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Zur Erstattung von Corona-Desinfektionskosten, oder: AG Altena, AG Heinsberg. LG Aachen, LG Hamburg: Ja

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Und heute dann zum letzten Mal in 2021 der „Kessel Buntes“, denn am nächsten Samstag ist der 1. Weihnachtsfeiertag und dann ist das Jahr auch schon vorbei.

Ich stelle hier dann zunächst vier Entscheidungen zur Erstattung von Desinfektionkosten vor, und zwar:

Alle vier Gerichte haben die Desinfektionskosten erstattet, ich erspare mir hier die Einzelheiten, sondern ordne das Selbstleseverfahren an. Das LG Hamburg hat die Revision zugelassen, vielleicht hören wir dann ja mal etwas vom BGH dazu.

Doe Volltexet zu AG Heinsberg und LG Aachen findet man übrigens nicht bei mir, sondern beim Kollegen Frese aus Heinsberg. Ich habe auf die von ihm eingestellten Entscheidungen verlinkt. Ging schneller 🙂 .

 

Regulierung eines Verkehrsunfall in Großbritannien, oder: Anwendbares Recht, Haftung, Schadenshöhe

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Und als zweite Entscheidung, dann mal etwas Außergewöhnliches, nämlich die Regulierung eines Verkehrsunfalls in Großbritannien, und zwar in Saint Albans, Großbritannien an einem Kreisverkehr. Die Klägerin macht u.a. Gutachterkosten,  Reparaturkosten, Vorhaltekosten und eine allgemeine Auslagenpauschale geltend.

Gestritten wird um den Unfallhergang und die Höhe des Schadens. Die Klägerin trägt vor, dass der Zeuge S zum Unfallzeitpunkt mit dem ihrem Lkw MAN, auf dem Kreisverkehr auf der linken Spur fuhr, als Herr pp. mit einem bei der Beklagten versicherten Pkw von der rechten auf die linke Spur überwechselte. Dabei kam es zum Zusammenstoß zwischen dem klägerischen Fahrzeug vorne rechts und dem Beklagtenfahrzeug. Weiter trägt die Klägerin vor, dass der Unfall für den Zeugen S unvermeidbar gewesen sei.

Die Klage war teilweise begründet. Das AG führt im AG Schweinfurt, Urt. v. 07.06.2021 – 3 C 1314/19 – u.a. aus:

„I. Das AG Schweinfurt ist örtlich zuständig. Der Geschädigte kann bei einem Verkehrsunfall im Ausland an seinem Wohnsitzgericht eine Klage unmittelbar gegen den Versicherer der Gegenseite erheben, da eine Direktklage gern. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG im deutschen Recht zulässig ist und der Versicherer im Hoheitsgebiet eines europäischen Mitgliedsstaates ansässig war, BGH NJW 2008, 2343 (VI ZR 200/05), EuGH VersR 2008, 111 (C.463/06, FBTO Schadeverzekeringen NV./. Odenbreit).

Das Amtsgericht Schweinfurt ist gem. den §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG auch sachlich zu-ständig.

II. Anwendbares Recht:

Vorliegend ist materiell rechtlich das Recht des Vereinigten Königreichs, insbesondere Englisches Recht, maßgebend (Deliktsstatut).

Gem. Art. 4 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind (Tatortregel).

Haben der Ersatzpflichtige und der Verletzte ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in demselben Staat, unterliegen Ansprüche aus Straßenverkehrsunfällen gemäß Abs. 1 dem Recht des Unfall-orts, vgl. Junker in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 4 Rom II-VO Rn. 96.

Gem. Art. 15 Rom II-VO ist das nach dieser Verordnung auf außervertragliche Schuldverhältnis-se anzuwendende Recht insbesondere maßgebend

a) für den Grund und den Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können;

b) die Haftungsausschlussgründe sowie jede Beschränkung oder Teilung der Haftung;

c) das Vorliegen, die Art und die Bemessung des Schadens oder der geforderten Wiedergutmachung,

Das angerufene Gericht hat die Schadensberechnung auch sonst in derselben Weise vorzunehmen wie ein Gericht im Staat der lex causae. So wie bei Rechtsgeschäften nicht zwischen einem Vornahmestatut und einem Wirkungsstatut zu trennen ist, erfolgt auch bei unerlaubten Handlungen keine kollisionsrechtliche Trennung von Haftungsgrund und Haftungsfolgen, vgl. Junker in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rom II-VO Rn. 14.

Im engeren Sinne ist englisches Recht anwendbar, da jede Gebietseinheit des vereinigten Königreichs als eigener Staat gilt. Der Unfall hat in England stattgefunden, somit ist englisches Recht anwendbar. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, dem sich das Gericht aus eigener Überzeugung anschließt.“

Zur Haftung und zur Schadenshöhe dann bitte selbst weiterlesen.

Amtsgerichte/Rechtsprechung zur (verfassungswidrigen) Videomessung

Inzwischen gibt es ja einiges an Rechtsprechung in Zusammenhang mit der Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 941/08. Hier mal eine kleine Auswahl, ohne die jetzt hier kommetieren zu wollen.

Die Entscheidungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und haben auch unterschiedliche Begründungen. Aber: Man kann mit ihnen argumentieren.

AG Lünen: Mit VKS (?) aufgenommenes Tatfoto unverwertbar; das folgt aus BVerfG 2 BvR 941/08

Der Newsletter der Verkehrsrechtsanwälte meldet gestern, dass das Amtsgericht Lünen durch Beschluss vom 14.10.2009 – 16 OWi-225 Js entschieden hat, dass ein Tatfoto, das am 29.01.2009 aufgrund einer Verkehrsüberwachung mittels Videoaufzeichnung mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS aufgenommen wurde, nicht verwertet werden darf. Das Amtsgericht hat unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.08.2009 festgestellt, dass das in den Akten vorhandene Fahrerfoto unter Verstoß gegen ein verfassungsrechtlich begründetes Beweiserhebungsverbot gewonnen wurde, da in Nordrhein-Westfalen keine bundeseinheitliche Ermächtigungsgrundlage für ein verdachtsunabhängiges Videografieren des laufenden Verkehrs existiert. Nach Ansicht des Amtsgerichts Lünen folgt aus dem Beweiserhebungsverbot im konkreten Fall auch ein Beweisverwertungsverbot, da es sich bei der zur Last gelegten Tat nicht um eine Straftat von erheblicher Bedeutung, sondern lediglich um eine Ordnungswidrigkeit gehandelt hat, so dass das Interesse des Staates an der funktionierenden Strafrechtspflege hinter dem Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten muss.

Interessante Argumentation, aber ich habe so meine Zweifel, ob der Beschluss beim OLG Hamm – zuständig wäre der 1. Strafsenat – Bestand haben wird, wenn die Rechtsbeschwerde zulässig ist. Der Beschluss scheint mir nämlich ein wenig knapp begründet. Zum Tatgeschehen wird überhaupt nichts mitgeteilt (Abstandsverstoß, Geschwindigkeitsüberschreitung, welches Messverfahren, wie gemessen). Etwas mehr hätte der Amtsrichter – meine ich – schon feststellen müssen.

Mal sehen, wie es weitergeht…

AG Schweinfurt: Volltext zum „bayerischen“ Brückenabstandsmessverfahren liegt vor.

Hier ist er nun, der Volltext zur Entscheidung des AG Schweinfurt zur (nicht verfassungswidrigen) Videoabstandsmessung in Bayern (Urteil vom 31.08.2009, 12 OWi 17 Js 7822/09). Das AG Schweinfurt hatte ja im Hinblick auf die Entscheidung des BVerfG 2 BvR 941/08 entschieden, dass das das „bayerische“ Brückenabstandsmessverfahren, bei dem drei Videokameras zum Einsatz kommen, deren Aufzeichnungen über einen Videobildmischer auf zwei Videobänder übertragen werden, zwar kein standardisiertes Messverfahren ist. Solange aber keine konkreten Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung hinzutreten, entspreche sein Beweiswert jedoch einem standardisierten Messverfahren. Der darin liegende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der aufgezeichneten Fahrer ist im Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck, des Schutzes der Allgemeinheit, der Sicherheit des fließenden Verkehrs wie auch des Schutzes von Leib und Leben des jeweiligen Vorausfahrenden angemessen und daher auch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Man darf gespannt sein, was das OLG Bamberg dazu sagen wird.