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Keine Erstattung der Aktenversendungspauschale? oder: Man möchte schreien, wenn man es liest

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Bei der zweiten AG-Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den AG Tiergarten, Beschl. v. 12.07.2023 – (327 Ds) 232 Js 312/19 29207 V (10/19). Wenn  man den liest bzw. gelesen hat, möchte man schreien.

Entschieden hat das AG über die Erstattung der sog. Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG. Der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, war Verteidiger des Beschuldigten. Der in Berlin ansässige Kollege hat nach Beendigung die Erstattung der zu ersetzenden Kosten  beantragt. Darin waren die 12,00 EUR für die Übersendung der Ermittlungsakte enthalten. Die Rechtspflegerin hat diese als nicht erstattungsfähig angesehen. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Kollegen hatte keinen Erfolg. Das AG meint:

„Nach eigener Prüfung sieht das Gericht den von der Rechtspflegerin im Kostenfestesetzungsbeschluss gewählten und vom Bezirksrevisor am 03.07.2023 bestätigten Ansatz zur Berechnung der erstattungsfähigen Gebühren als zutreffend an.

Im Rahmen der notwendigen Kosten der Verteidigung sind die Kosten der Akteneinsicht nicht gesondert anzusetzen sondern in der Grund- und Verfahrensgebühr des RVG enthalten. Es bleibt dem insbesondere ortsansässigen Anwalt überlassen, ob er sich die Akte bei Gericht zur Einsicht abholt und wieder zurückbringt, ohne dass er Zeit-, Fahrt- und Parkaufwand hierfür gesondert in Rechnung stellen kann oder sich dies als persönlichem und bereits abgegoltenem Vorteil ersparen möchte und das Gericht bittet, die Akte ausnahmsweise entgegen der ansonsten üblichen Praxis und unter Zusage der Kostenübernahme übersenden zu lassen. Notwendig ist dies aus der vorgenannten Alternativmöglichkeit allerdings schon sprachnotwendig nicht (dazu auch LG Berlin v. 30.08.2022 in 528 Qs 53/22). Auch die Kosten der Rücksendung der Akte sind über die pauschalen Postauslagen hinaus übrigens nicht in Ansatz zu bringen.“

Wenn man es gelesen hat, mag man es nicht glauben. Die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG soll beim ortsansässigen Verteidiger nicht erstattungsfähig sein?. Man fühlt sich zurückgesetzt ins vorige Jahrhundert, als um diese Frage gestritten worden ist.

Was bei dem Beschluss aber vor allem sauer aufstößt, ist der Umstand, dass der entscheidende Amtsrichter offenbar die Rechtsprechung anderer Abteilungen des AG Tiergarten nicht kennt, die die Frage genau anders lösen (vgl. AG Tiergarten, Beschl. v. 21.02.2023 – 336 Cs 209/18). Und noch schlimmer: Abgesehen davon, dass ihn, aber auch die Rechtspflegerin und den Bezirksrevisor, die andere Auffassung der h.M. in Rechtsprechung und Literatur nicht zu interessieren scheint, erwähnt er mit keinem Wort den VerfGH Berlin, Beschl. v. 18.5.2022 – 91/21 (StraFo 2023, 27 = AGS 2022, 557 = StRR 12/2022, 33 = VRR 2/2023, 27); „mia san eben mia“. Vielleicht kennt er den Beschluss aber auch nicht, was die Sache nicht besser macht. Das VerfGH hat die Nichterstattung der Aktenversendungspauschale mit der Begründung, es handle sich um eine „Serviceleistung“ des Gerichts als willkürlich angesehen. Die einzige andere Möglichkeit, Akteneinsicht zu erlangen, sei nämlich eine Einsichtnahme in den Räumen der Ermittlungsbehörden, was aber eine deutlich zeit- und kostenaufwändigere Alternative darstelle.

Zudem: Der Amtsrichter scheint auch den Unterschied zwischen anwaltlicher Vergütung und Auslagen nicht zu kennen (vgl. § 1 Abs. 1 RVG). Gebühren sind das Entgelt für die Anwaltstätigkeit. Davon zu unterscheiden sind die Auslagen. Die Auslagen, die nicht zu den allgemeinen Geschäftskosten gehören, kann der Rechtsanwalt geltend machen. Dies ist ausdrücklich in Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV geregelt. Die Gebühren, die dem Rechtsanwalt zustehen, decken die von ihm gezahlten Auslagen nicht ab. Im Übrigen ist es Unsinn, wenn das AG meint, die Kosten der Akteneinsicht seien nicht gesondert anzusetzen, sondern in der Grund- und Verfahrensgebühr enthalten. Das ist nicht der Fall, weil diese Frage mit „anwaltlicher Tätigkeit“ nicht zu tun hat. Das wird bisher, soweit ersichtlich, auch nicht vertreten.

Für die Frage der Erstattung gilt: Bei der Übersendung der Akten zur Akteneinsicht handelt es sich nicht um eine „Serviceleistung“ des Gerichts. Zur Erstattung im Übrigen eingehend Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 212 ff.). Die zum Pflichtverteidiger teilweise vertretene a.A. ist durch die Entscheidung des BGH v. 06.04.2011 (IV ZR 232/08, NJW 2011, 3041) überholt.

Und: Man kann angesichts der Rechtslage, dem betroffenen Verteidiger nur empfehlen, noch einmal den Weg zum VerfGH Berlin zu wählen. Die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde sind m.E. groß. Diesen Weg sollte er allein schon deshalb wählen, weil solche falschen Entscheidungen sonst schnell Schule machen. Eine (unheilige) Allianz zwischen Rechtspfleger, Bezirksrevisor und AG ist, wie die Entscheidung zeigt, schnell gebildet. Die Landeskasse (Berlin) wird es freuen, die Verteidiger weniger. Zwar handelt es sich nur um einen Betrag von 12 EUR, aber: „Auch Kleinvieh macht Mist.“ Zudem: Durch eine Verfassungsbeschwerde erfährt man am VerfGH Berlin dnan auch, was die Instanz von den Entscheidungen des Verfassungsgerichts hält. Offenbar leider nichts.

 

AG: Aktenversendungspauschale als Servicepauschale, oder: VerfGH: Nein, das ist willkürlich

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Heute dann RVG-Entscheidungen. Einmal geht es um „ganz viel“ Honorar, einmal nur um ein paar Euro.

Ich beginne mit den „paar Euro“. Dazu äußert sich der VerfGH Berlin, Beschl. v. 18.5.2022 – VerfGH 91/21. Es geht um die Erstattung der Aktenversendungspauschale Nr. 9003 VV GKG. Ich hatte an sich gedacht, dass das eine Problematik ist, die erledigt ist. Aber es scheint immer noch wieder Verwaltungsbehörden und/oder Gerichte zu geben, die mit der Pauschale Probleme haben. So auch hier:

Der Polizeipräsident Berlin hatten gegen die Betroffene einen Bußgeldbescheid erlassen. Deren Verteidiger hat Einspruch eingelegt und Akteneinsicht durch Übersendung eines Ausdrucks der Verfahrensakte beantragt. Der Polizeipräsident hat dem Antrag entsprochen und von dem Verteidiger eine Aktenversendungspauschale von 12,- EUR erhoben. Der Verteidiger hat diese dann der Betroffene der Betroffenen zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Nach Eingang der Einspruchsbegründung hat der Polizeipräsident den Bußgeldbescheid aufgehoben, das Verfahren eingestellt und angeordnet an, dass die Betroffene ihre notwendigen Auslagen zu tragen hat. Auf den dagegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das AG der Landeskasse die notwendigen Auslagen der Betroffenen auferlegt.

Im Rahmen der Kostenerstattung hat der Verteidiger auch die Erstattung der Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,- EUR zuzüglich Umsatzsteuer beantragt. Deren Erstattung hat der Polizeipräsident abgelehnt. Das AG hat den Antrag der Betroffenen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Aktenversendungspauschale könne nicht erstattet werden. Die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde der Betroffenen, mit der diese geltend gemacht hat, die Verweigerung der Erstattung der Aktenversendungspauschale sei willkürlich, hatte beim VerfGH Berlin Erfolg. Das geht von einem Willkürverstoß des AG aus:

„So liegt der Fall hier. Die mit der Verfassungsbeschwerde allein angegriffene Versagung der Erstattung der Aktenversendungspauschale durch den Beschluss vom 27. April 2021 verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf eine willkürfreie Entscheidung gemäß Art. 10 Abs. 1 VvB. Der Beschluss ist insoweit, gemessen an seiner Begründung, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar. Die Entscheidung über die Erstattung der Aktenversendungspauschale musste sich daran orientieren, ob es sich dabei um Auslagen der Beschwerdeführerin in dem genannten Verfahren handelte und ob diese notwendig waren. Das ergibt sich aus der amtsgerichtlichen Kostengrundentscheidung, die die Staatskasse zur Tragung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin in dem gegen sie geführten Ordnungswidrigkeitenverfahren verpflichtet hatte. Zu diesem der Entscheidung über die Erstattung der Aktenversendungspauschale zugrunde zulegenden Maßstab weist die Begründung des Amtsgerichts, die Aktenversendungspauschale sei eine Servicepauschale, die der Verteidiger dafür bezahle, dass er sich eine Akteneinsicht bei der Behörde oder eine Mitnahme der Akte erspare, keinen sachlichen Bezug mehr auf. Weder nimmt das Argument des Amtsgerichts der Aktenversendungspauschale offenkundig die Eigenschaft als Auslage der Beschwerdeführerin, noch lässt es deren Notwendigkeit offensichtlich entfallen. Eine Konkretisierung des abstrakten rechtlichen Entscheidungsmaßstabes, die einen sachlichen Bezug zwischen den Begriffen Auslage und Notwendigkeit einerseits und der Begründung des Beschlusses herstellen könnte, hat das Amtsgericht nicht ausgeführt.

Die angefochtene Entscheidung beruht, soweit sie die Erstattung der Aktenversendungspauschale betrifft, auch auf diesem Verstoß gegen das Willkürverbot, da sie keine selbstständig tragende verfassungskonforme Alternativbegründung enthält und sich bei methodisch korrekter Anwendung des einschlägigen Fachrechts auch nicht als einzig in Betracht kommende Entscheidung darstellt. Die verfahrensgegenständliche Aktenversendungspauschale kann als Auslage der Beschwerdeführerin angesehen werden. Auslagen sind Vermögenswerte, d.h. in Geld messbare Aufwendungen eines Verfahrensbeteiligten, die bei der Rechtsverfolgung bzw. der Geltendmachung prozessualer Rechte entstanden sind. Aufwendungen eines Dritten sind als Auslagen des Beteiligten anzusehen, wenn ihm der Beteiligte zum Ersatz verpflichtet ist (vgl. Gieg, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 464a StPO Rn. 6). Die Verpflichtung zur Zahlung der Aktenversendungspauschale ist gegenüber dem Verteidiger der Beschwerdeführerin durch deren Verteidigung gegen den verfahrensgegenständlichen Ordnungswidrigkeitenvorwurf entstanden. Die Beschwerdeführerin ist ihrem Verteidiger insoweit auch aus dem mit ihm bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag zum Ersatz verpflichtet.

Die Aktenversendungspauschale kann auch als notwendige Auslage angesehen werden. Notwendig ist eine Auslage, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich war (vgl. Gieg, a. a. O.). Das kann schon dann anzunehmen sein, wenn der vernünftige und besonnene Verfahrensbeteiligte sie für geboten halten durfte. Angesichts des Umstandes, dass die einzige andere Möglichkeit, Akteneinsicht zu erlangen, vorliegend eine Einsichtnahme in die elektronisch geführte Verfahrensakte an einem Bildschirm in den Räumen des Polizeipräsidenten in Berlin war, dürfte dies auch naheliegen. Denn diese Möglichkeit der Akteneinsicht stellt sich gegenüber der von dem Verteidiger der Beschwerdeführerin erbetenen Übersendung eines Ausdrucks der Verfahrensakte zweifellos als die deutlich zeit- und kostenaufwändigere Alternative dar.

Ob die angegriffene Entscheidung die Beschwerdeführerin auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 15 Abs. 1 VvB verletzt, kann danach dahinstehen.“

Ich frage mich bei solchen Entscheidungen immer, was das eigentlich soll.  Ich meine, die Einordnung des Aktenversendungspauschale als erstattbare Auslage sollte zum Allgemeinwissen eines Amtsrichters gehören und man, wozu allerdings auch die Verwaltungsbehörden zählen, sollte an der Stelle nicht wieder „Fass aufmachen“, das durch die obergerichtliche Rechtsprechung seit längerem geschlossen ist. Denn das führt nur zu an sich unnötigen Rechtsmitteln, die erhebliche Zeitaufwand verursachen – und Zeit hat die Justiz ja angeblich nicht – und auch Kosten, die erheblich über dem Betrag liegen, um den gestritten wird, nämlich 12 EUR.

„Kleinvieh macht Mist“ = Aktenversendungspauschale, oder: Ausdruckversand und teilweise geschwärzte Akte

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Heute dann Gebühren-/Kostentag. An dem stelle ich zwei AG-Entscheidungen und eine BGH-Entscheidung vor. Ich lasse den AG den Vortritt.

Beide AG-Entscheidungen befassen sich mit der Aktenversendungspauschale (Nr. 9003 GV GKG). Es geht zwar nur jeweil um 12 EUR, aber „auch Kleinvieh macht Misr“ 🙂 . Hier dann.

Für die Übersendung eines Ausdrucks der Akte fällt eine Aktenversendungspauschale an, wenn die Akte zwer elektronisch geführt, die technischen Voraussetzungen für eine elektronische Übermittlung bei der Verwaltungsbehörde noch nicht gegeben sind.

Die Erhebung einer Aktenversendungspauschale ist nicht zulässig, wenn die Akten dem Betroffenen nur teilweise geschwärzt (hier: Schwärzung der Namen anderer Betroffener der derselben OWi) zur Verfügung gestellt werden.

Mit folgender Begründung:

„Im vorliegenden Fall besteht noch eine weitere Besonderheit, die eine Gewährung der vollständigen Akteneinsicht erforderlich macht. Den Verfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Zentrale Bußgeldstelle) liegen die Namen aller Betroffenen in ihrer Gesamtheit vor. Diese können damit weitergehende Informationen aus den Parallelverfahren auch im Verfahren gegen die Betroffene nutzen. Insoweit unterscheidet sich diese Verfahrenskonstellation von den Fällen, in denen Akten von anderen Behörden oder Gerichten noch beigezogen werden müssen und ihr Inhalt sämtlichen Beteiligten erst durch Einsicht in die beigezogenen Verfahrensakten vermittelt wird. Hier sind die Namen der anderen Betroffenen jederzeit zugänglich. Bei einer solchen Fallkonstellation gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 6 I EMRK), der Verteidigung dasselbe Maß an Kenntnis des Akteninhalts einzuräumen wie den übrigen Verfahrensbeteiligten. Ob Informationen für die Verteidigung von Bedeutung sein können, unterliegt allein ihrer Einschätzung. Um dies zu überprüfen, muss sie durch Einsichtnahme von dem vollen Inhalt der Akten nehmen können.

Dies rechtfertigt es, die datenschutzrechtlichen Belange der andern Betroffenen dahinter anzustellen. Das leitende Interesse für die Akteneinsicht ist hier die Vorbereitung der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren, nicht ein aus einer anderen Rechtsbeziehung folgendes Interesse.

Auch kann der Antragsteller als Rechtsanwalt nur so die von der Zentralen Bußgeldstelle angeführte Verpflichtung lediglich einen Betroffenen im Bußgeldkomplex zu vertreten, um somit einen Interessenkonflikt zu vermeiden, hinreichend sicher überprüfen.“

Bußgeldverfahren, oder: Aktenversendungspauschale bei elektronisch geführter Akte

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Und dann nochmal etwas zur Aktenversendungspauschale im Bußgeldverfahren, wenn die Bußgeldakte elektronisch geführt wird. Das sagt auch das AG Coesfeld im AG Coesfeld, Beschl. v.07.12.2020 – 3b OWI 314720 (B): Die Übersendung von Ausdrucken aus einer elektronisch geführten Bußgeldakte rechtfertigt die Erhebung einer Aktenversendungspauschale nicht:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß §§ 62, 68 OWiG zulässig und begründet.

Nach § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG können von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden.

Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 Satz 2 OWiG.

Die Voraussetzungen von § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG sind vorliegend nicht erfüllt. Der Verteidiger hat zwar Akteneinsicht beantragt. Akteneinsicht ist jedoch grundsätzlich in die Originalakte zu gewähren. Diese wird durch die Zentrale Bußgeldstelle in elektronischer Form geführt, sodass grundsätzlich auch Akteneinsicht in diese nach Maßgabe der §§ 110 c OWiG, 32f StPO zu gewähren ist. Die Übersendung von Ausdrucken aus der elektronischen Akte erfolgt nur unter bestimmten Voraussetzungen, vgl. § 32 f Abs. 1 Satz 3 und 4 StPO. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist vorliegend nicht dargetan.

Entscheidet sich die Zentrale Bußgeldstelle letztlich dennoch für diese Form der Akteneinsicht, kann dies indes nicht zur Folge haben, dass dadurch die Kostenfolge des § 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG ausgelöst wird. Insbesondere im Hinblick darauf, dass eine Pauschale gerade nicht erhoben wird, wenn die Akte elektronisch geführt und die Übermittlung elektronisch erfolgt (vgl. AG Daun Beschl. v. 15.4.2020 — 4c OWi 141/20, BeckRS 2020, 7653, beck-online).“

Aktenversendung elektronisch gewünscht, aber dann klassisch erfolgt, oder: Aktenversendungspauschale?

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Die zweite Entscheidung – die habe ich – meine ich – beim Kollegen Gratz „gefunden“ – behandelt noch einmal den Anfall der Aktenversendungspauschale.

Die Verwaltungsbehörde führt die Bußgeldakten gem. § 110a OWiG in elektronischer Form. Der Verteidiger beantragt Akteneinsicht durch Übersendung der Akte, und zwar “gerne auch per BEA-Mail”. Übersandt wird „klassisch“, nämlich Papierform. Dafüpr wird dann die Pauschale Nr. 9003 KV GKG erhoben. Der Verteidiger stellt dagegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 14.08.2020 – 976 OWi 94/20 – gibt ihm Recht:

„Der zulässige Antrag ist begründet.

Der Verteidiger beantragte erstmals mit Antrag vom 20.07.2020 Akteneinsicht durch Übersendung der Akte oder – und dies ausdrücklich – “gerne auch per BEA-Mail”.

Die Verwaltungsbehörde übersandte die Akte zur Ansicht und verlangte hierfür mit Bescheid vom 20.07.2020 eine Akteneinsichtspauschale in Höhe von 12,00 Euro.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag vom 26.07.2020 und begründet dies mit der elektronischen Aktenführung.

Die Antragsgegnerin wendet dahingegen ein, dass die Akten übersandt worden seien und die Akteneinsichtspauschale daher auch anfalle. Dies gelte auch dann, wenn die Akten selbst elektronisch geführt werden. Auf gerichtliche Nachfrage, warum eine elektronische Übersendung nicht erfolgt ist, gab die Antragsgegnerin unter Wiederholung des Wortlauts des Akteneinsichtsgesuchs des Verteidigers, Bl. 5 d. A., an, dass die Angaben des Verteidigers so verstanden worden seien, dass eine Übersendung in “klassischer” Papierform gewünscht gewesen sei.

Der Antrag des Verteidigers ist begründet.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG ist zwar von demjenigen, wer Akteneinsicht beantragt und diese auch durch Übersendung erhält eine Pauschale in Höhe von 12,00 Euro zu entrichten.

Dies gilt nach § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG aber dann nicht, wenn die Akten elektronisch geführt werden. Auf den Zusatz, dass eine Pauschale nur dann nicht anfällt, wenn die Akte auch elektronisch übermittelt wird, kann es in diesem Zusammenhang nicht ankommen.

Entgegen dem Verständnis der Verwaltungsbehörde hat der Verteidiger ausdrücklich die Akteneinsicht “gerne auch per BEA-Mail” gewünscht. Da diese Möglichkeit der Aktenversendung noch nicht die Regel darstellt, hat der Verteidiger nicht ausschließlich elektronische Versendung gefordert. Wenn aber diese Art und Weise gewünscht ist, entspricht es dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, die kostengünstigste Art der Aktenversendung zu wählen.

Ein Verstoß hiergegen darf nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, der im Falle des Unterliegens, die Kosten hierfür zu tragen hat, obwohl der Verteidiger ausdrücklich auch die elektronische Versendung beantragt hat. Insoweit hat die Antragsgegnerin ihr Ermessen bei der Versendung fehlerhaft ausgeübt. Es gab keinen vernünftigen Grund, nicht auf eine kostensparende elektronische Übersendung zurückzugreifen.“

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.