beA I: Sammlung zum beA/elektronischen Dokument, oder: sicherer Weg, Ersatz, Wiedereinsetzung, Urteil

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In die 29. KW./2024 starte ich heute dann mit einigen Entscheidungen zum beA. Das sind weitgehend BGH-Entscheidungen, eine der vorgestellten Entscheidungen stammt aber vom OLG Düsseldorf.

Hier sind dann also:

„bb) Ihre einfach signierten Schriftsätze hat die Verteidigerin nicht auf dem hier einzig in Betracht kommenden sicheren Übermittlungsweg zwischen ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach und der elektronischen Poststelle des Landgerichts eingereicht ( § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO ).

Das Adjektiv „sicher“ bezieht sich insoweit nicht auf Fragen der IT-Sicherheit oder des Ausfallschutzes, sondern darauf, dass aufgrund entsprechender technischer Sicherungsmaßnahmen bei Nutzung eines solchen Übermittlungswegs ein sicherer Rückschluss auf die Identität des Absenders möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. September 2022 – 3 StR 251/22 Rn. 6). Der besondere Kommunikationskanal ersetzt die Identifikationsfunktion der Unterschrift (Müller, NZS 2018, 207, 209). Den hiermit verbundenen Anforderungen werden die Eingaben der Verteidigerin nicht gerecht. Die erforderliche eigenhändige Versendung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach wird durch den vertrauenswürdigen Herkunftsnachweis (vHN) dokumentiert. Dieser wird nur an einer Nachricht angebracht, wenn das Postfach in einem sicheren Verzeichnisdienst geführt wird und der Postfachinhaber zu dem Zeitpunkt, zu dem die Nachricht erstellt wird, sicher an dem Postfach angemeldet ist (vgl. BAGE 171, 28 Rn. 27; Müller, NZS 2018, 207, 209; Biallaß, NJW 2021, 789 [OLG Oldenburg 09.12.2020 – 6 W 68/20] ). Beim Empfänger führt die Übersendung dann zu dem Prüfergebnis „sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach“. Der vHN ist maßgeblich für die freibeweisliche Prüfung einer formgerechten Einreichung. Fehlt er, kann nicht von einem Eingang auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 StPO ausgegangen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2023 – 4 StR 313/23 Rn. 2, 5; Beschluss vom 7. Februar 2023 – 2 StR 162/22 Rn. 6; s. auch BVerwG, NVwZ 2022, 649 [BVerwG 12.10.2021 – BVerwG 8 C 4.21] Rn. 6 ff.; BAGE 171, 28 [BAG 05.06.2020 – 10 AZN 53/20] Rn. 25 ff.). So liegt es hier. Denn die Prüfvermerke des Landgerichts weisen aus, dass die Revision und ihre Begründung lediglich „per EGVP“ übersandt wurden.

Ist die Revision wirksam elektronisch übermittelt worden, wegen technischer Störungen aber nicht zu den Sachakten gelangt, und hat das erkennende Gericht in Vertrauen auf die Rechtskraft der Entscheidung die Urteilsgründe abgekürzt abgefasst, kann es diese entsprechend § 267 Abs. 4 S. 4 ergänzen, wenn es vom Eingang des Rechtsmittels erfährt. Sofern dem Gericht zu diesem Zeitpunkt die Akten nicht mehr vorliegen, beginnt die Frist zur Absetzung des ergänzten Urteils mit erneutem Eingang der Akten.

Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Verfahrensrügen zu gewähren, wenn er glaubhaft gemacht hat, dass seinem Verteidiger am letzten Tag der Revisionsbegründungsfrist um 23.49 Uhr die Übersendung einer fertiggestellten ergänzenden Revisionsbegründung zur Anbringung der Verfahrensrügen als elektronisches Dokument über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach nicht möglich war, weil das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des jeweiligen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – was dem Verteidiger im Zeitpunkt des Übersendungsversuchs noch nicht bekannt war – in der Weise gestört war, dass die Gerichte und Behörden elektronische Dokumente nicht empfangen konnten. Denn dadurch war der Verteidiger durch ausschließlich im Bereich der Justiz gründende Umstände gehindert, eine die fristgemäß erhobene Sachrüge ergänzende Verfahrensrüge rechtzeitig formgerecht anzubringen (vgl. zum gestörten Empfangsgerät im Bereich der Justiz BGH, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 2 StR 485/07, NStZ 2008, 705).

Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen dafür treffen, dass ein Zustellungsdatum, das in einem von ihm abgegebenen elektronischen Empfangsbekenntnis eingetragen ist, auch in seiner – noch in Papierform geführten – Handakte dokumentiert wird. An die Zustellung anknüpfende Fristen müssen anhand der Angaben im elektronischen Empfangsbekenntnis berechnet werden.

    1. Im Falle einer Ersatzeinreichung hat die Glaubhaftmachung der vorübergehenden technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung des Dokuments nach § 130d S. 3 ZPO möglichst gleichzeitig mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen. Eine unverzügliche Nachholung kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn der Rechtsanwalt das technische Defizit erst kurz vor Fristablauf bemerkt und ihm daher nicht mehr genügend Zeit für die gebotene Darlegung und Glaubhaftmachung in dem ersatzweise einzureichenden Schriftsatz verbleibt.
    2. Die Mitteilung der Gründe für die Ersatzeinreichung nach mehr als einer Woche ist im Regelfall nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 130d Satz 3 ZPO.
    3. Die Bekanntheit einer technischen Störung auf Seiten des Gerichts entbindet den Einreicher jedenfalls nicht gänzlich davon, die Ursächlichkeit der Störung für die Übermittlung in Papierform oder per Telefax glaubhaft zu machen (Anschluss an OLG Hamm, Beschl. v. 03.07.2023 – 31 U 71/23, NJOZ 2023, 1582).

Sonntagswitz, zum Finale der „Heim-EM 2024“ heute noch einmal Fußball

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Und heute dann doch noch einmal Fußball. Ist schließlich eine „Heim-EM“, also für viele Landsleute ein wichtiges Ereignis, für mich allerdings weniger. Jedenfalls hat das dann heute ja auch etwas Positives: Es ist vorbei :-). Hier kommen dann (kann sein, dass ich die schon mal hatte, aber da dauernd Fußball ist…… 🙂 :

„Und ihr Fachgebiet ist Fußball?“, fragt der Showmaster.

„Ja“, antwortet der Kandidat.

„Bravo, da habe ich eine Frage für sie. Wie viele Maschen hat ein Tornetz?“


An einer Bushaltestelle steht ein Fußballspieler und wartet auf den nächsten Bus. Um sich seine Zeit zu vertreiben übt er Dribbelschritte.

Eine ältere Frau kommt auf ihn zu, fasst ihn bei der Hand und sagt: „Junger Mann, bleiben Sie ganz ruhig, ich zeige Ihnen, wo die Toilette ist.“


Wer war die erste Fußballmannschaft?

Jesus und seine Jünger. Denn in der Bibel steht: „Jesus stand im Tor von Nazareth und seine Jünger standen abseits.“


Der Erzengel Gabriel erscheint einem berühmten Fußballspieler und sagt:

„Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich.

Zuerst die gute: Du bist auserwählt, nach deinem Ableben in der himmlischen Fußballmannschaft zu spielen.

Die schlechte: Du bist schon für nächstes Wochenende aufgestellt!“

Wochenspiegel für die 28. KW., mit FB-Sperre, LTI 20/20, Steuerstrafverfahren und Anhörungsrüge

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Und dann heute wieder ein „normaler“ Wochenspiegel, also keine Rückschau auf ein früheres Jahr. Hier kommen heute:

    1. LG Düsseldorf: Facebook-Sperre ohne Anhörung und Begründung ist ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB – kartellrechtlicher Unterlassungsanspruch

    2. OLG Frankfurt: Bezeichnung einer Transfrau als „Transe“ ist ausschließlich abwertend und das Wort ein diskriminierendes Schimpfwort – Unterlassungsanspruch des Betroffenen

    3. Datenverarbeitung im Steuerverfahren am Beispiel von § 29b AO

    4. LG Trier: Unzulässige Schleichwerbung auch dann möglich, wenn gar kein Geld fließt

    5. Stichprobenkontrolle nach verschimmeltem Obst im Supermarkt reicht

    6. Wettbewerbsrechtliche Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen

    7. Messabweichungen nachgewiesen: LTI 20/20 TruSpeed vorerst aus dem Verkehr gezogen

    8. Rammstein-Tickets für 6000 Euro bei Viagogo Ist das rechtlich überhaupt erlaubt?

    9. KI “erfindet” Getränkebehälter Kann KI als Erfinder eingetragen werden?

    10. und aus meinem Blog: Frist I: Was gehört zur Zulässigkeit der Anhörungsrüge?, oder: Der BGH sagt es uns noch einmal

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen BtM-Einnahme, oder: Unbewusste Einnahme, ja oder nein?

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Im zweiten Posting stelle ich dann den OVG Greifswald, Beschl. v. 20.06.2024 – 1 M 166/24 – vor. Er ist zwar auch in einem Verfahren wegen der Entziehung der Fahrerlaubnis ergangen, es geht aber nicht so sehr um die dafür erforderlichenn Voraussetzungen, sondern vornehmlich um die Anforderungen an das Vorbringen des Betroffenen im Falle der unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln:

„(1) Die Erfolgsaussichten des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs, über den noch nicht entschieden ist, sind offen.

Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zu entziehen ist, wenn sich der Betroffene als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen eines Kraftfahrzeuges erweist. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr (FeV) i. V. m. Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV ist ein Kraftfahrer, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert hat, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (vgl. VGH München, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 11 CS 23.1387 –, juris Rn. 13 m. w. N.). Im Regelfall rechtfertigt bereits die einmalige bewusste (nachgewiesene) Einnahme von „harten Drogen“ die Annahme der Nichteignung, ohne dass ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr bestehen müsste (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 22. November 2022 – 1 M 491/22 OVG –; Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 3 M 356/18 –; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 M 87/09 –, juris Rn. 5). Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Vorliegend bestreitet der Antragsteller nicht, Cocain eingenommen zu haben; er trägt jedoch vor, dass die Einnahme unbewusst erfolgt sei. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Wer sich darauf beruft, muss einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der insoweit der Nachprüfung zugänglich ist. Es muss überzeugend aufgezeigt werden, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk bzw. Nahrungsmittel zugänglich zu machen; ferner, dass dieser selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (vgl. VGH München, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 11 CS 23.1387 –, juris Rn. 14; OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Januar 2024 – 6 B 70/23 – juris Rn. 13; OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Dezember 2023 – 1 M 549/23 OVG – und Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11–, juris Rn. 8 m. w. N.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 26. Oktober 2022 – 3 M 88/22 –, juris Rn. 6; OVG Saarlouis, Beschluss vom 2. September 2021 – 1 B 196/21 –, juris Rn. 47; OVG Münster, Beschluss vom 18. September 2020 – 16 B 655/20 –, juris Rn. 4; OVG Bremen, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 LA 261/15 –, juris Rn. 6; OVG Berlin, Beschluss vom 9. Februar 2015 – 1 M 67.14 –, juris Rn. 4).

Dabei dürfen die Anforderungen an das Vorbringen eines Betroffenen nicht überspannt werden. Insbesondere kann vom Betroffenen bei einem über mehrere Stunden andauernden Zeitraum keine minutengenaue Protokollierung des Geschehens abverlangt werden. Es kann aber regelmäßig selbst dann, wenn die konkrete Einnahme dem Betroffenen verborgen geblieben ist, eine möglichst detaillierte Schilderung der Vorgänge erwartet werden, in deren Rahmen es möglicherweise zu der Drogeneinnahme gekommen sein könnte (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Januar 2024 – 6 B 70/23 –, juris Rn. 13 m. w. N.; OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Dezember 2023 – 1 M 549/23 OVG –; Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11–, juris Rn. 8).

Daran gemessen vermag der Senat der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe keine nachvollziehbaren Umstände vorgetragen, wie er unbewusst Cocain zu sich genommen haben solle, nicht zu folgen. Es kann zumindest nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dessen Angaben seien nicht hinreichend detailliert, schlüssig und glaubhaft. Das von Anfang an konsistente Vorbringen des Antragstellers lässt es als möglich erscheinen, dass es sich im Kern so verhalten haben könnte, wie vom Antragsteller geschildert.

Es würde die Anforderungen an die Darlegung einer Ausnahme von der Vermutung einer willentlichen Drogeneinnahme nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls überspannen, vom Antragsteller zu erwarten, detailliert anzugeben, wie es zur Einnahme des Cocains gekommen ist, insbesondere wie der Abend des 7. Mai 2023 im Detail verlaufen ist. Denn der Antragsteller wurde erst mit Schreiben vom 10. August 2023 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und mit dem aus Sicht des Antragsgegners bestehenden Sachverhalt konfrontiert. Es kann nicht ernsthaft von jemandem verlangt werden, detaillierte Angaben zu einem über drei Monate zurückliegenden Tag (hier: 7. Mai 2023) zu machen, wenn – wie hier nach den Schilderungen des Antragstellers nicht der Fall – nicht besondere Umstände vorliegen, die eine höhere Erinnerungsleistung rechtfertigen würden. Das gilt erst recht, wenn die Möglichkeit einer unbewussten Einnahme von Cocain im Raum steht. Auch die Kontrolle am 8. Mai 2023 und die daraufhin erfolgten Gespräche mit seiner Ehefrau dürften daran im Wesentlichen nichts ändern. Dass der Antragsteller nicht bemerkt haben will, wie seine Ehefrau ihm das Cocain verabreicht hat, insbesondere wie sie ihm einen Teil des Cocains auf sein Geschlechtsteil aufgetragen hat, erscheint – unabhängig von der Frage, ob die Beteiligten Schlafanzüge getragen haben oder nicht – im Übrigen nicht gänzlich lebensfremd.

Dem Verwaltungsgericht ist zuzugeben, dass die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Antragstellers mangels eigener detaillierter Darstellungen nicht den Anforderungen entspricht und die eidesstattliche Versicherung erst später im Verfahren vorgelegt wurde. Mit Blick auf die nach dem vermeintlichen Vorfall am 7. Mai 2023 entstandenen Spannungen zwischen den Eheleuten, die bis zu einer Trennung der Eheleute geführt haben sollen, erscheint es dem Senat nicht lebensfremd, dass der Antragsteller nicht gleich zu Beginn des behördlichen Verfahren an seine Ehefrau mit der Bitte um eine eidesstattliche Versicherung herangetreten ist.

Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass die Ehefrau des Antragstellers den Antragsteller einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt hätte. Eine etwaige Naivität und der stärker werdende Wunsch nach einer Wiederbelebung des Sexuallebens der Eheleute lässt es jedoch durchaus als möglich erscheinen, dass die Ehefrau des Antragstellers ihr Vorhaben in der Hoffnung umgesetzt habe, es werde nichts Schlimmes passieren.

Soweit der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Antragstellers deshalb nicht für plausibel erachten, weil er einen Polizeibeamten während der Kontrolle am 8. Mai 2023 gefragt haben soll, „mal unter uns gesagt“, wie lange man warten solle, nachdem man „etwas“ konsumiert habe, bleibt die Frage, ob ein solches Gespräch stattgefunden hat, einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Antragsteller bestreitet das Gespräch. Hierfür könnte sprechen, dass das Gespräch nicht im Bericht zur Kontrolle aufgeführt ist und sich der Polizeibeamte dazu erst auf Nachfrage des Antragsgegners mit E-Mail vom 21. Dezember 2023 (Bl. 145 BA A) geäußert hat. Auf der anderen Seite erscheint es nicht abwegig, dass sich der Polizeibeamte aufgrund des auffälligen Fahrzeugs des Antragstellers noch an den über sechs Monate zurückliegenden Vorfall erinnern konnte. Bei der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren dürfte ebenfalls zu berücksichtigen sein, was aus der Annahme eines solchen Gesprächs folgt. Hätte der Antragsteller tatsächlich am Vorabend der Verkehrskontrolle bewusst Cocain konsumiert, wäre es lebensfremd, wenn er dann den Polizeibeamten im Rahmen einer Verkehrskontrolle nach der Abbauzeit befragt. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sowohl privat als auch beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Der Umstand, dass das Vorbringen des Antragstellers den von ihm geschilderten Ablauf als möglich erscheinen lässt, führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass sein Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben wird, mit der Folge, dass seine Beschwerde Erfolg hätte und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen wäre. Denn die weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere die Frage, ob das Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem Polizeibeamten stattgefunden hat und was daraus folgt, sowie die Vernehmung der Ehefrau des Antragstellers und die etwaige Auswertung des Browserverlaufs des von der Ehefrau benutzten Computers/Handys, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Antragstellers genügt hierfür schon mangels eigener detaillierter Darstellungen nicht aus. Angaben, die der Antragsgegner und auch das Verwaltungsgericht im Vorbringen des Antragstellers vermissen (zum Beispiel ein etwaiger Drogenkonsum der Ehefrau, nähere Angaben zum Kauf des Cocains), kann aufgrund der vorgetragenen Umstände nur die Ehefrau des Antragstellers machen.“

Aber:

„(2) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Februar 2024 nicht hinreichend zuverlässig abschätzen, kann lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vorgenommen werden. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 26; OVG Münster, Beschlüsse vom 19. Februar 2013 – 16 B 1229/12 –, juris Rn. 12).

Für den Antragsteller streiten neben dem Umstand, dass er aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –), sein Interesse an motorisierter Fortbewegung, eine vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition, und seine damit verbundenen persönlichen Belange. Dem stehen die höchstwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt, nämlich vor allem Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit gegenüber.

Im Ergebnis der Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs das private Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis……“

Einiges Neues zur Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Bindung, Mischkonsum, Demenz, unsichere Fahrweise

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Heute dann mal wieder ein Ausflug in die Abteilung „Verwaltungsrecht“. Ich stelle in diesem Posting zunächst einige Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG vor, allerdings jeweils nur die Leitsätze. Und das sind:

Ein Strafurteil entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde entfaltet, wenn es lediglich die strafrichterliche Feststellung enthält, der Fahrerlaubnisinhabe habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Denn dann fehlt es an einer eindeutigen und bestimmten und durch § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO gebotenen Eignungsbeurteilung durch den Strafrichter. Ohne diese Feststellung beschränken sich die Urteilsgründe auf die Verhängung eines Fahrverbots, ohne dann mit einem Wort darauf einzugehen, dass und weshalb der Strafrichter ggf. von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen hat. Ob er die Fahreignung geprüft hat, ist dann völlig unklar.

1. Ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls davon auszugehen, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiert hat und ihm aufgrund einer festgestellten Mischkonsums von Alkohol und Cannabis die Fahreignung fehlt, rechtfertigt das die Entziehung der Fahrerlaubnis ohne weiteres und ist die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung entbehrlich.

2. Ein nicht im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehender Mischkonsum von Cannabis und Alkohol rechtfertigt jedenfalls dann die Annahme einer mangelnden Fahreignung, wenn er die Aufgabe der Trennungsbereitschaft möglich erscheinen lässt und eine Teilnahme am Straßenverkehr unter Wirkung der Rauschmittel hinreichend wahrscheinlich ist. Das ist der Fall, wenn er in zeitlicher und mengenmäßiger Hinsicht zu einer kombinierten Rauschwirkung führen kann.

Zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen unsicherer Fahrweise und Anhaltspunkten für eine altersbedingte psychische Erkrankung (Demenz) und zur unzureichende Mitwirkung bei der Aufklärung.