Archiv der Kategorie: Hauptverhandlung

Pflichti II: Immer wieder Pflichtverteidigerwechsel, oder: Der nicht besuchte Mandant

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Im zweiten „Pflichti-Posting“ des Tages dann einige Entscheidungen zum Pflichtverteidigerwechsel.

Zunächst weise ich auf den BGH, Beschl. v. 25.08.2023 – 5 StR 350/23 – hin. Der bringt aber nichts Neues, sondern bestätigt nur noch einmal die Rechtsprechung des BGH. es gilt:

Eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses gemäß § 143a
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 StPO ist vom Standpunkt eines vernünftigen und ver-
ständigen Angeklagten aus zu beurteilen und muss vom Antragsteller substanti-
iert dargelegt werden.

In den beiden nächsten Entscheidungen geht es ebenfalls um einen Pflichtverteidigerwechsel. Begründet worden ist der der Antrag damit, dass die bisherige Pflichtverteidigerin den Mandanten nicht (oft genug) besucht habe. Das LG Magedeburg lehnt im LG Magdeburg, Beschl. v. 10.08.2023 – 2 Ks 2/23 – ab. Zur Entscheidung passt folgender Leitsatz:

Eine Störung des Vertrauensverhältnisses ist aus Sicht eines verständigen Angeklagten zu beurteilen und von diesem oder seinem Verteidiger substantiiert darzulegen. Insoweit kann von Bedeutung sein, wenn ein Pflichtverteidiger zu seinem inhaftierten Mandanten über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht in Verbindung tritt. Dass der Pflichtverteidiger den Angeklagten jedoch nicht so oft besucht hat, wie es sich dieser gewünscht hätte, ist aber kein Grund nach § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO und kann eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses nicht begründen.

Dagegen ist Beschwerde eingelegt worden. Es überrascht mich nicht, dass das OLG Naumburg die im OLG Naumburg, Beschl. v. 04.09.2023 – 1 Ws 326/23 – das Rechtsmittel verworfen worden ist; OLG Naumburg eben 🙂 . Da passt folgender Leitsatz:

Für die Störung des Vertrauensverhältnisses zum Pflichtverteidiger kann  von Bedeutung sein, wenn ein Pflichtverteidiger zu seinem inhaftierten Mandanten über einen längeren Zeitraum überhaupt nicht in Verbindung tritt. Allerdings liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Beschuldigten Kontakt hält. Die unverzichtbaren Mindeststandards müssen aber gewahrt sein.

M.E. sind beide Entscheidungen unter Berücksichtigung der besonderen Verfahrenssituation falsch. Es steht die Begutachtung des Mandanten an. Da reicht es nicht, den Mandanten anzuschreiben. M.E. muss sich der Pflichtverteidiger dann mal bewegen und den Mandanten, der sich nicht meldet, besuchen. Im Übrigen liegt die Formulierung mit dem „Kindermädchen“ im LG-Beschluss völlig neben der Sache.

StPO II: Besetzung der kleinen Strafkammer, oder: Kommissarische Besetzung mit „Hilfsrichter“

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Die zweite Entscheidung ist auch eine „Besetzungssache“, und zwar der KG, Beschl. v. 30.06.2023 – 3 ORs 37/23 – 161 Ss 76/23  – zur Frage der Zulässigkeit der kommissarischen Besetzung einer kleinen Strafkammer bei (sog. Ersatz-) Erprobung. Das KG hat die Revision des Angeklagten gegen seine Verurteilung wegen Betruges verworfen

Zu der Besetzungsfrage führt das KG aus:

„3. Einer vertieften Erläuterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge.

Die Beanstandung, die Strafkammer sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), ist jedenfalls unbegründet. Das dem Senat unterbreitete Verfahrensgeschehen offenbart namentlich keinen Verstoß gegen § 21f Abs. 1 i. V. m. § 76 Abs. 1 Satz 1 2. Var. GVG, wonach bei den kleinen Strafkammern ein Vorsitzender Richter (vgl. § 19a DRiG) den Vorsitz führt. Zwar hatte den Vorsitz hier kein Vorsitzender Richter am Landgericht inne, sondern eine Richterin am Amtsgericht als so genannte Hilfsrichterin. Dies erweist sich indes als nicht verfahrensfehlerhaft, weil es hierfür ein unabweisbares, rechtlich begründetes Bedürfnis gab (vgl. BVerfGE 14, 156; BGHZ 162, 333; KG NStZ 2018, 491). Ein solches ist z. B. gegeben, wenn für eine planmäßig endgültige Anstellung als Richter in Betracht kommende Assessoren auszubilden sind, wenn vorübergehend ausfallende planmäßige Richter, deren Arbeit von den im Geschäftsverteilungsplan bestimmten Vertretern neben den eigenen Aufgaben nicht bewältigt werden kann, vertreten werden müssen, wenn ein zeitweiliger außergewöhnlicher Arbeitsanfall aufzuarbeiten ist oder aber, wenn planmäßige Richter unterer Gerichte an obere Gerichte abgeordnet werden, um ihre Eignung zu erproben (vgl. BVerfGE 14, 156 [Rn. 17]). Nach den mitgeteilten Verfahrenstatsachen und namentlich aufgrund des den Revisionsführerinnen bekannten Vermerks des Präsidenten des Landgerichts Berlin war letzteres hier der Fall. Die Richterin war für die Dauer eines Jahres, beginnend am 1. Januar 2022, vom Amtsgericht an das Landgericht abgeordnet und hierfür mit der Leitung einer kleinen Strafkammer betraut worden. Da die Abordnung – durch eine dreimonatige Abordnung zum Verfassungsgerichtshof – unterbrochen worden war, wurde sie um diesen Zeitraum bis zum 31. März 2023 verlängert. Wie oben ausgeführt, können zur Eignungserprobung abgeordnete Richter als Ausnahme zu § 21f GVG den Vorsitz kleiner Strafkammern führen.

Es liegt auch kein Fall einer unangemessenen, übermäßigen oder gar missbräuchlichen Ausübung dieser Grundsätze vor. Solches ist in der durch die Revisionsführer vielfach zitierten Entscheidung des Kammergerichts vom 14. Dezember 2017 (NStZ 2018, 491) angenommen worden. Dort allerdings stand nicht nur eine außerordentlich lange, nämlich mehr als fünfjährige Vakanz des Vorsitzes in Rede, die den Vorsitz kommissarisch führende Person wurde auch gar nicht im Rahmen einer Erprobung, die sie im Zeitpunkt der Hauptverhandlung tatsächlich bereits erfolgreich abgeschlossen hatte, verwendet. Der entschiedene Fall unterscheidet sich damit substantiell von dem hier unterbreiteten und zu bewertenden Verfahrensgeschehen, in welchem die Strafkammer bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 in Übereinstimmung mit § 21f GVG besetzt war und nunmehr für die Dauer eines Jahres im Rahmen einer Eignungserprobung kommissarisch von einer Richterin am Amtsgericht geleitet werden sollte.

Zwar ist anerkannt, dass auch bei den an sich rechtlich gebilligten Ausnahmen vom gesetzlichen Grundsatz des § 21f Abs. 1 GVG die Verwendung von Hilfsrichtern dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Arbeitslast des Gerichts deshalb nicht bewältigt werden kann, weil es unzureichend mit Planstellen ausgestattet ist oder weil die Justizverwaltung es verabsäumt hat, offene Planstellen binnen angemessener Frist zu besetzen (vgl. BVerfG BVerfGE 14, 156). Dass dies hier der Fall war, wird durch die Revisionen nicht behauptet, und es liegt auch in tatsächlicher Hinsicht fern. Denn die kommissarische Besetzung beruhte gerade nicht auf einem strukturellen personellen Engpass, sondern war Ausfluss einer auch in der Justiz erforderlichen geordneten Personalplanung und -entwicklung. Dass die Abordnung unter dem Gesichtspunkt der Erprobung ungeeignet, dysfunktional oder gar rechtswidrig gewesen sein könnte, wird durch die Revisionen gleichfalls nicht behauptet. Zwar dürfte die obergerichtliche Erprobung, die hier zugleich in der Gerichtsverwaltung (Leitung der Pressestelle Moabit) und im Bereich der Rechtsprechung des Landgerichts erfolgte, eher Ausnahmecharakter gehabt haben. Sie steht aber als so genannte Ersatzerprobung in Übereinstimmung mit den Verwaltungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung (lit. A Nr. 2 Satz 2 ErprobungsAV vom 5. Dezember 2007). Auch gegen die – in der Summe – einjährige Dauer der Abordnung und kommissarischen Übertragung des Vorsitzes ist nichts zu erinnern, zumal, wie die Revisionen unter Bezug auf den Geschäftsverteilungsplan zutreffend vortragen, das Rechtsprechungspensum der Richterin nur „0,4“ betrug.

Die Strafkammer war damit ordnungsgemäß besetzt, und auch die diesbezüglich in beiden Revisionen erhobene Verfahrensrüge bleibt ohne Erfolg.“

StPO I: Unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung, oder: Hohe Anforderungen an die Begründung

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Heute dann StPO-Entscheidungen. Die kommen aber nicht vom BGH, sondern „aus der Instanz“.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.08.2023 – 2 OLG 53 Ss 80/22 – zu den mit der unterjährigen Änderung des Geschäftsverteilungsplans zusammenhängenden Fragen.

Der – erfolgreichen Verfahrensrüge des Angeklagten liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:

„Die beim Landgericht am 4. August 2020 eingegangene Berufungssache wurde gemäß dem geltenden Geschäftsverteilungsplan (Vorschaltliste IV) zunächst der 8. Strafkammer zugewiesen (28 Ns 26/20) und von dem zuständigen Vorsitzenden dieser Strafkammer weiter gefördert. Unter dem 2. Dezember 2020 vermerkte der Vorsitzende, dass eine Terminierung im Jahr 2020 nicht mehr möglich und für Januar/Februar 2021 nicht zielführend sei, weil die 8. Strafkammer zum 1. Januar 2021 von einem anderen Vorsitzenden übernommen werden solle, der mitgeteilt habe, in seinem (anderen) Dezernat bereits bis Mitte März 2021 terminiert zu haben.

Durch Beschluss vom 29. März 2021 hat das Präsidium des Landgerichts den Vorsitz der 8. Strafkammer dem zum 1. April 2021 den Dienst beim Landgericht antretenden Vorsitzenden Richter am Landgericht pp. mit 20 % Arbeitskraftanteil zugewiesen und „angesichts der Neuübernahme des Vorsitzes (…) sowie des daraus resultierenden Erfordernisses eines Belastungsausgleichs zwischen der 8., der 7. und der 5. Strafkammer (…) eine Neuverteilung der Eingänge und eine Übernahme von Beständen“ angeordnet. Der Jahresgeschäftsverteilungsplan 2021 wurde mit Wirkung zum 1. April 2021 u.a. insoweit geändert, als der 7. Strafkammer der zum 31. März 2021 bei der 8. Strafkammer anhängige Bestand und der 8. Strafkammer lediglich näher bestimmte Neueingänge zugeteilt wurden.

Die vorliegende Berufungssache wurde sodann bis zur Urteilsverkündung von der gemäß dem geänderten Geschäftsverteilungsplan nunmehr zuständigen 7. Strafkammer geführt (27 Ns 23/21).

Zum Erfordernis eines Belastungsausgleiches hat die Präsidentin des Landgerichts die Verteidigung mit Schreiben vom 23. März 2022 darüber informiert, dass das Protokoll der Präsidiumssitzung vom 29. März 2021 mit Ausnahme der Beschlussfassung keine weiteren Erläuterungen in dieser Sache enthalte. Den Präsidiumsmitgliedern sei mit Anschreiben vom 19. März 2021 mitgeteilt worden, dass bei dem Vorschlag zu den kleinen Strafkammern die Übernahme des Vorsitzes der 8. Strafkammer mit 20 % Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden zugrunde gelegt worden sei und die Verschiebungen zur Zuständigkeit zwischen der 7. und 8. Strafkammer aus „der dann folgenden Überlast der 8. Strafkammer“ resultierten. Die weiteren Veränderungen in der 7. Strafkammer ergäben sich aus dem Belastungsausgleich (Neueingänge) im Vergleich zur 5. Strafkammer.“

Dem OLG reicht das so nicht. Wegen der Zulässigkeit verweise ich auf den verlinkten Volltext. zur Begründetheit führt das OLG aus:

2. Die Verfahrensrüge ist zulässig und begründet.

b) Die Rüge dringt auch in der Sache durch, weil der Präsidiumsbeschluss die Gründe für die Erforderlichkeit einer Übertragung des Berufungsverfahrens — zusammen mit den weiteren bei der zunächst mit der Sache befassten Strafkammer anhängigen Verfahren — auf eine andere Strafkammer nicht im erforderlichen Umfang dokumentiert hat und dadurch nicht hinreichend prüfbar ist, ob dem Angeklagten der gesetzliche Richter entzogen wurde (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Eine unterjährige Änderung des Geschäftsverteilungsplans, mit der bereits anhängige Verfahren übertragen werden, ist allein dann zulässig, wenn nur so dem Beschleunigungsgebot angemessen Rechnung getragen werden kann (BGH, Beschl. v. 12. Mai 2015 — 3 StR 569/14, NJW 2015, 2597). Dass dies der Fall war, vermag der Senat aufgrund der vorliegenden Dokumentation nicht zu erkennen.

aa) Das Präsidium darf die getroffenen Regelungen zur Geschäftsverteilung ausnahmsweise auch während des laufenden Geschäftsjahres ändern, wenn dies wegen der Überlastung eines Spruchkörpers nötig wird und nur auf diese Weise die Gewährung von Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit erreicht werden kann (§ 21 e Abs. 3 Satz 1 GVG); das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter ist dabei mit dem rechtsstaatlichen Gebot einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege und dem Beschleunigungsgrundsatz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen; § 21e Abs. 3 GVG lässt eine Änderung der Zuständigkeit für bereits anhängige Verfahren zu, sofern dies geeignet ist, die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen; Änderungen der Geschäftsverteilung, die hierzu nicht geeignet sind, können vor Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG keinen Bestand haben (BGHSt 58, 268, 270f.; BVerfG NJW 2005, 2689, 2690). Die betreffende Präsidiumsentscheidung unterliegt in der Revisionsinstanz insoweit nicht lediglich einer Willkürkontrolle, sondern ist auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BGH, Beschl. v. 10. Juli 2013 — 2 StR 160/13, NStZ 2014, 226; Urt. v. 21. Mai 2015 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288 Beschl. v. 17. Januar 2023 — 2 StR 87/22, zit. nach Juris Rdnr. 41 mwN).

Da die Übertragung einer bereits anhängige Strafsache auf einen anderen Spruchkörper erhebliche Gefahren für das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters in sich birgt, bedarf es insbesondere in diesen Fällen einer umfassenden Dokumentation und Darlegung der Gründe, die eine derartige Umverteilung erfordern und rechtfertigen, damit überprüfbar ist, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die nur ausnahmsweise zulässige Änderung der Geschäftsverteilung vorlagen, wobei die Begründung so detailliert sein muss, dass eine Prüfung der Rechtmäßigkeit möglich ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 2689; BGH, Beschl. v. 17. Januar 2023, aaO.; Karlsruher Kommentar/Diemer-StPO, 9. Aufl. § 21e GVG Rdnr. 15 mwN.). Sowohl der Grund für die Entlastung an sich („ob“) als auch das Erfordern für die konkrete Ausgestaltung der Entlastungsmaßnahme („wie) müssen stets im Beschluss des Präsidiums, einer darin in Bezug genommenen Überlastungsanzeige oder einem Protokoll der entsprechenden Präsidiumssitzung festgehalten werden (Karlsruher Kommentar, aaO. mwN.).

bb) Den danach geltenden Anforderungen wird der Präsidiumsbeschluss vom 29. März 2021 nicht gerecht, denn weder die Beschlussfassung noch das Protokoll der Präsidiumssitzung weisen eine näher dokumentierte Begründung dafür auf, warum infolge der mit dem Dienstantritt des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. vorgesehenen Neubesetzung der 8. Strafkammer ein „Belastungsausgleich“ zwischen den kleinen Strafkammern und mit Blick auf das Beschleunigungsgebot eine Übernahme des (gesamten) Bestandes durch die 7. Strafkammer zwingend erforderlich gewesen sein soll.

Eine ausreichende Begründung für die unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich auch der vom Senat erbetenen ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts vom 28. November 2022 zu den Gründen der Beschlussfassung des Präsidiums nicht entnehmen.

(a) Obgleich die Gründe für eine Umverteilung der Geschäfte grundsätzlich schon im Zeitpunkt der Präsidiumsentscheidung dokumentiert sein müssen (vgl. BGH, Urt. v. 9. April 2009 — 3 StR 376/08, NJW 2010, 625, 627; Urt. v. 21. Mai 2015 — 4 StR 577/14, NStZ-RR 2015, 288; BeckOK GVG/Graf, § 21e Rdnr. 21), ist eine Behebung von Begründungsmängeln noch im Revisionsverfahren möglich, da die zu einer Besetzungsrüge vorgetragenen Umstände grundsätzlich einer Überprüfung durch das Revisionsgericht im Wege des Freibeweises zugänglich sind und die Einschränkung, dass Mängel der Begründung nur noch bis zur Entscheidung über einen Besetzungseinwand erhoben werden können, nicht gelten, wenn das Landgericht nicht erstinstanzlich, sondern als Berufungsgericht mit der Sache befasst war und somit das für den Besetzungseinwand gemäß § 222b StPO geregelte Verfahren nicht zum Tragen kommt (vgl. zur Prüfung der Besetzungsrüge in der Revisionsinstanz nach altem Recht: BGH, Urt. v. 25 September 1975 — 1 StR 199/75, zit. nach Juris). Auch ist eine erläuternde Stellungnahme des Landgerichtspräsidenten zum erhobenen Besetzungseinwand nicht grundsätzlich ungeeignet, um dem Revisionsgericht die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Präsidiumsbeschlusses nach den durch das Bundesverfassungsgericht entwickelten verfassungsrechtlichen Kriterien zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 25. März 2015 — 5 StR 70/15, BeckRS 2015, 07394, Rdnr. 12).

(b) Nach der ergänzenden Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts zu den vom Präsidium erwogenen Gründen der Beschlussfassung hätte die vorgesehene Besetzung der 8. Strafkammer unter Einsatz des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. mit einem Arbeitskraftanteil von nur 20 % — gegenüber der bis dahin geltenden Besetzung mit einem Arbeitskraftanteil des für die Kammer bislang zuständigen Vorsitzenden von 40% — „bei gleichbleibenden Zuständigkeiten (…) dazu geführt, dass eine erhebliche Überlast sowohl des Richters als auch des Spruchkörpers vorgelegen hätte. Insbesondere die dort bereits anhängigen Verfahren hätten nicht in einem angemessenen Zeitraum und damit nicht mit der erforderlichen Effizienz bearbeitet werden können“. Angesichts der Bestände in der 7. Strafkammer (37 Verfahren) und der 8. Strafkammer (33 Verfahren) und der bisherigen Besetzung beider Kammern mit einem Vorsitzenden mit jeweils 40-prozentigem Arbeitskraftanteil sei dem Präsidium vorgeschlagen worden, die Bestände in der — fortan mit einem Vorsitzenden mit 80-prozentigem Arbeitskraftanteil zu besetzenden — 7. Strafkammer zu konzentrieren und der von Herrn     geleiteten 8. Strafkammer ausschließlich Neueingang zuzuweisen.

(c) Dieser Begründung für die Änderung der Geschäftsverteilung lässt sich bereits nicht entnehmen, warum überhaupt infolge des Dienstantritts des Vorsitzenden Richters am Landgericht pp. und dessen vorgesehenem Einsatz als Vorsitzender der 8. Strafkammer eine Entlastung des Spruchkörpers durch eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung geboten und erforderlich gewesen sein soll („ob“ der Entlastungsmaßnahme). Insbesondere ist nicht dargetan, warum die bislang geltende Besetzung durch einen Vorsitzenden mit 40 Arbeitskraftanteil nicht beibehalten werden konnte, sondern der Arbeitskraftanteil des Vorsitzenden der 8. Strafkammer nunmehr auf 20 % verringert werden musste. Hierzu teilt die Präsidentin des Landgerichts mit, es sei vorgeschlagen worden, dass Herr    pp. den Vorsitz der Strafvollstreckungskammer mit 80 % seiner Arbeitskraft übernehme, weil der bisherige Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer, der dort mit 20 % seiner Arbeitskraft eingesetzt war, bereits seit längerem darum gebeten habe, wieder ausschließlich im Zivilbereich eingesetzt zu werden, und dass „Beisitzer aus der Kammer ausschieden“. Dass diese weitreichenden, die Belastungssituation der 8. Strafkammer erst auslösenden Besetzungsänderungen innerhalb des laufenden Geschäftsjahres zur Gewährleistung der Effizienz der Verfahrensabläufe zwingend erforderlich waren, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.

Zu etwaigen Besonderheiten, die bei Dienstantritt eines Vorsitzenden Richters am Landgericht und dessen womöglich erstmaligem Einsatz als Strafkammervorsitzenden unter Umständen vorlagen und die im Einzelfall geeignet sein könnten, eine unterjährige Änderung der Geschäftsverteilung zu rechtfertigen (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 12. April 1978 — 3 StR 58/78, NJW 1978, 1444, 1445), verhalten sich weder die Dokumentation des Präsidiums, noch die  ergänzende Stellungnahme der Präsidentin des Landgerichts.

Darüber hinaus ist auch nicht dargelegt, weshalb aufgrund der — durch die Verringerung des Arbeitskraftanteils des Vorsitzenden erst verursachten — Belastung der 8. Strafkammer eine Verlagerung von bereits im Bestand der Kammer befindlicher Verfahren auf einen anderen Spruchkörper erforderlich und nicht mehr bis zum folgenden Geschäftsjahr aufschiebbar gewesen sein soll, nur hierdurch eine hinreichend beschleunigte Bearbeitung der bereits anhängigen Sachen gewährleistet gewesen sei und eine Anpassung des Geschäftsanfalls durch eine weitergehende Verringerung der Zuständigkeit für Neueingänge (als naheliegende Alternative) nicht ausgereicht habe (Dokumentationsmangel zum „wie“ der Entlastung). Die Präsidentin des Landgerichts hat hierzu lediglich ausgeführt, dass dem Präsidium vorgeschlagen worden sei, „die Bestände in einer Kammer zu konzentrieren“, was dazu geführt habe, dass „die von Herrn    geleitete Kammer ausschließlich für Neueingänge zuständig sein sollte, was unter Berücksichtigung der Arbeitskraftanteile sowohl in der Strafvollstreckungs-als auch in der Strafkammer vertretbar erschien“. Warum die damit vorgesehene „Bündelung der Bestandsverfahren“ in der Zuständigkeit der 7. Strafkammer und die damit verbundene unterjährige Umverteilung bereits anhängiger Verfahren notwendig und geeignet gewesen sein soll, um die Effizienz des Geschäftsablaufs zu erhalten oder wiederherzustellen, wird damit nicht nachvollziehbar dokumentiert; namentlich, ob nur auf diese Weise zu gewährleisten war, die Bestandsverfahren der 8. Strafkammer zeitnah zu fördern und in angemessener Zeit zu verhandeln bzw. abzuschließen.“

Revision III: Polizeiberichte zur Durchsuchung fehlen, oder: Aber – Hinweis auf Einziehung nicht erteilt

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Und dann habe ich zum Abschluss hier noch das BGH, Urt. v. 12.07.2023 – 6 StR 417/22 – mit einer teilweise erfolgreichen (!) Revision.

Das Landgericht hat den Angeklagten  wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt sowie die Einziehung eines mit einer Tennishalle bebauten Grundstücks, der auf dem Hallendach installierten Photovoltaikanlage und des Wertes von Taterträgen angeordnet. Die Revision hatte mit der Verfahrensrüge betreffend die Einziehung Erfolg.

Nach den Feststellungen des LG betrieben die einige Personen in einer leerstehenden Tennishalle des Angeklagten  eine Marihuanaplantage. In der Zeit von September 2020 bis Mai 2021 kam es zu einer Ernte und einer weiteren Anpflanzung. Wegen der ihm versprochenen Hallenmiete billigte den Anbau des Marihuanas zum gewinnbringenden Weiterverkauf und die Versorgung der Plantage mit Strom aus der auf dem Dach der Halle montierten Photovoltaikanlage; ferner unterstützte er beide Anbauvorgänge durch die Bereitstellung von Wohnraum für die Plantagenarbeiter, Transporttätigkeiten und das Überlassen von Gerätschaften.

Der BGH führt zu den Verfahrensrügen, die der Angeklagte erhoben hat, aus:

„2. Die zum Schuld- und Strafausspruch erhobenen Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Der Erörterung bedarf nur das Folgende:

Die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe die Erkenntnisse aus der Durchsuchung der Tennishalle rechtsfehlerhaft verwertet, ist unzulässig, weil das Revisionsvorbringen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt.

a) Danach sind im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau darzulegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden. Für den Revisionsvortrag wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen sind im Einzelnen zu bezeichnen und – in der Regel durch wörtliche Zitate beziehungsweise eingefügte Abschriften oder Ablichtungen – zum Bestandteil der Revisionsbegründung zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318, 319; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38 mwN). Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 105 StPO ist grundsätzlich nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn auch die polizeilichen Berichte über die Durchsuchungsmaßnahmen mitgeteilt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2022 – 5 StR 373/21, vom 16. Februar 2016 – 5 StR 10/16, StV 2016, 771, 772, vom 24. Januar 2012 – 4 StR 493/11 und vom 2. Dezember 2010 – 4 StR 464/10; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 23; MüKo-StPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 45).

b) Die Revision hat den in den Urteilsgründen mehrfach erwähnten polizeilichen Durchsuchungsbericht vom 10. Mai 2021 nicht mitgeteilt. Dies war hier nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn es ist für den Senat insbesondere mit Blick auf die zeitlichen Abläufe im Zusammenhang mit der Durchsuchung der Plantage nicht sicher erkennbar, ob die in den Urteilsgründen – in nicht gebotener Weise (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2022 – 6 StR 340/21) – dargestellten Verfahrenstatsachen die für die Verwertbarkeit der Durchsuchungserkenntnisse maßgebliche Beweislage vollständig wiedergeben. Dem Senat ist es daher verwehrt, die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung umfassend zu beurteilen und gegebenenfalls weitergehend zu prüfen, ob aus dem Verfahrensfehler im konkreten Fall ein Beweisverwertungsverbot folgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02, NJW 2006, 2684, 2686; BGH, Urteile vom 6. Oktober 2016 ? 2 StR 46/15, NStZ 2017, 367 Rn. 24, und vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289; Beschlüsse vom 27. November 2018 – 5 StR 566/18, NStZ-RR 2019, 94, 95, vom 16. Februar 2016 – 5 StR 10/16, aaO, und vom 30. August 2011 – 3 StR 210/11, NStZ 2012, 104 Rn. 9).“

Aber:

„Eine weitere Verfahrensbeanstandung des Angeklagten führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Einziehung der Photovoltaikanlage.

a) Der Angeklagte rügt zu Recht, dass er auf diese Rechtsfolge weder in der zugelassenen Anklage noch in der Hauptverhandlung hingewiesen wurde.

aa) Einem Angeklagten ist nach § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO in der Hauptverhandlung stets ein förmlicher Hinweis zu erteilen, wenn die zugelassene Anklage keinen Hinweis auf eine dort genannte Rechtsfolge enthält, wie etwa die Maßnahme der Einziehung von Tatmitteln (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB). Die Hinweispflicht gilt unabhängig davon, ob sich in der Hauptverhandlung im Vergleich zum Inhalt der Anklageschrift oder des Eröffnungsbeschlusses neue Tatsachen ergeben haben (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2020 – GSSt 1/20, BGHSt 66, 20).

bb) Der danach gebotene Hinweis wurde dem Angeklagten nicht erteilt. Insbesondere musste er nicht davon ausgehen, dass die Einziehung der auf dem Dach der Tennishalle installierten Photovoltaikanlage, die später der Versorgung der Marihuanaplantage mit Strom diente, schon aus ihrer Zubehöreigenschaft (§ 97 BGB) folgt. Denn Zubehör ist grundsätzlich rechtlich selbstständig; es unterliegt insoweit den für bewegliche Sachen geltenden Vorschriften, Zubehörstücke teilen daher nicht zwingend das rechtliche Schicksal der Hauptsache (vgl. MüKo-BGB/Stresemann, 9. Aufl., § 97 Rn. 42).

b) Auf diesem Rechtsfehler, der auch die zugehörigen Feststellungen erfasst (§ 353 Abs. 2 StPO), beruht die Einziehungsentscheidung. Denn es erscheint zumindest möglich, dass sich der Angeklagte erfolgreicher hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 14. April 2020 – 5 StR 20/19).“

News: Unzulässige Verfassungsbeschwerde zu Encro, oder: (Mal wieder) Nichts Neues vom BVerfG

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Ich hatte ja vorhin in dem ersten Tagesbeitrag auf die heute anstehende Entscheidung des BVerfG hingewiesen. Nun ist der BVerfG, Beschl. v. 09.08.2023 – 2 BvR 558/22 – dar. Und: Er ist enttäuschend. Und zwar sowohl für diejenigen, die „gegen EncroChat“ verteidigen, sondern vor allem auch für diejenigen,die sich vom BVerfG eine Klärung der Frage der Verwertbarkeit erhofft hatten. Denn das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des LG Rostock und gegen den BGH, Beschl. v. 08.02.2022 – 6 StR 639/21 – nicht zur Entscheidung angenommen, weil nicht ausreichend begründet.

Ich verweise wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur die Zusammenfassung des BVerfG in der PM ein. Da heißt es:

„Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh hat der Beschwerdeführer den Subsidiaritätsgrundsatz nicht gewahrt.

Danach soll der gerügte Grundrechtsverstoß nach Möglichkeit schon im fachgerichtlichen Verfahren beseitigt werden. Im Strafverfahren verlangt der Grundsatz der Subsidiarität von einem Beschwerdeführer, der seine Grundrechte durch Verstöße des Tatgerichts verletzt sieht, diese im Revisionsverfahren so zu rügen, dass das Revisionsgericht in eine sachliche Prüfung der Rüge eintritt.

Vorliegend hat der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 7 und Art. 8 GRCh nicht in zulässiger Weise mit der Revision gerügt. Er hat im Revisionsverfahren zu den Verfahrenstatsachen nicht ausreichend vorgetragen, um dem Revisionsgericht den Eintritt in die sachliche Prüfung der Beweisverwertung zu ermöglichen. Seinem Revisionsvortrag fehlt es insoweit an der Vorlage der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Aktenteile.

2. In Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht substantiiert dargetan.

Ein Rechtsuchender kann seinem gesetzlichen Richter dadurch entzogen werden, dass ein Gericht die Verpflichtung zur Vorlage an ein anderes Gericht außer Acht lässt. Die Nichteinleitung eines Vorlageverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kann eine der einheitlichen Auslegung bedürftige Frage des Unionsrechts der Entscheidung des gesetzlichen Richters – des Gerichtshofs der Europäischen Union – vorenthalten und damit das Ergebnis der Entscheidung beeinflussen. Für die unionsrechtliche Zuständigkeitsvorschrift des Art. 267 Abs. 3 AEUV prüft das Bundesverfassungsgericht nur, ob die Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsregel des Art. 267 Abs. 3 AEUV bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist.

Eine solche Konstellation vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen. Es ist anhand des Beschwerdevortrags nicht erkennbar, dass der Bundesgerichtshof in unvertretbarer Weise von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen hat. Die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union war offensichtlich nicht entscheidungserheblich. Die Beantwortung von europarechtlichen Fragen zur Rechtmäßigkeit der Erhebung, Übermittlung und Verwertung von EncroChat-Daten konnte keinen Einfluss auf die Revisionsentscheidung nehmen, weil der Bundesgerichtshof über die Rechtmäßigkeit der Beweisverwertung vorliegend nicht zu entscheiden hatte. Denn der Beschwerdeführer hat die Beweisverwertung durch das Landgericht mit der Revision nicht in zulässiger Weise gerügt.

3. Über die mit der Verwertbarkeit der EncroChat-Daten verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen ist damit in der Sache nicht entschieden.“

Entscheidend ist der letzte Satz: „…. in der Sache nicht entschieden.“. Die Frage der Verwertbarkeit bleibt also weiterhin (verfassungsrechtlich) offen. Allerdings sind derzeit fünf weitere Verfassungsbeschwerden zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten noch anhängig, und zwar 2 BvR 684/22, 2 BvR 1832/22, 2 BvR 2143/22, 2 BvR 64/23 und 2 BvR 1008/23). Nicht zur Entscheidung angenommen sind übrigens mit sieben weiteren, nicht veröffentlichten Beschlüssen vom 09.08.2023 die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren a BvR 2005/22, 2 BvR 2022/22, 2 BvR 2024/22, 2 BvR 2025/22, 2 BvR 2048/22, 2 BvR 594/23 und 2 BvR 867/23. Wegen der noch offenen Verfassungsbeschwerden geht das Warten also weiter. M.E. ein zumindest unschöner Zustand. Ich erinnere aber nur an das Verfahren 2 BvR 1167/20 – Stichwort: Rohmessdaten. Da hat das BVerfG letztlich auch gekniffen und hat sich auf die Unzulässigkeit zurückgezogen. Das scheint der „neue Weg“ zu sein.

Und: Mit dieser Entscheidung ist der Weg zum EuGH/EGMR „aufgegraben“.