StGB III: „Ungeimpft“ „Judenstern“ während Corona, oder: „from the river to the sea – Palestine will be free“

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Und dann zum Abschluss des Tages noch zwei Entscheidungen, und zwar einmal aus der „Abteilung“ „Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates“, und zwar „§ 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ bzw. aus der „Abteilung“ „Straftaten gegen die öffentliche Ordnung“, und zwar  „§ 130 StGB – Volksverhetzung“. Von beiden Entscheidungen gibt es aber nur die Leitsätze, die doch rechtlangen Begründungen dann bitte ggf. in den verlinkten Volltexet selbst nachlesen.

Also:

1. Der Wortlaut des § 130 Abs. 3 StGB ist allein auf die Billigung, Leugnung und Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Taten nach § 6 Abs. 1 VStGB bezogen und umfasst damit den Völkermord, nicht aber die weiteren dem Völkermord vorangegangenen Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden unter dem nationalsozialistischen Unrechtsregime.

2. Die Verwendung eines verfremdeten sogenannten Judensterns als Kritik an der Situation ungeimpfter Personen unter den Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (sogenannter Ungeimpft-Stern) verwirklicht nicht den Tatbestand einer Volksverhetzung nach § 130 Abs. 3 StGB, wenn die Verwendung dieses Zeichens nach den tatrichterlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Maßnahmen der Ausgrenzung, Schikanierung und Rechtlosstellung von Juden bezogen zu verstehen ist, nicht aber auf den an ihnen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermord.

1. Es ist fraglich, ob es sich dem Slogan „from the river to the sea – Palestine will be free“ um ein Kennzeichen im Sinne des § 86a StGB handelt. Jedenfalls ermangelt es an einem hinreichenden Verdacht dahingehend, dass es sich hierbei um ein solches der HAMAS handelt.

2. Zur Strafbarkeit der Verwendung des Slogans „from the river to the sea – Palestine will be free“ “ (hier verneint)

StGB II: Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz, oder: Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen

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Und dann hier der BGH, Beschl. v. 28.05.2024 – 6 StR 158/24 -, der sich zu den Erforderlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das GewG äußert.

Das LG hat hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zuwider gehandelt zu haben, weil er die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine  Revision hatte Erfolg:

„Das Landgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zur rechtlichen Wirksamkeit der einstweiligen Gewaltschutzanordnung getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass es dem Angeklagten durch einstweilige Anordnungen des Amtsgerichts Zerbst vom 3. Februar 2021 und 12. August 2021 untersagt war, zu der Nebenklägerin und der Nebenklägervertreterin „Verbindung, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen“. Hiergegen verstieß der Angeklagte, indem er diesen drei Briefe übersandte. Die Annahme einer rechtswidrigen Tat nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt jedoch voraus, dass das Strafgericht selbst die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei eigenständig deren tatbestandliche Voraussetzungen ohne Bindung an die amtsgerichtliche Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2013 – 3 StR 40/13 , BGHSt 59, 94 ; vom 15. März 2017 – 2 StR 270/16 ; vom 21. März 2023 – 6 StR 19/23 ,StV 2024, 124). Dies ist nicht geschehen.

Zudem belegen die Feststellungen nicht, dass die getroffenen Anordnungen des Familiengerichts im Sinne des § 4 Satz 1 GewSchG schon „vollstreckbar“ waren. Dies setzt grundsätzlich die Zustellung der Entscheidung nach § 87 Abs. 2 FamFG voraus (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2007 – 5 StR 536/06 , BGHSt 51, 257 ; Beschluss vom 3. Februar 2016 – 1 StR 578/15 , NStZ-RR 2016, 155); die bloße Kenntnis des Angeklagten vom Inhalt der Anordnung steht dem nicht gleich (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2012 – 4 StR 122/12 , NStZ 2013, 108; vom 5. Mai 2020 – 4 StR 137/20 ). Außerdem kann die Zulässigkeit der Vollstreckung auch nach § 53 Abs. 2 Satz 1 oder § 216 Abs. 2 FamFG angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 4 StR 122/12 , NStZ 2013, 108 [BGH 04.09.2012 – 1 StR 534/11] ; BeckOGK/Schulte-Bunert, GewSchG, 1. April 2024, § 4 Rn. 7). Feststellungen zum Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen enthält das Urteil indes nicht.“

StGB I: Gefährlicher Eingriff in Straßenverkehr, oder: Schuss trifft „Stirnseite des vorwärts bewegten Pkws“

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Und dann geht es weiter, heute mit StGB-Entscheidungen, und zwar zweimal BGH und je einmal OLG bzw. LG.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 23.04.2024 – 4 StR 87/24 – mal wieder zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315b StGB). Das LG hatte den Angeklagten u.a. auch gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt. Dagegen die Revision, die keinen Erfolg hatte:

„1. Auch der Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat im Ergebnis Bestand. Der vom Generalbundesanwalt insoweit beantragten Abänderung des Schuldspruchs in eine Versuchtstat ist der Senat nicht gefolgt.

a) Das Landgericht hat – soweit hier von Bedeutung – folgende Feststellungen getroffen: Am Morgen des 3. Februar 2018 entriss der Angeklagte, der eine scharfe Schusswaffe bei sich führte, der Ehefrau des ebenfalls anwesenden Geschädigten vor ihrem Wohnhaus in R. gewaltsam einen Koffer mit über drei Kilogramm Goldschmuck. Sodann flüchteten der Angeklagte und seine Mittäter mit einem Kraftfahrzeug vom Tatort. Der Geschädigte nahm mit seinem Pkw Land Rover Discovery sogleich die Verfolgung der Täter auf, um seinen Goldschmuck zurückzuerlangen. Auf der vielbefahrenen Bundesautobahn 4 kam es zu einer Kollision beider Fahrzeuge, indem der Geschädigte auffuhr. Um ihn abzuschütteln, lehnte sich der hinten links sitzende Angeklagte aus dem Fenster des vorausfahrenden Täterfahrzeugs und gab einen Schuss in Richtung des Pkw des Geschädigten ab. Das Projektil traf zunächst die Motorhaube auf der Fahrerseite des Land Rovers und prallte sodann an dessen Windschutzscheibe ab. Beide Fahrzeugteile wurden hierbei beschädigt. Der Angeklagte gab keinen weiteren Schuss ab, obwohl er die Möglichkeit hierzu gehabt hätte. Die Verfolgungsfahrt endete schließlich in einem Wendehammer im Kölner Stadtgebiet. Im Anschluss vermochte der Geschädigte die Tatbeute zurückzuerlangen.

b) Nach diesen Feststellungen hat sich der Angeklagte auch wegen eines vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar gemacht.

aa) Die Strafkammer hat allerdings zu Unrecht § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht gesehen. Zwar ist das Fahrzeug des Geschädigten infolge der Schussabgabe durch den Angeklagten beschädigt worden. Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt aber voraus, dass durch die Beschädigung eines fremden Fahrzeugs die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt worden ist. Die Beschädigung des Fahrzeugs muss mithin das Mittel der Gefährdung gebildet haben und dieser also zeitlich und ursächlich vorausgehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 26. Juli 2011 – 4 StR 340/11 Rn. 5; Urteil vom 25. Mai 1994 – 4 StR 90/94 Rn. 6; Urteil vom 9. November 1989 – 4 StR 342/89 Rn. 8 f. mwN). Erschöpft sich die Beeinträchtigung hingegen – wie hier – in der Beschädigung des fremden Kraftfahrzeugs, scheidet die Anwendung von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus.

bb) Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte jedoch den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht.

(1) Dieser Tatbestand kann auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung (hier: Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Sachschäden am Kraftfahrzeug des Geschädigten) führt. Dies gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung oder auch Körperverletzung im Straßenverkehr ist tatbestandsmäßig im Sinne des § 315b StGB . Vielmehr gebietet der Schutzzweck insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 215/22 Rn. 4; Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 Rn. 17 f. mwN; Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 , BGHSt 48, 119, 124 ). Dies ist der Fall, wenn die konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2022 – 4 StR 215/22 Rn. 4; Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 Rn. 18; Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 349/17 Rn. 3; Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08 Rn. 6 f.).

(2) Nach diesen Maßgaben kann die Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr bestehen bleiben. Anders als in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen, in denen er ohne eingetretenen „Beinahe-Unfall“ eine verkehrsspezifische Gefahr durch Pistolenschüsse auf Kraftfahrzeuge verneint hat (vgl. BGH, Beschluss vom 30. August 2017 – 4 StR 349/17 ; Beschluss vom 16. Juli 2015 – 4 StR 117/15 ; Beschluss vom 4. November 2008 – 4 StR 411/08 ), traf der vom Angeklagten abgegebene Schuss nicht die Seitenfläche, sondern die Stirnseite des vorwärts bewegten fremden Pkws. Bei der Schadensentstehung wirkte die Dynamik des Straßenverkehrs hier zumindest dadurch gefahrerhöhend, dass im Auftreffen des Projektils zu dessen kinetischer Energie – anders auch als bei einem stehenden Fahrzeug als Ziel – jene Bewegungsenergie hinzukam, die mit der gegenläufigen Bewegung der Trefferfläche an dem nachfolgenden Kraftfahrzeug des Geschädigten verbunden war (vgl. auch zu Steinwürfen BGH, Urteil vom 9. Dezember 2021 – 4 StR 167/21 mwN). Dieser synergistische Effekt begründet ungeachtet der hohen Eigendynamik des auftreffenden Projektils unter den festgestellten Umständen die erforderliche, aber auch ausreichende innere Verbindung der eingetretenen konkreten Gefahr mit der Dynamik des Straßenverkehrs (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 – 4 StR 103/02 , BGHSt 48, 119, 124 f. ). Den Feststellungen kann zudem entnommen werden, dass dem Kraftfahrzeug des Geschädigten ein bedeutender Schaden drohte und der Angeklagte auch insoweit vorsätzlich handelte.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wann entsteht die „Adhäsionsverfahrensgebühr“?

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Am Freitag hat es geheißen: Ich habe da mal eine Frage: Wann entsteht die „Adhäsionsverfahrensgebühr“?

Auf die Frage hat es folgende Antwort gegeben:

Moin, nach Urlaubsrückkehr – auf dem kleinen Smartphonebildschirm schreibt es sich so schlecht 🙂 .

Die Nr. 4143 VV RVG ist eine Verfahrensgebühr, die alle Tätigkeiten abdeckt, also m.E. die von Ihnen  geschilderte. M.E. muss nicht in der Hauptverhandlung über etwaige Entscsheädigungsansprüche „gesprochen“ worden sein. Ich würde das wie bei der Nr. 4142 VV RVG sehen. Da reicht ja nach überwiegender Meinung auch, dass die Einziehung „nahe lag“.

Im Übrigen: Festsetzung beantragen, auf OLG Hamm ggf. hinweisen und sehen, was passiert.

Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden. „

Und ich nehme dann dieses Posting <<Werbemodus an>> mal wieder zum Anlass, um auf Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, hinzuweisen, den man hier bestellen kann. <<Werbemodus aus>>

beA II: Revisionsbegründung fristgerecht eingegangen?, oder: Augen auf bzw., wenn Verteidiger „Murks“ macht

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In diesem zweiten beA-Posting habe ich dann noch den BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 6 StR 86/24 -, den ich wegen der Begründung des BGH hier „allein“ vorstelle.

Es geht um den fristgerechten Eingang von elektronischen Dokumenten. Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Mit Beschluss vom 11.12.2023 hat das LG die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen. Die Verwerfung der Revision durch das LG beruht auf folgendem Verfahrensgang: Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 08.11.2023 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 04.12.2023 die zuvor form- und fristgemäß eingelegte Revision begründet und das Dokument am selben Tag mittels beA an das LG versandt. Das anschließend von seiner Softwareanwendung generierte Prüfprotokoll („beA-Nachricht XXX“) hat als Empfänger das LG Göttingen, als „Übermittlungscode“ die Zahlenfolge „9710“ und als „Meldetext“ die Mitteilung „Interner Fehler des Suppliers bei der Zertifikatsprüfung“ ausgewiesen. Die Spalten „OSCI-Nachrichten-ID“, „Zugegangen“ und „Übermittlungsstatus“ waren nicht ausgefüllt.

Seine Verwerfungsentscheidung hat das LG damit begründet, dass eine Revisionsbegründung bis zum Ablauf der Frist nach § 345 Abs. 1 StPO nicht beim LG eingegangen sei. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger die Entscheidung des Revisionsgerichts beantragt (§ 346 Abs. 2 StPO) und ausgeführt, dass der fristgerechte Zugang der Rechtsmittelbegründung vor dem Hintergrund des dem Antrag beigeschlossenen beA-Prüfprotokolls nicht zweifelhaft sein könne. Der BGH hat den Antrag des Angeklagten als zulässig, aber als unbegründet angesehen:

„2. Das Landgericht hat die Revision mit Recht als unzulässig verworfen. Die Revisionsbegründungsfrist wurde nicht gewahrt.

a) Nach § 32a Abs. 5 Satz 1 StPO ist ein elektronisches Dokument bei Gericht eingegangen, sobald es auf dem für dieses eingerichteten EmpfängerIntermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) gespeichert ist; unerheblich ist, ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. August 2023 – 3 StR 264/23 ; entsprechend zu § 130a Abs. 5 Satz 1 ZPO , Beschlüsse vom 8. März 2022 – VI ZB 25/20 ; vom 29. September 2021 – VII ZR 94/21 , NJW 2021, 3471 Rn. 9; vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 ; vom 30. März 2023 – III ZB 13/22 , NJW 2023, 1737 [BGH 30.03.2023 – III ZB 13/22] Rn. 10 mwN; siehe auch MüKo-StPO/Beller/Gründler/Kindler/Rochner, 2. Aufl., § 32a Rn. 45; BT-Drucks. 18/9416 S. 47). Die Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 Satz 2 StPO , die der Justizserver bei ordnungsgemäßem Zugang der Nachricht automatisch generiert und deren Inhalt von der Justizverwaltung dem Absender mittels strukturiertem Datensatz im XML-Format zur Verfügung gestellt wird (vgl. Fritzsche, NZFam 2022, 1, 6), soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Zutun von Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob die Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. September 2022 – XI ZB 14/22 , NJW 2022, 3715 Rn. 7 und vom 24. Mai 2022 – XI ZB 18/21 , NJW-RR 2022, 1069). Sie wird durch das beA-System in die gesendete Nachricht eingebettet und kann nach deren Öffnen vom Absender in der Nachrichtenansicht der beA-Webanwendung auf dem Computerbildschirm anhand des Meldetextes „Request executed“, dem Eingangsdatum und dem Übermittlungsstatus „Erfolgreich“ optisch wahrgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Mai 2022 – XI ZB 18/21 , NJW-RR 2022,1069 mwN).

b) Hier hat die Rechtsmittelbegründungsschrift den Empfänger-Intermediär nicht fristgerecht erreicht. Dies ist bereits aus dem vom Verteidiger vorgelegten beA-Prüfprotokoll erkennbar. Es fehlt die eine erfolgreiche Verbindung ausweisende „OSCI-Nachrichten-ID“ und das vom Empfänger-Intermediär bestätigte Eingangsdatum („Zugegangen“). Der fehlende erfolgreiche Kontakt zum Empfänger-Intermediär wird ferner belegt durch die vom Senat eingeholte – dem Verteidiger und dem Angeklagten zur Stellungnahme übersandte – Auskunft des Projektbüros der Bund-Länder-Kommission, Arbeitsgruppe IT-Standards in der Justiz vom 25. März 2024. Hiernach weist auch der im beA-Prüfprotokoll ausgewiesene „Übermittlungscode 9710“ aus, dass es zu keinem Kontakt zum EmpfängerIntermediär kam. Eine Eingangsbestätigung nach § 32a Abs. 5 StPO wurde deshalb nicht generiert.“

Dazu sind m.E. drei Punkte anzumerken:

1. Ich verstehe nicht, wieso der Verteidiger bei dem technischen Verfahrensablauf von einem rechtzeitigen Eingang seiner Revisionsbegründung ausgehen konnte bzw. ausgegangen ist. Da hätte doch ein einfacher Blick in das beA-Prüfprotokoll gereicht. Also: Augen auf.

2. Ebenso wenig verstehe ich, warum nicht, als der Angeklagte/Verteidiger Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss des LG hatte, sofort ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden ist. Das hätte zu dem Zeitpunkt ggf. Erfolg gehabt, wenn es zutreffend begründet worden wäre. Dazu hätte gehört, dass entweder vorgetragen (oder offenkundig gewesen) worden wäre, wann der Angeklagte Kenntnis vom Verwerfungsbeschluss der Strafkammer genommen hat, der ihm formlos bekannt gemacht worden ist. Jetzt ist es jedenfalls zu spät, zumal die erforderlichen Angaben nicht dargelegt und auch nicht Glaubhaftmachung gemacht waren.

3. Und: Mehr als „deutlich“ im Hinblick auf die „Verteidigerleistung“ ist dann der abschließende Satz des BGH: „Anhaltspunkte für einen ausnahmsweise zur Wiedereinsetzung von Amts wegen nötigenden „offenkundigen Mangel“ der Verteidigung (vgl. EGMR NJW 2003, 1229; BGH, Beschl. v. 12.1.2021 – 3 StR 422/20, NStZ-RR 2021, 112; v. 7.8.2019 – 3 StR 165/19, NStZ-RR 2019, 349; v. 5.6,2018 – 4 StR 138/18, BGHR MRK Art. 6 III Buchst. c Beschränkung 3) liegen noch nicht vor.“ Deutlicher kann man subtil kaum zum Ausdruck bringen, dass der Verteidiger hier wohl „Murks gemacht“ hat. Aber für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen wohl nicht Murks genug.