsmittelverzicht zurückgesandt worden (BI. 92 d. A.), Der Beschluss ist auch dem Verteidiger am 3. Februar 2021 (BI. 97 d. A.) zugestellt worden. Wird ein nicht mit Gründen versehenes Urteil nach § 41 StPO zugestellt, obwohl die Voraussetzungen des § 77b Abs. 1 OWiG nicht vorgelegen haben, ist eine nachträgliche Ergänzung auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht möglich (vgl. Brandenburger Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. November 2011, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 446/11 (244/11), in: juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2013, Az.: 111-5 RBs 181/12, in: juris; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013, Az.: 4 StR 336/12, in: BGHSt 58, 243-253). Entsprechendes gilt für fehlende Beschlussgründe unter Verstoß des § 72 Abs. 6 OWiG (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWI 110/20 (70/20), in: juris). Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Ergänzung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG lagen indes nicht vor. Für das Absehen von einer Beschlussbegründung bedarf es nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten, also auch der Staatsanwaltschaft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. Januar 2009, Az.: 1 Ss (OWi) 242 B/08). Ein solcher Verzicht muss eindeutig, vorbehaltlos und ausdrücklich erklärt werden (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 16. Auflage, 2020, § 72 Rn. 63a). Die Staatsanwaltschaft hat – anders als der Betroffene laut Hauptverhandlungsprotokoll vom 4. Dezember 2020 (BI. 84 d. A.) – nicht auf eine Begründung des nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses verzichtet. Die dem Beschluss vom 25. Januar 2021 vorangegangene Erklärung der Staatsanwaltschaft, einer Entscheidung durch Beschluss nicht zu widersprechen, enthält nicht zugleich die Erklärung, es werde auch auf die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG verzichtet (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. Oktober 2019, Az.: Ss Bs 58/2019 (62/19 OWi), in: BeckRS 2019, 25067).

Das Fehlen von Gründen in einem Strafurteil zwingt in der Regel schon zur Urteilsaufhebung auf die Sachrüge hin (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000, Az.: 4 StR 354/00, in: BGHSt 46, 204; OLG Hamm, Beschluss vom 19. August 2010, Az.: 3 RVs 69/10, in: NStZ 2011, 238; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, 2020, § 338 Rn. 52 m. w. N.). Auch ein Bußgeldurteil ist beim unzulässigen Fehlen von Urteilsgründen in der Regel schon auf die zulässig erhobene Sachrüge hin aufzuheben, weil dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Fall eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 — 311 SsRs 126/11 —, juris OLG Bamberg, Beschluss vom 10. November 2011, Az.: 3 Ss OWi 1444/11, in: juris; Rn. 2 ff.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 77b Rn. 8 m. w. N.; KK-Senge, OWiG, a. a. 0.; § 77b Rn. 17). Ebenso unterliegt ein nach § 72 OWiG ergangener Beschluss beim Fehlen einer Begründung auf eine zulässig erhobene Sachrüge hin der Aufhebung im Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn die Voraussetzungen für das Absehen von einer Begründung nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG nicht vorlagen, etwa weil — wie hier — nicht alle Verfahrensbeteiligten hierauf verzichtet haben (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 110/20 (70/20), in: juris). Enthält das Urteil oder der Beschluss verfahrenswidrig keine beachtlichen Gründe, kann das Rechtsbeschwerdegericht dieses auch keiner Prüfung auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit unterziehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008, Az.: 3 Ss OWi 1060/08, in: juris; vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011, Az.: 311 SsRs 126/11, in: NZV 2012, 45; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2010, Az.: 1 RBs 188/09, in: BeckRS 2010, 21267; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juni 2012, Az.: 3 RBs 156/12, in: juris).

Dieser Begründungsmangel ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil der Betroffene im Vorfeld auf eine Begründung verzichtet hatte. Dies lässt sich ohne weiteres der Bestimmung des § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG entnehmen, der gerade eine Begründungspflicht für den Fall der Anfechtung der getroffenen Entscheidung trotz vorhergehenden Verzichts auf die Begründung durch die Beteiligten normiert. (…)“

Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage trifft zu. Die nachträgliche Begründung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG war unzulässig, weil die Voraussetzungen für ein Absehen einer Begründung des Beschlusses gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWG nicht vorlagen. Die zugrunde liegende Regelung würde weitgehend leerlaufen, wenn das Gericht die Begründung unabhängig vom Vorliegen eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten in zulässiger Weise nachholen könnte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. August 2021 — IV-2 RBs 141/21, zit. nach Juris).“

StPO III: „Verlesungsanordnungsbeschluss“ fehlt, aber Urteil beruht nicht auf dem Fehler

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Und auch die dritte StPO-Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 21.07.2020 – 5 StR 250/20 – vom BGH. Inhalt u.a. eine Verfahrensrüge betreffend die vernehmungsersetzende Verlesung der polizeilichen Vernehmungsniederschriften von Zeugen. Die hatte im Ergebnis keinen Erfolg:

„1. Die Verfahrensrügen in Zusammenhang mit der vernehmungsersetzenden Verlesung der polizeilichen Vernehmungsniederschriften der Zeugen R. , M. und X. sowie der E-Mails des Geschädigten A. bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.

a) Zwar rügt die Revision zu Recht, dass die Verfahrensweise der Strafkammer nicht dem Gesetz entsprach, weil die Vernehmungsniederschriften und E-Mails im allseitigen Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten verlesen wurden (vgl. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO ), aber ohne den erforderlichen Gerichtsbeschluss nach § 251 Abs. 4 Satz 1 StPO .

b) Der Senat schließt allerdings aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls aus, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht:

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass das Beruhen des Urteils auf einem Verstoß gegen das Beschlusserfordernis in § 251 Abs. 4 StPO ausgeschlossen werden kann, wenn allen Beteiligten der Grund der Verlesung klar und von der persönlichen Vernehmung der Zeugen keine weitere Aufklärung zu erwarten war (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015 – 3 StR 113/15 , NStZ 2016, 117; LR-StPO/Cirener/Sander, 27. Aufl., § 251 Rn. 97; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 251 Rn. 45; MüKo-StPO/Kreicker, § 251 Rn. 92, jeweils mwN).

Beides war vorliegend der Fall. Allen Verfahrensbeteiligten war aufgrund des Verfahrensablaufs klar, dass die Zeugenaussagen nur vernehmungsersetzend verlesen wurden, weil alle damit einverstanden waren und mithin die Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO vorlagen. Auf die Vernehmung der Geschädigten A. , M. und X. war zudem allseits verzichtet worden. Von der persönlichen Vernehmung der Zeugen war keine weitere Aufklärung zu erwarten. Die überwiegend im Ausland lebenden Geschädigten konnten im Wesentlichen nur darüber berichten, dass sie bei einem Autokauf über das Internet mit unter bestimmten Namen auftretenden Verkäufern verhandelt, Geld im Voraus auf bestimmte Konten überwiesen und anschließend keinen Gegenwert erhalten hatten. Die Zeugin R. konnte insoweit ohnehin nur von den Angaben des Geschädigten A. ihr gegenüber berichten. Dass die persönliche Vernehmung der Zeugen ein Mehr an relevanter Erkenntnis erbracht hätte, ist ungeachtet entsprechenden – spekulativen – Revisionsvortrags nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auf einem dem Angeklagten rechtsfehlerfrei zugeordneten Laptop für alle Betrugsfälle umfangreiche Verkaufsunterlagen festgestellt werden konnten. Durch den nachfolgenden Gerichtsbeschluss, wonach von einer Vernehmung der Geschädigten A. , M. und X. abgesehen werden könne, nachdem alle Verfahrensbeteiligten auf sie verzichtet hätten und auch die Strafkammer eine Vernehmung zur weiteren Sachaufklärung nicht für erforderlich halte, hat das gesamte Gericht zudem konkludent die Verantwortung für die Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes diese Zeugen betreffend übernommen (vgl. zu diesem Aspekt BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 – 2 StR 78/10 , NStZ 2010, 649). Dies erfasste konkludent auch die Zeugin R. , die lediglich mittelbar zu den Angaben des Geschädigten A. hätte bekunden können.

c) Die insoweit auch erhobene Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO erweist sich bereits deswegen als unzulässig, weil nicht vorgetragen wird, was die Strafkammer zur Erhebung des vermissten Beweises hätte drängen müssen. Den Behauptungen der Revision, die Zeugen hätten den Angeklagten als Täter ausgeschlossen, fehlt es an Anknüpfungstatsachen.“

Selbstständiges Einziehungsverfahren, oder: Entscheidung durch Beschlus oder aufgrund Hauptverhandlung?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Dresden, Beschl. v. 27.09.2019 – 2 Ws 212 u. 213/19 – hat eine verfahrensrechtliche Problematik in Zusammenhang mit Einziehung zum Gegenstand. Es geht nämlich um die Frage, ob und wann im selbstständigen Einziehungsverfahren aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden ist. Das OLG Dresden sagt – anders als zuvor das LG: Wenn ein Verfahrensbeteiligter einschließlich des Einziehungsbeteiligten dies beantragt, muss aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden werden. Daran hat sich durch die Refomr nichts geändert:

„1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im selbständigen Einziehungsverfahren und Entscheidung durch Urteil nach entsprechendem Antrag eines Einziehungsbeteiligten waren bereits gemäß dem vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. Teil I, S. 872) geltenden Verfahrensrecht obligatorisch. Nach § 441 Abs. 3 Satz 1 StPO in der vom 01. Oktober 1968 bis zum 30. Juni 2017 geltenden Fassung (a.F.) hatte das zuständige Gericht über einen zulässigen Antrag auf selbständige Einziehung (§ 440 StPO a.F.) aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, wenn die Staatsanwaltschaft oder „sonst ein Beteiligter“ es beantragt hatte oder das Gericht es anordnete. Diese Regelung sollte der bis zum 30. Juni 1968 geltenden Regelung des § 431 Abs. 1 StPO entsprechen, wonach aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden war, wenn „ein Beteiligter“ es beantragt oder das Gericht es angeordnet hatte (siehe BT-Drs. V/1319, S. 82). Mithin war die mündliche Verhandlung zwingend geboten, wenn auch nur einer der Beteiligten am selbständigen Einziehungsverfahren, also die Staatsanwaltschaft, der antragstellende Privatkläger oder ein Einziehungsbeteiligter es beantragten (siehe Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl. [2009], § 441 Rn. 10; Karlsruher Kommentar zur StPOISchmidt,7. Aufl. [2013), § 441 Rn. 6: „die StA, der antragstellende Privatkläger oder ein Nebenbeteiligter“). Hiervon geht ausweislich der Beschlussgründe – im Ausgangspunkt zutreffend – auch das Landgericht aus (S. 17 des angefochtenen Beschlusses, Bi. 467 (JA).

2. An der oben dargestellten Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nach der Gesetzesreform (jetzt §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 3 Satz 1 StPO) nichts geändert.

a) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Aufhebung des § 441 StPO a.F. und die neue Verfahrensregelung durch einen Verweis in § 436 Abs 2 StPO auf eine entsprechende Anwendung des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht dazu führen, dass der Einziehungsbeteiligte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr durch Antrag erzwingen kann. Dies ergibt sich aus der Begründung des Entwurfs zum Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Darin heißt es zum Entwurf des § 436 StPO: „Die Vorschrift regelt die Zuständigkeit, die Entscheidungsform und das Rechtsmittel für das selbständige Einziehungsverfahren. Sie entspricht in somit dem bisherigen § 441 StPO.“ (BT-Drs. 18/9525, S. 92). Auch in der hier entsprechend anwendbaren, unmittelbar nur für das Nachverfahren geltenden Vorschrift des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO hat der Reformgesetzgeber entgegen der Darstellung des Landgerichts nicht „bewusst“ den Begriff „Antragsteller“ statt „Beteiligter“ gewählt, um zum Ausdruck zu bringen, dass nur der jeweilige Antragsteller, der das Verfahren einleitet, eine mündliche Verhandlung erzwingen können soll. Denn in der Gesetzesbegründung zu § 434 StPO-E heißt es ebenfalls, dass diese Vorschrift im Hinblick auf die Entscheidungsform dem bisherigen § 441 StPO entspreche (BT-Drs. 18/9525, S. 91). § 441 Abs. 1 StPO a.F. sah aber auch für das Nachverfahren eine obligatorische mündliche Verhandlung nach Antrag der Staatsanwaltschaft oder eines sonstigen „Beteiligten“ vor.

b) Im Gegensatz zur Ansicht des Landgerichts kann ein dem Antragsrecht des Einziehungsbeteiligten entgegenstehender Wille des Reformgesetzgebers schon deswegen nicht dem Wortlaut des § 434 Abs. 3 Satz 1 StPO entnommen werden, weil die Verweisungsvorschrift des § 436 Abs. 2 StPO diese Regelung nicht für unmittelbar, sondern lediglich für entsprechend anwendbar erklärt. Zu Recht weist der Verfahrensbevollmächtigte des Einziehungsbeteiligten zu 1. darüber hinaus darauf hin, dass die systematische Auslegung der genannten Vorschriften sowie deren ratio legis ebenfalls für ein eigenes Antragsrecht des Antragstellers sprechen. Denn auch in dem dem selbständigen Einziehungsverfahren vergleichbaren Verfahren nach Abtrennung der Einziehung (§§ 422, 423 StPO) hat jeder, „gegen den sich die Einziehung richtet“ (§ 423 Abs. 4 Satz 2 StPO), also jeder Einziehungsadressat einschließlich des Angeklagten im rechtskräftig abgeschlossenen Hauptverfahren, das Recht, durch seinen Antrag eine mündliche Verhandlung zu erzwingen. Weder aus den Gesetzesmaterialien noch sonst ist ein sachlicher Grund ersichtlich, dass und warum man einem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten, dessen Schuld gegebenenfalls sogar im Rahmen einer vorangehenden mündlichen Verhandlung festgestellt worden ist, im Verfahren der Einziehung nach Abtrennung ein eigenes Recht auf Erzwingung einer mündlichen Verhandlung einräumen sollte, dem ehemals beschuldigten Einziehungsadressaten im selbständigen Einziehungsverfahren aber nicht, obwohl dieser möglicherweise gar nicht Gelegenheit hatte, sich in einer vorangegangenen mündlichen Verhandlung gegen den der Einziehung zugrundeliegenden Tatvorwurf zu verteidigen.

c) Mithin ist auch nach der Gesetzesreform von einem eigenen Antragsrecht jedes Verfahrensbeteiligten einschließlich der Einziehungsbeteiligten auszugehen  (siehe Meyer-Goßner/Köhler, StPO, 62. Aufl., § 436 Rn. 10; Karlsruher Kommentar zur StPO/Schmidt, 8. Aufl., § 436 Rn. 9; Graf, StPO, 3. Aufl. § 436 Rn. 6; Köhler/Burkhard, Die Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, NStZ 2017, 665).“

Keine Berichtigung eines BGH-Beschlusses, oder: Auch der BGH macht Fehler

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Auch beim BGH wird nur mit Wasser gekocht. Das war mein Gedanke beim Lesen des BGH, Beschl. v. 15.01.2019 – 4 StR 56/16. Warum? Nun, der BGH hat in seinem BGH, Beschl. v. 17.03.2016 – 4 StR 56/16 – einen Fehler gemacht. In dem Beschluss hatte er das angefochtene Urteil des LG Frankenthal im Adhäsionsausspruch ergänzt, die weiter gehende Revision als unbegründet verworfen und der Angeklagten die Kosten des Rechtsmittels auferlegt. Allerdings hatte er vergessen, der Angeklagten auch die Kosten der Nebenklägerin aufzuerlegen. Das hatte jetzt nachträglich die Nebenklägerin beantragt. Sie ist damit beim BGH gescheitert:

„Bei seiner Entscheidung über die Revision der Angeklagten hat es der Senat versehentlich versäumt, der Angeklagten auch die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionsklägerin aufzuerlegen. Dieser Fehler, der die Entscheidung selbst und nicht nur deren Verlautbarung betrifft, ist einer Berichtigung nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Januar 1999 – 1 StR 577/98, NStZ-RR 2000, 39; vgl. Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 260 Rn. 13 mwN). Eine nachträgliche inhaltliche Änderung der Kostenentscheidung des – grundsätzlich nicht abänderbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 10. September 2015 – 4 StR 24/15, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 6 mwN) – Senatsbeschlusses vom 17. März 2016 ist rechtlich ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2012 – 4 StR 631/11, NStZ-RR 2012, 159; vom 24. Juli 1996 – 2 StR 150/96, NStZ-RR 1996, 352; vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 464 Rn. 8, 12 mwN).“

Es beruhigt (?), dass auch beim BGH Fehler gemacht werden. Die Nebenklägerin natürlich nicht, denn sie bleibt auf ihren Kosten sitzen.

Ich komme auf die Entscheidung am Freitag im RVG-Rätsel noch einmal zurück. Denn daran knüpfen sich gebührenrechtliche Fragen 🙂 .

Die unleserliche Unterschrift unter einem Beschluss?, oder: Bei Beschlüsse geht es anders als bei Urteilen

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Ich hatte in der vergangenen Woche über den OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.11.2018 – 1 Ss 60/18 – berichtet (vgl. hier Eine unleserliche Paraphe ist keine Unterschrift, oder: Sind die Durchsuchungsbeschlüsse im VW-Skandal ggf. unwirksam?). Als „Anmerkung“ dazu hat mir der Kollege Wankel vom OLG Nürnberg, den OLG Nürnberg, Beschl. v. 28.05.2018 –  2 Ws 304/18 – geschickt. Er behandelt die Frage der Unterschrift bei Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer, und zwar wie folgt:

„Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, die Unterschrift des Richters am Amtsgericht pp. unter dem Beschluss vom 09.04.2018 entspreche nicht den an eine Unterschrift zu stellenden Anforderungen, kann dies dahinstehen.

Anders als bei Urteilen gemäß § 275 Abs. 2 StPO schreibt das Gesetz die Unterzeichnung von Beschlüssen nicht vor. Diese Vorschrift ist hierauf auch nicht entsprechend anwendbar (vgl. RGSt 43, 217, 218; BGH, Urteil vom 14.02.1985 – 4 StR 731/84, NStZ 1985, 492; BayObLGSt 1957, 4, 5; Stuckenberg, in: LR-StPO, 26. Aufl. § 275 Rn. 43; Greger, in: KK-StPO, 7. Aufl. § 275 Rn. 1; Peglau, in: BeckOK-StPO § 275 Rn. 38). Das gilt auch für Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer (vgl. OLG Hamm JMBl NW 1978, 70 juris Rn. 5), selbst wenn – wie hier nach der gesetzlichen Vorschrift des § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG – nur ein Richter zur Entscheidung berufen ist (vgl. OLG Düsseldorf VRS 96, 204). Fehlt es in einem solchen Fall an der Unterschrift des zuständigen Richters, so muss sich jedoch zumindest aus den Umständen zweifelsfrei ergeben, daß die in den Akten zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts niedergelegte Entscheidung auf seiner Willensbildung beruht (BayObLG a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). So liegt es hier. Selbst wenn man die Unterschrift des Richters am Amtsgericht pp. unter dem Beschluss vom 09.04.2018 als Paraphe ansehen würde (…), ergibt sich zweifelsfrei die Urheberschaft des entscheidenden Richters aus den weiteren in der Akte von ihm in gleicher Weise unterzeichneten Verfügungen (vom 07.08.2017, vom 14.08.2017, und vom 27.04.2018). Dass es sich nicht um einen bloßen Entscheidungsentwurf handelt, folgt daraus, dass die Hinausgabeverfügung vom 09.04.2018 ebenfalls in ähnlicher Weise gezeichnet ist (…).

Der Senat erachtet es allerdings für angezeigt, darauf hinzuweisen, dass bei der Unterzeichnung von Beschlüssen die an die für die Leistung einer Unterschrift allgemein aufgestellten Erfordernisse (vgl. etwa BGH Rpfleger 2018, 225, juris Rn. 7; OLG Nürnberg – 2. Strafsenat – NStZ-RR 2007, 151 juris Rn. 11) eingehalten werden sollten.

(…)“