OWi II: Die Entscheidung im Beschlussverfahren, oder: Anforderungen an die Beschlussbegründung

© vege- Fotolia.com

In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandemburg, Beschl. v. 22.09.2021 – 2 OLG 53 Ss-OWi 373/21 – geht es noch einmal um die Begründung des im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses. Das OLG hat die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehobe, weil der Beschluss keine Begründung enthielt, die Voraussetzungen für ein Absehen von der Begründung gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG mangels Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft nicht vorlagen und eine Nachholung der Gründe gemäß § 72 Abs. 6 OWiG nach Zustellung des nicht mit Gründen versehenen Beschlusses an die Verfahrensbeteiligten nicht mehr zulässig war. Dazu nimmt es auf die Stellungnahme der GStA Bezug:

„Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu wie folgt Stellung genommen:

“ (…) Der angefochtene Beschluss vom 25. Januar 2021 ist auf die erhobene Sachrüge hin schon deshalb aufzuheben, weil er die nach § 72 Abs. 4 Sätze 3 bis 5 OWiG vorgeschriebene Begründung nicht enthält. Danach muss die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG, mit dem eine Geldbuße festgesetzt wird, im Wesentlichen den Anforderungen genügen, die gemäß § 71 Abs. 2 OWiG i. V. mit § 267 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO an die Begründung eines nicht freisprechenden Urteils gestellt werden (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 18. Februar 2008, Az.: 1 Ss (OWi) 266 B/07, in: juris; KK-OWiG /Senge, 5. Auflage, 2018, § 72, Rn. 66 m. w. N.). Der am 1. März 2021 zu den Akten gelangte begründete Beschluss war insoweit für das weitere Verfahren — trotz Einhaltung der 5-Wochen-Frist nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG — unbeachtlich, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein unter Verstoß nach § 72 Abs. 6 S. 1, S. 2 OWiG den Verfahrensbeteiligten als endgültige Fassung zugestellter Beschluss mit Übersendungsverfügung vom 25. Januar 2021 u.a. unter Bezugnahme auf § 41 StPO vorlag (BI. 88 d. A.). Ausweislich BI. 91 d. A. ist die Akte auch der Staatsanwaltschaft mit dem abgekürzten Beschluss zugegangen und von dieser mit Rechtsmittelverzicht zurückgesandt worden (BI. 92 d. A.), Der Beschluss ist auch dem Verteidiger am 3. Februar 2021 (BI. 97 d. A.) zugestellt worden. Wird ein nicht mit Gründen versehenes Urteil nach § 41 StPO zugestellt, obwohl die Voraussetzungen des § 77b Abs. 1 OWiG nicht vorgelegen haben, ist eine nachträgliche Ergänzung auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nicht möglich (vgl. Brandenburger Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. November 2011, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 446/11 (244/11), in: juris; OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2013, Az.: 111-5 RBs 181/12, in: juris; BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013, Az.: 4 StR 336/12, in: BGHSt 58, 243-253). Entsprechendes gilt für fehlende Beschlussgründe unter Verstoß des § 72 Abs. 6 OWiG (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWI 110/20 (70/20), in: juris). Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Ergänzung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 S. 3 OWiG lagen indes nicht vor. Für das Absehen von einer Beschlussbegründung bedarf es nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten, also auch der Staatsanwaltschaft (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. Januar 2009, Az.: 1 Ss (OWi) 242 B/08). Ein solcher Verzicht muss eindeutig, vorbehaltlos und ausdrücklich erklärt werden (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 16. Auflage, 2020, § 72 Rn. 63a). Die Staatsanwaltschaft hat – anders als der Betroffene laut Hauptverhandlungsprotokoll vom 4. Dezember 2020 (BI. 84 d. A.) – nicht auf eine Begründung des nach § 72 OWiG ergangenen Beschlusses verzichtet. Die dem Beschluss vom 25. Januar 2021 vorangegangene Erklärung der Staatsanwaltschaft, einer Entscheidung durch Beschluss nicht zu widersprechen, enthält nicht zugleich die Erklärung, es werde auch auf die Begründung eines Beschlusses nach § 72 OWiG verzichtet (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15. Oktober 2019, Az.: Ss Bs 58/2019 (62/19 OWi), in: BeckRS 2019, 25067).

Das Fehlen von Gründen in einem Strafurteil zwingt in der Regel schon zur Urteilsaufhebung auf die Sachrüge hin (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2000, Az.: 4 StR 354/00, in: BGHSt 46, 204; OLG Hamm, Beschluss vom 19. August 2010, Az.: 3 RVs 69/10, in: NStZ 2011, 238; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, 2020, § 338 Rn. 52 m. w. N.). Auch ein Bußgeldurteil ist beim unzulässigen Fehlen von Urteilsgründen in der Regel schon auf die zulässig erhobene Sachrüge hin aufzuheben, weil dem Rechtsbeschwerdegericht in diesem Fall eine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler nicht möglich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011 — 311 SsRs 126/11 —, juris OLG Bamberg, Beschluss vom 10. November 2011, Az.: 3 Ss OWi 1444/11, in: juris; Rn. 2 ff.; Göhler/Seitz/Bauer, a. a. 0., § 77b Rn. 8 m. w. N.; KK-Senge, OWiG, a. a. 0.; § 77b Rn. 17). Ebenso unterliegt ein nach § 72 OWiG ergangener Beschluss beim Fehlen einer Begründung auf eine zulässig erhobene Sachrüge hin der Aufhebung im Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn die Voraussetzungen für das Absehen von einer Begründung nach § 72 Abs. 6 Satz 1 OWiG nicht vorlagen, etwa weil — wie hier — nicht alle Verfahrensbeteiligten hierauf verzichtet haben (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. März 2020, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi 110/20 (70/20), in: juris). Enthält das Urteil oder der Beschluss verfahrenswidrig keine beachtlichen Gründe, kann das Rechtsbeschwerdegericht dieses auch keiner Prüfung auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit unterziehen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 16. Dezember 2008, Az.: 3 Ss OWi 1060/08, in: juris; vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011, Az.: 311 SsRs 126/11, in: NZV 2012, 45; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Februar 2010, Az.: 1 RBs 188/09, in: BeckRS 2010, 21267; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juni 2012, Az.: 3 RBs 156/12, in: juris).

Dieser Begründungsmangel ist nicht etwa deshalb unbeachtlich, weil der Betroffene im Vorfeld auf eine Begründung verzichtet hatte. Dies lässt sich ohne weiteres der Bestimmung des § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG entnehmen, der gerade eine Begründungspflicht für den Fall der Anfechtung der getroffenen Entscheidung trotz vorhergehenden Verzichts auf die Begründung durch die Beteiligten normiert. (…)“

Diese Beurteilung der Sach- und Rechtslage trifft zu. Die nachträgliche Begründung des Beschlusses nach § 72 Abs. 6 Satz 3 OWiG war unzulässig, weil die Voraussetzungen für ein Absehen einer Begründung des Beschlusses gemäß § 72 Abs. 6 Satz 1 OWG nicht vorlagen. Die zugrunde liegende Regelung würde weitgehend leerlaufen, wenn das Gericht die Begründung unabhängig vom Vorliegen eines Verzichts aller Verfahrensbeteiligten in zulässiger Weise nachholen könnte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. August 2021 — IV-2 RBs 141/21, zit. nach Juris).“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert