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BVerfG II: Karlsruhe locuta, causa „Encro“ finita? oder: BVerfG segnet BGH-Rechtsprechung zu EncroChat ab

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Und dann als zweite Entscheidung vom BVerfG der BVerfG, Beschl. v. 01.11.2024 – 2 BvR 684/22 – mit dem das BVerfG zur EncroChat-Rechtsprechung des BGH Stellung nimmt und die abgesegnet hat.

Es ging um den BGH, Beschl. v. 02.03.2022 – 5 StR 457/21 – über den ich auch berichtet hatte (vgl. Außer der Reihe: Volltext zum 5. Ss des BGH zu Encro, oder: Daten sind verwertbar – mich wundert das nicht). Dagegen ist Verfassungsbeschwerde eingelegt worden, die das BVerfG nun zurückgewiesen hat.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Es sieht weder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter; insoweit bitte selbst lesen. Im Übrigen führt es aus:

„3. Unabhängig davon weist die Kammer darauf hin, dass auf der Grundlage der vom Bundesgerichtshof festgestellten, im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren wie dargelegt maßgeblichen Verfahrenstatsachen eine Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers nicht ersichtlich ist. Insoweit sei insbesondere angemerkt:

a) Unmittelbare Prüfungsgegenstände der Verfassungsbeschwerde sind das Urteil des Landgerichts Hamburg und der Beschluss des Bundesgerichtshofs. Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen die Verwertung der aus Frankreich zur Verfügung gestellten EncroChat-Daten, soweit sie den Beschwerdeführer betreffen. Die Frage der Verwertung von im Wege der Rechtshilfe erlangten Beweismitteln ist nach nationalem Recht zu beurteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u.a., C-511/18, C-512/18, C-520/18, EU:C:2020:791, Rn. 222; Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Das gilt auch für Erkenntnisse, die mittels einer EEA gewonnen wurden (vgl. EuGH, Urteil vom 30. April 2024, M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 128). Maßstab für die Prüfung sind damit in erster Linie die Grundrechte des Grundgesetzes. Denn die Anwendung innerstaatlichen Rechts, das unionsrechtlich nicht vollständig determiniert ist, prüft das Bundesverfassungsgericht primär am Maßstab dieser Vorschriften (vgl. BVerfGE 152, 152 <169 Rn. 42 f.> – Recht auf Vergessen I).

b) Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG scheidet aus.

aa) (1) Die Verwertung personenbezogener Informationen in einer gerichtlichen Entscheidung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein (vgl. BVerfGE 34, 238 <245>; 80, 367 <376, 379 f.>; 106, 28 <39, 44>; 130, 1 <35>; BVerfGK 14, 20 <23>). Das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als besondere Ausprägungen unter anderem das Recht am eigenen Wort, das Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>; 54, 148 <153 f.>; 106, 28 <39>; 118, 168 <183 ff.>; 130, 1 <35>). Abhängig von der Art der in der strafgerichtlichen Entscheidung verwerteten Informationen kann ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild (vgl. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) oder in das Recht am eigenen Wort (durch die Wiedergabe einer Äußerung) vorliegen (vgl. BVerfGE 106, 28 <44>; 130, 1 <35>). Ist keine speziellere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen, greift die Verwertung von personenbezogenen Informationen jedenfalls in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dieses Recht gewährleistet die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 80, 367 <373>; 113, 29 <45 f.>; 115, 166 <187 f.>; 115, 320 <341>).

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nach Art. 2 Abs. 1 GG allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet. Beschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind zum Schutz überwiegender Allgemeininteressen zulässig, wenn sie durch oder auf Grundlage eines Gesetzes, das Voraussetzungen und Umfang der Beschränkung hinreichend klar umschreibt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, erfolgen (vgl. BVerfGE 65, 1 <44, 54>; 67, 100 <143>; 78, 77 <85>; 84, 239 <279 f.>; 92, 191 <197>; 115, 320 <344 f.>; 130, 1 <36>). Soweit Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung verwertet werden, ist eine Rechtfertigung des Eingriffs jedoch ausgeschlossen. Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung unterliegen einem aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden absoluten Beweisverwertungsverbot im Strafprozess (vgl. BVerfGE 109, 279 <324, 331 f.>; 120, 274 <337>).

(2) Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Beweisverwertung im Strafprozess ist § 261 StPO (vgl. BVerfGE 130, 1 <29 ff.>; so zuvor bereits ohne nähere Begründung BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats BVerfGK 17, 311 <314>). Für die Verwertung von Beweisen, die aus dem Ausland in ein deutsches Strafverfahren eingeführt wurden, gelten insoweit grundsätzlich keine Besonderheiten. Rechtmäßig erhobene oder in das Strafverfahren unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen eingeführte Informationen dürfen auf Grundlage des § 261 StPO grundsätzlich verwertet werden (vgl. BVerfGE 130, 1 <36 ff.>). Wurden Informationen rechtswidrig erlangt, besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz, wonach die Verwertung der gewonnenen Informationen stets unzulässig wäre (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 18, 193 <202 f.> m.w.N. zur ständigen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Welche Folgen ein Rechtsverstoß bei der Informationserhebung oder bei der Einführung von Informationen in ein Strafverfahren hat und ob aus dem Verstoß ein Beweisverwertungsverbot folgt, obliegt in erster Linie der Beurteilung durch die zuständigen Fachgerichte (vgl. BVerfGE 130, 1 <31>; BVerfGK 4, 283 <285>; 9, 174 <196>; 14, 107 <111>; 18, 193 <203>). Die strafgerichtliche Praxis geht in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist und dass die Frage nach dem Vorliegen eines Verwertungsverbots jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art der verletzten Vorschrift und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist (vgl. BVerfGK 14, 107 <111>; BGHSt 38, 214 <219 f.>; 44, 243 <249>; 51, 285 <289 f. Rn. 20>; vgl. auch Greven, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, vor § 94 Rn. 10 ff.). Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots stellt dabei eine Ausnahme dar, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist (vgl. BGHSt 40, 211 <217>; 44, 243 <249>; 51, 285 <290 Rn. 20>).

Hiergegen ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern (vgl. BVerfGK 9, 174 <196>; 16, 22 <27>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. März 2000 – 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, Rn. 10 f.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Juni 2005 – 2 BvR 1502/04 -, Rn. 8). Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbots eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen hat und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind (vgl. BVerfGK 18, 193 <203>). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222>; 122, 248 <272 f.>; stRspr). Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten (vgl. BVerfGE 113, 29 <61>; BVerfGK 18, 444 <449>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juli 1998 – 2 BvR 446/98 -, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, Rn. 26 f.). Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl. BVerfGE 34, 238 <245 f.>; 80, 367 <374 f.>; 109, 279 <324>).

bb) Die Würdigung des Bundesgerichtshofs im angegriffenen Beschluss, wonach die EncroChat-Daten keinem aus einem Verfahrensfehler abgeleiteten Beweisverwertungsverbot unterliegen, ist nach diesen Maßstäben verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Informationen aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung wurden im Urteil des Landgerichts nicht verwertet. Dass der Bundesgerichtshof die Verwertung der Informationen, deren Erhebung im Ausland den wesentlichen rechtsstaatlichen Grundsätzen im Sinne des deutschen und europäischen ordre public (vgl. Gleß/Wahl/Zimmermann, in: Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 6. Aufl. 2020, § 73 IRG Rn. 1 ff. mit umfassenden weiteren Nachweisen) nicht widerspricht, vor dem Hintergrund der von ihm vorgenommenen Abwägung der widerstreitenden Interessen davon abhängig macht, ob die Voraussetzungen der – nicht unmittelbar anwendbaren – § 100e Abs. 6, § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchstabe b StPO vorliegen, und dabei auf eine Betrachtung zum Verwertungszeitpunkt abstellt, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; der Bundesgerichtshof unterschreitet damit das verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit Gebotene jedenfalls nicht. Auch gegen die Annahme des Bundesgerichtshofs, die durch französische Behörden durchgeführte Beweiserhebung habe auch nicht gegen wesentliche rechtsstaatliche Grundsätze im Sinne des nationalen und europäischen ordre public verstoßen, ist auf der Grundlage des von ihm festgestellten Sachverhalts von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.“

Ich denke, damit dürfte die Diskussion um EncroChat und vergleichbare Messengerdienste allmählich zum Ende kommen. Besser wäre wahrscheinlich die Formulierung: „…. sollte….“.

Erfolgreiches Rechtsmittel gegen Ordnungsmittel, oder: Gibt es eine Kostenentscheidung?

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Im zweiten Posting geht es um den AG Koblenz, Beschl. v. 11.10.2024 – 30 AR 8/24 – und die Frage: Muss es im Beschwerdeverfahren des Ordnungsmittelverfahrens der StPO eine Kostenentscheidung geben. In der Rechtsprechung ist nicht abschließend geklärt, wer die notwendigen Auslagen eines erfolgreichen Rechtsmittels gegen eine Entscheidung in einem Ordnungsmittelverfahren der StPO trägt. Das AG Koblenz hat dazu nun Stellung genommen.

In dem Fall war im Ermittlungsverfahren war durch die Staatsanwaltschaft die zeugenschaftliche Vernehmung einer Zeugin durch eine Polizeidirektion angeordnet worden. Nachdem die Zeugin einer Ladung nicht nachgekommen war, erließ die Staatsanwaltschaft einen Vorführbefehl für die Zeugin und verhängte ein Ordnungsgeld von 200 EUR. Später wurde die Zeugin durch die Polizei persönlich zu Hause angetroffen und macht dann schließlich ihre Aussage. Die Staatsanwaltschaft hielt an ihrer Ordnungsgeldentscheidung fest und versuchte, diese in der Folge erfolglos zu vollstrecken. Sie beantragte dann, gegen die Zeugin Ordnungshaft festzusetzen. Daraufhin meldete sich der Rechtsanwalt für die Zeugin und beantragte Abweisung der beantragten Ordnungshaft und Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Ordnungsgeldentscheidung. Das AG hat die Ordnungsgeldentscheidung aufgehoben und den Antrag auf Ordnungshaft zurückgewiesen. Es hat zudem die Kosten des „Beschwerdeverfahren“ der Staatskasse auferlegt. Dazu sagt es:

„Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung bedarf (entgegen BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07, und BAG, Beschluss vom 20.08.2007, 3 AZB 50/05). Rechtsgrundlage für die Entscheidung ist der Rechtsgedanke aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 StPO, mittels dessen die planwidrige Lücke in der Prozessordnung geschlossen wird (Anschluss an BFH, st. Rspr., vgl. Beschluss vom 07.03.2007, X B 76/06).“

Ist m.E. richtig und wird im Übrigen, wenn man eine Zeugenvernehmung im Ermittlungsverfahren als eine Ermittlungsmaßnahme i.S. des § 473a StPO ansieht, durch die Regelung des § 473a StPO, der durch das 2. Opferrechtsreformgesetz eingeführt worden ist, bestätigt.

Und dann stellt sich die ebenso interessante Frage, wie der der den Zeugen vertretende Rechtsanwalt abrechnet.. Dazu gilt: Bei der Vertretung des Zeugen im „Beschwerdeverfahren“ handelt es sich um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, und zwar um „eine andere nicht in Nummer 4300 oder 4301 erwähnten Beistandsleistung“. Abgerechnet wird also nach Nr. 4302 VV RVG (s. auch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4301 VV Rn 10). Dabei wird man ggf. die Frage diskutieren können/müssen, ob nicht mehrere Angelegenheiten vorliegen, und zwar hier ggf. „Beschwerde“ gegen den Ordnungsgeldbeschluss und Antrag auf Abweisung des Ordnungshaftverfahrens. Voraussetzung ist aber, dass dem Tätigwerden des Rechtsanwalts jeweils ein Einzelauftrag zugrunde liegt (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV Rn 55 ff.).

StPO II: Mal wieder die richterliche Unterschrift, oder: Das „handschriftliche Gebilde“ reicht

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Als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des BayObLG. Und zwar hat sich das im BayObLG, Beschl. v. 19.11.2024 – 204 StRR 576/24 – noch einmal zu den Anforderungen an eine wirksame richterliche Unterschrift geäußert (nein, bitte keine „Urteilskommentare“ 🙂 ).

Gerügt worden war in dem Verfahren mit der Revision, dass weder der zugrunde liegende Strafbefehl, noch das Urteil und auch Verfügungen des Richters „ordnungsgemäß“ unterschrieben worden waren, dass also Prozesshindernisse bestehen. Das BayObLG hat das verneint:

„1. Prozesshindernisse liegen nicht vor.

Soweit der Angeklagte die fehlende Wirksamkeit des Strafbefehls und damit das Vorliegen eines Prozesshindernisses (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., Einleitung Rn. 145c) aufgrund einer nicht ausreichenden Unterschrift rügt, dringt er damit nicht durch.

Der Strafbefehl gemäß § 408 StPO, der die Funktion des Eröffnungsbeschlusses übernimmt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 411 Rn. 3), erfordert keine vollständige Unterschrift. Im Gegensatz zum Urteil (§ 275 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist die Unterschrift nicht zwingend vorgeschrieben. Es genügt daher ein Hand- oder Faksimilezeichen, falls sich daraus die Person des Richters zweifelsfrei ergibt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 409 Rn. 13; Gaede in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 409 StPO Rn. 36; KK-StPO/Maur, 9. Aufl. 2023, StPO § 409 Rn. 13; MüKoStPO/Eckstein, 2. Aufl. 2024, StPO § 409 Rn. 34).

Diesen Anforderungen wird die Unterzeichnung auf dem Strafbefehl auf jeden Fall gerecht. Es ist eine individuelle Zeichnung vorhanden, die den Anfangsbuchstaben des Nachnamens der unterzeichnenden Richterin erkennen lässt und die zudem noch mit dem gesondert aufgebrachten Namensstempel der Richterin versehen ist. Insoweit steht die Person der den Strafbefehl erlassenden Richterin zweifelsfrei fest.

2. Die Rüge der Verletzung des § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO, das Urteil sei durch den Richter nicht ordnungsgemäß unterzeichnet worden, bleibt erfolglos.

Entgegen der Auffassung des Angeklagten genügt der vorliegende Schriftzug den gesetzlichen und insbesondere den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die ordnungsgemäße Unterschrift eines Richters unter die Urteilsgründe.

Nach § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO hat der erkennende Richter das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Weitere Anforderungen an das Schriftbild der Unterschrift sieht das Gesetz nicht vor. Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich demnach aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Mit der Unterschrift beurkundet der Berufsrichter die Übereinstimmung der Urteilsgründe mit dem Beratungsergebnis (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO 67. Aufl., § 275 Rn. 19). Entsprechend diesem Normzweck kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unterschrift auch die Urheberschaft zu entnehmen ist. Auch wenn die Unterschrift, die aus dem Familiennamen des Unterzeichnenden zu bestehen hat, nicht lesbar sein muss, so muss sie ihren Urheber erkennen lassen. Steht die Urheberschaft – wie hier – außer Frage, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Akzeptanz einer unleserlichen Unterschrift ein großzügiger Maßstab anzuwenden und zwar auch wegen der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.04.2012 – VII ZB 36/10 –, juris Rn. 8 m.w.N., bezogen auf die Anforderungen an die Unterschrift eines Rechtsanwalts bei Einlegung einer Berufung). So ist es ausreichend, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann. Das setzt zwar voraus, dass mindestens einzelne Buchstaben zu erkennen sind, weil es sonst am Merkmal einer Schrift überhaupt fehlt. Jedoch ist es unschädlich, wenn der Namenszug nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist. Die Grenze individueller Charakteristik ist demgegenüber bei der Verwendung bloßer geometrischer Formen oder einfacher (gerader oder nahezu gerader) Linien überschritten (zum Ganzen: KG Berlin, Beschluss vom 01.09.2023 – 3 ORs 52/23 –, juris Rn. 10 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 19.07.2011 – III-1 RVs 166/11 –, juris Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 28.05.2003 – 1 ObOWi 177/03 -, juris Rn. 9).

Unter Zugrundelegung dieses von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes sind die Voraussetzungen einer wirksamen Unterzeichnung des Berufungsurteils hier gegeben.

Das handschriftliche Gebilde, mit dem der erkennende Richter das Urteil unterschrieben hat, steht für seinen Namen. Die Unterschriftsleistung, die dem Senat auch aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist, trägt individuelle Züge und zeigt charakteristische Merkmale auf, die es jemandem, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, ermöglicht, seinen Namen aus dem Schriftbild herauszulesen. Aus dem gegen den Uhrzeigersinn ersichtlich schwungvoll ausgeführten Bogen lässt sich der Groß- und Anfangsbuchstabens seines Nachnamens „C“ herauslesen. Der sich daran nahtlos anschließende nach unten verlaufende und geschwungene Abstrich steht erkennbar für den Rest des Familiennamens, der sich infolge häufiger Verwendung des Namenszuges bereits erheblich abgeschliffen hat. Bei Betrachtung des so entstandenen Gesamtgebildes sind in Ansehung des großzügig angebrachten Bogens – in Kenntnis des Namens des Richters – zudem die weiterhin in seinem Familiennamen enthaltenen Buchstaben „i“ und „g“ herauszulesen. Damit enthält der Schriftzug mehrere – wenn auch verkümmerte bzw. erst bei Gesamtbetrachtung des Gebildes herauslesbare – Buchstaben. In Fällen der – wie vorliegend – zweifelsfreien Urheberschaft ist dies ausreichend. Eine andere Deutung lässt sich auch vor dem Hintergrund ausschließen, dass die Nachahmung dieses Gebildes aufgrund seiner individuellen Proportionen und seines charakteristischen Schwunges, der erkennbar ohne Absetzen des Stiftes aufgebracht ist, schwerfallen dürfte und sich auch in Zusammenschau der vorliegenden Umstände keine Hinweise darauf ergeben, dass der Richter die Urschrift der Urteilsgründe nur mit einem Kürzel für den inneren Betrieb unterzeichnen wollte. Dies gilt umso mehr, als auch nicht unberücksichtigt gelassen werden darf, dass unter dem handschriftlich aufgebrachten Schriftzug der Name des erkennenden Richters in Druckbuchstaben eingefügt ist.

Dies gilt in gleichem Maße im Hinblick auf die Unterschriften auf den Protokollen über die Berufungshauptverhandlung und die Verfügung zur Zustellung des landgerichtlichen Urteils.“

StPO I: Neues vom BGH zum rechtlichen Hinweis, oder: Bei „besonderer Schuldschwere“ rechtlicher Hinweis?

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Und dann heute ein paar Entscheidungen aus der StPO.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 11.9.2024 – 3 StR 109/24,  – zur Frage der Erforderlichkeit eines rechtlichen Hinweises (§ 265 StPO), wenn es um die Schwere der Schuld geht.

Das LG hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Gesamtfreiheits-strafe verurteilt sowie die besondere Schwere der Schuld festgestellt. In rechtlicher Hinsicht hat das LG das festgestellte Tatgeschehen als Mord aus Habgier gemäß § 211 Abs. 2 Variante 3 StGB gewürdigt. In Abweichung zur ursprünglichen Anklage hat es hingegen das Mordmerkmal der Heimtücke (§ 211 Abs. 2 Variante 5 StGB) nicht angenommen. Die Inbrandsetzung einer Wohnung hat das LG als Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet. Neben der Verhängung einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe hat es die besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festgestellt.

Einen Hinweis auf die mögliche Feststellung der besonderen Schuldschwere gemäß § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB enthielt weder die Anklage noch der Eröffnungsbeschluss. Während der Hauptverhandlung wies der Vorsitzende den Angeklagten darauf hin, dass anstelle einer Verur-teilung wegen besonders schwerer Brandstiftung nach § 306a Abs. 1, § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB auch eine Verurteilung wegen Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht komme, nicht aber auf die Möglichkeit der Feststellung der besonderen Schuldschwere. Diese beantragten auch weder der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft noch der Nebenkläger-vertreter in ihren Schlussvorträgen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, der mit der Verfahrensrüge geltend macht, dass aufgrund der Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO eine Pflicht des LG be-standen habe, auf die Feststellung der besonderen Schuldschwere hinzuweisen. Er habe auf-grund der besonderen Umstände des Einzelfalls darauf vertrauen dürfen, dass § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht zur Anwendung komme. Der fehlende Hinweis sei zur genügenden Ver-teidigung erforderlich gewesen. Ferner ergebe sich die Hinweispflicht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Die Verfahrensrüge hatte keinen Erfolg. Die gesetzliche Hinweispflicht sei – so der BGH – nicht verletzt. Eine solche ergebe sich weder aus § 265 Abs. 1 noch aus § 265 Abs. 2 StPO, insbesondere nicht aus § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Auch eine analoge Anwendung der letztgenannten Vorschrift scheide aus. Ferner sei durch die Verfahrensweise des LG weder das Recht des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 3 Buchst. a und b EMRK) noch der Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt.

Dieses – m.E. auf der Hand liegende – Ergebnis – begründet der BGh umfangreich. Ich verweise wegen der Einzelheiten auf diese Begründung und stelle hier nur den Leitsatz (des BGH) ein:

Es besteht auch nach der Neufassung des § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO keine Pflicht des Tatge-richts auf die Feststellung der besonderen Schuldschwere hinzuweisen. Auch eine analoge An-wendung der Vorschrift scheidet aus.

Und zur „Abrundung“ noch einmal der Hinweis auf die „KO-Tropfen-Entscheidung“ des BGH, den BGH, Beschl. v. 8.10.2024 – 5 StR 382/24. In dem hat der BGH (noch einma) zum erforderlichen Vortrag zur Verfahrensrüge bei einer geltend gemachten Verletzung des § 265 StPO Stellung genommen.

OWi III: Wieder Ablehnung des Entbindungsantrags, oder: Keine Spekulationen, sondern nur Fakten

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Und im dritten Posting dann noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 26.11.2024 – 2 ORbs 172/24 – zum Dauerbrenner „Ablehnung des Entbindungsantrags“ des Betroffenen. Das ist ja auch so eine „Spielwiese“ der AG, auf der es an sich eingefahrene Regeln der OLG gibt, die aber immer wieder verletzt werden. So auch hier, was dann auf die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung führt(e):

„Der Betroffene hatte in der Hauptverhandlung beantragt, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden.

Der Antrag war rechtzeitig. Der Senat folgt der bei Göhler-Bauer, OWiG 19. Aufl., § 73 RN 4 in Fn 2 genannten Rechtsprechung.

Der Betroffene hatte über seinen Verteidiger die Fahrereigenschaft eingeräumt und erklärt, in der Hauptverhandlung keine Angaben zur Sache machen zu wollen. Wie angesichts dessen durch die Anwesenheit des Betroffenen eine Sachverhaltsaufklärung hätte erfolgen sollen, ist nicht ersichtlich. Die rein spekulative Annahme, der Betroffene könne sich möglicherweise doch äußern, genügt nicht. Da der Entbindungsantrag somit zu Unrecht zurückgewiesen und der Einspruch in der Folge verworfen worden ist, ist damit auch das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt worden (vgl. nur OLG Hamm NZV 10, 214).

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.“