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OWi III: Prüfpflichten bei einem Fuhrparkfahrzeug, oder: Stichproben des Halters erforderlich

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Und zum Schluss dann noch das AG Landstuhl, Urt. v. 15.03.2022 – 2 OWi 4211 Js 1018/22, das zur Pflichtverletzung eines Kfz-Halters im Hinblick auf Überprüfung des (Betriebs)Fahrzeugs auf Mängel Stellung nimmt.

Dazu führt das AG aus:

„Der Betroffene hat sich daher eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 31 Abs. 2 StVZO i.V.m. §§ 69a StVZO, 24 Abs. 3 Nr. 5 StVG aufgrund eines zugrundeliegenden Verstoßes gegen § 41 StVZO zu verantworten. Dem Betroffenen ist zuzugeben, dass die Pflichtverletzung eines Kfz-Halters nicht schon allein aufgrund der Mängel am Fahrzeug angenommen werden kann; vielmehr sind die konkreten Umstände darzulegen, die in der Person des Betroffenen die Missachtung der Sorgfaltspflichten ergeben (KG 31.7.2007 – 2 Ss 289/063 Ws (B) 60/07, NZV 2008, 51). Zur Überwachungspflicht gehört es grundsätzlich, sich durch gelegentliche, auch überraschende Stichproben davon zu überzeugen, dass Weisungen auch beachtet werden (OLG Frankfurt 1.7.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, juris). Eine stichprobenartige Kontrolle ist auch dann zumutbar, wenn die Mitarbeiter des Betroffenen die Betriebsfahrzeuge häufig wegen des frühen Dienstantritts mit nach Hause nehmen und ihre Fahrten nicht unbedingt vom Betriebssitz aus antreten. Der Betroffene muss dann eben den Fahrzeugzustand ggf. stichprobenartig bei der Anfahrt zum Betriebsgelände oder bei der Abfahrt zu einem Auftrag oder eben am Abstellort des Fahrzeugs überprüfen (vgl. zur Problematik OLG Hamm 25.1.2018 – III-4 RBs 491/17, juris). Dies ist hier nicht geschehen und führt zur Pflichtverletzung des Betroffenen. Der Betroffene hat als Geschäftsführer zwar die Fahrzeugwartung externalisiert und ausweislich der Angaben des Zeugen pp. hat dies auch problemlos funktioniert. Jedoch hat der Betroffene gerade nicht, obwohl von ihm behauptet, dafür gesorgt, dass Fahrzeuge, die sich nicht ständig auf dem Betriebsgelände befinden, durch stichprobenartige Kontrollen überprüft werden. Denn gerade dies ist bei der Fahrzeugkombination, die dem Zeugen pp. zugewiesen war, nachweislich nicht geschehen. Dass der Betroffene diese Pflicht hätte erfüllen müssen, bestätigt auch die Rechtsprechung: Der Halter eines Kfz genügt seiner sich aus § 31 Abs. 2 StVZO ergebenden Überwachungspflicht nicht bereits dadurch, dass er dem Fahrer aufträgt, jeden auftretenden Fahrzeugmangel ihm zwecks Behebung mitzuteilen. Der Halter muss vielmehr durch Stichproben die Erfüllung dieses Auftrages überwachen (OLG Düsseldorf 14.3.1989 – 5 Ss (OWi) 58/89 – (OWi) 30/89 I, juris). Dass solche Stichproben bei dem Zeugen pp. durch die Firma pp., den Betroffenen selbst oder die extern beauftragte Firma pp. durchgeführt worden wären, haben weder der Zeuge pp. berichtet noch wurde es durch den Betroffenen behauptet. Die allgemeine Behauptung, es würden Kontrollen durchgeführt, verfängt also in diesem speziellen Fall gerade nicht, was zum fahrlässigen Verstoß des Betroffenen als Organisationsverschulden führt.“

OWi I: 2-mal zu Messungen mit Provida 2000 modular, oder: Standardisierte Messung und anlassloses Filmen

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Heute dann ein OWi-Tag mit einigen Entscheidungen zu Fragen des straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahrens.

Ich starte mit zwei AG-Entscheidungen, und zwar einmal zu einem Abstandsverstoß und dann noch einmal zur (Akten)Einsicht. In beiden Fällen geht es um eine Messung mit Provida 2000.

Zum Abstandsverstoß hat sich vor einiger Zeit das AG Landstuhl geäußert, und zwar im AG Landstuhl, Urt. v. 05.02.2022 – 2 OWi 4211 Js 8338/21. Gemessen worden war in dem Vrefahren mit Porvida 2000. Das AG äußert sich zur Frage des standardisierten Messverfahrens und zur Frage der Prüfung der Messung durch einen Sachverständigen, und zwar wie folgt:

1. Das Messsystem Provida 2000 modular gilt für Geschwindigkeitsmessungen als standardisiertes Messverfahren i.S.d. Rechtsprechung des BGH. Dies gilt nicht für eine Abstandsmessung. Eine mittels Provida 2000 modular durchgeführte Abstandsmessung ist durch das Gericht vollumfänglich nachzuprüfen.

2. Je nach Auswahl der Referenzpunkte für die Ermittlung des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug kann es geboten sein, die Messung sachverständig überprüfen zu lassen, um der Gefahr optischer Verzerrung durch einen Aufschlag zusätzlicher Toleranzen zu begegnen. Es unterliegt dann der tatrichterlichen Würdigung, ob zu den geräteintern zu berücksichtigenden Toleranzen, die bei Geschwindigkeitswert und Abstandswert jeweils zum Tragen kommen, und den zugunsten des Betroffenen nicht berücksichtigten Fahrzeugüberhängen noch zusätzliche Toleranzen in Form von 1 der 2 Frames hinzuzufügen sind oder nicht.

In dem von AG Bergisch-Gladbach mit dem AG Bergisch-Gladbach, Beschl. v.24.11.2021 – 46 IW 411/21 (b) – entschiedenen Fall war bei einer Geschwindigkeitsmessung ein Messgerät Provida 2000 eingesetzt worden. Der Betroffene hatte erweiterte Akteneinsicht geltend gemacht, um überprüfen zu können, on ein sog. anlassloses Filmen vorgelegen hat und insoweit ggf. verfassungsrechtliche Bedenken bestehen könnten. Das AG hat die Herausgabe einer vollständige Liste der mit dem Messfahrzeug am Tattag durchgeführten Messungen sowie der  Videomitschnitte der fünf jeweils vor und nach der den Betroffenen betreffenden Messung durchgeführten Messungen angeordnet. Begründung: Es sei dem Betroffenen sonst nicht möglich, „Anhaltspunkte dafür darlegen zu können, dass trotz der Verwendung standardisierter Messgeräte bzw. der Einhaltung einschlägiger Vorschriften für die Durchführung der Messung im konkreten Falle Fehler aufgetreten sind, die die Richtigkeit der Messung beeinflusst haben können„.

OWi II: Einige Entscheidungen zu Fahrverbot/Geldbuße, oder: Zeitablauf, Absehen, Urteilsgründe

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Das zweite Posting des Tages dann zum Fahrverbot (§ 25 StVG) und zur Geldbuße, und zwar mit folgenden Entscheidungen:

Regelmäßig liegt ab einem Zeitraum von etwa zwei Jahren die Prüfung nahe, ob ein Fahrverbot seine erzieherischen Zwecke im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

1. Regelmäßig liegt ab einem Zeitraum von etwa zwei Jahren die Prüfung nahe, ob ein Fahrverbot seine erzieherischen Zwecke im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind.

2. Der Umstand, dass sich der Betroffene zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil – erneut – nicht verkehrsgerecht verhalten hat, spricht für die Erforderlichkeit der Verhängung eines Fahrverbotes.

Soll vom Regelfall der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, so bedarf es wegen der grundsätzlich gebotenen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer einer besonders eingehenden und sorgfältigen Überprüfung der Einlassung des Betroffenen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalls auszuschließen und auch dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen. Deshalb hat das Amtsgericht eine auf Tatsachen gestützte, besonders eingehende Begründung zu geben, in der es im Einzelnen darlegt, welche besonderen Umstände in objektiver und subjektiver Hinsicht es gerechtfertigt erscheinen lassen, vom Regelfahrverbot abzusehen.

Hat der Betroffene Einsicht in das Fehlverhalten gezeigt und ist durch die Vollstreckung eines Fahrverbots nach einer weiteren, nach der abzuurteilenden Tat begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung hinreichend beeindruckt, kann vom Fahrverbot abgesehen werden.

1. Grundsätzlich hat das Tatgericht bei der Verhängung von Geldbußen von mehr als 250,00 Euro keine weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen, wenn es das Abweichen vom Regelsatz nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse gestützt hat.

2. Etwas anderes gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen. Der Bezug von Arbeitslosengeld II, der zwar grundsätzlich darauf hindeuten kann, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht durchschnittlich sind, steht der Entbehrlichkeit weiterer Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen aber nicht entgegen.

3. Der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Betroffenen ist dann durch Zahlungsaufschub oder Ratenzahlung Rechnung zu tragen.

OWi II: Nochmals Beschlussverfahren (§ 72 OWiG), oder: Schweigen des Betroffenen und Anhörungsrüge

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Im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zum Beschlussverfahren (§ 72 OWiG), und zwar:

    1. Hat der Betroffene bereits im an die Verwaltungsbehörde gerichteten Einspruchsschreiben einer Entscheidung nach § 72 OWiG widersprochen, so wird diese Erklärung gegenüber dem Amtsgericht wirksam.
    2. Erklärt das Amtsgericht in der Folge, durch Beschluss entscheiden zu wollen, so bleibt der Widerspruch wirksam.
    3. In diesem Fall bedarf eine Entscheidung nach § 72 OWiG einer unmissverständlichen Rücknahme des zuvor erklärten Widerspruchs.
    1. Zum erforderlichen Vortrag der Rüge der Verletzung des § 72 Abs. 1 OWiG durch den Betroffenen gehört, dass die Rechtsbeschwerde mitteilt, dass der Betroffene dem Beschlussverfahren rechtzeitig widersprochen hat. Dabei reicht es aus, dass mitgeteilt wird, dass der Widerspruch nicht gegenüber dem Amtsgericht, sondern schon gegenüber der Verwaltungsbehörde ausgesprochen und nicht ausdrücklich zurückgenommen wurde. Wurde der Widerspruch durch den Verteidiger erklärt, muss dessen Bevollmächtigung zum Zeitpunkt des Widerspruchs vorgetragen werden.
    2. Das Schweigen des Betroffenen auf den entsprechenden Hinweis des Amtsgerichts auf eine beabsichtigte Entscheidung nach § 72 OWiG lässt nicht den einmal erhobenen Widerspruch gegenstandslos werden.
    1. §§ 72, 79 Abs. 1 OWiG regeln keine Fälle einer bestimmten Beschwer des Rechtsmittelführers, sondern enthalten Regelungen der Unanfechtbarkeit im Sinne des § 464 Abs. 3 S. 1 StPO.
    2. Eine nachteilige Kostenentscheidung in einem Beschluss nach § 72 OWiG ist für den Betroffenen jedenfalls dann nicht anfechtbar, wenn ihm gegen die Hauptentscheidung kein Rechtsmittel zusteht und er lediglich rügt, dass die Nebenentscheidung gesetzwidrig ergangen sei. In diesem Fall kann die Kostenentscheidung nur mit der Anhörungsrüge angegriffen werden.
    3. Es ist auch dann nicht unbillig, einem Betroffenen die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der darin enthaltenen Sachverständigenkosten aufzuerlegen, wenn dieser sich gegen den Vorwurf einer Verkehrsordnungswidrigkeit unbeschränkt verteidigt hat und ein im Bußgeldbescheid verhängtes Fahrverbot aufgrund der Erkenntnisse eines Sachverständigengutachtens in Wegfall gerät, er aber dennoch wegen einer verkehrssicherheitsbeeinträchtigenden Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 S. 2 Nr 3 StVG verurteilt wird.

Corona I: Schweigepflicht von Apothekenmitarbeitern?, oder: Generalprävention bei der Strafzumessung

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Heute dann wieder Corona-Tag mit zwei Entscheidungen, und zwar einmal AG und einmal OLG.

Hier zunächst die AG-Entscheidungen, und zwar das (rechtskräftige) AG Landstuhl, Urt. v. 25.01.2022 – 2 Cs 4106 Js 15848/21. Das hat wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verurteilt, und zwar geht es um das Vorlegen eines gefälschten Impfpasses mit dem Ziel des Erhalts eines digitalen Impfzertifikats mit QR-Code. Insoweit nichts Besonderes, die Ausführungen dazu kann man sich schenken.

Ich stelle hier nur die Ausführungen des AG zur Verwertbarkeit der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter und zur Strafzumessung ein:

„Soweit das Gericht seine Überzeugungsbildung neben dem Geständnis des Angeklagten auch auf die durchgeführte Beweisaufnahme gestützt hat, war es an der Verwertung der Beweismittel, die aus der Offenlegung der Erkenntnisse der Apothekenmitarbeiter gewonnen wurden, aus Rechtsgründen nicht gehindert.

Ungeachtet der Frage, ob eine Schweigepflichtverletzung in der vorliegenden Konstellation überhaupt ein Beweisverwertungsverbot begründen könnte, wogegen nach Ansicht des Gerichts gewichtige Argumente sprechen, waren die Apothekenmitarbeiter zur Einschaltung der Polizei und zur Offenbarung ihrer Erkenntnisse jedenfalls berechtigt. Die tatbestandliche Verwirklichung von § 203 StGB ist gerechtfertigt.

Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um mit dem Erhalt des COVID-Zertifikats am öffentlichen Leben teilzunehmen. Angesichts des Umstands, dass in allen Bundesländern mehr oder weniger einheitliche Regelungen zum Schutz des Gesundheitssystems vor einer durch zu viele schwere Verläufe der Erkrankung verursachten Überlastung sowie zum Schutz von Individuen vor den Gesundheitsgefahren, die mit einer solchen Erkrankung einhergehen, geschaffen wurden, die an den Impfstatus anknüpfen, stellt eine Umgehung des zur Teilnahme am öffentlichen Leben in vielen Bereichen erforderlichen Impfnachweises eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar. Selbst für den Fall der Verweigerung der Ausstellung des Impfzertifikats durch die Apothekenmitarbeiter wäre naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt, sodass in der Folge eine Realisierung der Gefahr konkret zu besorgen war. Da die entsprechenden Gefahren jederzeit in einen Erfolg umschlagen können, wenn nicht konsequent gegen den Gebrauch des gefälschten Impfausweises eingeschritten wird, sind Apothekenmitarbeiter in solchen Fällen regelmäßig aus § 34 StGB zur Offenbarung der Tatsache, dass der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht, berechtigt.

5.

In Ausfüllung des Strafrahmens des § 267 Abs. 1 StGB hat das Gericht maßgeblich zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Tat umfassend eingeräumt sowie den Namen der Vermittlerin, von der er den Impfpass erworben hat, genannt und damit weitere Ermittlungsansätze für die Strafverfolgungsbehörden zur Bekämpfung der gewerblichen Impfpassfälschung gegeben hat.

Zu seinem Nachteil hat sich indes ausgewirkt, dass er bereits in zwei Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei es sich in einem Fall um eine einschlägige Vorverurteilung handelt und im anderen Fall jedenfalls ein mit der vorliegenden Tat vergleichbarer Unrechtsgehalt vorliegt.

Zudem war bei der Strafzumessung ausnahmsweise auch der generalpräventive Gesichtspunkt der Abschreckung strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Generalprävention handelt es sich auch bei der Strafhöhenbemessung um einen legitimen Strafzweck, dessen Ziel es ist, durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun (Schäfer/Sander/ van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 839 m.w.N.).

Dabei hat das Gericht insbesondere bedacht, dass sich die Strafe auch bei Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte noch im Rahmen des Schuldangemessenen halten muss (BGHSt 28, 318 (326); BGH, NStZ 1983, 501; 1984, 409; 1986, 358) und der Strafhöhenbestimmung diesen Rahmen zugrunde gelegt.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung geeignet. Ungeeignet ist sie regelmäßig bei Ausnahmesituationen, Konflikttaten oder bei Taten eines vermindert schuldfähigen Täters (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 841 m.w.N.), was vorliegend indes nicht der Fall ist. Straftaten im Zusammenhang mit der derzeit vorherrschenden Pandemielage, hierbei insbesondere Straftaten im Zusammenhang mit Impfpassfälschungen, sind Gegenstand erschöpfender medialer Berichterstattung und erregen regelmäßig erhebliches Aufsehen. Wie sich aus den in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Presseberichten ergibt, reagiert die Presse bereits auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Impfpassfälschung zum Teil mit ausführlichen Berichterstattungen. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass insbesondere auch Verurteilungen im Zusammenhang mit der Fälschung von Impfpässen, die zum Urteilszeitpunkt wenn überhaupt nur vereinzelt festzustellen waren, medial aufgegriffen werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Berichterstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat ebenfalls eine abschreckende Wirkung auf potentielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken kann.

Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte ist schließlich zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung auch erforderlich. Erforderlichkeit liegt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn bei der abzuurteilenden Tat die Gefahr der Nachahmung besteht (BGH, BeckRS 2011, 428 Rn. 4 m.w.N.) oder weil bereits eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festzustellen ist (BGH, NStZ 1986, 358; 2007, 702; NStZ-RR 2013, 240). Davon ist regelmäßig dann auszugehen, wenn eine offenkundige Zunahme bestimmter Kriminalität vorliegt (BGH, NStZ-RR 2013, 169 (170); Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl. 2017, Rn. 844). So liegt der Fall hier. Das Gericht hat in der Beweisaufnahme verschiedene Presseartikel auszugsweise verlesen, die von einem starken Anstieg der Zahl gefälschter Impfpässe in der Bundesrepublik Deutschland, sowie insbesondere auch in Rheinland-Pfalz, berichten. So berichtet beispielsweise „die Zeit“ online darüber, dass bundesweit mehr als 11.000 Ermittlungsverfahren wegen gefälschter Impfpässe geführt werden. Auch die Tagesschau berichtet auf ihrer Internetseite von 12.000 Verfahren. Nach Angaben des SWR seien vom LKA Rheinland-Pfalz bereits zu Beginn des Monats Dezember 2021 483 Ermittlungsverfahren gezählt worden; Anfang Januar 2022 seien es bereits 924 Ermittlungsverfahren gewesen. Aus diesen Zahlen wird ein linearer Anstieg entsprechender Straftaten erkennbar, sodass es aus Sicht des Gerichts der Ergreifung von Gegenmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der entsprechenden Kriminalität und zur Abschreckung von Nachahmungstätern dringend bedarf.

Unter Berücksichtigung sämtlicher, insbesondere der vorstehend dargestellten, Strafzumessungsgesichtspunkte hat das Gericht für die Tat eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe war nach Maßgabe von § 47 Abs. 1 StGB angesichts des Umstands, dass der Angeklagte bereits in 2 Fällen wegen Delikten mit vergleichbarem Unrechtsgehalt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, zur Einwirkung auf diesen sowie aus den vorstehend dargestellten Gründen zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich.

Die Vollstreckung der Strafe war gem. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen, da nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten gewonnen hat, zu erwarten ist, dass dieser sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Der persönliche Eindruck des Gerichts hat zudem eine Bestätigung darin gefunden, dass der Angeklagte die Tat vorbehaltlos eingeräumt, das Unrecht seiner Tat eingesehen und glaubhaft beteuert hat, so etwas passiere ihm nie wieder. Ebenso ist aus dem Umstand, dass er trotz anfänglichen Zögerns schließlich bereit war, die Mittelsperson zu benennen, von der er den gefälschten Impfpass erhalten hat, erkennbar, dass der Angeklagte sich von der Tat distanziert hat….“