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Aktenversendung elektronisch gewünscht, aber dann klassisch erfolgt, oder: Aktenversendungspauschale?

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Die zweite Entscheidung – die habe ich – meine ich – beim Kollegen Gratz „gefunden“ – behandelt noch einmal den Anfall der Aktenversendungspauschale.

Die Verwaltungsbehörde führt die Bußgeldakten gem. § 110a OWiG in elektronischer Form. Der Verteidiger beantragt Akteneinsicht durch Übersendung der Akte, und zwar “gerne auch per BEA-Mail”. Übersandt wird „klassisch“, nämlich Papierform. Dafüpr wird dann die Pauschale Nr. 9003 KV GKG erhoben. Der Verteidiger stellt dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 14.08.2020 – 976 OWi 94/20 – gibt ihm Recht:

„Der zulässige Antrag ist begründet.

Der Verteidiger beantragte erstmals mit Antrag vom 20.07.2020 Akteneinsicht durch Übersendung der Akte oder – und dies ausdrücklich – “gerne auch per BEA-Mail”.

Die Verwaltungsbehörde übersandte die Akte zur Ansicht und verlangte hierfür mit Bescheid vom 20.07.2020 eine Akteneinsichtspauschale in Höhe von 12,00 Euro.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag vom 26.07.2020 und begründet dies mit der elektronischen Aktenführung.

Die Antragsgegnerin wendet dahingegen ein, dass die Akten übersandt worden seien und die Akteneinsichtspauschale daher auch anfalle. Dies gelte auch dann, wenn die Akten selbst elektronisch geführt werden. Auf gerichtliche Nachfrage, warum eine elektronische Übersendung nicht erfolgt ist, gab die Antragsgegnerin unter Wiederholung des Wortlauts des Akteneinsichtsgesuchs des Verteidigers, Bl. 5 d. A., an, dass die Angaben des Verteidigers so verstanden worden seien, dass eine Übersendung in “klassischer” Papierform gewünscht gewesen sei.

Der Antrag des Verteidigers ist begründet.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG ist zwar von demjenigen, wer Akteneinsicht beantragt und diese auch durch Übersendung erhält eine Pauschale in Höhe von 12,00 Euro zu entrichten.

Dies gilt nach § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG aber dann nicht, wenn die Akten elektronisch geführt werden. Auf den Zusatz, dass eine Pauschale nur dann nicht anfällt, wenn die Akte auch elektronisch übermittelt wird, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen.

Entgegen dem Verständnis der Verwaltungsbehörde hat der Verteidiger ausdrücklich die Akteneinsicht “gerne auch per BEA-Mail” gewünscht. Da diese Möglichkeit der Aktenversendung noch nicht die Regel darstellt, hat der Verteidiger nicht ausschließlich elektronische Versendung gefordert. Wenn aber diese Art und Weise gewünscht ist, entspricht es dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, die kostengünstigste Art der Aktenversendung zu wählen.

Ein Verstoß hiergegen darf nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, der im Falle des Unterliegens, die Kosten hierfür zu tragen hat, obwohl der Verteidiger ausdrücklich auch die elektronische Versendung beantragt hat. Insoweit hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen bei der Versendung fehlerhaft ausgeübt. Es gab keinen vernünftigen Grund, nicht auf eine kostensparende elektronische Übersendung zurückzugreifen.“

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

OWi III: Elektronische Aktenführung in Baden-Württemberg, oder: Keine Aktenversendungspauschale

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Und zum Abschluss des Tages eine AG-Entscheidung mit kostenrechtlichem Einschlag. Es geht erneut um den Anfall der Aktenversendungspauschale bei elektronischer Aktenführung. Zu der Frage hatten ja in letzter Zeit schon einige Amtsgerichte aus Rheinland-Pfalz Stellung genommen und den Anfall verneint, wenn die Akten des Bußgeldverfahrens elektronisch ohne die nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG erforderliche Rechtsverordnung geführt werden. So jetzt auch das AG Bühl im AG Bühl, Beschl. v. 31.7.2020 – 1 OWi 41/20 – für Baden-Württemberg:

„Dem Antragssteller wurde mit Schreiben vom 15.07.2020 seitens der Stadt Bühl auf dessen Antrag hin Akteneinsicht gewährt. Für die Aktenversendung wurde nach § 107 Abs. 5 OWiG eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR erhoben.

Mit weiterem Schriftsatz des Antragsstellers vom 20.07.2020 wurde bei der Stadt Bühl angefragt, in welcher Form die Verwaltungsbehörde die Akte des zugrundeliegenden Bußgeldverfahrens führe und es wurde für den Fall, dass diese in elektronischer Form geführt werden sollte, die Nennung der Rechtsgrundlage auf welche diese Art der Aktenführung gestürzt wird, erbeten. Die Stadt Bühl führte daraufhin mit Schreiben vom 22.07.2020 aus, dass alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden wären und erst bei Bedarf, zum Beispiel bei Versendung der Akte oder bei Einspruch, eine Papierakte ausgedruckt werde. Dies geschehe ohne Rechtsgrundlage, da die Landesregierung Baden-Württemberg noch nicht die notwendige Rechtsverordnung erlassen habe.

Mit Schriftsatz vom 23.07.2020 wurde sodann durch den Antragssteiler die gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die festgesetzte Aktenversendungspauschale beantragt.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet, da es im Hinblick auf den von der Stadt Bühl übersandten Aktenausdruck derzeit an einer rechtlichen Grundlage für die Festsetzung der Versendungspauschale fehlt.

Gemäß § 107 Absatz 5 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12,00 EUR als Auslage erhoben werden. Wir die Akte in elektronischer Form geführt, sieht § 107 Absatz 5 Satz 2 eine pauschale Auslage für die elektronische Übermittlung in Höhe von 5,00 EUR vor.

Grundsätzlich ist die Originalakte an den beantragenden Rechtsanwalt zu versenden ist. Die gilt jedoch nicht, wenn die Akte in elektronischer Form geführt wird. Hier wurde die Akte nach den Angaben der Stadt Bühl in digitaler Form geführt. In diesem Fall kann gemäß § 110b Absatz 2 Akteneinsicht durch Übermittlung von elektronischen Dokumenten erfolgen oder durch Erteilung von Aktenausdrucken, welche jedoch den Erfordernissen der §§ 110b ff. OWiG gerecht werden müssen. Dies setzt indes voraus, dass die Akte zulässigerweise in elektronischer Form geführt wird. Dafür sieht§ 11 Ob Absatz 1 Satz 2 OWiG vor, dass die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt bestimmt, von welchem an die Akten elektronisch geführt werden oder im behördlichen Verfahren geführt werden können sowie die hierfür geltenden organisatorisch-technischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronischen Akten.

Eine entsprechende Rechtsverordnung hat das Land Baden-Württemberg bislang noch nicht erlassen. § 1 eAktVO ordnet diese Form der Führung für verschiedenen in der Anlage zu der Verordnung genannten Gerichte an, nicht jedoch auch für die Verwaltungsbehörden. Die Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg betrifft in dem von § 1 LERVVO festgelegten Anwendungsbereich lediglich die Einreichung elektronischer Dokumente an die Gerichte des Landes Baden-Württemberg sowie die Bearbeitung elektronischer Dokumente durch diese Gerichte.

Vor Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung für die Verwaltungsbehörden in Baden-Württemberg ist die Führung der Akten in elektronischer Form unzulässig. Die Aktenführung geschieht bei der Stadt Bühl demnach nicht in zulässiger Art und Weise.

Die Übersendung einer ohne Rechtsgrundlage geführten Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen (AG Pirmasens, Beschluss vom 13.04.2017 – 1 Owi 424/16; AG Trier, Beschluss vom 02.02.2020- 35a OWi 1/20– ; AG Landstuhl, Beschluss vom 14.01.2020- 2 Owi 189/19 -).“

Aktenversendungspauschale?, oder: Einsicht in die elektronische Akte

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Heute in der Kategorie zwei Beschlüsse, die sich zu Erstattungsfragen äußern, beide haben ihren Ausgangspunkt in OWi-Verfahren.

Und ich beginne mit einem AG-Beschluss, nämlich dem AG Daun, Beschl. v. 15.04.2020 – 4c OWi 141/20, den mir der Kollege Anger aus Bergisch-Gladbach geschickt hat. Problematik: Noch einmal Anfall der Aktenversendungspauschalge gemäß § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG in den Fällen der Übersendung von Ausdrucken aus einer elektronisch geführten Bußgeldakte. Die war von der Bußgeldstelle festgesetzt worden. Das AG hat die Pauschale auf den vom Betroeffenen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Pauschale wieder abgesetzt:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 62, 68 OWiG zulässig und begründet.

Nach § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG können von demjenigen, der die Versendung von Akten bean-tragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden.

Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG.

Die Voraussetzungen von § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG sind vorliegend nicht erfüllt. Der Verteidiger hat zwar Akteneinsicht beantragt. Akteneinsicht ist jedoch grundsätzlich in die Originalakte zu gewähren. Diese wird durch die Zentrale Bußgeldstelle in elektronischer Form geführt, sodass grundsätzlich auch Akteneinsicht in diese nach Maßgabe der §§ 110 c OWiG, 32f StPO zu gewähren ist. Die Übersendung von Ausdrucken aus der elektronischen Akte erfolgt nur unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. § 32 f Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vorliegend nicht dargetan.

Entscheidet sich die Zentrale Bußgeldstelle letztlich dennoch für diese Form der Akteneinsicht, kann dies indes nicht zur Folge haben, dass dadurch die Kostenfolge des § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG ausgelöst wird. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Pauschale gerade nicht erhoben wird, wenn die Akte elektronisch geführt und die Übermittlung elektronisch erfolgt.“

Nicht viel, aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.

Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale

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An meinem „Gebührentatg“ merke ich immer, wie schnell eine Woche dahinfliget, denn, wenn es dann wieder Freitag ist, meine ich immer, dass ich doch gerade erst Gebühren- und/oder Kostenrechtsentscheidungen vorgestellt habe. So auch heute wieder.

Heute eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale (AVP) nach Nr. 9003 KV GKG. Auf die bin ich beim Kollegen Gratz vom VerkehrsRechtsBlog gestoßen. Es geht um die Frage, ob die AVP geltend gemacht werden kann, wenn es um den Ausdruck einer elektonisch geführten (Bußgeld)Akte (§ 110a OWiG) geht. Grds. ist diese Art der Aktenführung zwar zulässig, allerdings bedarf es dazu nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG einer Rechtsverordnung. Und die gibt es in Rheinland-Pflaz (noch) nicht, dennoch werden die Akten aber elektronisch geführt. In dem Fall darf, das hatte u.a. auch schon der AG Pirmasens, Beschl. v. 14.04.2017 – 1 OWi 424/16 – entschieden, die AVP nicht erhoben werden.

Und dem haben sich nun das AG Trier im AG Trier, Beschl. v. 02.02.2020 – 35a OWi 1/20 – und das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 OWi 189/19 – angeschlossen. Aus den Gründen des AG Trier, Beschlusses:

„Der Antrag ist auch begründet, da es im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung fehlt.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Trotz fehlender Rechtsgrundlage werden die Akten bei der Bußgeldstelle elektronisch geführt (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (AG Pirmasens, Beschluss vom 14.04.2017 – 1 OWi 424/16; AG Landstuhl, Beschluss vom 29.11 .2019 – 2 OWi 157/19).“

Aktenversendungspauschale, oder: Der ortsansässige Verteidiger in Großstädten/Berlin

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Am heutigen Gebührenfreitag weise ich als erstes auf den AG Tiergarten, Beschl. v. 13.12.2018 – (229 Ds) 3021 Js 2985/15 (189/15) hin. Den hatte mit der Kollege Scheiding , der ihn erstritten hat, schon vor meinem Uralub zukommen lassen. Ich kann ihn aber erst jetzt einstellen.

Im Beschluss geht es nicht um große Summe – es geht nur um die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG – aber: Der Beschluss hat für alle Kollegen in Großstädten Bedeutung. Denn gerade dort wird von der Staatskasse gern die Erstattung der 12 € Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG verweigert mit dem Argument: Ortsansässig. Das ist dort erst recht falsch, m.E. aber auch in anderen (kleineren) Orten. Kurz und knapp dazu das AG Tiergarten:

„Auch bei einem ortsansässigen Verteidiger kann die Aktenversendungspauschale notwendige Kosten der Verteidigung sein (vgl. auch AG Köln Beschluss vom 8.6.2018- 707 Ds 101/15) So liegt es hier: Die einfache Entfernung zwischen der Kanzlei und dem Amtsgericht Tiergarten beträgt laut Routenplaner 18 km, das ist nicht zumutbar. Es ist völlig abwegig, in einer Großstadt das Kriterium der Ortsansässigkeit heranzuziehen, ohne auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Berlin ist nun einmal keine Kleinstadt und nicht alle Verteidiger praktizieren direkt in Nähe des Amtsgericht Tiergarten.“

Die Kollegen in Berlin wird es freuen 🙂 , nun ja, nicht nur die…..