In der Diskussion zu unserem Beitrag: Ladung mit Warnhinweis: Terminschwierigkeiten beim Verteidiger interessieren ggf. nicht bei dem es um den LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.04.2014- 1 Qs 11/14 – und Terminsverlegungsfragen ging, hatte ich ja schon darauf hingewiesen, dass häufig dann, wenn Terminsverlegungsanträge des Verteidigers abgelehnt werden sollen, die „Keule Beschleunigungsgebot“ hervorgeholt wird. So (inzidenter) auch im AG Tiergarten, Beschl. v. 01.05.2014 – 217b AR 12/14, in dem Terminsverlegungsfragen Ausgangspunkt für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit waren. Die abgelehnte Richterin hatte bereits zweimal verlegt, eine drittes Mal wollte sie nicht. Der Verteidiger lehnt die Richterin dann wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Das AG Tiergarten weist den zurück, u.a. mit der Begründung:
„Daher ist grundsätzlich das Interesse des Betroffenen an der Vertretung durch einen Anwalt seiner Wahl dem Beschleunigungsgebot gegenüber zu stellen. Die dann gebotene Abwägung wird bei einem lange vor dem Termin gestellten Verlegungsantrag dazu führen, dass der Richter ihm in der Regel stattzugeben hat, denn er kann die entstehende Lücke noch mit einem neuen Termin füllen und so eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes vermeiden. Je näher der Verlegungsantrag vor dem Termin erfolgt, je eher wird es dem Richter nicht gelingen, eine Verfahrensverzögerung durch eine geschickte Terminierung aufzufangen, so dass die Interessen des Angeklagten an der Vertretung durch einen Verteidiger seiner Wahl gegebenenfalls zurücktreten müssen.
So liegt der Fall hier:
In die Abwägung sind dabei — neben dem grundsätzlich bestehenden Anspruch des Betroffenen auf Verteidigung durch eine Rechtsanwalt seiner Wahl — folgende Aspekte in die Abwägung einzubringen:
die Dauer des Verfahrens, die sich für ein Ordnungswidrigkeitenverfahren bereits als recht lang darstellt, wobei die Verzögerungen soweit ersichtlich nicht im Verantwortungsbereich der Justiz lagen,
die bereits zweimalige Verlegung des Hauptverhandlungstermins aufgrund der Verhinderung des Verteidigers,
dessen soweit ersichtlich nicht vorhandene Bereitschaft seinerseits etwas für eine gelingende Terminsanberaumung zu tun. Denn er hat in seinen jeweiligen Verlegungsanträgen nie mitgeteilt, an welchen Tagen in den kommenden Wochen oder Monaten er bereits jetzt eine Verhinderung absehen könnte.
die relativ geringe Sanktion (insbesondere weit unter der Wertgrenze des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) ohne jede Nebenfolge und
die Bemühungen der abgelehnten Richterin, den Verteidiger telefonisch zu erreichen. Soweit der Verteidiger für den Betroffenen derartige Bemühungen bestreitet, kann dieser Vortrag der Entscheidung über den Ablehnungsantrag nicht zu Grunde gelegt werden. Denn selbst wenn der Vortrag über die grundsätzliche telefonische Erreichbarkeit der Anwaltskanzlei zuträfe, was nicht durch geeignete Mittel glaubhaft gemacht wurde, so ließe dies nicht den Schluss zu, dass die Behauptung der abgelehnten Richterin falsch ist. Denn die Ursache für eine derartige Nichterreichbarkeit kann auch außerhalb der Kanzlei des Verteidigers liegen, beispielsweise in der Telefonanlage des Amtsgerichts oder bei der Technik eines der beteiligten Telekommunikationsanbieters. Die geschilderte Lücke in der Darstellung gehen zu Lasten des Betroffenen, weil ihm insofern die Glaubhaftmachung obliegt (§ 26 Abs. 2 StPO).
So weit, so gut oder auch nicht. Jedenfalls ist der Hinweis auf „die Dauer des Verfahrens, die sich für ein Ordnungswidrigkeitenverfahren bereits als recht lang darstellt,“ ein wenig „pikant“, wenn man sieht, dass das AG mehr als 11 Wochen gebraucht hat, um über den Ablehnungsantrag zu entscheiden. Ist dann „wobei die Verzögerungen soweit ersichtlich nicht im Verantwortungsbereich der Justiz lagen,“ noch richtig in der Argumentation und kann man dann noch mit der langen Dauer des Verfahrens argumentieren. Fragwürdig m.E. auch der Hinweis auf die „bundesweit über 100.000 Anwälte“. Soll der Betroffene die alle anrufen und fragen, ob sie Zeit haben?
Und, auch schön: Das AG bezieht sich an einer Stelle auf: „Fischer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Auflage, München 2008, § 24, Rn 3 mit einer Vielzahl von Nachweisen aus der Rspr.„. Wer die Stelle nachlesen will, muss lange suchen und wird sie nicht finden. Denn den KK-StPO gibt es (gerade) in der 7. Auflage, und die datiert aber aus 2014. Das AG ist also seiner Zeit voraus, obwohl so richtig ja auch nicht, weil die 8. Auflage ja aus 2008 sein soll 🙂