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Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG ja/nein?, oder: Rücknahme des Aktenversendungsantrags

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Und dann hier – etwas später als sonst die erste Entscheidung aus dem Bereicht kostenrechtliche Entscheidungen. davon gibt es dann heute zwei.

Ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 30.04.2024 – 5 AR 8/24 -, der sich noch einmal/mal wieder zur Aktenversendungspauschale äußert.

Ergangen ist der Beschluss nach einem Zivilverfahren. Mit einem am 09.02.2024 beim KG eingegangenen Schriftsatz hatte der Rechtsanwalt erklärt, für die Beklagte Berufung gegen ein Urteil des LG Berlin vom 05.01.2024 einzulegen. In demselben Schriftsatz hat er zugleich beantragt, ihm kurzfristig Akteneinsicht zu gewähren durch Übersendung der Akte in seine Kanzlei. Mit Verfügung vom 04.03.2024 hat der Vorsitzende des 19. Zivilsenats Akteneinsicht wie beantragt bewilligt. Noch am 04.03.2024 hat die Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats verfügt, die Akte an den Erinnerungsführer zu versenden, und ihm dies in einem Anschreiben vom selben Tage mitgeteilt. Mit Kostenansatz vom 04.03.2024 ist dem dort als Kostenschuldner benannten Rechtsanwalt hierfür eine Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV in Höhe von 12,- EUR in Rechnung gestellt worden.

Mit am 07.03.2024 beim KG eingegangenen Schriftsatz hat der Rechtsanwalt erklärt, für die Beklagte die Berufung zurückzunehmen. Ferner hat er erklärt, die beantragte Gewährung auf Akteneinsicht könne aufgrund der Berufungsrücknahme als gegenstandslos angesehen werden; er hat hinzugesetzt, die Akte bislang auch nicht erhalten zu haben.

Die Akte ist dem Erinnerungsführer erst am 12.03.2024 zugegangen, nachdem sie zunächst bei einer anderen Rechtsanwaltskanzlei eingegangen war.

Der Rechtsanwalt hat am 16.04.2024 Erinnerung gegen die Erhebung der Aktenversendungspauschale eingelegt. Er hat vorgetragen, am 07.03.2024 habe ihn die genannte andere Rechtsanwaltskanzlei darüber informiert, dass bei ihr „die mit einem an [den Erinnerungsführer] adressierten Übersendungsschreiben des Kammergerichts versehene Akte“ zugegangen sei. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des 19. Zivilsenats hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Die hatte dann auch beim KG keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

    1. Kostenschuldner einer Aktenversendungspauschale ist nach § 28 Abs. 2 GKG derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst; wenn ein Rechtsanwalt die entsprechende Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle abgibt, ist somit der Rechtsanwalt selbst alleiniger Kostenschuldner. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den bei Auslegung von Prozesserklärungen zu beachtenden Grundsatz, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht, kann eine von dem die Aktenübersendung beantragenden Rechtsanwalt „namens der Mandantschaft“ eingelegte Erinnerung gegen den entsprechenden Kostenansatz als für den Rechtsanwalt selbst eingelegte Erinnerung ausgelegt werden.
    2. Für den Anfall der Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG-KV ist erforderlich aber auch ausreichend, dass Akten durch ein Gericht auf Antrag an den Antragsteller (§ 28 Abs. 2 GKG) versendet werden.
    3. Nimmt der eine Aktenversendung Beantragende den Aktenversendungsantrag zurück, nachdem die Akte bereits durch die Geschäftsstelle zur Übersendung in den Geschäftsgang gegeben worden ist, ist generell keine Verpflichtung der aktenversendenden Stelle, nachzuforschen, wo sich die Akte gerade befindet, und zu versuchen, die sich bereits auf den Weg gebrachte Akte anzuhalten oder gar wieder zurückzuholen, anzuerkennen.

Wer schuldet dem Gericht die Nr. 9003 VV GKG, oder: Der Rechtsanwalt muss „vorfinanzieren“

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Und als zweite Entscheidung dann noch der OVG Münster, Beschl. v. 19.01.2024 – 10 E 780/23. Auch eine zutreffende Entscheidung – man will sich ja am Feiertag nicht ärgern. Es geht noch einmal um die Frage, wer Kostenschuldner der sog. Aktenversendungspauschale Nr. 9003 VV GKG ist. Eien Frage, die m.E. schon seit langem beantwortet ist, aber nun ist sie noch einmal aufgetaucht.

Folgender kurzer Sachverhalt: Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind im verwaltungsrechtlichen Ausgangsverfahren die Kosten einer Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG in Höhe von 12 EUR auferlegt worden. Dagegen hat die Prozessbevollmächtigte Beschwerde eingelegt. Die hatte keinen Erfolg:

„Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein die Frage, wer die Kosten für die – hier erfolgte – Versendung der Akten in die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten schuldet. Dies ist – im Verhältnis zum Gericht – der Prozessbevollmächtigte und nicht der von ihm im Verfahren vertretene Beteiligte.

Nach § 28 Abs. 2 GKG schuldet die Auslagen nach Nr. 9003 des Kostenverzeichnisses nur, wer die Versendung der Akte beantragt hat. Dabei handelt es sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – um eine spezielle Kostenhaftungsregelung für die Aktenversendungspauschale, mit der eine ungerechtfertigte Haftung der allgemeinen Kostenschuldner nach den §§ 22 ff. GKG vermieden werden soll.
Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art. 1 Nr. 26 (§ 56 GKG a.F.) des Kostenrechtsänderungsgesetzes 1994 (BT-Drs. 12/6962, S. 7, 66).

Daraus ergibt sich, wie die Beschwerdeführerin richtigerweise vorbringt, noch nicht, ob der Prozessbevollmächtigte oder der von ihm Vertretene Schuldner der Aktenversendungspauschale ist.

Anders als die Beschwerdeführerin meint, lässt sich dem Umstand, dass das Recht auf Akteneinsicht nach § 100 Abs. 1 VwGO den Beteiligten zusteht und auch dessen Wahrnehmung durch Bevollmächtigte letztlich im Interesse der Vertretenen erfolgt, aber nicht entnehmen, dass diese als Antragsteller und damit Kostenschuldner i. S. v. § 28 Abs. 2 GKG anzusehen sind. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenschuldner unabhängig davon zu bestimmen ist. Bei der Versendung von Akten handelt es sich um eine von § 100 VwGO nicht umfasste zusätzliche Leistung, für die Nr. 9003 einen eigenen Gebührentatbestand vorsieht.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. März 2013 – 11 E 85/13 -, juris Rn. 7 und vom 29. Januar 2013 – 2 E 81/13 -, juris Rn. 4 ff.

Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass Kostenschuldner dieser zusätzlichen Leistung der Prozessbevollmächtigte ist, wenn dieser die Versendung an sich beantragt hat. Die – durch die Pauschale abzugeltende – Aktenversendung erfolgt bei einer Beantragung durch einen Rechtsanwalt regelmäßig nur aus arbeitsorganisatorischen Gründen, die in die Interessensphäre des Prozessbevollmächtigten und nicht in diejenige des von ihm vertretenen Beteiligten fallen. Eine Aktenversendung, wie sie hier beantragt worden war, ist von vornherein nur den nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 6 VwGO bevollmächtigten Personen möglich, da allein ihnen und nicht den von ihnen Vertretenen die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder die Geschäftsräume gestattet werden kann (vgl. § 100 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Rechtsanwalt entscheidet darüber, auf welche Weise und an welchem Ort er die Gerichtsakten einsieht, vorwiegend unter Berücksichtigung seiner eigenen Interessen und Arbeitsorganisation. Dass sich die Anfertigung von Aktenauszügen und Fotokopien für den Rechtsanwalt bei einer Aktenübersendung als einfacher erweisen mag, rechtfertigt nicht die Annahme, die Aktenübersendung liege auch im Interesse des von ihm Vertretenen. Dies gilt ebenso für den Einwand der Beschwerdeführerin, bei einer Aktenübersendung in die Kanzleiräume erfolge gewöhnlich ein gründlicheres Aktenstudium. Ein gründliches Aktenstudium ist dem Rechtsanwalt auch bei einer Akteneinsichtnahme bei Gericht möglich – entweder während der Akteneinsicht im Gerichtsgebäude oder auf Grundlage einer dort gefertigten Kopie der Akte in seinen Kanzleiräumen. Entscheidet sich der Rechtsanwalt für die Beantragung einer Aktenübersendung, rechtfertigt es die für ihn damit in aller Regel verbundene erhebliche Arbeitserleichterung, die dadurch entstandenen Kosten bei ihm zu erheben.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2010 – 1 WDS-KSt 6/09 -, juris Rn. 22; BGH, Urteil vom 6. April 2011 – IV ZR 232/08 -, juris Rn. 11 ff.; BSG, Beschluss vom 20. März 2015 – B 13 SF 4/15 S -, juris Rn. 6; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21. März 2016 – 5 S 2450/12 -, juris Rn. 5 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 1. Februar 2010 – 13 OA 170/09 -, juris Rn. 7 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 18. Januar 2007 – 19 C 05.3348 -, juris Rn. 17 ff.; a. A. Sächs. OVG, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 5 A 398/08 -, juris Rn. 3 ff.; Hamb. OVG, Beschluss vom 18. April 2006 – 1 So 148/05 -, juris Rn. 3.

Dass dies zu einer Vorfinanzierung der Aktenversendungspauschale durch den Rechtsanwalt für den Fall führt, dass er die Kosten an den Vertretenen weitergeben kann, rechtfertigt keine andere Entscheidung.“

Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs, oder: Wer A sagt, muss auch B ertragen.

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Und vor dem Wochenende und dem Gebührenrätsel habe ich dann noch eine gebührenrechtliche Entscheidung, die zeigt: Die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs an den Rechtsanwalt/Verteidiger (§ 43 RVG) hat nicht nur Vorteile, sondern ggf. auch Nachteile. Dazu dann der LG Düsseldorf, Beschl. v. 13.01.2017 – 3 Qs 3/17.

Da war der Kostenerstattungsanspruch an den Verteidiger abgetreten worden. Das bedeutet, dass damit der Verteidiger Gläubiger der Erstattungsforderung gegen die Staatskasse ist. Legt dann der Verteidiger gegen den für ihn als Erstattungsgläubiger ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss Beschwerde ein, ist aber er und nicht etwa der Angeklagte im Fall der Zurückweisung der Beschwerde und Auferlegung der Kosten gem. § 29 Nr. 1 GKG Kostenschuldner der Gebühr nach Vorbem. 3.6, Nr. 1812 KV GKG.

Liegt m.E. auf der Hand. Wer A sagt, muss auch B ertragen 🙂 .

 

BGH zur USt auf die Aktenversendungspauschale – die Kuh ist vom Eis

Auf der Homepage des BGH ist heute das Urt. v. 06.04.2011 – IV ZR 232/08 eingestellt worden, das zu dem immensen Streitwert von 2,28 € Stellung nimmt. Hintergrund ist die höchst umstrittene Frage, wer Schuldner der Aktenversendungspauschale und ob darauf ggf. Umsatzsteuer zu zahlen ist und, ob die RSV sie dem Rechtsanwalt erstatten muss. Der BGH hat die Frage wie folgt entschieden:

  1. Schuldner der nach den §§ 28 Abs. 2 GKG, 107 Abs. 5 OWiG erhobenen Aktenversendungspauschale ist allein derjenige, der mit seiner Antragserklärung gegenüber der aktenführenden Stelle die Aktenversendung unmittelbar veranlasst.
  2. Die Inrechnungstellung der vom Rechtsanwalt verauslagten Aktenversendungspauschale unterliegt nach § 10 Abs. 1 UStG der Umsatzsteuer. Es liegt insoweit kein durchlaufender Posten i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG vor.
  3. Die auf die Aktenversendungspauschale entfallende Umsatzsteuer zählt deshalb zur gesetzlichen Vergütung des Rechtsanwalts, die der Rechtsschutzversicherer seinem Versicherungsnehmer nach §§ 1, 5 (1) Buchst. a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (hier ARB 2002) zu erstatten hat.

Nun kann man nur hoffen, dass die RSV diese Rechtsprechung auch übernehmen. Aber: Sie tun das ja bei Entscheidungen zu Ihren Gunsten auch 🙂